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BERLIN  Dienstag

14. April 1931

Der Abend

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48. Jahrgang

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Kampfwahl im Rathaus

Auf jede Stimme fommt es an/ 114 gegen 111 Stimmen

Bei der heute nachmiffag im Stadtparlament ffattfindenden Wahl des Oberbürgermeisters, der zwei Bürgermeister, des Stadt­fämmerers und der sechs unbefoldeten Magistratsmitglieder wird es einen harten Kampf zwischen den radikalen Parteien einschließlich der Deutschnationalen und den hinter den Kandidaten stehenden Fraktionen geben. Die Koalitionsparteien haben zur Zeit im Stadtparlament 114 Stimmen, während ihre Gegner über 111 Stim­men verfügen. Gelingt es, den hinter Sahm und den übrigen neuen Männern stehenden Fraktionen nicht, jeden einzelnen Mann zur Wahl heranzubekommen, so ist eine Ueberraschung doch noch möglich. Die Beschlußfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung liegt näm­liich zwischen 111 und 113 Stimmen. Fehlen einige Stadtverordnete der Mitte oder der Sozialdemokratie, so fann die Rechte oder die fommunistische Linfe die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifeln. Der Stadtnerordnetenvorsteher, Genoffe Haß, hat jedoch auch für den Fall, daß Beschlußunfähigkeit des Hauses eintreten follte, die notwendigen Borkehrungen getroffen, um die für die Reichshaupt­fladt fo wichtige Wahl des neuen Oberhauptes nicht wieder durch die Obstruktionsparteien verschleppen zu laffen. Der Borsteher würde die Sihung dann heute furzerhand schließen, und die Wahl würde am Donnerstag vorgenommen werden. Nach§ 44 der Geschäftsordnung ist die Bersammlung in der Donnerstagsihung auch beschlußfähig, wenn die für die normalen Sigungen vor­geschriebene Zahl der Mitglieder nicht anwesend sein sollte.

Die Wahlen der einzelnen Männer werden fich ziemlich fom­pliziert und langweilig gestalten, da jeber Kandidat in. einem besonderen Wahlgang gemählt werden muß. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, daß noch mehrere Stich wahlen stattfinden müssen. Wenn die Koalitionspartner alle Mann zur Stelle haben, wird dieser Fall allerdings nicht eintreten. Bei der Wahl des Oberbürgermeisters werden im ersten Wahlgang neben Dr. Heinrich Sahm   noch der von niemand ernst genommene Kandidat der deutschnationalen Frattion Dr Steiniger und die gleichfalls nicht ernstgemeinte Kandidatur der Kommunisten gegenüberstehen. Erreicht Sahm im ersten Wahlgang nicht die absolute Stimmenmehrheit, so ist ein zweiter und dritter Wahlgang notwendig. Im Endeffekt werden die Radauparteten jedoch nur eine unnötige Berzögerung der Wahlen erreichen fönnen. Im allerlegten Wahlgang haben die Mittelparteien mit den Sozialdemokraten zusammen doch die für die Wahl der von ihnen vorgeschlagenen Persönlichkeiten notwendige Mehrheit.

Der neue Oberbürgermeister, bis vor kurzem Senatspräsident in Danzig  , wird seine Geschäfte voraussichtlich bereits in der näcffen Woche aufnehmen.

Dr. Sahm steht der Volkspartei nahe. Er hat jedoch während feiner Amtszeit in Danzig   mit den Sozialdemokraten sehr eng und gut zufammengearbeitet und wurde von den Deutschnationalen und Nationalsozialisten gestürzt, weil er einen Stahlhelmtag in Danzig  rerboten hatte. Vor feiner Tätigkeit in Danzig   hat Berlins   neuer Oberbürgermeister fommunalpolitisch sehr erfolgreich an verantwort licher Stelle in Stettin  , Magdeburg  , Bochum   und während des Krieges als deutscher   Kommunafteferent in Warschau   gearbeitet.

Hitler  : Palazzo Nr. 2.

Die neuen Männer

Bürgermeister von Berlin  

Dr. Fritz Elfas

bisher Bizepräsident des Deutschen Städtetages. Er ist 41 Jahre alt und gehört ber Staatspartei an.

Berlins   neuer Kämmerer. Dr. Bruno Asch  

bisher Stadtfämmerer in Frankfurt  a. M., Sozialdemokrat und als toma munaler Finanzpolitiker anerkannt.

Bürgermeister von Berlin  Friedrich Lange

bisher stellvertretender Kämmerer, So zialdemokrat und um Berlins   Finanz­mirtschaft besonders verdient.

Noch keine Entscheidung in Spanien  

Nachrichtensperre?- Festesfreude in den Madrider Straßen

Ueber die Vorgänge am heutigen Vormittag in halten, lediglich für den Schuh des Eigentums zu Spanien   waren bei Redaktionsschluß keinerlei direkte sorgen und sich sonst auf nichts einzulaſſen. Nachrichten eingelaufen. Das läßt auf eine neue Ber­Längerung der Zenfur schließen, wenn auch darüber keine Meldungen über Paris   oder London   vorliegen. Ueber die Vorgänge in der letzten Nacht in Madrid  wird gemeldet:

Madrid  , 14. April.  ( Eigenbericht.) Am Montagabend kam es in Madrid   zu blutigen Zusammenstößen. Als die Stadt von dem Gerücht durch eilt wurde, daß der König abgedankt und nach London  abgereist sei, tam es zu großen antimonarchistischen Kundgebungen, in deren Verlauf die Polizei eingriff und fchwer verlett. zahlreiche Schüsse abgab. Mehrere Personen wurden

Nach Mitternacht war erneut das Gerücht von der Abdankung des Königs im Umlauf. Die Menschenmassen haben die Cafés und Nachtlokale verlassen und strömen unter brausenden Hochrufen auf die Republik   durch die Hauptstraßen.

Die Polizei hat sich zurückgezogen und die Bürger­garde beschränkt sich darauf, die wichtigsten Gebäude besekt zu halten, ohne aber bisher in irgendeiner Form einzugreifen. Neuerlich wird bestätigt, daß das Ab­dankungsgerücht falsch ist.

Flucht des Hafenfreuzvermöaens in die Sachwerte. München  , 14. April.  ( Eigenbericht.) Dem den Nationalsozialisten nahestehenden Fränkischen Um 1 Uhr( ME3.) ist die Menschenmenge auf zehn­Kurier", einem Blatt der rheinischen Schwerindustrie, wird aus zu tausend angewachsen, die die Maiseillaise singend verlässiger Quelle mitgeteilt, daß Hitler   seit längerer Zeit über den durch die Straßen der Stadt zieht. Stellenweise finden Verbrüderungen mit der Bürgergarde statt. Ablauf des alten Adelspalais verhandelt, das neben Der fönigliche Palast ist in weitem Bogen durch Bürger­feinem braunen Balast in der Brienner Straße   in München   steht. garde abgesperrt worden. Der Jubel ist unbeschreiblich. Die Verhandlungen stünden unmittelbar vor dem Abschluß. Dieses Die offiziellen Stellen dementieren weiterhin das Ge zweite Balais soll die von Hitler   geplante SA.- Führer- Schule aufrücht, daß der König die Stadt um 22 Uhr verlassen hätte. Wie verlautet, hat die Bürgergarde den Befehl er.

nehmen.

Madrid   tanzt und fingt.

London  , 14. April. Ein in den frühen Morgenstunden aus Madrid   abgesandles Reuter- Telegramm bejagt: Allgemein glaubt man, daß der König zurüdtreten wird. In einigen Teilen der Stadt find die Polizisten angewiesen worden, feinen Gebrauch von der Waffe zu machen. Sie verbrüdern sich mit der Menschenmenge, die Hochrufe auf die Republik   ausbringt. Bisher ist nur ein Zusammenstoß gemeldet worden, bei dem vor dem Berlagsgebäude einer republikanischen Zeitung durch Schüsse der Polizei zwei junge Leute schwer und fünf Personen leicht verletzt wurden. Um zwei Uhr morgens waren die Straßen noch voll tanzender und singender Menschen.

Pariser   Glückwünsche.

Paris  , 14. April.  ( Eigenbericht.)

Leon Blum   und Paul Faure   haben im Namen der Sozia­listischen Partei Frankreichs   die spanische Sozialistische   Parter zu ihrem glänzenden Erfolge bei den Gemeindewahlen, der ein Vor zeichen für den Triumph der Republik und des Sozialismus sei, beglückwünscht.

Kein Belagerungszustand.

In Pariser   gut unterrichteten Kreisen rechnet man damit, daß­der Ministerpräsident bei seinem heutigen Besuch beim König das Rüdtrittsgesuch des Kabinetts einreichen, und daß der König wahr­scheinlich Santiago Alba mit der Regierungsbildung beauftragen wird.

Es wird allgemein festgestellt, daß der Belagerungszustand in Spanien   nicht verhängt fel, wenn auch eine gewiffe 3enjur in der Uebermittlung von Nachrichten an das Ausland bestehe. Das

Heute Sportpalast  / Otto Braun  / Fritz Tarnow