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BERLIN  Montag 13. April

1931

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenstr.3 Fernfprecher: Dönhoff 292–297

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66

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Jr. 171 B 86 48. Jahrgang

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Berlin   Nr. 37 536.

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Spanien   will die Republik  

legion

Sieg bei den Gemeindewahlen

Paris  , 13. April.

Die ersten Wahlergebnisse haben, wie eine Agentur aus Madrid   meldet, in der spanischen   Hauptstadt große Erregung hervorgerufen. Ein Regiment von Alcala   bei Madrid   soll in Bereitschaft stehen, um den König zu schützen. Der Königspalast wird scharf bewacht. Man behauptet, daß in Madrid   der Belagerungszustand ver­hängt werde. Die spanischen   Minister sind gestern abend zusammengetreten, um über das Wahlergebnis zu be­raten, ein Beschluß soll jedoch nicht vor dem nächsten Kabinetterat getroffen werden. Heute präsident Aznar mit König Alfons über die Lage beraten. Madrid  , 13. April.  ( Eigenbericht.)

In Madrid   wurden 30 republikanisch- sozialistische Gemeinde-| 11 Monarchisten; Ceuta   20 Republikaner, 2 Monarchisten. räte und 20 monarchistische gewählt. San Sebastian   28 Repu Große republikanische Mehrheiten werden aus Bilbao  , blikaner und Sozialisten, 6 Monarchisten; Orense   11 Republikaner, Malaga  , Alcoy  , El Ferrol   und Cartagena   gemeldet. Oberst Macia erklärte in Barcelona   bei der Verkündung des Wahlergebnisses:

Otto Braun   und Fritz Tarnow   Angesichts des Triumphes der Republikaner   bleibt dem König

sprechen Dienstagabend

im ,, Sportpalast  " über:

wird Miniſter Was ..Was wird aus Preußen?"

Seit dem Staatsstreich Primo de Riveras im Herbst 1923 hatte Spanien   am gestrigen Sonntag zum ersten Male wieder Gelegenheit, Der Boltsstimmung durch allgemeine Wahl Ausdrud zu geben. Die Bahlbeteiligung durch gesetzliche Wahlpflicht gefördert, war auch mit über 80 Broz. überaus start. Schon beim Beginn der Wahlhandlung, um acht Ihr, standen die Wähler, besonders in den großen Städten, in langen Reihen vor den Wahlbüros. Um jeden Betrug zu vermeiden, wurden Urnen aus Kristallglas verwandt. Die Wahl dauerte bis 16 Uhr, morauf sofort die Stim­menzählung begonnen wurde.

In Madrid   tam es zu einigen unbedeutenden Zwischenfällen, da in verschiedenen Wahlbüros Monarchisten gegen ein Entgelt von 25 Peseten die Stimmen der Wähler kaufen wollten; mehrere Stimmentäufer wurden verhaftet. Vor dem Wahlbüro im Schloß

bezirk ereignete sich ein Zusammenstoß zwischen bewaffneten Legio­nären und Republikanern, der jedoch ohne Blutvergießen verlief. Zwei Legionäre wurden verhaftet. In Valencia   wurden mehrere Wahlurnen zertrümmert. In Santander gerieten die Spieler eines Fußball fampjes wegen Wahlfragen in Streit. Die Zu schauer stürmten den Spielplay; in einer Schlägerei zwischen Mon­archisten und Republikanern wurden drei Personen verwundet. Die bisher befannten Teilresultate ergeben einen gewaltigen Sieg der sozialistisch- republikanischen Koalition und eine ver­nichtende Niederlage der Monarchisten. Die Sozialisten und Republikaner haben in 47 von 50 der größten Städte einschließ­lich Madrids   die Mehrheit erhalten.

11 Monarchisten, Burgos   13 Republikaner, 17 Monarchisten; Alicante   29 Republikaner, 10 Monarchisten; Linares 32 Republikaner, 10 Monarchisten; Albacete 22 Republitaner,

nichts übrig als abzudanken.

Sonst würde er gezwungen sein, eine Dittatur einzuführen, die einen blutigen Verlauf nehmen würde, denn das Volk würde fich erheben. Die Könige, die nicht ihrem Volke gehorchten, müßten auf das gleiche Schicksal wie Ludwig XVI.   gefaßt sein.

In den noch sehr spärlichen Kommentaren der eng lischen Presse zu den spanischen Wahlen kommen ernste Besorgnisse um das Schicksal der Monarchie zum Aus­druck. England hat lange Zeit aus dynastischen Interessen die spanische Monarchie gestützt.

Massenmörder Kürten  

Beginn des Prozesses- Erste Vernehmung des Angeklagten

Düsseldorf  , 13. April.  | Wohnungswechsel zur Folge. Mein Vater war öfter so be­trunken, daß man buchstäblich sagen konnte, er war betrunken wie ein Vieh. Mein Vater hatte Anfang der 90er Jahre, wo ich

Am heutigen Montagvormittag um Uhr begann vor dem Düsseldorfer   Schwurgericht der langerwartete Prozeß gegen den Massenmörder Peter Kürten  , der sich wegen neun Morden und sieben Mordver suchen verantworten muß. Die Prozeß wird in der Turnhalle der Polizeiunterkunft Düsseldorf Nord durchgeführt, da sich der Schwurgerichtssaal im Landgerichtsgebäude als zu klein erwiesen hat. Von den weit über 100 Pressevertretern, die angemeldet wurden. jind 70 zugelassen. Den Vorsitz führt Landgerichts­direktor Rose, dem als Beisitzer die Landgerichtsräte Wenders und Dr. Dennarz zur Seite stehen. Unter den sechs Geschworenen befinden sich ein Stadtbaurat, ein Bahnbeamter und vier Handwerker. Die Anklage wird vertreten von Oberstaatsanwalt Dr. Eich und Staats: anwaltschaftsrat Jansen. Die Anklageschrift umfaßt 217 Seiten. Offizialverteidiger des Angeklagten ist Rechtsanwalt Dr. Wehner- Düsseldorf  . Kürten wurde durch eine Seitentür ins Verhandlungsgebäude geführt, so das die vor dem Haupteingang versammelte Menschen menge vergeblich auf seine Ankunft wartete.

Die Monarchisten, haben die Mehrheit in Burgos  , Avila   und Cadiz  . Wie groß der Sieg der Linkskoalition ist, geht u. a. daraus hervor, daß im Madrider   Schloßbezirk, wo die Monarchisten mit Leichtigkeit zu triumphieren glaubten, drei Kandidaten der Linkskoalition und nur zwei Monarchisten gewählt worden sind. Von den Madrider  Sozialisten ist u. a. Garcia Santos gewählt worden. In Bar­ celona   find 27 Kandidaten der republikanischen Linken, deren Führer der bekannte Oberst Macia ist, gewählt, ferner 13 radikale Kürten nimmt auf der Anklagebant Plaz. Er sizt mit dem Republikaner   und 10 Regionalisten. In Valencia   find Rücken gegen die Zeugen und ist gut gekleidet. Die lange Unter­32 Republikaner   und Sozialisten, 18 Monarchisten gewählt, in Corsuchungshaft ist ihm faum anzumerken. Sein stechender unsteter boba 27 Republikaner und Sozialisten, 17 Monarchisten, in Cadiz   40 Monarchisten, in Oviedo   25 Republikaner und Sozia Itsten, 15 Monarchisten.

In den Kleinstädten und Dörfern wurde die Opposition erheblich beeinträchtigt durch die Gesetzbestimmung, daß nur der kandidieren darf, der von einem Mitglied der abtretenden Gemeindevertretung empfohlen ist!

Weitere Ergebnisse aus größeren Städten sind: Monarchisten Republikaner  14

Huesca

6

Logrono

.

8

20

Bontepedra

4

10

Salamanca

12

19

Soria

6

8

Teruel

5

14

Leon

7

18

Badajoz

11

20

Ciudad Real

8

16

Cordoba.

17

27

Jaen

10

22

17

30

10

15

Zamora

7

15

Santander

15

25

Balladolid

18

26

Saragoffa

Toledo  

Blid fällt sofort auf. Kurz darauf erscheint der Gerichtshof mit den Geschworenen. Nach der Vereidigung der Geschworenen verliest der Borfizende, Landgerichtsdirektor Dr. Rose, den Eröffnungsbeschluß, in dem die Taten Kürtens einzeln aufgeführt sind. Dann werden die Sachverständigen aufgerufen und zwar ist von der Staatsanwaltschaft noch Sachverständiger Dr. Kreuz nach träglich geladen worden, gegen den der Berteidiger feinen Einspruch erhebt. Der Borsigende fragt dann Kürten, ob er sich zu der An­flage äußern wolle. Das bejaht der Angeklagte. Er ist ziemlich nervös und hat sich Unterlagen mitgebracht. Es dauert jedoch immerhin ein bis zwei Minuten, ehe er beginnt; anfangs stockend und mit sehr leiser Stimme. Er ist am 26. Mai 1883 in Köln Mülheim   geboren als Sohn des Formers Peter Kürten  . Bei seiner Geburt lebte noch eine ältere Schwester. Dazwischen waren noch zwei Kinder, die aber inzwischen verstorben sind, so daß er der älteste Sohn war. Die Bestätigung der vom Borsitzenden an Kürten   gerichteten Fragen erfolgt jedesmal durch ein furzes, taum vernehmbares Ja des Angeklagten. Der Angeflagte bittet dann durch seinen Verteidiger. während der Bernehmung sizen bleiben zu dürfen, was ihm auch erlaubt wird.

Mein Vater ist in Kalt geboren, meine Mutter ist vom Lande in der Nähe von Essen   zu Hause. In den ersten Jahren meiner Jugend haben wir in Mülheim am Rhein   gewohnt. Bevor ich schulpflichtig war, sind meine Eltern häufig hin und her gezogen und zwar mit Rücksicht auf die Trunksucht meines Baters. Es gab mit den Hausbewohnern häufig 3erwürfnisse und Meinungsverschiedenheiten in der Familie. Das hatte des öfteren

die ersten Jahre die Volksschule besuchte, fleine Gefängnisstrafen zu dessen herrschte große Not. War mein Vater zu Hause an­verbüßen und war deshalb mehrfach von Hause abwesend. Infolge­wesend, mißhandelte er nicht nur die Mutter, sondern auch die Kinder. So ist es zu erklären, daß ich im Alter von acht Jahren auf drei Wochen von zu Hause fortgelaufen bin. Geschlafen habe ich in dieser Zeit in einem Möbellager, oder in einer alten Sägemühle. Ich habe von regelrechtem Straßenraub gelebt, bis mich die Polizei aufgegriffen hat.

Und damals bin ich mit fnapper Not an der Erziehungsanstalt vorbeigekommen. Einige Jahre später, etwa um 1895 herum, find wir nach Düsseldorf   gezogen. Mein Vater hatte hier in einem Fabrifbetriebe Arbeit bekommen. Unsere erste Düsseldorfer  Wohnung befand sich in Grafenberg  , auf der damaligen Grafenberger Chaussee.

Als Kürten etwas stockt, fragt der Vorsitzende dazwischen: Sie besuchten nun weiter die Bolksschule und famen gut mit?

Kürten: Jawohl; aber es waren nur noch vier Klassen der

Volksschule. Wir waren zu zehn Kindern, und da war es manchmal recht traurig zu Hause bestellt. Wenn der Bater nicht zu Hause war, weil er vielleicht eine Strafe verbüßen mußte, manchmal auf längere Zeit, ließ sich denken, daß es die Mutter mit zehn Kindern nicht leicht hatte. Ich möchte aber sagen, daß, wenn der Vater zu Hause war, die Not, Schande und Schmach manchmal noch größer waren, da der Bater immer einen Teil seines Geldes vertrunken hat. Dann war es in der Schule so, daß ich zu dieser 3eit schon geachtet war. Die Kinder, andere Mitschüler und Mitschülerinnen zeigten mit Fingern auf mich wegen des Lebens­mandels meines Vaters. So habe ich mich dann in den letzten Jahren meiner Schulzeit freiwillig von allen anderen Mitschülern isoliert. Der Borsigende fragt: Es kommt da ein Erinnerungs­fehler bei Ihnen vor. Zu dieser Zeit ist Ihr Vater mit Zuchthaus noch gar nicht bestraft worden. Das war erst während Ihrer Lehrzeit. Kürten wiederholt, daß ihn die Kinder wegen des schlechten Lebenswandels und der Gefängnisstrafen seines Baters geächtet hätten. Nach meiner Schulentlassung, so fährt Kürten   fort, bin ich auf der gleichen Fabrik wie der Bater beschäftigt gewesen und wollte das werden, was mein Vater war. Vors.: Ihr Vater ist wegen Blutschande mit seiner eigenen Tochter mit einem Jahr Zuchthaus bestraft worden. Sie blieben weiter auf der Lehrstelle und waren von der Gnade anderer Menschen abhängig, die Ihnen hin und wieder etwas schentten? Kürten   bejaht das.

Kürten schildert dann eingehend die häuslichen Verhältnisse. Er malt immer wieder mit Nachdruck und nicht ohne rednerische Ge­schicklichkeit das menig erfreuliche häusliche Milieu aus. Wenn der Vater, was sehr häufig geschah, betrunken nach Hause fam, hat er erst die Mutter und wenn diese geflüchtet war, ihn als den ältesten Jungen mißhandelt. Sein Vater hat auch Sonntags mit ihm in einer Gießerei, die er im Keller eingerichtet hatte, ge­arbeitet. Er habe andere Kinder immer mur yom Kellerloch aus spielen sehen. Das sei natürlich auf seine seelische Verfassung nicht