Andreas Nagy: Der Schatz Rothschilds
Aus den Erzählungen des Milosch Lokitsch
Der Handelsdampfer„ Etoile", der von Marseille nach Smyrna abfuhr, war freilich ein alter Kasten; hier war feine Spur jener enormen Wintergärten, Gesellschaftsräume und Speisesäle, die den mächtigen Ozeanriefen zu einem bürgerlichen Schweizer Hotel de grapieren. Aber ich entfagte leichten Herzens jeder Bequemlichkeit, denn ich reifte im Heizraum, wo ich von früh bis spät Kohlen schippte und auf diese Weise mein Fahrgeld beglich, da ich nicht im Besige anderer Zahlungsmittel war.
Man sagt, die Reise von Marseille nach Smyrna sei eine schöne Fahrt, aber ich sah nichts davon, außer Kohlenstaub und Schmieröl. Mir, die armen, verrußten Leufel der Unterwelt, hatten feinerlei Möglichkeit der Unterhaltung. Etwas Abwechslung brachte, wenn die Passagiere der ersten Klasse aus Langerweile manchmal zu uns herunterstarrten, um ihren Reichtum durch den Anblick unferes Elends neu zu empfinden. Sie fahen zu, wie auf unseren nadten Körpern der Schweiß entlang lief, fprachen mit uns und warfen uns manchmal Zigarren oder Zigaretten zu.
Einmal mar gerade ein fräftiger, rothaariger, glattrafierter Herr an der Reihe. Er unterhielt sich mit mir französisch. Ich beantwortete feine obligaten Fragen mit Anstand, und als er die Meinung äußerte, daß es wohl hier unten neben dem Kessel ziemlich heiß sei, bejahte ich diese seine Ansicht: Er tönne sich vorstellen, welche Temperatur hier herschte, wenn das Thermometer an Ded dreißig Grad zeigte im Schatten bei Whisky und Soda.
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Aber wenn diese Unterhaltung auch ziemlich blöde war, wurde
haarige begnügte sich mit den Ueberbleibseln: fleinen Stein: trümmern, Schüsseln, Näpfen, Bronzebechern.
thren Spizhaden. Ich hatte keine Wahl, ich schlug also freudig ein, als er zwei englische Goldstücke auf den Tisch warf, als Angabe. Wir fuhren mit der Bahn und später auf Kamelsrüden bis zum Fuße des Berges Sinai.
Auf mein Ehrenmort, ich war sehr ergriffen, als ich zum erstenmal diefen biblischen Berg erblickte, auf welchem Moses seinerzeit eine pierzig Eage währende Konferenz mit Jehova gehabt hat. Aber nachdem ich diese fromme Erinnerung ausgekostet hatte, ver fluchte ich diesen schrecklichen Ort auf das Heftigste.
Er konnte gar nicht spoief aus dem Sanada gewinnen, wie Dieser Gegend mertte man an, daß die Geschichte hier ihr die amerikanischen Museen von ihm um teures Geld faufen watiten. größtes Schauspiel inszeniert hatte, um bann die Bühne von fich Denn jeßt wachsen in Amerika die neuen Weltstädte auf Schritt und zu werfen. mie ein Patet alter Spielfarten. Dieses Gebiet war fo Tritt aus der Erde, und es ist bekannt, daß fie in den Bereinigten unwirtlich und leblos, wie die ausgebrannte Asche eines verlassenen Staaten erst auf freiem Feld die Wege, Plätze und Kanäle anlegen, Herdes. Nicht nur die Bäume fehlten, auch feinen Grashalm gab später die Oper, Börse und das Museum erbaut wird und erstes, fomeit das Auge reichte. Nur Sand und Felsen und dazwischen dann die Bewohner durch Plakate und Reklametrics angelodt die zerbröckelten Grundmauern lange gestorbener Städte. Kein werden. Lüftchen regte sich, tein Wölkchen stand am Himmel, und unerbittlich brannte die Sonne.
Auch jetzt kam der Rothaarige herüber, um sein Barijer Baren: fager neu aufzufüllen. Er hatte sich vom Pascha von Anatolien das ausschließliche Grabrecht für ein großes Gebiet verschafft und machte mir den Vorschlag, ihn zu begleiten. Er wollte für meine Ber pflegung forgen und mir einen anständigen Taglohn zahlen. Ich würde ihm, als gebildeter Mensch, sicher nüßen können, denn die eingeborene Horde, die er zu den Ausgrabungen gewöhnlich mite nahm, fchädigte ihn mehr, als fie ihm nüßte. Bei jeder Gelegen heit brachten diese Burschen mit großem Klamaut etwa die blecherne Benzinschachtel irgendeines Ozeanfliegers angeschleppt, hingegen zer schlugen sie schonungslos die dreitausend Jahre alten Näpfe mit
Ich. erfuhr bald, wie die volle Verpflegung des Rothaarigen aussah. Mein Schlafzimmer war eine Pferdedecke, meine Nahrung bestand aus steinhartem Brot und ekelhaft lauwarmen Konserven. Das Wasser lieferte uns ein Araber per Maultier in einem Leberschlauch. Ich erhielt täglich eine schmalbemessene Bortion.
Natürlich besaß der Rothaarige ein tadellos eingerichtetes amerikanisches Belt, ein zusammenlegbares Feldbett, ein Luftkissen, und ich hatte ihn im Verdacht, daß auch ein paar Flaschen schottischer Whisky in seinem Riefenkoffer steckten, den brei Kamele hierher geschleppt hatten. ( Schluß folgt.)
ihr Ergebnis um ſo intereſſanter. Der rothaarige Herr entnahm John Henry Mackay :
nämlich seiner Tasche Upman- Zigarre und marf fie mir zu. Ich war schon immer ein großer Tabakamateur
eine Juno."
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( Schon gut!" brummte einer der Zuhörer. Hier hast du Ich habe es nicht darum erwähnt!" entgegnete Lokitsch be
scheiden, aber er nahm sie natürlich.)
Wie gesagt, ich war schon immer ein großer Tabakkenner, ich warf daher nur einen Blick auf die Zigarre und brummte zu= frieden vor mich hin:
,, Rnorfe!"
Der Rothaarige hörte es und antmortete auf gut berlinerisch: Watt denn, Mensch! Du bist ooch Berliner ?"
Ich wollte nicht für einen verkommenen Taglöhner gehalten werden, daher antwortete ich ihm lateinisch: ,, Sic transit gloria mundi!"
( Einer der Zuhörer fnurrte ärgerlich:
Idiot! Mit soviel Latein konntest du immer noch ein verkommener Taglöhner sein! Hättest du ihm wenigstens Birgil zitiert!") Auch dieses altbekannte Sprichwort erzielte die erwünschte Wirkung. Der Rothaarige fragte mich darüber aus, welch Miß geschid mich so tief hinabgestürzt hatte, dann perfprach er mir, daß er in Smyrna für mich forgen würde.
Bir waren faum in Smyrna angekommen, als er sein Gepäd eilig im Hotel ablub, dann feßten wir uns auf der Strohmatte eines fleinen türkischen Cafés zusammen. Ich erinnere mich nicht mehr genau auf feinen Namen, er hieß Bergström oder Grün berger oder ähnlich. Noch als junger Mensch war er von daheim durchgegangen, blindlings in die weite Welt hinaus. Nach vielen Abtenteuern fam er endlich so weit, daß er ein Vermögen erwarb und heute Inhaber eines blühenden Geſchäfts in der Rue Boetie in Baris war. Das alles hatte er feiner Leibentchaft für Ardo logie parbanten. Er nahm nämlich in feinafien auf feine eigene Kappe Ausgrabungen vor, in der syrischen Büfte.
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Es stimmt natürlich, daß alle aften fyrifchen Steinlöwen, Saufenfapitale und Brunnenbeden bereits im Britischen Museum. im Louvre und in den deutschen Museen liegen. Aber der Rob
Er kam von seinem Büro im Zentrum der Stadt, und ging mit seinen mühsamen Schritten die Linden hinunter, immer in der Mitte, und ohne sich umzusehen. Er war alt und grau, seine Kleidung abgetragen, wenn auch sauber, und er sah aus wie ein Mann, der mit den Dingen des Lebens abgeschlossen hat wie der aufgebrauchte Büroarbeiter mit 90 Mart monatlich, und acht Tagen Urlaub im Jahr, der er war, genau so sah er aus.
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In der Nähe des Tores bog er zum Bürgersteig ab und trat an ein Fenster der großen Kunsthandlung.
Seit 14 Tagen machte er jeden Abend diesen Weg und Halt vor diesem Fenster.
Denn eines Sonntags, als er aus dem Tiergarten gekommen mar, sah er in diesem Fenster ein Bild, das er seitdem nicht mehr vergessen konnte, so daß er jeden Tag hierher fam, um es zu sehen. Den ganzen Tag über freute er sich auf dieses Wiedersehen.
Gleich, als er sich heute abend dem Fenster näherte, fah er, daß es aus ihm verschwunden war. Er glaubte zuerst, es habe nur seine Auslage gewechselt. Aber es war wirklich fort. In dem einen hing eine große Schmiererei in Gelb und Grün. Das Gelbe war eine grafende Kuh und das Grün die Natur, in der sie breitbeinig stand. Aus dem anderen schaufelte eine nackte Frauensperson ihre üppigen Fleischmassen von zwei fila Bäumen aus dem Beschauer ins Gesicht, und lächelte ihn dabei einladend an. Das Bild war fort.
Der alte Mann wurde ganz unruhig. Er hatte sich so daran gewöhnt, dies Bild zu sehen, daß er nie auf den Gedanken ge= fommen war, es fönne eines Abends nicht mehr da sein.
Denn es war ihm eine Erinnerung gewesen, eine der wenigen Erinnerungen feines Lebens, in denen feine alten, müden und refignierten Gedanken noch wohnen tonnten...
Damats por einem Menjchenalter, als er noch jung und gesund, und baber noch offer Hoffnungen und Traune gewefen war, sich noch hinausfehnte in Fernen, die er nicht fame, lud ihn ein Freund zum Besuch in feine Heimat an der Oftfee auf einige ein Freund zum Besuch in feine Heimat an der Ditfee auf einige Bochen ein: in die alte Stabt mit den Wintelgassen und den spij:
Abdul Nasi: Die Straße der Wohlgerüche
Nacherzählt von Erna Bilfing
Im Sattlerbafar in Aleppo betrachten mein Freund und ich die wunderbare kunst der Sattler. Doch bei meinem Freund ist nicht nur das Auge gebannt, es ist auch seine Nase erfreut; denn bereits hier, zmeihundert Meter entfernt, genießt er die Straße der Wohlgerüche. Wir haben unseren Einkauf längst erledigt, aber mein Freund denkt nicht daran, nach Hause zu geben, ihn zieht es mit fast magischer Gewalt nach den Läden der Parfümhändler.
Wir gehen zu Hadsch Bekri, dem großen Kaufmann im Basar der Gerüche, gegenüber der berühmten Omajaden- Moschee. Es ist Der älteste tard( Barfümerieladen) in diesem Bajar. Unsern Gruß erwidert Hadsch Befri freundlich, phne sich zu erheben und ohne das Mundstück seiner Wasserpfeife aus dem Mund zu nehmen. Er bedient gerade zwei alte Frauen. Die eine will für ihre fiebernde Tochter eine Portion althewährter Kräuter, die andere hingegen will nur einen Gegenstand, der uns nicht weiter reizt, nämlich einen Befen. Der Kaufmann numint, ohne aufzustehen, mit der linken Hand au seiner großen Blechbose, die wohl einstmals Drops enthielt, die gewünschten Kräuter. Er reicht sie der Frau, gibt ihr die genaueste Gebrauchsanweisung und erhält als Gegengabe- fünf Bjennig.
Das berühmte Rosenöl hat es meinem Freund angetan. Wir faufen fünf Gramm Rosenöl für zwei Mart, das einer großen Flasche entnommen wird. Ein einziger Tropfen würde vollauf genügen, eine große Flasche Kölnisches Waffer mit Rosenduft zu Deiphen. Wenn wir bie tonzentrierte Form dieses Rosenols be denten, müssen wir eingestehen, daß wir recht billig gekauft haben. Unfer Rosenöl ist derartig scharf, daß es, direkt auf die Haut ge bracht, dort verheerend wirkt und schwere Brandwunden hinterfäßt. Auch als er uns bediente, brauchte Hadsch Befri nicht auf zustehen; denn die Flasche mit Rosenöl hat ihren Platz unterm Ladentisch. Hadsch Betri tann sie bequem mit seinem Arm erreichen.
Mein Freund betrachtet aufmerksamen Auges die vielen, vielen Schachteln mit allen möglichen Beschriftungen, die zahlreichen Dosen und die Flaschen aller Sorten. Er möchte nur schauen und schauen und zwischendurch seiner Nafe eine Wahltat erweisen. Er verspürt nicht die geringste Luft, den Laden zu verlassen.
Ich will meinem Freund einen Gefallen tun, unterhalte mich mit Hadsch Betri und frage ihn, ob er auch an dem Krimtrieg teilgenommen hat und sich noch an Ibrahim Pascha erinnert, der aus Aegypten in dieses Land eindrang und der Hohen Pforte viel zu schaffen machte. Inzwischen fommen zwei fleine Knaben, die jeder für fünf Pfennig Dragee( Mandeln mit meißem, glattem Züderüberzug) holen. Sizend füllt der Kaufmann das begehrte Raschwert in eine Tüten.
Ein Beduine, der des Weges schlendert. fragt Hadich Betri, ob er ein gutes Bitafter hätte. Nachdem er eine Rolle des von Sadsch Betri felbft fabrizierten Pffafters betommen bat, gebentt
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der Beduine seiner Frau und fauft ein Stück Seife( parfümierte Tanerde) und für das Haar einen hölzernen Kamm. Nach langer Wahl entschließt er sich, noch einen perlbestickten Geldbeutel sich zuzulegen und als er dann die schönen Zahnbürsten( Holz, das den Namen Mißwaf trägt), garantiert aus Meffa, sieht, fauft er auch noch diese bewährten Hölzer. Den ganzen Einkauf perftaut er in seiner Hemdtasche, um dann mit dem Gruß des Friedens zu gehen.
Ein junges Mädchen, kaum zwölf Jahre alt, betritt, tief per schleiert, in Begleitung seines jüngeren Bruders den Laden. Die junge Dame tauft für zehn Pfennig Henna, um die Haaro zu färben, für fünf Pfennig Augen- und Augenbrauenschminke, die der ehrwürdige Onkel direkt aus Metta bezieht und für fünf Pfennig Arudh, um die Fingernägel damit anstreichen zu fönnen. Die Tante Fattum hat doch morgen Hochzeit und darum muß das junge Ding sich derartig schmücken.
Kaum hat diese Kundin den Laden verlassen, als ein pierzehnjähriger Knabe gerannt tommt und fast atemlos erzählt, fein Bater Scheich Achmed habe hohen Besuch bekommen, darum möchte Hadich Betri doch sofort fünf Pfund Zuder, ein Pfund Kaffee von dem frisch gerösteten und gemahlenen, zehn Gramm Safran und hundert, Gramm von feiner allgemein befannten, guten Gewürzmischung schicken. Der Alte verspricht den Laufjungen umgehend zu senden und während der Knabe sich mit einem höflichen Gruß entfernt, macht Haosch Betri fich daran, die Gewürzmischung zu bereiten.
Mein Freund wendet sich unwillkürlich ab; denn er denkt, der scharfe, beißende Geruch, der ihn schon lange Zeit stört, stamma von dieser Gewürzmischung.
Aber nein, lieber Freund, der entströmt doch der großen Flasche Salpetersäure. Die konzentrierten arabischen Gerüche beißen nicht und unsere Gewürze sind nicht so scharf, wie die Europäer gemeine hin glauben. Jedoch schmeckt uns tein Effen ohne Gewürz, hingegen ist Pfeffer allein viel zu scharf und wird bei uns faum gebraucht. Nun sieh, Hadsch Bekri greift nach der großen Rolle, die von der Decke des Ladens Baumelt und er nimmt ein Röhrchen Kaneel , eine gehörige Portion Piment, eine Muskatnuß, einige Melfen, etwas schwarzen Pfeffer, einige Körner Kardamom und stößt alles zusammen in einem schönen, tupfernen Mörser.
Obwohl mein Freund noch den Wunsch hat, die Geheimnisse bes Badens weiterhin zu erforschen, wird ihm der Aufenthalt unangenehm, weil die feinen Stäubchen des gestoßenen Gewürzes ihn zum Niesen zwingen. Er muß niesen und immer wieder niejen. Darum verabschieben wir uns, grüßen den allen Heren und gehen die zweihundert Meter lange, aus Läden bestehende Straße der Gerüche entlang. Hier tann man alle Bohgerüche Arabians, garantiert in Originalpadungen, für sehr wenig Geld betommen, denn Hadich Betri und alle seine Kollegen wiffen. leht mohl ble Chre ihres Berufs zu wahren.
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| türmigen Kirchen, den Giebeldächern und dem großen Hafen in die Stadt am Meer. Dem tiefen, dem leuchtenben; dem grollenden, flüsternden, stürmenden und klagenden, dem stillen, dem grauen Meer, dem geheimnisvollen, nach dem er sich sehnte, das er nicht tannte, und das er nun sehen sollte von Angesicht zu Angesicht...
Natürlich war aus dem Besuch nichts geworden, wie nie irgend etwas in Erfüllung gegangen war von allem, worauf er sich einst gefreut und wonach er sich gesehnt hatte, wie aus ihm selbst nie etwas geworden war.
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An den Traum, den er damals geträumt, den Traum poin emigen Meere, erinnerte ihn ein Bild, das ein französischer Maler irgendwo dort unten auf einer seiner Studienfahrten in einer stillen Stunde gemalt haben mußte. Denn er nannte es: La mer grise ( zu Hause in einem verstaubten Diktionär fand der Alte, was das hieß das graue Meer)- Einige Fußbreit gelben Sandes, ein paar Wellen, die müde darüber hinflossen, ein Stück Himmel darüber, ohne Farbe, ohne Licht...
Das Bild war fort.
in großer Livree. Er sah gutmütig aus, so daß sich der Alte ein In der Tür der Kunsthandlung stand ein breitschultriger Portier era faßte:„ Db er ihm nicht fagen tönne, wo bas Bild gebliebenz fei, das in diesen Wochen in dem mittleren Fenster gehangen habe?" Ja. Es sei mit den anderen hineingenommen worden und nach bis morgen ausgestellt, wo dann die neue Ausstellung beginne." Nur noch heute? Ja. Und in einer Stunde würde geschlossen. Der Alte dankte für die Auskunft und ging weiter. Er wollte nach Hause. Aber er tehrte wieder um.
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Et empfand eine so große Sehnsucht, das Bild noch einmal zu fahan. Doch wie durfte er wohl daran denten, eine ganze Mart dafür auszugeben, um ein Bild zu sehen! Gbenjogut fonnte ihm einfallen in ein großes Restaurant zu gehen und fich marmes hendbrot au bestellen. Oder in einer Droschte nach Hause zu fahren, nur weil er müde war.
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Er begann zu rechnen jeden Groschen. Aber es ging niájt. Es ging nur, wenn er nicht rechnete.
Ein plöglicher Trog packte ihn und er ging geradewegs an bem Portier vorbei und trat ein. Nochmals erklärte er an ber Kasse, um was er sich für ihn handele, und wieder wurde ihm versichert, das gesuchte Bild hinge an der hinteren Wand des letzten Saales. Da bezahlte er seine Mart. Es war fein Mensch mehr in den stillen Sälen. Ein Diener wies ihn zurecht und ließ ihn wies ihn zu allein.
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Der späte Besucher segte sich auf das Sofa der Band gegenüber. Die elettrijchen Bogenlampen warfen ihr Licht grell und weiß auf das farbenbunte Wirrwarr, das dort finnlos und frech zusammengewürfelt- hing. Wie das eine das andere verdrängte und erstidie, so war bei keinem Bilde die Möglichkeit gegeben, sich über seinen Rahmen hinauszudenken, denn bei jedem Versuch dazu stieß oben und unten, rechts wie links der Blick in ein anderes, verwirrte, verstimmte und beleidigte.
Aber was mar das dem Alten, der nie Bilder gesehen, und der nur gekommen war, um ein einziges zu sehen, es sah, und außer ihm nichts.
Dort hing es. Er hatte es gleich erfannt, und nun saß er ihm gegenüber, Das war es, das war es wieder sein Bild: ein Streifen Strand, über den müde Wellen hingehen, ein Stüd Himmel darüber, grau und regenschmer has war alles.
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Welches Meer? melcher Strand? Er wußte es nicht, und es war ihm ja auch gleichgültig, gleichgültig wie die große, sichere Kunst, die es allein magen fonnte, eine Stimmung wie diese in ihrer grandiosen Einfachheit zu fassen und zu bannen.
Denn er liebte dieses Bild deshalb, meil es das Bild seines Lebens, feines eigenen, mühseligen, eintönigen und engen Lebens mar, das es ihm zeigte. Denn so, ganz so, mar fein eigenes Dasein: ein enger Raum, faum groß genug, um hin und wieder her zu gehen, überdeckt von dem Stück Himmel, das er durch die trüben und immer schmutzigen Fenster seines Büros fah, und bespült, jo lange er denken konnte, immer und immer nur von den kleinen, armseligen und müden Wellen seiner freudlosen Tage, von denen einer dem anderen fich glich, wie diese Bellen sich glichen: eintönig, mutlos, geräuschtos und müde leßte der letzten, deren tettes Ringen feiner fab, deren lezten Atem niemand vernahm...
Und wie er jetzt wieder vor diesem Bilde saß, und wieder den Blick nicht laffen fonnte pon den blaugrauen Wogen, dem grauen Himmel ohne Wolfenspiel und Sonne, dem braunen Strande, da begriff er wohl seine geheimnisvolle Macht noch immer, aber zugleich auch legte sich auf ihn mit erdrückender Schwere die Last semes Lebens, von dem er nun wußte, wie arm es gewesen war: die ganze endlose Reihe seiner abgearbeiteten Tage. Und eine Müdigkeit, jo tief tam über ihn, daß er einschlief.-
Der Diener ging durch die Säle, um die Lichter zu löschen, sah den einsamen Besucher, der schlief, wollte grob werden, befann sich aber, daß er einen zahlenden Besucher vor sich hatte und wedte ihn höflich.
Der Alte schlich hinaus, ohne noch einen Blick auf das Bild geworfen zu haben. Mübe und hungrig, und von einer Erbitterung erfaßt, die ihm bisher fremd gewesen war, schalt er innerlich sich und feine Dummheit. Sein Geld fortzuwerfen, um ein Bild zu sehen und dann vor ihm einzuschlafen.