Morgenausgabe 9mm 190 NounC
Nr. 170 A 86
48.Jahrgang
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F86 0015
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Sonntag
12. April 1931
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1.
Die einspalt. Nonpareillezeile 80 Reflamezeile 5,- RM. Kleine An zeigen" das fettgebrudte Wort 25 f. ( zuläffig zwei fettgedruckté Worte), jedes meitere Bort 12 Bf Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Bf. jedes weitere Wort 10 Pf Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Bf Familien anzeigen Zeile 40 Pf Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, woden täglich von 81% bis 17 Uhr. Der Berlag behält fich das Recht ber Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!
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Frau, Frieden, Sozialismus!
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oder sonstigen grausamen Merkmalen ihrer Fronttätigkeit".| Jahre draußen lagen, verlassen erschüttert die Aufführung
Bum internationalen Frauentag humpf auch blickt man auf die zahllosen schwarzgekleideten
Fünf Millionen deutscher Volksgenossen leiden heute mit Frauen und Kindern unmittelbar unter der Arbeitslosigkeit. Beitere Millionen leiden mittelbar in ihrer wirtschaftlichen Existenz, weil die Familien der Arbeitslosen mehr und mehr ihren Konsum einschränken müssen. So ist eine Unsicherheit in das Leben der Massen gekommen, die auch diejenigen Kreise mit erfaßt, die eine solche Unsicherheit früher für unmöglich gehalten hätten. Die Folge ist das Suchen nach den Schuldigen, das Suchen nach einem Wege aus der Not. Beschuldigungen werden geglaubt; je ungeheuerlicher sie sind, um so mehr. Heilslehren wird nachgelaufen; je unverständlicher sie scheinen, um so mehr flammert man sich an sie. So fann es nicht wunder nehmen, daß Schlagworte wie der vom ,, Margismus" gerade jene Kreise am meisten erfassen, die politisch am wenigsten denken gelernt haben, und das sind leider und nicht nur in Deutschland zum großen Teile die Frauen. Deshalb mögen hier ein paar Gegenüberstellungen folgen:
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August 1914: Die Schüsse von Gerajewo sind gefallen die Regierungen Defterreichs, Serbiens , Deutsch lands, Rußlands wechseln Noten miteinander, von denen jede den entstandenen Brand nur noch mehr zum Auflodern bringen muß. Nur eine Macht ringt um den Frieden: die Sozialdemokratie aller Länder. In Paris tämpft Jean Jaurès unter Aufbietung feiner ganzen Bersönlichkeit, in Wien Victor Adler ; Hermann Müllet wird vom deutschen Parteivorstand nach Baris entfandt, um für die Erhaltung des Friedens einzutreten- da fracht ein Schuß: der erste Mann und der beste Mann ist dem. Weltkrieg zum Opfer gefallen: Jean Jaurès ist tot. Die den Krieg und damit das Verderben Europas wollten, fie töteten ihn. Der Kampf gegen die Sozialdemokratie als Landesverräter wurde nicht von Herrn Hitler erfunden, ihn gibt es, feit dem die Sozialdemokratie aller Länder für den Frieden und damit für das Glück der Völker kämpft!
Sommer 1915: Seit Dreiviertel Jahren wütet der Krieg. Auf der Straße erscheinen, herausgelodt von der warmen Sonne, die ersten Kriegsbeschädigten: an Krüden humpeln die Einbeinigen, neben ihnen gehen müde die Ein armigen. Die bisher glaubten, daß der Krieg nur zum Hurraschreien da sei, erschauern bei ihrem Anblick. Immer häufiger ertönt in den engen Arbeiterstraßen ein Frauenschrei, das Jammern der Kinder. Die Nachbarn schließen stumm die Fenster: wieder eine Todesnachricht von der Front.
Und doch: noch hofft man auf ein baldiges Ende des Krieges; noch ist wenigstens der Hunger in seiner schlimmften Form nicht eingezogen in das Land. Da eine neue furchtbare Nachricht: sonnige Pfingsttage haben die Frauen und Kinder hinausgelodt in die Natur; als sie den Heimweg antreten, fommen die Ertrablätter: Italien hat den Krieg gegen Deutschland erklärt. Die Front der Feinde rings um Deutschland hat sich geschlossen. Und der für diesen Berrat an Deutschland seit Monaten kämpfte, war der italienische Sozialist Mussolini , den seine Partei megen dieses Eintretens für den Krieg gegen Deutschland ausgeschlossen hatte.
4. April 1931: Jm Bölfischen Beobachter" jetzt Adolf Hitler auseinander, daß die Preußen des heutigen Deutschlands die Nationalsozialisten sind, ganz gleich, wo sie sich befinden mögen, und er fügt hinzu, daß identisch mit dem Begriff Preuße" der Begriff der Treue und des Gehorsams" sei. Wer aber ist nach seiner Ansicht ein solcher Edeldeutscher, ein solcher Preuße? Hören wir ihn selbst: ,, Mussolini ist mehr Preuße als etwa Schlange- Schöningen , obwohl der eine aus Italien und der andere aus Pommern stammt." Sn So also verherrlicht man den Mann, der Deutschlands Unglüdim Kriege besiegelt hat! Zurück zu 1918: Der Krieg tobt seit mehr als drei Jahren. Längst ist der Tod in fast jede deutsche Familie eingefehrt. Der einarmige oder einbeinige Kriegsbeschädigte auf der Straße ist teine Seltenheit mehr, stumpf geht man norüber an den zahlreichen Opfern des Krieges mit ihren perbundenen Röpfen oder Gliedern, mit ihrem Nervenzuden
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Frauen, denen tiefstes Leid im Gesicht geschrieben steht. Nur wenige gibt es, die nicht ungeheuer schwer tragen. Da ist die Mutter, deren Achtzehnjähriger von der Schulbant oder aus der Lehre ins Feld mußte. Da ist die Straßenbahnerin, die Munitionsarbeiterin, deren Kinder zu Hause hungern. Da stehen sie Schlange" eine, zwei, dret, vier Stunden, die hochschwangeren Frauen, die siebzig- und fünfundsiebzigjährigen Greifinnen, um ein paar Knochen zur Suppe, zwanzig Gramm Margarine oder ein halbes Pfund Kartoffeln zu bekommen. Und zu allem Unglüd fommt die Grippe und vollendet, was Krieg, was Hungerblockade zu hun noch übrig ließen: den Tod!
Nur eine Stimme gibt es noch: der Krieg muß zu Ende gehen. Die Kraft ist bis zum letzten erschöpft: die Kraft der Kämpfer an der Front, die Kraft der Frauen in der Heimat.
Winter 1930: Ein genialer Schriftsteller fand sich, der das Erlebte für die Nachmelt erhielt: sein Buch Im 23 est en nichts Neues" hielt fest, was dem achtzehnjährigen Kriegsfreiwilligen der Krieg bedeutete, was er ihm zerstörte an Lebensglück und Lebensinhalt. Und die Technik, die Darstellungskunft bemächtigte fich des geschilderten Erlebens: in unerhört wahrer und packender Weise zeigte sie den Jungen, was Krieg ist. Kein Wort der Kritit, kein Wort gegen Deutschland ; nur nackte Wahrheit. Männer, die vier
noch einmal haben sie durchlebt und durchlitten, was ihnen der Krieg war. Frauen schluchzen auf in der Erinnerung an jene Stunden, in der sie den Freund, den Geliebten, den Gatten, den Sohn zur Bahn geleiteten- um ihn nie wiederzusehen. An ihnen vorüber fahren die Wagen mit den abschiednehmenden Soldaten in ihren Ohren flingt es wieder: In der Heimat, in der Heimat, da gibt's ein Wiedersehen!", wie einst sehen sie sich mühsam die Stufen des Bahnhofs hinuntergehen in die Einsamkeit, in das Alleinsein, vielleicht und nur zu oft für immer!
Dieser Film ist eine Tat im Rampfe um den Frieden, um das Glück der Menschheit! Aber mit weißen Mäusen, mit Blindschleichen geht man gegen ihn vor; das Ausland hat einmal wieder Ursache, über Deutschland zu hohnlachen. Denn, wer sind die Veranstalter des Standals gegen den Film? Sind es Frontkämpfer, sind es Frauen, die den Krieg erlitten? Ach nein: Herr Dr. Goebbels , Herr Dr. Rosenberg, Herr Dr. Fridfie nennen sich die Führer der Partei der Frontkämpfer"; aber als neben dem Arier der Jude, neben dem Bauern der Marxist im Schützengraben lag, als sich der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Ludwig Frant freiwillig an die Front meldete und sein junges Leben hergab, als die Frauen und Mütter des Proletariats hungerten, da faßen sie auf der Schulbant der: Universität oder in Birmasens und ließen andere für sich bluten! Dafür beschimpfen sie heute jeden,
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Vorläufiger Tarif im Baugewerbe
Ein Aufruf der Bauarbeiter: Verbände.
Die am Tarifvertrag beteiligten Bauarbeiterverbände Groß-! Berlins erlassen folgenden Aufruf an ihre Mitglieder:
Nachdem sich die übergroße Mehrheit der Berliner Bauarbeiter für den erneuten Abschluß eines Tarifvertrages entschieden hatte, find langwierige, leidenschaftlich geführte Verhandlungen vor den verschiedenen Stellen gepflogen worden. Die organisierten Bau
Was
Dienstag 19 Uhr
wird aus
Preußen?
arbeiter haben es einmütig abgelehnt, einen Revers zu unterschreiben, wodurch sie sich verpflichten sollten, ohne einen Bezirkstarifvertrag zu den nackten Löhnen des Zentralschiedsspruches zu arbeiten. Aus dieser Ablehnung ergaben sich Lohnfämpfe mit Arbeitseinstellungen. Nunmehr sind in den letzten Tagen alle weiteren Erfolg versprechenden Möglichkeiten vor dem staatlichen Schlichter erschöpft worden. Bar es schon beim Tarifamt und bei der Zentralschiedsstelle gelungen, den von den Unternehmern
Nach dem
endgültigen Schiedsspruch
gelten vom 8. April 1931 folgende Löhne:
für Maurer.
Zimmerer
Zementfacharbeiter
1,42 M. 1,42 1,42"
"
"
Tiefbauarbeiter
0,92
"
Maschinisten 1 Klasse. Bauhilfsarbeiter
9
1,47
1,18
"
.
Bon großer Bedeutung ist, daß in dem endgültigen Schiedsspruch eine Bestimmung aufgenommen worden ist, wonach bis zum Zustandekommen eines neuen Bezirtstarifvertrages die Bestimmungen des bisherigen Cohn- und Arbeitsfarifvertrages ass für Groß- Berlin
( vom 20. Juni 1929) in Gertung bleiben. Damit besteht für GroßBerlin im Baugewerbe bis zum Abschluß eines neuen Bezirkstarifvertrages der bisher geltende tarifvertragliche Zustand.
Mitglieder der vertragschließenden Arbeiterverbände! Unter den besonders im Baugewerbe herrschenden sehr schlechten Wirtschaftsverhältnissen und angesichts der riesengroßen Arbeitslofigkeit würde das Weiterführen des Kampfes lediglich unnötige nuglofe Opfer fordern. Deshalb haben die verantwortungsbewußten sein de Führer der Bauarbeitergewerkschaften, nachdem es ihnen gelungen ist, die bisherigen Schiedssprüche nicht unbeachtlich zu verbessern, den Lohnstreit zum Abschluß gebracht.
6dden
geforderten unerhörten Cohnabbau von 20 bis 25 Broz. auf 7,8 Proz. herabzudrücken, so gelang es vor dem staatlichen Schlichter, durch Einsetzung einer Schlichter fammer, einen Spruch zu erzielen, der ben Spruch der zentralen Schiedsstelle noch etwas verbessert. Dies Ergebnis fonnte erst in zweitägigen schwierigen Nachverhandlungen erzielt werden. Wie schwierig die Verhandlungen waren, geht daraus hervor, daß der Reichsverband Industrieller Bauunternehmungen von der Unternehmergruppe absprang und sich auch dem nunmehr gefällten endgültigen Schiedsspruch nicht unterwarf. Er hält semen Antrag auf Verbindlicherklärung des Zentralschiedsspruchs aufrecht. Den Bemühungen des Schlichters gelang es lediglich, die Vertreter dieser Unternehmerorganisation zu bewegen, daß fie innerhalb einer Frift bis zum 14. April 1931 den nunmehr gefällten Schiedsspruch auch für fich onerkennen fönnen.
In der Ueberzeugung, daß damit den Bauarbeitern und ihren Familien am besten gedient ist, fordern die verantwortlichen Leiter der Bauarbeiterverbände ihre Mitglieder auf, nicht auf die politischen Geschäftemacher und Demagogen zu hören.
und am Dienstag, dem 14. April 1931, ebenso geschlossen die Arbeit wieder aufzunehmen, wie sie die Leistung der Reversunterschriften abgelehnt haben.
Wie ersuchen unsere Mitglieder, strengste Disziplin zu üben
Bauarbeiter! Laßt euch nicht provozieren! Wo versucht werden sollte, durch Terror unverantwortlicher personen euch von, der Arbeit abzuhalten, weist fie mit aller Energie zurüd. Uebt gewerkschaftliche Disziplin!
Die am Vertrag beteiligten Arbeiterverbände.