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Morgenausgabe

Nr. 186

A 94

48.Jahrgang

Böchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 m im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bf. Postzeitungs- und 72 Bf. Bostbestelgebühren. Auslands abonnement 6,- m. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drudjacen porto 5,-

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Der Borwärts erscheint mochentag lich zweimal, Gonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenftimme", Techni!", Blid in die Büchermelt", Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch

22. Apríl 1931

Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pf.

Die einspalt Nonpareillezeile 80 Bf. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An­zeigen das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zuläffig zwei fettgedrudte Morte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes meitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien­anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3. wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Weg mit der Brotteuerung!

Berlegenes Regierungsgerede.- Unmögliche Kompromißversuche.- Die Regierung soll ihre Pflicht tun.

Die Reichsregierung hat, da sie erst am Donnerstag wieder zusammentritt, zur Brotpreisfrage noch keine Stellung genommen. Von dem in erster Linie verantwortlichen Reichsernährungs­ministerium hört man nur verlegenes Gerede. Es sei selbst unangenehm, überrascht gewesen, so erklärt es, obwohl es seit Bochen angesichts der Preisentwicklung mit einer Brotteuerung rechnen mußte und obwohl die Sozialdemokratie fast täglich die entsprechenden Maßnahmen zur Berhinderung einer Brotteuerung forderte.

Am 23. April sollen Besprechungen stattfinden, um un etwünschte Folgen der Preiserhöhung zu vermeiden. Wir tennen nur eine einzige, unerwünschte" Tatsache: das ist die Berteuerung überhaupt. Diese Verteuerung muß beseitigt werden, und

es gibt hier auch keinerlei Kompromiß etwa in der von Schiele offenbar gewünschten Richtung, daß man den früheren Preis nur für ein neues Brot" aus Roggenschrot herstellt. Die Sozialdemo­tratie fann sich nicht dazu hergeben, auf Umwegen flare Verpflich tungen der Regierung umgehen zu lassen.

Nachdem früher schon mehrere Brotfabriken die Preise wieder erhöht hatten und auch die Bäcker jetzt gefolgt sind, hat auch die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend der Roggen und Roggenmehlverteuerung im Brotpreis durch einen

2- Pfennig- Aufschlag Ausdruck geben müssen. Das mag bedauerlich sein, ist aber neue Anklage gegen die Untätigkeit der Reichs­regierung.

Die Pflicht der Regierung.

Wenn nicht sofort ganz energische Gegenmaßnahmen unter nommen werden, muß man mit einer allgemeinen Berteuerung des Brotes in ganz Deutschland rechnen. Darf die Reichs regierung dieser neuen völlig untragbaren Belastung des Ar­beiterhaushalt tatenlos zusehen? Besteht nicht für die Reichsregie­

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schen Reichsamt ermittelten durchschnittlichen Brotpreis der letzten sechs Monate, vor Infrafttreten dieses Gesetzes vorbeugt. Am 1. April ist dieses Gesetz verkündet worden.

Der gesetzliche Brotpreis ist heute schon überschriften. Eine Untersuchung ergibt, daß von 16 deutschen Großstädten in 11 Städten die jetzigen Brotpreise über dem Durchschnittspreis des letzten halben Jahres liegen. In nur vier Städten ist der Brotpreis gleichgeblieben, und nur in einer Stadt ist der jetzige Brotpreis niedriger als der Durchschnittspreis.

Die Voraussetzungen für das Einschreiten der Regierung sind also gegeben. Aber nicht nur das. Die Regierung hat schon ihre Pflicht versäumt, da es im Gesetz eindeutig heißt, daß fie einer Erhöhung der Brotpreise vorbeugen( 1) muß Das ist nicht geschehen! Und was gedenkt die Regierung jetzt zu tun? Sie will, daß ein neues sogenanntes Konsumbrot" in den Handel gebracht wird, das einen großen Teil Roggenschrot enthält, so daß eine Art Kommißbrot entsteht, das zum alten Preis abgegeben werden soll, während die Preiserhöhung für das Normalbrot aufrechterhalten bleibt. Wir haben gewiß nichts gegen ein Roggenschrotbrot einzuwenden. Wir müssen aber schärfsten Protest dagegen erheben, daß auf diese Weise das Gesetz von der Regierung umgangen wird.

Es geht auf keinen Fall, daß man jetzt ein neues Brot schafft, das schon wegen seiner Zusammensetzung aus gesundheit lichen Rücksichten nicht von allen Konsumenten verzehrt werden fann. Es grenzt auch nahezu an Schwindel, wenn man erklärt, daß von nun ab dies das eigentliche Konsumbrot sei, dessen Preis maßgebend für, die Handhabung der gesetzlichen Vorschriften sein soll. Es ist nicht abzusehen, was das für Folgen haben kann. Steigt der Roggenpreis, weiter, dann wird man schließlich ein neues Brot herstellen, das gemahlenes Stroh als Zusatz enthält oder schließlich Kohlrüben wie im Krieg.

So darf weder ein Gesetz noch der gefeßliche Verbraucherschutz ausgelegt werden. Es kann daher nicht scharf genug von der Regie: rung gefordert werden, daß sie sofort die gesegliche Vor­fchrift erfüllt und dafür sorgt, daß der Brotpreis wieder fintt. Dies kann entweder durch Räumung der staatlichen Roggen bestände und durch Senkung des Zolls geschehen und auch durch zusätzliche Maßnahmen, die Bäckerspanne abzubauen, wozu in vielen

rung eine rechtliche Verpflichtung, selbst wenn sie es vor sich zu verantworten glaubt, den ausgehungerten Arbeitslosen den Brot forb noch höher zu hängen, einer Steigerung des Brotpreises ent­gegenzuwirken? Diese Berpflichtung besteht. Das Gefeß über Zolländerungen vom 28. März 1931 verlangt von der Regie­rung, daß sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln einer Erhöhung des Brotpreises über den vom Statisti- Städten Gelegenheit sich bietet.

Oberbürgermeister Reuter.

Stadtrat Reuter wird Oberbürgermeister von Magdeburg . Wie aus Magdeburg gemeldet wird, haben die Wie aus Magdeburg gemeldet wird, haben die dortigen Parteiinstanzen den Berliner Stadtrat, Genossen Neuter, als Kandidaten für den am 14 Mai 1931 frei werdenden Magdeburger Oberbürgermeister posten aufgestellt. Genosse Reuter hat seine Einwilligung zu der Nominierung bereits erteilt. Oberbürgermeister von Magdeburg ist zur Zeit Genosse Beims, der wegen Erreichung der Altersgrenze aus dem Amte scheiden mus, das er seit 1919 mit großem Erfolge innehatte. Reuters Wahl zum Oberbürgermeister gilt als gesichert. Reuters Wahl zum Oberbürgermeister gilt als gesichert. Die Wahl wird voraussichtlich in der nächsten Woche erfolgen.

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Reuters Fortgang aus Berlin ist ein schwerer Verlust für die Reichshauptstadt. Reuters Werk ist die restlose Vereinheit lichung des Groß- Berliner Berkehrs, ein Wert, das oft auch von ausländischen Fachkennern als fommunalpolitische Großtat bezeichnet worden ist. In diesen Tagen geht London daran, seinen Berkehr nach Berliner Muster umzugestalten. Reuter fonnte diese gewaltige Arbeit leisten, weil er stets aufs engste mit der sozialdemokratischen Rathausfraktion zusammenarbeitete, die ihn nach besten Kräften unterstützte. Die Verschmelzung des Straßen­bahn-, des Hoch- und Untergrundbahnbetriebes mit der Omnious­gesellschaft zu dem einzigartigen Riesenbetrieb, den die Berliner Verkehrsgesellschaft heute darstellt, ist Reuters unbestrittenes Ver­dienst. Die Zusammenfassung der einzelnen Verkehrsmittel in der

Hand der Stadt brachte Berlin den Einheitstarif mit seinen gegenüber anderen deutschen , europäischen und außereuropäischen Großstädten außerordentlich billigen Fahrpreisen. Erst nach Wieder­zusammenfassung des Berliner Verkehrs war es möglich, die in der Borkriegszeit auch in verkehrlicher Hinsicht so stiefmütterlich bedach ten Arbeiterbezirke Berlins dem Untergrund bahnverkehr zu erschließen. Heute gilt das Verkehrsproblem Berlins in seinen großen Zügen als gelöst.

friesland. Von 1907 bis 1912 studierte er in Marburg und München Ernst Reuter steht im 42. Lebensjahr. Er stammt aus Ost­Geschichte, Deutsch , Geographie und Nationalökonomie. Sein Studium schloß er 1912 mit dem Staatsexamen ab. Bereits lange vor dem Kriege trat Reuter der Sozialdemokratischen Partei bei. Während des Krieges wurde er Ende 1916 schwer verwundet und tam in russische Gefangenschaft. Im Jahre 1922 wurde er Redat teur der Freiheit". Noch in dem gleichen Jahre ging er ais Redakteur zum Vorwärts" über. Vom November 1921 bis Oftober 1926 war er Stadtverordneter in Berlin . 1926 wählte ihn dann die Stadtverordnetenversammlung zum befoldeten Magistratsmitglied. Als solches übernahm er das Dezernat für die städtischen Verkehrunternehmungen, das er bis heute inne hat.

Deutscher Minderheitenminister. Der neue rumänische Minister­präsident Jerga erklärte, er werde sein besonderes Augenmert auf die kulturelle Entwicklung der Minderheiten im Rahmen des rumäni­schen Staates richten. Als Zeichen dafür bot er dem deutschen Ab­geordneten Rudolf Brandsch das Unterstaatssekretariat im Minister präsidium mit dem Referat für die Minderheiten an.

Postschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr.3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Krise in Desterreich.

Von Friedrich Austerlitz - Wien .

Die Lage in Desterreich hat sich erheblich verdüstert, und es wird immer deutlicher, daß das Land einer schweren Krise entgegengeht. Der plötzliche Rücktritt des Ministers für soziale Verwaltung deutet auf Sturm, und es ist nicht nur nicht aus­geschlossen, daß in kurzer Zeit die ganze Regierung in einen Engpaß von Verlegenheiten gerät, der sie zur Demission zwingt, sondern es ist eigentlich schon heute als unvermeidlich anzusehen.

Politisch ist die Lage ganz friedlich. Der Ausgang der Novembermahl hat die Ueberheblichkeit der Christlichsozialen so gebändigt, daß sie die Vorstellung, die sie namentlich in den letzten Jahren geleitet hat, nämlich die gesamte politische Herr­schaft in ihren Händen zu konzentrieren, völlig aufgeben mußten. deren Borjazz, es immer war, die Sozialdemokraten an die An Stelle der ewigen" Regierungen Seipel, Band zu drücken, ist die Regierung Ender gekommen, die sich unstreitig bemüht, auch mit der Opposition auszukommen und die die Dinge immer im Einvernehmen mit den Sozial­demokraten zu lösen gesucht hat. Dazu kommt, daß die in den Heimwehren und ihren Waffen verkörperte faschistische Gefahr so gut wie überwunden ist. Die Hahnenschwänzler, die 1929 den bewaffneten Putsch ganz ernstlich planten und mit dem Marsch auf Wien nicht bloß fofettierten, sondern geradezu rechneten, die sind kein ernst zu nehmender Faktor mehr, mer­den auch von niemand wichtig genommen, sind in sich ge­spalten und so kompromittiert, daß sie jede politische An­ziehungskraft verloren haben. Politisch könnte sich also das gegenwärtige Regime, dessen Führer übrigens ein recht­schaffener Mensch ist, der sich von den Ränkespinnern um Seipel herum wohltuend unterscheidet, auch weiter halten, zu­mal die österreichische Sozialdemokratie alles andere als das Bedürfnis hat, Minister zu stellen.

Das was Desterreich bedrängt und geradezu eine all­gemeine Ratlosigkeit hervorruft, ist die Tatsache, daß der Niedergang der Wirtschaft auf die Finanzen des Bundes, wie übrigens auch der Länder und Gemeinden, einfach ver­heerend wirkt. Einmal bewirkt die Wirtschaft mit der furcht­baren Arbeitslosigkeit, daß die öffentlichen Lasten immer mehr ansteigen, andernteils mindert sic, indem die Steuerobjekte verschwinden, die Steuereingänge. Die unentrinnbare Wir­fung sind große Defizite. In jedem Haushalt wachsen die Ausgaben und sinken die Einnahmen. Das Mißverhältnis ist weder durch Steuererhöhungen noch durch Ersparungen aus­zugleichen; aber ausgeglichen müßte es überall werden, wenn nicht wirtschaftliche Katastrophen die Folge sein sollen. Wie groß der Fehlbetrag des österreichischen Haushalts ist und wie groß er werden wird, ist natürlich noch unbekannt. Aber daß der durch die Genfer Aftion 1922 sanierte Bundeshaushalt für dieses Jahr mit einem für ein kleines Land beträchtlichen Defizit zu rechnen hat, ist nicht zu bezweifeln. Dazu kommt das Loch bei den Bundesbahnen, die zwar ein sogenannter wird immer größer, schließlich der Staat tragen muß. Die tommerzieller Betrieb sind, dessen Verluste aber, und das Loch Regierung denkt nur an die Verminderung der Ausgaben und sie hat zu diesem Zweck einen Sparfommissar eingesetzt, der im Etat alles ,, Ueberflüssige" streichen soll; aber was ist bei einem Etat, der auch ein Niederschlag politisch- parlamenta­rischer Verhältnisse ist, schließlich überflüssig? Dann plant die Regierung eine entweder direkte( durch eine Besoldungssteuer) oder indirekte Kürzung der Beamtengehälter. Da die Gehälter in Desterreich gar nicht hoch sind und derartiges in Desterreich nicht mit einer Notverordnung zu machen ist, so stößt die Regierung mit solchen Absichten auch auf die Gegner­schaft der bürgerlichen Parteien.

Auch sonst ist die Lage der Republik im Augenblic wenig behaglich. Der Plan mit der 3ollunion hat ihr offenbar die Entziehung gewisser Freundschaften eingetragen, die zwar praktisch nichts bedeutet haben, aber doch eine gewisse inter­nationale Reserve darstellten. Dann fordern die Agrarier mit dem ihnen eigenen Ungestüm, daß die an sich schon hohen und bereits wieder erhöhten Agrarzölle im nächsten Halbjahr in Kraft gesezt werden. Unterdessen hat die Regie­

zentrale Kundgebung, Donners­tag, den 23. April, 20 Uhr, beiden Sälen der ,, Neuen Welt"

Internationaler Frauentag d. we in

Redner für die Partei: Paul Löbe , M. d. R., Klara Bohm- Schuch, M. d. R. Redner für die Gewerkschaften: Gertrud Ellert, Gertrud Hanna , M. d. L.