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Morgenausgabe

Nr. 178

A 90

48.Jahrgang

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119090

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Freitag

17. Apríl 1931

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Haß Justiz.

Meineidsflage für Beamtenpflichttreue.

Die Anflage gegen einen Beamten, der in Ausübung feines Dienstes fast sein Leben verloren hätte, und die schimpf­lichen Beschuldigungen, die gegen ihn erhoben wurden, sind Ausfluß eines Systems, das seit dem Siege des Ordnungs­blocks" in Thüringen   sich in der thüringischen Justiz breit­gemacht hat. Dies System besteht im Mißbrauch der Justiz zu politischen Kampfzweden, es ist das System der politischen Rachejustiz

Jastrow hat in seinem Buch über den Justizmord an dem Oberstaatsanwalt Frieders die Tendenzjustiz in Thüringen  folgendermaßen geschildert:

,, Aus seiner Oppofitionszeit hatte der Ordnungsbund" mit Wahlsieg und Kabinettsbildung( Januar bis April 1924) die Auf­gabe einer Abrechnung mit der äußersten Binten übernommen, morunter man in Thüringen   Sozialdemokraten und Kommunisten verstand. Das Mittel dazu war der poli. tische Prozeß. Gegen wieviel Personen vorgegangen wurde, ist niemals ausgezählt worden. Schon die sieben Prozesse, die größeres Aufsehen erregten, mußten für das fleine Land( fleiner als die meisten preußischen Provinzen) soviel bedeuten, wie wenn in Breußen eine neue Regierung fich mit 150 bis 200 Anflagen gegen ihre Vorgänger und deren Beamte einführen wollte. Politische Prozesse sind objektiv Bestandteil eines Kampfes gegen Personen, die man beseitigen will; inmie­weit subjektiv diefe Absicht die Schuldbehauptung hervorgebracht hat, ist schwer, und vollständig nur selten zu beweisen Day in den Fällen, wo lnfulb vorlag, bei einem Teile der Berfolger politische Leidenschaft mitsprach, wird nicht bestrit ten werden."

Diese Rachejustiz war nur möglich, wenn die Staats­anwaltschaften sich dazu hergaben, Tendenz- Antlagen zu vertreten, wie es in Thüringen   der Fall war. Indessen scheiterte sie in vielen Fällen an den Gerichten, so im Falle Hermann und Loeb im Falle Frieders freilich hat das Milieu des politischen Kampfes auch das Gericht in seinen Bann gezogen.

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Der Fall Schmidt hat große Aehnlichkeit mit dem Fall Loeb. Der Präsident der thüringischen Staatsbant Loeb war von der Regierung des Ordnungsblocks" entlassen worden. Da er sich alle Ansprüche aus seinem noch laufen den zehnjährigen Bertrage vorbehielt und diese in einem Zivilprozeß geltend zu machen waren, war von da ab die Kampfstellung gegen ihn gegeben. Wenn es nun gelang so rechnete man in der reaktionären Thüringer   Regie­rung, dem Zivilprozeß ein Strafverfahren wegen ,, Untreue" mit Verurteilung voranzuschieben, so war der Ausgang des Zivilprozesses gesichert. Während man mit den Schwierigkeiten dieser strafrechtlichen Konstruktion sich ab­mühte, tauchte die Behauptung auf, es lasse sich nachweisen, daß Loeb, als Zeuge in einem Frankfurter   Zivilprozeß fom­missarisch in Weimar   vernommen, sich eine unwahrheit oder Ungenauigkeit habe zuschulden kommen lassen. Jetzt war alles auf die Möglichkeit eines solchen Meineidsprozesses zugespizt. Gelang die Berurteilung wegen Meineids, so er­schien bei der geplanten Anflage megen Untreue auf der An­flagebank ein vorbestrafter Mensch, während die Borarbeit des Untreueprozesses für den Zivilprozeß in der genannten Art die meitere Folge war. Die dreitägigen Berhandlungen ergaben aber keinerlei Anhalt für die Möglichkeit eines straf­baren Verschuldens und endeten mit Freisprechung.

Hier wurde das System, die Benutzung der Meineids­flage als Kampfwaffe, deutlich sichtbar. Diese Waffe wurde dann, diesmal mit Erfolg, im Frieders- Prozeß angewandt.

Im Falle Schmidt lagen die Verhältnisse ähnlich. Der sozialdemokratische Polizeibeamte wurde in Wartestand ver fetzt. Er machte Forderungen und Ansprüche gegen die Stadt Weimar   geltend. Auch hier versuchte man vor den Zivil­prozeß einen Strafprozeß zu schieben. Gelang es, im Straf­prozeß eine Verurteilung megen Meineids zu erzielen, fo waren die Ansprüche Schmidts selbstverständlich verloren, und die Stadt Weimar   von allen Leistungen an Schmidt be­freit. Es war diesmal die Stadtverwaltung Bei­mar, die Strafanzeige gegen Schmidt erstattete, um sich ihrer Berantwortlichkeit zu entziehen. Weil die Stadt Weimar   sich um eine Rente drücken wollte, sollte Schmidt meineidig ge­macht werden und ins Zuchthaus wandern!

Wie im Falle Loeb fand diese Absicht eine Staatsanwalt­schaft, die den Versuch der Tendenzanklage bis zum letzten Augenblick durchhielt. Im Falle Loeb war die Anlage voll ständig zusammengebrochen, so daß jedermann erwartete, daß felbst die Staatsanwaltschaft sie fallen lassen würde. Dennoch besaß der Staatsanwaltschaftsrat FIoel die Stirn, eine über aus harte Zuchthausstrafe mit Chroerluft zu beantragen.

Freispruch in Weimar  .

Die Tendenzanflage völlig zusammengebrochen.

Döllstädt

Weimar, 16. April.  ( Eigenbericht.) zeugung aufschwingen konnte, daß der Prozeß gegen Oberwacht­Das Weimarer Schwurgericht hat den Polizeiober meister i. W. Schmidt ein politischer sei, war der Weimarer  wachtmeister i. W. Schmidt von der Auflage des Be- Staatsanwaltschaftrat Döllstädt  . Auf einer Häufung trugs und des Meineids freigesprochen und die vager Indizien, auf Bernehmungen des Angeklagten durch den Kosten der Staatskasse auferlegt. Stadtfynditus Thomas, dessen Aufgabe darin bestand, die Ansprüche des Beamten an die Stadt von dieser abzuwälzen, bante sonders der nationalsozialistischen, dazu benutzt wurde, gegen einen republikanischen Beamten zu hetzen. Weil er Sozialdemokrat und Republikaner mar, sollte er sich den verhängnisvollen Schuß selbst beigebracht haben, meil man ihm unterstellte, daß er neben der Erzielung höherer Pensionsansprüche und einer Versiche­rungssumme auch noch nach dem Ruhm eines politischen Märtyrers trachte. Diese Unterstellung wurde genährt durch das Ver. halten des Stadtvorstandes, besonders des Syndikus Thomas, und von der Rechtspreffe benugt, einen Beamten, der aus seiner republikanischen leberzeugung fein Hehl machte, durch den Kot zu schleifen. Betrug, versuchten Betrug und Meineid warf man ihm vor. Matellos ist er aus der Gerichtsverhandlung hervor. gegangen. Gegenüber dem Strafantrag des Staats. anwalts, der auf ein Jahr drei Monate Zuchthaus  und fünf Jahre Chroerlust lautete, erkannte das Schwurgericht auf bebingungslose Freisprechung und Uebernahme der Koften auf die Staatstaffe.

Der Staatsanwaltschaftrat hatte ein Jahr drei Monate Zuchthaus   und fünf Jahre fich die Anklage auf, eine Anklage, die von der Rechtspresse, be­Ehrverlust beantragt.

Nach eingehender Ortsbesichtigung erstattete Polizeirat Behrecke, der damalige Chef des Angeklagten, Bericht über Führung und Eignung desselben. Danach war Schmidt ein fehr tüchtiger und bildungsfähiger Polizeibeamter, der sich in jeder Weise bewährt habe, bei dem nicht im geringsten ein Kündigungsgrund vorlag.

Zeuge Kriminalfetretär Falte hat als einziger fich den Waffenrod des Angeflagten furz nach dem Borfall genau an­gesehen. Damals habe man schon gemunkelt, Schmidt hätte sich möglicherweise den Schuß selbst beigebracht. Er habe an dem Rod ein Loch mit Blutflecken herum gesehen. Pulverschleim oder Brand­spuren feien ihm nicht aufgefallen. Er habe auch den Einschuß nicht für einen Nahschuß gehalten.

Nach einer eineinhalbstündigen Mittagspause begannen gegen 4 Uhr die Plädoyers. Der einzige, der sich nicht zu der lleber

Ruhe und Arbeit in Spanien  .

Verhandlungen Madrid  - Barcelona.- Weitgehende Amnestie.

Madrid  , 16. April.  ( Eigenbericht.)

Spanien   vollkommene Ruhe. Die Arbeit wurde nach Am Donnerstag vormittag und nachmittag herrschte, in ganz dem Feiertag am Mittwoch überall wieder aufgenom­men. Auch in Barcelona  , wo die Feindschaft zwischen der Einheitsgewerkschaft und der unter der Diffatur von General Unido gegründeten freien Gewerkschaft", einer reaffionären Organisation, gefährliche Formen anzunehmen drohte, ist vorläufig der Friede wiederhergestellt

Zwischen der fatalonijchen Regierung und der Ma­ drider   Zentralregierung sind inzwischen Schwierigkeiten aufgetaucht, da fich die Regierung in Madrid   der Errichtung eines befonderen tatalanischen Staates widerseht. In Madrid   wurden am Donnerstag Berhandlungen zwischen dem Wirtschaftsminister Ni­colau d'Olver und einem Delegierten der fatalonischen Regierung aufgenommen, die, wie man glaubt, zu einer Ber ftändigung im Sinne der fatafonischen Wünsche führen werden.

Die Regierung hat am Donnerstag beschlossen, alle zu leich ten Freiheitsfra feu verurteilten Personen grundfäßlich zu begnadigen. Dieselbe Maßnahme wird auf alle Strafgefan­genen angewandt werden, die von jetzt ab weniger als vier Jahre Gefängnis zu verbüßen haben. Allen übrigen Verurteilten wird die Hälfte der Strafe erlassen. Sie werden aber, soweit ihnen keine

Flo el hat in dem Staatsanwaltschaftsrat Dollstädt   einen würdigen Nachfolger gefunden. Der Tendenzcharakter der An flage gegen Schmidt ist im Prozeß flar hervorgetreten, nicht der Schatten eines Beweises für seine Schuld ist beigebracht worden. Dennoch der Strafantrag auf 1 Jahr 3 Monate Zuchthaus   und 5 Jahre Ehrverlust!

Dieser Strafantrag ist die äußerste Konsequenz des Systems der politischen Verfolgung von Republikanern mit Hilfe der Justiz, das erfreulicherweise auch in diesem Falle feine Grenze am Spruch der Richter gefunden hat!

höhere Strafe als sechs Jahre Gefängnis zudiftiert ist, provisorisch aufstand verurteilten Flieger des Madrider Flugplatzes find am in Freiheit gefeht. Die wegen der Teilnahme an dem Dezember­Donnerstag fämtlich aus der Haft entlassen worden.

Am Donnerstag sind auch die endgültigen Ergebnisse der Ge­meindewahlen auf dem Lande veröffentlicht worden. Danach haben in der Gesamtheit der Gemeindeverwaltungen auf dem Cande die Monarchisten die Mehrheit erhalten.

Daß die Wahlergebnisse in den fleinen Gemeinden auf dem flachen Lande und im Gebirge, wo die Macht des Klerus noch vielfach ungebrochen und der Prozentsaz der An­alphabeten zum Teil ungeheuer hoch ist, ein wesentlich anderes Gesicht als in den Städten haben würden, ist hier bereits am Dienstag als sicher angenommen worden. Das hat aber für die Stimmung des Boltes, soweit es politiſch denffähig ist, wenig zu besagen. Außerdem dürfte die Nach­richt von der Flucht des Königs auch in den Dörfern einen starten Umschwung zur Folge haben, besonders dann, wenn die Kirche, wie es den Anschein hat, so flug ist, ihren Frieden mit dem neuen Regime au schließen.

Die Hoffnung auf das Dorf schemt es zu sein, die Alfons veranlaßt hat, in legter Stunde nicht förmlich abzudanken,

sich selbst geschossen, um den Märtyrerspielen zu können!

Die Ungeheuerlichkeit dieser Beschuldigung wird nur über­troffen von der Unmoral, die sich in dem Vorgehen der Stadt­verwaltung von Weimar   zeigt. Um ein paar schäbige Mark zu sparen, sollte ein pflichttreuer Beamter infamiert werden, er sollte zu dem Schuß eines Hatenkreuzbanditen noch den Fußtritt eines rechtsstehenden Stadtbeamten erhalten, zur Schädigung der Gesundheit noch den Verlust von Freiheit, Ehre und Existenz! Das ist die höchste Untreue, die denkbar ist. Der politische Haß gegen diesen Beamten hat über alle Gefühle der Rechtlichkeit, der Treue und der Scham triumphiert.

In einem Punkte aber unterscheidet sich die Anklage gegen Schmidt von der gegen Loeb. Damals wurde ein nicht von vornherein durchsichtiger Vorgang aus einem jahrelang zurüd- Der Bersuch, das Opfer eines Hafenkreuzmörders zu in­liegenden Zivilprozeß zur Verfolgung benutzt, diesmal aber famieren, ist zusammengebrochen. Damit ist dieser Fall nicht ein weit flarerer Tatbestand! Das Opfer eines Hafenkreuz- abgeschlossen. Denn nun gilt es, Aufklärung zu verlangen über banditen, das einen lebensgefährlichen Schuß in der Nähe des die Treiber dieser schimpflichen Anklage in der Weimarer  Herzens davongetragen hatte, wurde furzerhand beschuldigt, Stadtverwaltung! Vor allem aber: wird die tüchtige Weimarer sich den Schuß felber beigebracht zu haben! Ein einfaches Ber Staatsanwaltschaft sich nun endlich energisch um die Strafver­fahren, das fünftig Hakenkreuzmörder zu der Angabe verfolgung des nationalsozialistischen Mordbuben bemühen, der führen muß, thre Opfer hätten sich selbst umgebracht, um der Schmidt niedergeschossen hat? Denn schließlich ist es Republif Märtyrer zu liefern! Denn der Staatsanwalt von die Aufgabe der Justiz, die Mörder zu ver­Beimar hat wahrhaftig Schmidt beschuldigt, er habe auf folgen, und nicht die Opfer!