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Wie ist Klemperers Bertrag auszulegen?
In der Klage des Generalmufifdirektors Klemperer gegen den preußischen Fistus fand der 3 weite Termin vor dem Arbeitsgericht statt.
Die vom Richter im ersten Termin vermißte unzweideutige Klarheit des Klageantrages ist nunmehr hergestellt. Es handelt sich darum: Klemperer verlangt unter Berufung auf seinen Bertrag, daß ihm auch nach der Schließung der Kroll- Oper die Stellung eines amtierenden Generalmusit direktors in vollem Umfange belassen wird, derart, daß ihm kein anderer Kapellmeister der Generalmufitdirektor über- oder nebengeordnet wird. Klemperer will also die Stellung eines allein leitenden Musifers behalten, obgleich die KrollOper, wo er diese Stellung bekleidet, geschlossen werden soll. Er vermahrt sich dagegen, daß er durch die Klage beabsichtige, fich wie ihm nachgejagt werde an der Lindenoper die Alleinherrschaft zu sichern. Er strebe nicht nach der Lindenoper, er wolle an der KrollOper bleiben, die er im Auftrage des Staates aufgebaut habe. Barum fragt Klemperer jolle denn die Kroll- Oper geschlossen werden? Finanzielle Gründe feien dafür nicht maßgebend. Gemeinnüßige Verbände hätten sich bereit erklärt, von den 600 000 Plägen, melche die Kroll- Oper im Jahre zu vergeben habe, 500 000 zu über nehmen. Das bedeute eine Einnahme von 2 Millionen Mart. Dadurch würde der Bestand der Oper gesichert, sie würde sich so entwickeln, daß fie feinen Zuschuß brauche.
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Oberregierungsrat Scheffel, der den beklagten Fistus vertrat, bezweifelte die letzten Angaben des Klägers und sagte: Wenn uns die Abnahme von 500 000 Plägen garantiert würde, dann würden wir die Kroll- Oper nicht schließen und der Landtag würde sich auch nicht für die Schließung entscheiden. Im übrigen berief sich Oberregierungsrat Scheffel auf den Vertrag, wonach der Kläger verpflichtet set, wenn eine Aenderung der Verhältnisse eintreten sollte, seine Tätigkeit auch an einer anderen Berliner, Oper auszuüben. Er solle feinem seiner Kollegen untergeordnet werden, sondern nur dem Generalintendanten Tietjen unterstehen.
Nach mehrstündiger Verhandlung befchloß das Gericht, um feftzustellen, was der Wille der Vertragsparteien bei Abschluß des Bertrages war, im nächsten Termin am 20. April den Generalintendanten Tietjen, die Ministerialräte Kestenberg und Seelig, sowie einige andere Beugen zu hören.
Tabaklager in Flammen.
Feuerwehrmann bei den Löscharbeiten verletzt. Durch ein größeres Feuer warde gestern abend das Taba lager der Zigarettenfabrik Tlapyraufch" in der Neuen Schönhauser Straße 20 vernichtet.
9 vollendete, 7 versuchte Morde- 14 Tage Verhandlungsdauer
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Am Montag beginnt in Düsseldorf der Prozeß gegen den gelernt: sein Strafregister zeigt etwa 18 Vorstraten, insgesamt Massenmörder& ürfen. Es werden ihm zur Laft gelegt: 20% Jahre Zuchthaus und Gefängnis. Zum Verständnis seiner 9 vollendete und 7 versuchte Morde 9 vollendete und 7 versuchte Morde in Tateinheit mit Sittfidh- graufigen Seruatverbrechn ist es nicht unwichtig, dies zu wissen. teitsverbrechen. 300 Zeugen und eine große Zahl Sachver. Am 3. Februar 1929 setzt die Serie seiner Verbrechen ein, die ständiger sind aufgeboten. Bleibt kürfen bei feinen Geständnissen, Opfer ist Frau Apollonia Kühn. Sie wird von ihm plötzlich überDüsseldorf monatelang in Furcht und Grauen hielt. Sein erstes fo dürfte die Verhandlung in 10 bis 14 Tagen ihr Ende finden. fallen, die Scherenspize bricht ab und bleibt im Schädel steden. Am Der Düsseldorfer Prozeß, seit Monaten weit über Deutschlands 8. Februar folgt der Ueberfall auf die neunjährige Rosa Ohliger. Grenzen hinaus mit Ungeduld erwartet, ist nicht nur durch die Diesmal benutzt Kürten eine große Kaiserschere. Er mürgt das Bersönlichkeit des Angeklagten und die ihm zur Last gelegten Hand- Kind, fügt ihm zahlreiche Stiche zu und verbrennt die Leiche. lungen bemerkenswert; er wird es nach besonders durch die Umstände Die Ermordung des Arbeitslosen Scheer ist mehr zufälliger der Fahndung nach dem Mörder und seine Verhaftung. Auch hier Ratur. Auch hier war das Mordwerkzeug eine Schere. Mit der bewahrheitete sich die alte Regel: am ehesten ist es der Zufall, der selben Schere tötet Kürten am 11. August 1929 die Hausangestellte den Luftmörder zur Strede brachte. Die Polizei in ganz Deutschland Maria Hahn. Am 20. August 1929 erhalten in furzen Zwischenwar auf die Beine gebracht, ein umfassender Fahndungsplan aus- räumen hintereinander Aenne Goldhausen, Frau Mantel gearbeitet, das Publikum zur regsten Mitarbeit aufgefordert, eine und der Arbeiter Kornblum Dolchstiche. Diesen Dolch benutzt hohe Belohnung ausgefegt alles ohne Erfolg. Unzählige Anzeigen Kürten auch bei den weiteren lleberfällen als Mordwerkzeug, bis es liefen bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf ein, Selbstbezichtigungen am 25. August am Kopf der Hausangestellten Gertrud Schulte zerohne Zweifel fanden statt, Berhaftungen in den verschiedenen Teilen bricht. Diese Hausangestellte erhält 21 Stiche, bleibt am Leben und Deutschlands wurden vorgenommen, die Berliner Kriminalpolizei erfennt fpäter als eine der erfien in Kürten den Täter wieder. griff der Düsseldorfer unter die Arme all das beunruhigte den Mit demselben Dolch tötet der Unhold die fünfjährige Ger Massenmörder nur wenig. Er setzte seine graufige Arbeit fort, trud Hamacher und die 13jährige Luise Lenzen. Er machte sich über die Polizei lustig, richtete an sie und an Zeitungen spricht die Kinder an, schickt sie zum Einkauf, schleppt sie dann eins Briefe, in denen er die Stellen bezeichnete, wo die Leichen seiner nach dem anderen ins Feld und tötet sie. Opfer aufzufinden seien. Die Fahndungsaktion befand sich noch in vollem Gange, als der Zufall den Massenmörder der Polizei in die Hände spielte. Der fehlgegangene Brief eines jungen Mädchens, das Kürten zu sich in die Wohnung mitgenommen, gewürgt und vergewaltigt hatet, führte zu seiner Entdeckung. Das junge Mädchen zeigte der Polizei Kürtens Behausung in der Mettmannstraße, der Mörder fühlte sich verfolgt, er erwog bereits einen Flucht plan, wurde aber, nicht zuletzt durch die Bermittlung seiner Frau, verhaftet. Schon auf dem Wege zur Kriminalpolizei gab er sich als der Düsseldorfer Massenmörder" zu erkennen. Er als der Düsseldorfer Massenmörder" zu erkennen. Er bezichtigte sich einer großen Anzahl Taten, die er nicht begangen haben fonnte. Was neben den zahlreichen Brandstiftungen, die gar nicht zur Antlage stehen, schließlich übrig blieb, genügte, um ihn zu einem der größten Massenmörder aller Zeiten zu stempeln.
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Kürtens erste Mordtat liegt 18 Jahre zurüd.
Bei einem Einbruch ermürgte er ein fleines Kind. Damals hatte er bereits eine große Anzahl Strafen hinter sich. Sohn eines friminellen Trinters hatte er taum 16jährig das Gefängnis fennen
legungen aufwies. Neben dem Toten lag ein Jagdgewehr. Polizeibeamte nahmen den Befund auf und stellten den Toten als den 46jährigen Kaufmann Ernst Herrlich aus der SiemensJagdflinte in den Mund genommen und den Abzug mit dem Fuß allee fest.. muß, wie die Untersuchung ergab, den Lauf der gelöst haben. Nur so laffen sich die schweren Berletzungen am Kopf des Selbstmörders erklären. Das Motiv zu dem Verzweiflungsschrift ist nicht bekannt.
Die Bittenfabrit hat ihre Arbeitsräume, an die sich das Lager anschließt, im dritten Stocwert des Border houses. Das Feuer muß lange Zeit unbemerkt geschwelt haben, Benn turz nach Uhr zersprangen die Fensterscheiben lautklirrend und meterhohe Flamen schossen nach der Straßenfront heraus. Da für die übrigen Bete iebe des Geschäftshauses große Gefahr bestand, für die übrigen Bete lehe des Geschäftshauses große Gefahr bestand, rüdten unter Leitung des Baurats Dr Kallas gleich brei Löschzüge alar Bekämpfung des Brandes herca Ueber eine mechanische Leiter und über das Treppenhaus drange n die Löschtrupps nach oben por. Starter Quam, der dan brennenden Tabatballen entströmte, erschwerte die Löschattion. Nach niehrstündiger Tätigkeit war das Feuer niedergekämpft. Ein Feuerwehrmann wurde durch Angriff auf den Staatsanwalt wegen hoher Strafanträge. herabstürzende Fensterscheiben erheblich verlegt, er erhielt von Samaritern die erste Hilfe. Der gesamte Straßenverkehr zwischen der Rosenthaler und Weinmeister; aße mußte eine Zeitlang um geleitet werden.
Selbstmord mit dem Jagdgewehr.
Im Jagen 25 des Grunewaldforst es, unweit des Forsthauses Dreilinden, machten Spaziergänger gestern einen grauenhaften Fund. Etwas abseits vom Wege stießen sie auf die Leiche eines älteren Mannes, dessen Schädel furchtbare Ver
Gerhart Herrmann Mostar
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Hier greift die Streitmacht Luise mit fliegenden Fahnen ein. Ja, das Interesse hätte man wohl. Wo doch der Herr Pastor damals so wunderschön gepredigt hätte. Und sicher würde auch Fräulein Papendied gern ihres toten Vaters ge= denken; nur die Frau Maschke sei ja nun leider schwanger und könnte den weiten Weg-
Oh, was das anbeträfe: er. habe einen Kutschwagen, der reichlich Blaz für fünf Personen biete. Den werde er herschicken, mit dem, werde er die Stubbenlander auch wieder zurüdfahren lassen.
Und der besiegte Andreas kann nur noch etwas Unverständliches knurren. Aber als der Gemeindevorsteher gegangen ist, fährt er Luisen an:
Also meinsgepoltere: wir gehen in die Schwazzbude. Ein Unglück wird es ja geben, wenn man mich in die Kirche schleppt, das kann ich dir versichern. Und eins sage ich dir: wir gehen nur aus politischen Gründen, hast du kapiert? Nur aus politischen Gründen!"
Und Luisen treten fast die Tränen in die Augen. Dh ja, jie hat fapiert. Den Gemeindevorsteher und den Kremser und die Wahlen, die ganze hohe Politik hat der liebe Goft in Bewegung gefeßt, bloß um ihren Andreas in die Kirche zu friegen!
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Es ist ein großer Tag für das Stubbenland, daß es gerade em Totenfonntag ist, ändert nichts daran und macht nur Anna Maschte erschrecken, die feit ihrer Schwangerschaft über haupt ein wenig abergläubisch ist. Sie hat mit Paul am Fenster gestanden, wie auch Korns daheim am Fenster stehen, und nach dem Wagen ausgefehen; und als der Kremser, schnell gezogen von zwei hochbeinigen Braunen, den Sandweg hin aufrollt, löst ein Schauer des Stolzes den Schauer der Angst ab: eigentlich ist es doch eine große Ehre, fo nom Gemeinde vorsteher eingeholt zu werden.
Pauls Gedanten gehen anderswo hin; sie sind, mie immer, geradeaus ins Leben gerichtet, und das ist ihr eben
Revolte im Gerichtssaal.
Zu einem aufsehenerregenden Zwischenfall fam es in einem großen Betrugsprozeß, als der Staatsanwalt Schwarz gegen 62 Angeklagte die Strafanträge stellte. In vielen Fällen wurden zuchthausstrafen von zwei bis vier Jahren beantragt. Unter anderem lautete der Strafantrag gegen einen Angeklagten namens Dziud auf vier Jahre Zuchthaus und vier Jahre Ehrenrechtsverlust. Dzuid martierte darauf einen 3usam menbruch und mußte in ein Nebenzimmer gebracht werden. Nach seiner Rückkehr in den Gerichtssaal stürzte er sich plötzlich über
falls tröstlich. Daß die Bauern sich immer noch so teure Pferde halten!" sagt Paul. Bir im Stubbenland zum Bei spiel hätten gar fein Pferd nötig, wenn wir einen Trattor hätten. Mit Traktortraft tönnten wir roden und pflügen und den Wagen zur Bahn ziehen. Na, wird schon noch werden!" Einstweilen sieht man aus seinem Hause treten das größte Hemmnis für solche Absichten: Andreas Korn. Wozu bin ich denn Landwirt, wenn ich nicht mal ein Pferd haben soll?" pfelgt er zu erwidern, wenn man ihm derartige Pläne entwickelt. Für die anderen zählt nur die Wirklichkeit, für ihn der letzte, ähnliche Reft des Traumes. Er streichelt auch jeẞt zuerst die weißen Stirnstreifen der Pferde, ehe er mit dem Kutscher spricht.
Sie finden sich alle vor Korns Hause zusammen: und es ist eine beinahe groteske Gruppe, die den Wagen umsteht. Luise hat wieder ihr altes Wagenrad mit der gewaltigen schwarzen Bleureuse aus den Tiefen des Schrantes zu Tage gefördert; gerade daß es wie neu aussieht, macht es direkt unheimlich, Luise sieht aus wie eine auferstandene Tote aus dem Jahre 1905. Sie hat auch Andreas den 3ylinder aufgenötigt, der verzweifelt zu glänzen versucht, wie es feine Pflicht ist, und dennoch den Gehrock nicht erreicht, der ebenfalls glänzt, wie es nicht seine Pflicht ist. Paul Maschke dazu, der nie einen Hut beseffen hat, in seiner fonntäglichen blauen Schirmmüße, und endlich die bucklige und schwangere AmmaLene, die sich dieser Groteste als einzige bemußt wird, sieht ein, daß der erste Aufmarsch der Stubbenlander nicht allzu repräsentabel ausfallen mird.
Alle find sie um Anna bemüht, sie bekommt den geschüßte sten Platz im Wagen, jeder hat eine Decke ertra für sie mit gebracht; fie fibt zitternd und läßt sich verwöhnen und hat ganz rote Baden vor Stolz und Novembertälte. Der Wagen fährt schnell und scheucht allenthalben Schwärme schmarzer Krähen auf; die lärmen heiser und verfinten in den Mebel schwaden, die sich unter der Sonne duden wie geprügelt und fich doch nicht vertreiben lassen. Mit Häuserwänden, die fluumpf sind von Feuchte und blattlose Ranten wilden Weines mie Stelette an sich fragen, empfängt fie Schloßheide; aber die schrille Glocke der Kirche läutet, sie haben feit Jahren fein Glockengeläut gehört, und es rührt sie alle. Drinnen in der Kirche müssen sie in den beiden vordersten Bänken fizen, denn die Seitenstühle gehören den alten Bauerngeschlechtern, und die fleinen Befizer haben weiter hinten ihre Plätze eingenommen.
So sieht sie der junge Geistliche, als er nach der ersten
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Der Dolch ist zerbrochen, an seine Stelle fritt ein schwerer Hammer. Mit seiner Hilfe erledigt er vier Opfer. Als er am 25. September 1929 gegen Frau Wanders den Schlag führt, bricht der Stiel ab. Die Frau hat Glüd, fie bleibt am Leben. Der Schlag gegen die Schläfe der Hausangestellten Ida Reuter auf den Rheinwiesen am 29. September ist aber tödlich. Tödlich auch der Hieb gegen Elisabeth Dörnier am 11. Oktober. Frau Meurer tommt am 25. Oftober mit dem Leben davon. Kürten streckt sie mit einem Schlag auf den Hinterkopf nieder. Beim letzten Mord an der fünfjährigen Gertrud Albermann am 7. November figuriert wieder eine Kaiserschere. Das unglückliche Kind erhält zahllose Stiche an Schläfe, Bruft und Rücken. Die Mordstelle enthüllt der Mörder selbst durch einen Brief.
Dies die Taten des Düsseldorfer Maffenmörders. Nach seiner Berhaftung erklärte er, weitere Morde geplant zu haben. Während der ganzen Boruntersuchung bewahrte er eine unheimliche Ruhe. Er dachte feinen Augenblid daran, seine Taten zu beschönigen. Wie er zu seinen Berbrechen gekommen und wie sie zu erklären find, wird vielleicht die Gerichtsverhandlung ergeben.
den Berteidigertisch hinweg zum Tische des Staatsanwalts und griff diesen tätlich an. Der Staatsanwalt, der sofort durch den Vorfizenden und die Schöffen sowie durch Justizwachtmeister Hiffe erlitt eine schwerere Handverlegung. erhielt, wurde leicht verlegt. Landgerichtsdirettor Schainpeder Der Staatsanmolt jedná Schwarz 30g geiftesgegenwärtig einen Revolver, ohne jedoch zu schießen. Dziud wurde überwältigt und aus dem Gerichtssaal entfernt. Die Sigung wurde sofort geschloffen Bei der Räumung des Berhandlungssantes protestierten die Angeftagfen laut gegen ble hohen Strafanträge. Das sofort herbeigerufene dlebetfallfommando hatte große Mühe, der erregten Menge Herr zu werden.
Der älteste Maun der Welt auf der„ Bremen ".
An Bord des Schnelldampfers Bremen" des Norddeutschen Lloyd , der augenblicklich auf der Fahrt nach Europa ist, befindet sich ein Baffagier, den man mohl als den Senior der Senioren bezeichnen kann. Der alte Herr ist der Türte 3ara Agu, der 136 Jahre alt sein soll. Er ist vor einiger Zeit nach Er behauptet, sein biblisches Alter dadurch erreicht zu haben, daß Amerifa gefahren als lebende Propaganda für die Prohibition. niemals ein Tropfen Alfohol über seine Lippen gefommen ist. Zara Agu hatte in New York einen schweren Autounfall, von dem er sich aber bald erholte.
Choralstrophe vor den Altar tritt; und ihr Anblick finft aus seinen Augen, die flüchtig die Gemeinde hatten überschauen mollen, schmerzhaft in sein Herz und wird Erinnerung: Erinnerung an jene Begräbnisstunde, die der Sand durchwehte, und die ihn versagen sah, wie er glaubt. Er weiß, daß alle, die heute vor ihm fizen, sich als seine Richter fühlen, weil er heute um seine Stelle, also nicht nur um ihre Seelen, sondern auch um ihre Steuern ringt; aber er weiß nicht, ob er das vollzählige Erscheinen der Stubbenlander als eine Geste des Bertrauens oder des Zweifels auffaffen soll. Während er die Epistel des Tages liest, sieht er das Gesicht Andreas Korns starr auf sich gerichtetfeindselig, wie ihm scheint; er sicht ein paarmal lange und fest in die grau überbuschten Augen, bis die sich senten, und sein Inneres beschließt, sich zu stellen: er will noch einmal ringen um die Gabe des Wortes, wie damals im Stubbenland; et will nicht fein sorgsam und säuberlich ventilieren, wie er sichs vorgenommen hatte, sondern da herfahren wie ein Sturm ob er die Stellung gleich mit umblast oder nicht. In Luise Korns verklärt dreinblickenden feuchten Augen sucht er sich Mut; dann geht er in die Sakristei und nach dem Verklingen des Chorals und des letzten quietschenden Orgeltons auf die Kanzel, die über dem Altar liegt.
Er neigt sich über seine Hände und betet stumm. Er hört den Lehrer von der Orgel auf seinen Platz gehen, die Stiefel knirschen, das mürbe Holz der schmalen Bank fnact hohl, als der dicke Leib sich seht. Im Wiederaufrichten sieht der Pastor, daß die Novembersonne auf ihrem faft waagerechten Weg über die Welt gerade durch die kleine Dorfkirche geht, hinein zu den Fenstern der einen Seite, hinaus zu denen der anderen; er steht mitten in diefer Straße aus Licht, die Gemeinde unter ihm bleibt im Dunkel. Nur Andreas Korns Gesicht kann er noch gerade erkennen; in das versentt er feinen Blid, und er beginnt zu sprechen.
Bom Tode spricht er, wie es heute seines Amtes ist. Aber er beschönigt den Tod nicht, wie es die Neuzeit tut; er gibt ihm Bucht, Unentrinnbarkeit, Furchtbarkeit, wie es das Mittelalter tat. Alles, was man unternimmt, fo fagt er, soll man so unternehmen, als müffe man morgen schon sterben; mit dem Tod im Denfen folle man leben; wie es heiße in dem alten Choral:
Sieh auf dein Sach', Du mußt hernach, Es sei heut oder morgen.
Fort folgt.)