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Nr. 170 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 12. April 1931

Visitenkarte

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Das Müll- und Schuttviertel am Weltbahnhof Friedrichstraße

Von der Pepinière zum City Park. Am Anfang war die Bepinière. Das ist nicht ganz richtig, denn als im Jahre 1787 die Grundstücke Friedrichstraße 139-14  bebaut wurden, hießen diese Gebäude zwischen der Weidendammer Brüde und der Georgenstraße die Georgischen   Häuser und die Pepinière hatte vorerst ein bescheidenes Domizil in einem Flügel der alten Artilleriekaserne am Weidendamm. Diese Pepinière mar die Pflanzschule für die Militärärzte der preußischen Armee, 1795 von dem Generalstabsarzt Görde gegründet. 1809 wurde die Bepinière der Berliner   Universität angegliedert, behielt aber ihre befondere Aufgabe für die Ausbildung der preußischen Sanitäts­offiziere bei, wurde 1811 fogar noch durch die Angliederung der Medizinisch  - chirurgischen Akademie für das Militär erweitert und eriftierte von 1818 ab als Medizinisch  - chirurgisches Friedrich­Wilhelms- Institut. Im Volksmunde aber hieß das große Haus immer weiter die Pepiniere, auch dann noch, als am 3. Dezember 1895 das Inftitut zur Kaiser- Wilhelm- Akademie   erhoben wurde. An diesem Tage wurde auf dem baumbeschatteten Hof zwischen der Spree   und der Bahn ihrem Gründer ein Denkmal gesetzt, vielleicht an der Stelle, wo jezt die Kaze sich sonnt oder die Blumen blühen. Und wenn man heute alte Berliner   nach der Pepinière fragt, dann machen sie ein Gesicht, als wollte man sie uzen und ihre Rede beginnen sie mit den verhaltenen Bortons Ra, nun halien fie aber die Luft an, lassen fie mich bloß mit der Bepinière in Ruhe!" Dann fidert es langsam heraus, vor fünfundzwanzig, dreißig Jahren war es, da schwirrten mehr als einmal wilde Mordgerüchte durch alle Gassen der Stadt, Gerüchte von aufgefundenen Händen oder Zehen, gefunden mitten auf dem Bürgersteig der belebten Friedrichstraße, aber das waren wieder feine Gerüchte, sondern bittere Tatsachen, und während sich die Berliner   beim Morgenkaffee noch den Kopf darüber zerbrachen, mer dieser infame Luftmörder märe, amüsierten sich hinter den Mauern der Pepinière die

preußischen Sanitätsstudenten darüber, daß es ihnen wieder einmal gelungen war, Berlin   mit den zum Fenster ,, aus Versehen" hinaus­geworfenen Leichenteilen gehörig erschreckt zu haben. Dann wurden einige Jahre vor dem Kriege die Steine der alten Pepinière sang­und flanglos abgetragen, die Kaiser- Wilhelm- Akademie   zog in die Scharnhorststraße neben das Invalidenhaus, bis die militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages ihr Dasein auslöschten. Wer heute durch das hohe Tor des Hauses Scharnhorststraße 38 fieht, erblickt eine schwarze Tafel, auf der mit Kreide geschrieben steht: 10 Uhr oftthüringische Textilindustrie, Saal 5; 3 Uhr bergisch­märkische Kleineisenindustrie, Saal 2. Wir stehen vor dem Reichs­

der Weltstadt

Einhundertundrier Fernzüge laufen Tag für Tag über den Weltbahnhof Friedrichstraße   und bald tausend Stadtbahnzüge dazu. Unter den Fern­zügen die internationalsten Strecken, nach Amsterdam  , Bukarest  , London  , Paris  , Riga   und Warschau  . Tausende von Reisenden aus aller Herren Länder und aus allen Gauen Deutschlands   eilen Tag für Tag zu diesem Bahnhof, aber ob sie kommen von irgendwoher, ihr erster Anblick ist ein Bretterzaun, der schamhaft einen Schutthaufen in einer Baugrube verdeckt. Oder ob sie fahren irgendwohin, ihr letzter Anblick ist der besagte Bretterzaun, den Regen und Wind graubraun getönt haben und dem da und dort eine Kante ausgebrochen ist, um das Geheimnis besser zu enthüllen. Dieses Geheimnis der zu Schutt und Staub versunkenen Pepinière auf dem Grund­stücksdreieck der Nummern 139 bis 141 der, Friedrichstraße   hütet heute eine Katze. Zroischen Steinblöcken, Grashalmen, Schutthaufen und Zementsäcken sitzt. sie tief unten in der großen Erdgrube und sonnt sich. Nach der Spreeseite hin stehen noch einige Mauerreste, diesen gegenüber ein paar Müllkästen und in der Mitte ruht eine Wasserlache, an deren Rand kleine, gelbe Blümlein blühen. Sozusagen eine Schmutz- und Abfalloase inmitten der City, nur reichlich schmutzig geraten. Aber es ist noch mehr da als diese Steine und Gräser: längs der Friedrich­straße hat sich eine Art Jahrmarkt aufgetan; im ganzen eine etwas merk­roürdige Visitenkarte, die Berlin   seinen Gästen überreicht.

Butter und Zucker Bonbons, aber ehe er die Bonbons fertig hat, gibt er an wie eine Lore Mohren, daneben handelt einer mit Gablonzer Edelsteinen, der dritte bäckt im Schaufenster Kartoffel­puffer, ein vierter steht an seiner Eismaschine und wartet, daß die Sonne scheint und der fünfte, ja, den wollen wir uns noch auf­sparen und zu dem sechsten, dem Hellseher, wollen wir hineingehen. Der Hellseher ist ein alter Bekannter. Vor ein paar Jahren noch zog er durch die Bockwurstdielen der Reichshauptstadt und deutete Handschriften. Für 50 Pfennige. Heute hat er seinen Laden, den hat er austapeziert mit den Anerkennungsschreiben aller möglichen Brominenzen und dazwischen hängt das große Blafat, das feinen Ruhm verfündet:

Graphologe V. V. gibt Ihnen Auskunft über die intimsten Fähigkeiten und Beranlagungen eines jeden Menschen. Haben Sie irgendeine Frage gleich welcher Art, Liebe, Ehe, Reife. Lotterie, Spekulationen, Krankheiten, ganz besonders Fragen auf seguellem Gebiet, dann lassen Sie sich hier beraten! Ob das nun jemand glaubt, oder nicht: zu dem Ordinations immer dieses Hellsehers treten die Menschen ant Genau wie vor einem Postschalter. Der Borinittag ging zur Neige und nachdem Männlein und Beiblein abgefertigt waren und ihren Dbolus ent­richtet hatten, kamen wir an die Reihe. Der Graphologe ist ein jüngerer, großer, bagerer Mann, ein bißchen dämonisch, aber er raucht Zigaretten und schlägt die Beine übereinander, wie jeder andere Mensch auch Nachdem man ihm etwas aufgefchrieben hat, hält er seine Predigt im bekannten, geschraubten, verbrämten und gezierten Graphologen- Deutsch, das foll fein Vorwurf fein, die Leute reden halt so, dann kann man noch Fragen stellen über dieses und jenes und zum Schluß erhält man einen Zettel, auf dem es heißt: Diese Propagandaarbeit sollte bei Ihnen das Interesse ent­wideln, sich einmal eine große, tomplette Deutung einer Handschrift herstellen zu lassen. Und zwar empfehle ich Ihnen

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Man sieht, auch die Graphologie ernährt ihren Mann. Aber das Wesentliche im Zusammenhang mit dem Grundstück Friedrich

arbeitsministerium der deutschen Republik. Für die Häuser Friedrich Berlins ,, Biergespann" sicher.

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straße 139-141 dagegen begann nach dem Abriß der Pepinière die bewegte Aera des unvergessenen City Parks mit dem Hippodrom, der Rutschbahn, dem Teufelsrad und den sonstigen Requisiten eines waschechten Rummelplates.

Besuch beim Hellseher.

Als nach dem Kriege auch der City- Part längst seine Bforten für immer geschlossen hatte und das mehr und mehr verwahrlofte Stüd Friedrichstraße   taum noch Zigeunern als Wagenplag genügt hätte, recte sich an einem fühlen und frühen Morgen ein großes Schild zum Bahnhof Friedrichstraße hinüber: Hier entsteht das Turmhaus! Es ist viel über dieses imaginäre Turmhaus geredet und geschrieben worden, aber wie der liebe Gott die Bäume nicht in den Himmel wachsen läßt, ist aus dem Turmhaus nur eine schmale Reihe ebenerdiger Läden geworden. Rechts und links je eine Kneipe, das ist nun mal nicht anders, und dazwischen ein bunter Jahrmarkt. Da steht einer im Schaufenster, der focht aus Honig,

Zustimmungserflärung aller Magiftratsfandidaten.

Es ist nunmehr endgültig sicher, daß die vier vom Wahl­ausschuß der Stadtverordnetenversammlung gewählten Männer- das Biergespann" Sahm, Lange, Elias. Afch zukünftig Berlin   neben den übrigen Magistratsmitgliedern und dem Stadt­parlament regieren werden. Entgegen immer wieder auf­tauchenden Meldungen in Berliner   Zeitungen, wonach einzelne kandidaten ihre Zustimmung zu der Wahl noch erteilt haben sollen, ftellen wir ausdrücklich fest, daß von allen vier Kandidaten end­gültige Zustimmungserklärungen vorliegen. Das gilt insbesondere für die beiden sozialdemokratischen kandi­dafen, Dr. Lange, der Bürgermeister werden wird, und ich, dem zukünftigen Stadtfämmerer der Reichshauptstadt. Da die Fral­tionen, die hinter den kandidaturen stehen, sich vollkommen einig sind, fann die Wahl am Dienstag feine Heberraschungen mehr bringen.

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straße 139-141 ist folgendes: wenn es dem Hellseher recht ist, neben dem repräsentativsten Bahnhof Berlins   sein Gewerbe auszuüben, dann soll das einem Mann billig sein, der morgen neben dem Hellseher vielleicht eine Tätowierbude aufmachen wird.

Fliegerbomben zum Spielen.

Es sind noch andere Dinge da. In einen Laden paßt fein Mensch mehr hinein, so voll ist er schon am frühen Morgen. In diesem Laden wird weder etwas verfauft, noch gekauft, in diesem Caden wird gespielt. Mit einem Karussell, an dem acht fleine, bunte Flugzeuge hängen. In jedem Flugzeug stedt eine Bombe Diese Bombe muß über einem Zielfeld abgeworfen merden; der cinem bestimmten schwarzen Strich am nächsten fomunt, hat ge= monnen. Der Einsatz beträgt 20 Pf., bei zwei Spielern erhält der Sieger 30 Pf., bei drei Spielern der Sieger 40 Pf. und der Zweite einen Groschen, so geht es weiter bis zu acht Spielern, immer aber erhält der Mann, der innerhalb des Karussells fteht, von jedeni Spiel einen Groschen. Achtung: Meine Herridyaften, ich habe feine Reflame nötig, bei mir gibt es fein Automobil, tein Motor­rad, kein Fahrrad und fäinen Teddybären zu gewinnen, bei mir, nur die guten Barpreise. Bei mir feine Aufregung wie am Schieß­stand, fein Zielen mit zitternder Hand, Sie stehen vollkommen ruhig, warten, bis ihr Flugzeug, den Pfeil erreicht und drüden ab. Wer macht noch ein Spiel mit zwanzig Pfennige ist der Einsatz. Also die Eins, die Fünf und die Sieben spielen mit, ab dafür Gewonnen hat die Sieben, bitte schön, vierzig Pfennige, mein Herr; zweiter ist die Eins, bitte, einen Groschen. Aah! Meine Herren, seien Sie Kavafier, jeg spielt eine Dame mit!"

Diese. Reden hält der Mann innerhalb des Karussells, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, um die in Scharen Herum­stehenden zum Spielen anzureizen, aber die Mitteilung, daß jeit eine Frau mitfpielt, löst bei einem jungen Mann, der unentmegt jedes Spiel mithält, nur die lafonische Antwort aus: Was geht denn mich das an, ich muß mir noch meinen Kartoffelpuffer ver­dienen." Und sein Nebenmann meint dazu: Was schreift du denn, Oskar, den Kaffee hast du doch schon zusammen." Unter­dessen kreisen die Flugzeuge, flappert das Geld, fallen die Bomben, die betagte Dame, die mit den Siebzehnjährigen um die Wette spielt, ist dabei, einen Taler zu wechseln, ihr Kupfer hat sie schon verspielt, ein Gymnafiast hat zu früh abgedrückt und will noch einmal für sein Geld schießen, aber die anderen Spieler lachen ihn aus; es erscheint eine Zwölfjährige mit einem zehnjährigen und einem achtjährigen Mädchen und sehen dem Räderspiele und sehen den Wassern zu. Aber da Jugendlichen unter 16 Jahren der Aufent­halt im Spielsaal verboten ist, müssen die drei Grazien den Raum wieder verlassen. Sie nehmen's leicht und ziehen von dann. Doch ob das nun Morgen oder Mittag oder Abend ist, immer ist der Laden mit den Fliegerbomben fnüppeldide voll und nachts um 10 Uhr, wenn der Mann schließt, dann ist das Volk nicht aus dem Laden herauszufriegen. ,, Meine Herrschaften, für heute ist unmider­ruflich Feierabend, gleich kommen die Grünen, morgen früh um 10 Uhr geht das Spiel weiter!"

Ein fleiner Ausschnitt aus der City Berlins  . Da werden ganze Bibliotheken vollgeschrieben über Stadtplanung, über Siedlungs­wesen und Bauvorschriften, aber daß jemand mal auf den Gedanken täme, das Gegenüber des Bahnhofs Friedrich­ straße   in Ordnung zu bringen, davon hört man nichts. Nicht einmal die Bepinière ist ordentlich abgeriffen worden, an der Spreefeite stehen immer noch die Grundmauern.

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