Die Wunschtraume des Mörders Beginn der Gachverständigen-Gutachien im Kürten-Prozeß
Düsseldorf . 21. April. Der heulige achte Verhondlungstag galt im wesentlichen den Gutachten der Sachverständigen über die Psyche des Massenmörder, Kurten. Ws erster Sachverständiger kommt Prof. Dr. Franz Scioli. Direktor der Heil- und Pflegeanstall Düsseldorf-Grafenberg, zu Worte. Der Sachverständige verbreitet sich über die Ergebnisse der Unter- suchung und erklärt, daß die Taten Kürtens nicht im Zeichen krankhafter Geistesverfassung begangen worden sind. Eine organische Gehirn- oder Geisteskrankheit war nicht festzustellen, wie sich auch bei den Verhandlungen ergeben hat. Keine paradoxe, unerklärliche Gemütsregungen sind festzustellen gewesen. Kürten war weder gehoben noch gedrückt. Nichts Absonderliches in Bewegung und Sprache, das auf ein Irresein schließen ließ, konnte beobachtet werden. Auch eine anormale Störung des Denkens ist nicht festzustellen gewesen Ob im Inhalt des Denkens Störungen lagen, war besonders zu prüfen, und auch die Frage zu stellen, ob es sich nicht um eine Wahnidee handelte, da Kürten ja damals als Motiv seiner Taten die sogenannte Sühneidee in den Vordergrund stellte. Es zeigte sich ober bald, daß es keine Wahnidee war, sondern daß es der Ausfluß der Phantasietätigkeit und der Wach- träume, denen sich der Angeklagte in breitester Weise seit langen Jahren hinzugeben pflegte, ist. Aber diese Art Phantasie ist nicht krankhaft, da sie auch besonders in Jntellettuellenkreisen wie bei- spielsweise in der Künstlerschaft sehr stark vorzufinden ist. Profesior Scioli zitiert ein paar wörtliche Aeußerungen Kürtens, in denen er sich schuldig bekennt, seine Wunschlrqume und-Vorstellungen auch bei Begehung der Talen uichl unterdrückt zu haben. Neben den Vorstellungen der Rache hat er auch Vorstellungen der Hilfe gehabt, allen aber lagen gemeinsam sexuelle Motwe zugrunde. Typisch ist auch seine Großmannssucht, die aber nicht als krankhaft
bezeichnet werden kann. Abschließend muß ich also sagen, daß eine Geisteskrankheit nicht vorliegt. Wir haben auch nichts von vor- übergehenden krankhaften Geistesstörungen gemerkt, nichts von Be- wußtlostgksiten �krankhafter Natur. War aus den Taten zu schließen, daß sie in krankhaftem Zustande der Bewußtlosigkeiten verübt wurden? Ein Symptom der Bewußtlosigkeit ist die Erinnerungs- losigkeit, aber das Gegenteil ist bei Kürten der Fall, der sogar ein ausgezeichnetes Gedächtnis hat. Der Sachverständige be- spricht die Vererbung. Dr. Neumann, mein Mitarbeiter, hat eine Ahnentafel noch den Angaben Kürtens aufgestellt, in der etwa ISO Personen verzeichnet sind. In der Familie fehlen jeg- liche Geisteskrankheiten: kriminelle Personen und Trinker kommen in ziemlicher Menge vor, aber Kürten mußte deshalb nicht in dieser Weise kriminell werden. Hat das Milieu seine Persönlich- keit krankhast verändert? Nehmen wir das Milieu als denkhor schlecht an, so zwingt das nicht dazu, diese Taten zu begehen. Kürten ist ein geistig vollwertiger Mensch, der nicht schrankenlos und verantwortungslos ollen Regungen nachgeben durfte. Der perverse Trieb war nicht stärker als der normale. Er ist daher auch ebenso solchen Hemmungsvorstcllungen unterworfen wie der normale. Damit schließt der Sachverständige seine Aus- sührungsn, und es entspinnt sich ein« längere Diskussion zwischen ihm und dem Verteidiger. V e r t e i d i gej: Die kriminelle Untersuchung ist erst ein Jahr nach der letzten ÜMrdtat erfolgt. Ist dennoch ein absolut sicherer Schluß möglich und hat auch bei Begehung der Taten keine Geistes- krankhest vorgelegen? Der Staatsanwalt schließt sich dieser Frage an und erinnert daran, daß die letzte Tat im Mai löZÜ geschah. Sachverständiger: Der Geisteszustand Kürtens während der Untersuchung war nur die Brücke, um den Geisteszustand mährend der Taten feststellen zu können. Auf Grund der Taten muß ich sagen, daß keine Geisteskrankheit vorlag.
Handlungspausen wiederHoll nach Berlin begeben, um dem Reichs- kabinett Bericht zu erstatten. Auch über diese Besprechungen liegen genaue Protokolle vor. Aber auch die andere von Herrn Dr. Schacht aufgestellte Be- hauptung, die Reichsregierung habe die Unabhängigkeit der Sachverständigen oerletzt, hält einer aktenmäßigen Nachprüfung nicht stand.
Ein sittlicher Erneuerer. Rotzuchtsanklage gegen Hitlers Gauleiter in Essen . Die Partei Adolf Hitlers behauptet von sich, nicht nur für die politische Befreiung Deutschlands , sondern auch für die sittliche Erneuerung des Volkes zu kämpfen. Den Beruf dazu haben sie, das beweist der Fall des Herrn Terboven. Wer ist Herr Terboven? Er ist der Gauleiter der NSDAP , in Essen und Mitglied des Reichstags. Und dieser Herr Terboven ist des Notzuchtsversuchs an der minder- jährigen Tochter eines nationalsozialistischen„Pg.V beschuldigt: die Durchführung dieses schändlichen Verbrechens scheiterte nur daran, daß in letzter Minute einige andere Personen dazukamen und einschritten. Diese Greueltat eines nationalsozialistischen Reichsiagsabgeord- nete», die schon einige Zeit zurückliegt, wurde im Interesse der Hitlcr-Bewegung verschwiegen und konnte verschwiegen werden, da es sich bei den unmittelbar und mittelbar Beteiligten ausschließlich um Mitglieder der NSDAP , handelte. Die Rebellion des Hauptmann Stemies, die auch im Ruhrgebiet ihre Auswirkung fand, hat jedoch die Zungen gelockert. Gegen Terboven ist Anzeige bei der Staatsanwalt- s ch a f t erstattet; die eidesstattlichen Erklärungen des Daters des armen Mädchens und der Tatzeugen liegen den Gerichten vor.
Ein Hakenkreuzgericht. Munchmeyer stößt auf geistesverwandte Richter. Wie der„Angriff"(Nr. 81 vom 18. April 1931) aus L i e g n i tz zu berichten weiß, ist der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Mü n chm e y e r vom Großen Schöffengericht von der An- klage einer Reihe von Bergehen gegen das Republikschutzgesetz freigesprochen worden. In der Urteilsbegründung soll das Gericht festgestellt haben, daß„der Ausdruck Iudenrepublik nicht strafbar ist, wenn er gebraucht wird, um damit den herrschenden Einfluß des Judentums in der Republik zu betonen". Bei der Urteilsbegründung soll der Vorsitzende ferner erklärt haben, „es fei g e r i ch t s b e k a n n t, daß die Hiiler-Pariei nicht die Republik als Staatsform bekämpfe, sondern nur gewisse republi- kanische Parteien". Es ist zu erwarten, daß der preußisch« Iustizminister diese skandalöse Angelegenheit einer sofortigen Nachprüfung unterzieht und— sollte der Bericht des„Angriff" den Tatsachen entsprechen— unverzüglich und ohne Rücksicht auf die beteiligte Personen geeignete Mahnahmen ergreift, um eine Wiederholung solcher Entgleisungen zu verhindern. Die Erziehung zum Anstand. Die Gvttlosenpropaganda unter der Notverordnung. Ein geheimes Rundschreiben der KPD . Die in der neuen Notverordnung �gegebenen Möglichkeiten, gegen die kommunistische Gottlosenpropaganda vorzugehen, haben die Leitung der Kommunistischen Partei veranlaßt, ihren Funttio- nären eine Aenderung in den Agitationsmethoden vorzuschreiben. Die Zentrale der KPD. hat, wie wir erfahren. dieser Tage ein geheimes Rundschreiben erlassen, das in dieser Richtung bestimmte Anordnungen gibt und für den Fall der Uebertretung strenge Disziplinierung ankündigt. In dem Rundschreiben heißt es u. a.: „Wenn wir den Zusammenhang durchschauen, werden wir uns durch die Angriffe des Klassenfeindes nicht zu Agita- tions Methoden verleiten lassen, die nur dem Interesse unserer Feind« dienen. Nicht nur die Freidenkerorganisationen, sondern auch die„Agitprop" und andere Organisationen der Massenagitation und Propaganda müssen selbst kritisch feststellen, daß unsere Methoden aus diesem Gebiete nicht geeignet sind, die Teile der Werktätigen, die noch bis .zu einem gewissen Grade an Religion und Kirche gebunden sind, näher an uns heranzubringen. Selbstverständlich ist es Pflicht der proletarischen Frcidenkerorgonisationen, die Rolle der Kirche im Klassenkampf aufzuzeigen und eine Kirchenaustrittsbewcguna zu entfachen, selbstverständlich müssen wir den Vorstoß der faschisti - schen Reaktion auf kulturellem Gebiete besonders brandmarken, aber das kann geschehen ohne grobe, taktlose Methoden, die auf Teile der Werktätigen, die wir gewinnen müssen, nur a b st o ß e n d w i r k e n. Es ist auch nicht zweckmäßig, be- fmiders nicht in Gegenden mll starkem katholischen Einfluß, unsere sfreidenkerveranstallungen unter dem Titel„Gottlosen- Abende" durchzuführen. Funktionäre und Organisationen, die durch Nichtachtung dieser Anweisungen, durch plumpe und taktlos« Agitationsmethooen abstoßend wirken und Verbote provozieren, haben ihren Beruf oerfehlt und werden rücksichtslos zur Verantwortung gezogen werden." Das Rundschreiben, dessen Echthell nicht bestritten werden kann. läßt erkennen, daß die Lellung der Kommunistischen Partei aus der Notverordnung die Folgerung gezogen, hat, ihre antireligiöse Agitation vorsichtiger zu gestalten. Jedenfalls sollen die groben Be schimpfungen Andersgläubiger unterlassen werden. Wer sich nicht fügt, der wird mit Ausschluß bedroht. Die Erziehung wirkt also!
Wachhunde und Führerhunde steuerfrei. Der Steuerausschuß der Stadtverordnetenoersammlung nahm die Hundesteuerordnung in der noch den Maßgaben des Ober- Präsidenten abgeänderten Fassung an. Die wichtigsten Sie n de- r u n g e n gegenüber der früher beschlossenen Form, die bereits die Steuerermäßigung auf ein Viertel für Wachhund« allgemein vor- sah. bestehen darin, daß nunmehr voll« Steuerfreiheit gewährt wird für Hunde, die auf einzeln gelegenen Gehöften oder Hausgrundstücken zur Bewachung gehalten weiften und sich tagsüber dauernd auf dem zu bewachenden Grundstück außerhalb des Wohngebäudes besinden. Als einzeln gelegene Gehöfte oder Häuser gellen diejenigen, die in gerader Richtung von Wand zu Wand ge- messen, mindestens 190 Meter von anderen bewohnten Gebäuden entfernt liegen. Ferner bleiben steuerfrei die Führhund« von Blinden und Diensthund« der Forst-, Polizei.. Zoll- und Reichs- bahnbeamten, Milllärdienfchunde und Wachhunde in Gefangenen- ' onstalien.
Aationalversammwng im Mai. Große Wahlkreise in Spanien . Madrid , 21. April. (Eigenbericht.) Der Justizminister teilte am Montag im Ministerrat mit, daß er einen Entwurf zu einer durchgreifenden Reform des Iusttzwesens ausgearbeitet habe. Die Justiz fei zur Zell zu stark dezentra- lifiert. Eine Neugruppierung der Justizbehörden fei notwendig. Der Kriegsministcr erklärte, daß er an einer Reform des Heeres- statuts arbeite. Das Statut selbst soll von der verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossen werden. Die Regierung hat im übrigen die Absicht, das bisher geltende Wahlgesetz zu ändern, und zwar insbesondere in der Form, daß an Stelle der kleinen Wahlkreise Prooinzialwahlkreise treten. Die C o r t e s- W a h l e n. die für Ende M a i in Aussicht genommen sind, sollen bereits nach dem neuen Walilgefetz vor sich gehen. Die Regierung hofft bei diesem Kampf auf eine große Mehr- hell der Republikaner und Sozialisten. Die Monarchisten dürften nach der Ansicht des Innenministers höchstens 10 bis 15 von dey, 500 Sitzen der NationalverfcmnNlung erringen. In bezug auf die Stabilisierung der Peseta beabsichtigt die Re- gierung, vor irgendwelchen Maßnahmen die Nationalversammlung zu befragen.
Die Ausrüstung vor der Abrüstung. Frankreichs Ostgrenze.— Flottenverhandluugen wieder im Gang. Paris . 21. April.(Eigenbericht.) In der Montagsitzung des Ministerrats, der unter dem Vorsitz des Präsidenten Doumergue stattfand, gab Kriegsminister Maginot eine Uebersicht über die Fortschritt« der Grenz ver- teidigungsarbeiten an der Ostgrenze und über die Mittel, mit denen der Grcnzausbau finanziert werden soll. Der Ministerrat billigte serner die Instruktionen des Außen- Ministers und des Marineministers an die französischen Dclegierien zu den Londoner Flottenabrüstungsverhandlungen. Die Verhandlungen sind seit dem 14. April wieder aufgenommen worden, haben aber infolge der Abwesenheit des französischen Delegattons- führers bisher nur zur Klärung untergeordneter Fragen geführt. Der französssche Hauptdelegierte reist am Dienstag nach London und dürfte der englischen Regierung einen V e r m i t t- lungsoorschlag der französischen Regierung über die beiden strittigen PunUe des Abkommens(Recht Frankreichs auf Ersatz un- moderner Kriegsschiffe nach 1953, Verringerung des Geschützkalibers für die beiden neuen französischen Panzerkreuzer) über- bringen. Briand hat den englischen Geschäftsträger in Paris noch dem Ministerrat über die neuen Instruktionen Masstglis unter- richtet.
Gefängnis für Republikbeschimpsung. KPO »ReichstasiSabgeordneter Leow vor Gericht. Der frühere Rol-Fronl-Führer and jetzige kommunistische Reichstagsabgeorduele Leow mutzte sich heule vor dem Schöffengericht Schönebcrg wegen Beschimpfung der Republik verantworten. Leow hiell am 22. August vorigen Jahres im..Lindenhaus". Schöneberg , eine Wahlversammlung ab. Ein Zuhörer' nahm an seiner Rede Anstoß. Nach der Darstellung des Zeugen vor Gericht schilderte Leow zuerst die Paradieszustände in Sowjetrußland, führte die Zahl der Kommunisten auf— 900 Millionen von 14 000 Millionen der gesamten Bevölkerung der Welt, 400 Millionen Inder, 300 Millionen Chinesen, 150 Millionen Russen— und kam schließlich auf die wirtschaftlichen Berhältnisse in Deutschland zu sprechen. bei welcher Gelegenheit er von der dreckigen Saurepublik gesprochen haben soll. Die von dem Angeklagten Leow genannten Zeugen, drei an der Zahl, wollten ähnliche Ausdrücke nicht gehört haben: einer erklärte, sie feien überhaupt nicht gefallen, vielleicht habe sie einer von den Zuhörern gebraucht: die beiden anderen, sie erinnerten sich solcher Ausbrücke nicht. Der Angeklagte selbst be- hauptete, daß diese Redewendungen aus dem nationalsozialistischen Lexikon stammen, das Schimpfen sei überhaupt nicht seine Art. es stünden ihm genug Worte zur Verfügung, um seinen Gedanken in anderer Weise Ausdruck zu verleihen. Der Staatsanwall beantragte auf Grund des Republikschutz- gesetzes unter Versagung mildernder Umstände wegen Beschimpfung der Republik drei Monat« Gefängnis. Das Gericht verurteilte den Angeklagten unter Zubilligung mildernder Umstände zu fünf Wochen Gejängnis.
Die französischen Photographien. FessungStore und Geschütze. Die Lichtbilder, die die französischen Offiziere in Königsberg angeferttgt haben, füid von gewähnlichem kleinem Kodak -Format. nicht etwa von einem jener besonders kleinen Apparate, die zu Spionagezwscken mit Vorliebe oerwendet werden. Die Aufnahmen zeigen in der Hauptsache Festungstore und dergleichen und find insofern ganz unbedenklich, denn die Königsberger Festung.'- anlagen ziehen sich bis in die Stadt hinein, und was da photo- graphiert ist, kann jeder Straßenpassant ohne weiteres schen. Zwei der Aufnahmen zeigen eine übende Mannschaftstruppe. Die Bilder werden jetzt vergrößert und man wird dann erkennen, ob gewisse Vorrichtungen der Artillerie, die technische Neue- r u n g e n darstellen und geheim sind, auf diesen Bildern besonders zu erkennen sind. Die Verfailler Bestimmungen schreiben Deutsch- land zwar die Zahl und die Art der Waffen vor, stchen ober der technischen Eniwicklung gewisser Geräte nicht im Wege. Die französischen Offiziere waren in Königsberg durch einen Reichswchroffizier festgenommen worden, find aber dann auf An? ordnung der Reichswehrdivision freigelassen worden. Sie sind in- zwischen über Palen nach Frankreich zurückgereist. Da diese Offiziere in Zivil reisten, brauchten sie außer dem normalen Einreisevisum keine besondere Bewilligung, auch nicht zum Ausent- hott in Königsberg . Der französische Militärattache« in Berlin hatte die Reise dieser Offiziere zur Besichtigung der Schlachtfelder in Osr- preußen ausdrücklich angemeldet und sie dabei als Offiziers vom Büro II des französischen Generalstabs, d. h. von der Nach- richtenabteilung, bezeichnet.
Kreuzberg bewirtet feine Sozialrentner. „Wie der„Katzenwirt" noch seine vierbeinigen Lieblinge dres- sicrte und vorführte, so vor 26 Jahren vielleicht, da ging's uns noch besser, denn damals waren wir jünger", meinte eine aus der Tafel- runde der Kaffesgäste, die auf Einladung der W ä r m e st u b e U r- banstraße beim Berliner „Katzenwirt" in der Hasenheide bei Kaffee und Kuchen saßen. Ein halbes Hundert Männer und Frauen, denen die Zeit und ihre Schwere alles genommen: nun leben sie ihre paar Jahre zu Ende, so gut oder so schlecht es eben geht. Trist und einförmig reiht sich Tag an Tag, Woche an Woche, Monat an Monat, Jahr an Jahr... Dazu immer die bange Sorge: Was wird jetzt noch Schlimmes dazukommen? Da ist so ein fröhlicher Nachmittag, wo man in der warmen Stube beisammen sitzt, eine wahre Erlösung aus all dem Jammer. Da fpiell eine Kapelle, die sich für den guten Zweck zur Verfügung stellte, lustige Weisen, und sogar eine Stimmungskanone schmettert abwechselnd fröhllche und gefühlvolle Lieder: auf einmal wird's stockduster, dann stammen kleine bunte Glühbirnen auf und die Sängerin trällert das Lied vom„Glühwürmchen". Das kennen sie noch alle und alles summt ein wenig mit. Dann wird's wieder hell und ein flotter Walzer erklingt, dann fingt die„Kanone" einen modernen Schlager nach dem anderen: In der großen Kanne dampft der gute, heiße Kaffee, auf dem Teller liegt eine Wenge Kuchen, alles sitzt im Sonntagsstaat und lacht und freut sich und ist wieder einmal Mensch. Nun wird die Dampferpartie eifrigst besprochen, die in der nächsten Woche steigen soll, da hat man schon fleißig gespart, um einmal nach dem langen Winter einen ganzen Tag draußen bleiben zu können. Um 7 Uhr wird abgeblasen, da geht's zur Frauenoersammlung nebenan im„Orpheum": alle gehen sie mit, auf gesunden und auf kranken Beinen.
Todessturz beim Fensterstreichen. Im Hause Zeitzer Straße 1/2 in Neukölln ereignete sich heute vormittag ein entsetzlicher Unglücksfall. Gegen 10 Uhr war der. ö2jährige Hausdiener Karl G a i d e damit beschäftigt, das Küchenfenster seiner im vierten Stockwerk gelegenen Wohnung zu streichen. Im Verlaufe der Arbell trat Gaide auf das Blumen- brett, um das Fensterkreuz von außen anzustreichen. Er erlitt plötzlich einen Schwächeanfall und stürzte kopfüber aus den asphaltierten Hof hinab, wo er mll schweren Verletzungen bewußt- los liegen blieb. Durch die Feuerwehr wurde der Verunglückte ins Neuköllner Krankeichaus gebracht, wo er gleich nach seiner Auf- nähme starb._ Der Reichstat genehmigte am Dienstag die erste Durchführungs- Verordnung zum Jndustriebaukgefetz. Diese Verordnung stellt eine Reihe früherer Dur6)sührungsbestimmungen zum Industrie- bankgefetz wieder her. Ferner verlieh der Reichsrat den 7prozentigen deutschen Kommunalgeldschatzanwe i s u n g e n der deutschen Girozentrale pou 1931 die Mündelstcherheit.