Donnerstag 23. April
1931
Der Abend
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司
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Jr. 189 B 95 48. Jahrgang
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Der Vormarsch der Partei
Seit 1929 über 100000 Mitglieder gewonnen
Soeben verläßt das Jahrbuch der deutschen Sozialdemokratie für 1930" die Druckmaschinen. Wie in den Vorjahren zeigt auch jetzt das umfangreiche Berichtwerk eine Fülle von Einzelheiten aus der ge. maltigen sozialistischen Kulturbewegung. Für heute sei nur einiges daraus hervorgehoben, um das Wachstum und die innere Festigung der Organisation aufzuzeigen.
Zunächst die Mitgliederzahl! Sie hat seit dem letten Parteitag( 1929) einen Zuwachs von über 100 000 zu verzeichnen und hat seit dem vorigen Jahre
die Riesenzahl von einer Million bereits weit überschritten. Am 1. Januar 1931 wurden in sämtlichen Bezirksorganisationen des Reiches genau 1037384 Mitglieder gezählt, davon waren 228 278 Frauen. Die Zahl der Ortsgruppen ist seit Ende 1928 von 8462 auf 9844 gestiegen!
Ebenso deutlich wie in der gesteigerten Mitglieder zahl zeigt sich die innere Festigung auch in der llebersicht über die Beitragsleistungen. Allein die regel mäßigen Wochenbeiträge also ohne Sammellisten und ohne die sakungsmäßig vorgesehenen Sonderbeiträge für Höherbesoldete beliefen sich auf rund 7149 552 M., die in Form von rund 39 Millionen Wochenbeitragsmarken geleistet wurden.
Zum erstenmal hat der Parteivorstand eine Statistik über die Dauer der Parteizugehörigkeit, über das Alter der Parteigenossen und über die Berufsver. teilung veranstaltet. Diese Aufstellungen geben einen besonders interessanten Einblick in die Gliederung der Organisation der Sozialdemokratie.
Nach der Dauer der Mitgliedschaft konnten gezählt werden in Jahresgruppen:
bis 5 Jahre... 482 902
5-10 Jahre
168 779
10- 15 über 15
"
4
171 476
"
214 227
-
46,55 Prozent 16,26" 16,52 20,65
Das Lebensalter der Parteimitglieder gliedert sich folgendermaßen:
bis 20 Jahre alt waren 20-25 Jahre
12 134
69 190
25 30
PP
107 265
PP
132 681
"
141 919
PP
148 346
über 45
"
425 849
•
30 35 35-40
40-45
Diese dankenswerte Aufstellung zeigt, wie töricht das Gerede von der eberalterung" der sozialdemo fratischen Mitgliedschaft ist. Tatsächlich steht die Witgliedschaft frisch und kampfbereit da, jeden Augenblick in der Lage, neue politische Kämpfe auf jich zu nehmen. Auch die statistische Durchbrüfung der Berufs angehörigkeit, auf die im einzelnen noch zurückzufommen sein wird, ist von hohem Interesse. Sie ergibt, daß die Sozialdemokratische Partei ihrem Wesen nach eine Partei der Arbeiter und Angestellten ist. Rund 59,48 Prozent ihrer Mitglieder sind Arbeiter im engeren Sinne, 10,02 Prozent Ange stellte. Dazu kommen noch 3,95 Prozent Lehrer
und Bea mut e.
Insgesamt zeigt schon ein flüchtiger Blick in den um. fangreichen Jahresbericht der Partei, wie starf die sozialistische Bewegung im deutschen Volke verwurzelt ist. Die erfreulichen Ergebnisse unserer Arbeit werden uns jedoch keinen Anlaß geben, auf dem Errungenen auszuruhen, sondern vielmehr dazu anspornen, in neuer Werbearbeit das Werk auszubauen. Gerade jest gilt für jeden mit besonderer Eindringlichkeit die
mohnende Frage:
Wo bleibt der zweite Mann?"
Die Frau in Sowjetrußland
Kommunistischer Rebel und nackte Wirklichkeit
Ein von unseren Genoffen in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitetes Werbeflugblatt, das den Titel., Berliner Volksblatt" führt, brachte einen höchst lehrreichen Aufsatz über die Lage der Frauen in Sowjetrußland. Pflichtmäßig bezeichnet die „ Rote Fahne" die Schilderungen nun als„ erbärmlichen Schwindel". Aber damit ist die Sache nicht abgetan. Der Auffah stammt nämlich von einer Augenzeugin, die im Herbst 1930 durch ganz Ruß land gereist ist mit dem sehnlichen Wunsche, ein Land der jozialen Gerechtigkeit und des wirtschaftlichen Aufstiegs der breiten Massen dort zu finden.
Die Berfasserin jener Darlegungen schreibt uns in Erwiderung auf die kommunistischen Ableugnungsversuche:
Der russischen Sprache mächtig, überließ ich mich nicht nur den Führungen, die für Ausländer in der zuvorkommend sten Beise veranstaltet werden, ich ging auch ungeleitete
Heimlich, still und leise..
Zum Wiedereinzug der Nazis in den Reichstag Zum Wiedereinzug der Nazis in den Reichstag
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„ Unser Auszug war unheimlich laut; unser Wiedereinzug ist dafür um so heimlicher."
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Wege durch Straßen, in Wohnhäuser, auf den Bahnen und konnte mit Arbeitern und Arbeiterinnen sprechen, nicht nur mit Funktio= nären und Fremdenführern. Ich habe einige Wochen lang während
memes Aufenthalts und unter immer neuen Eindrücken Rechtferti= gungen und Erklärungen für
das Elend und den troftlosen Tiefstand der Massen gesucht, die ich täglich beobachten konnte und nur mit Mühe rang sich die Erkenntnis von der russischen Wirklichkeit durch, die vom Sozialismus mindestens ebenso weit entfernt ist, wie die europäischen Länder.
Was nützt es uns, wenn wir uns durch eine geschite Propaganda in den Glauben an eine beffere soziale Wirklichfeit einwiegen lassen und die Spannungen dabei übersehen, die in der Entwicklung Sowjetrußlands am Werte sind. Es ist gefährlich, wenn wir die Bedeutung der russischen Verhältnisse für unsere Kämpfe nicht richtig bewerten lernen. Es ist unsere Pflicht, die Lage, die Kämpfe und die Bemühungen der Frauen und der ge= famten Arbeiterschaft so zu sehen, wie sie sind, und nicht, wie sie eine Propaganda in tröstenden Märchen erzählt.
Das Schiffal der Frauen in Sowjetrußland ist schwerer, als es fich die Mehrzahl der Arbeiterinnen oder Arbeiterfrauen bei uns überhaupt vorstellen kann.
Auch die Frau in Sowjetrußland kämpft noch immer gegen Unterbrückung, gegen wirtschaftliche Not und die Verständnislosigkeit der gesellschaftlichen Organisation für feelische und törperliche Bedürfnisse der Frauen. Die Formen der Unterdrückung sind in Rußland ganz andere als bei uns, die
Inhalte sind die gleichen. Der soziale Kampf geht auch in
Rußland noch weiter, dem Rußland , das in seiner Propaganda tägich laut verlündet, es habe alle fozialen Fragen gelöst, und das dabei von unterirdischen, sich vorbereitenden sozialen Auseinanderseizungen brodelt.
Ber würde den sozialen Fortschritt, wenn ein solcher zu finden wäre, nicht mit Freuden begrüßen! Wir tun der gesamten Arbeiterbewegung weh, wenn wir von Schwierigkeiten, Kämpfen und Not im ,, Baterland aller Werktätigen" sprechen müffen. Die russischen Arbeiter und Arbeiterfrauen werden aber, systematisch in die Irre deutsche Revolution anfündigte, da in Berlin die Verhungerlen geführt. Nur so ist zu erklären, daß mir ein Russe die baldige fchon in Haufen auf der Straße lägen und die Schupo noch dazwischenschießt! Auf die erstaunte Frage, wer ihm das gejagt hätte, gab er die klassische Antwort: ,, Die deutschen Kommunisten!"
Große Wahlerfolge in Stadt und Land. Vielfach stärkste Partei.
Amsterdam , 23. April .( Eigenbericht.) Die am Mittwoch stattgefundenen Landtagswahlen in jieben holländischen Provinzen haben mit erfreulichen Gewinnen für die sozialdemokratische Liste abgeschlossen. In Nord holland ffieg die fozialdemokratische Stimmenzahl von 161 000 bei den Landtagswahlen 1927 auf 210 000. Die Partei eroberte hier 2 Mandate und mird als si ärkste Fraktion fünftig 26 von 77 Sigen des nordholländischen Provinziallandtages innehaben. Besonders erfreulich ist die Stimmenzunahme in Amsterdam von 96 000 auf fast 129 000. Ferner gewann die Partei je 1 Mandat in der Provinz Seeland , wo ihr fünftig 6 von 42 Sißen zufallen, und in der reaktionären Agrarprovinz Drempe, wo die Sozialdemokratie jetzt mit 10 von 45 Landtagsfitzen die stärkste Fraktion iff. Auch in der Industrieprovinz Oberijsel mit ihrer starken fatholischen Bevölkerung ftieg die sozialdemokratische Stimmenziffer beträchtlich, so daß die Partei hier 2 neue Landtagssite errang und forfan 12 von 47 Sigen inne hat. Aus der Provinz Südholland lassen die bisherigen Ergebnisse aus Rotterdam , wo die Zahl der fozialdemokratischen Stimmen von 74 000 auf 83 000 stieg, und aus dem Haag, wo 54 000 gegen 49 000 fozialdemokratische Stimmen im Jahre 1927 abgegeben wurden, auf weitere Erfolge schließen.
von
Selbstmorde in der Reichswehr . Eine Erklärung des Reichswehrminifteriums. grenadier Wagner Wie erst jetzt bekannt wird, hat vor einiger Zeit der Oberkapelle im dortigen Stadtwald Selbstmord durch Erschießen der Gießener Reichswehrverübt. Einige Tage darauf versuchte ein derselben Formation angehörender Obergrenadier Bauer aus dem Leben zu scheiden. Er fonnte von Kameraden jedoch daran gehindert werden. Wie es heißt, sollen die Soldaten durch ständige Schikanen des Obermufif
meisters zu der Berzweiflungstat getrieben worden sein. fuchung hat durch die Vernehmung sämtlicher Vertreter des Gießener Das Reichswehrministerium erklärt dazu: Die UnterReichswehrbataillons festgestellt, daß die behaupteten Quälereien, mie z. B. daß dieser Reichswehrmusifer zur Strafe bei strenger Winterfälte lange Zeit in der Waschküche des Obermusifmeisters üben mußte oder daß die gesamte Kapelle bei Kniebeuge hätte [ pielen müssen, nicht vorgekommen sind. Die Fahnenflucht