Beilage
Mittwoch, 29. April 1931
uspauldon& Der Abend
Vorward
Shalausgabe des
Es wäre ungenau ausgedrückt, wollte man sagen, daß im September 1868 in Spanien die Revolution ausbrach, um der Herrscherin Isabella II. die diktatorisch gehandhabten Zügel zu entreißen. Ungenau, weil die vorhergehenden Jahre von einem derart intensiven Wühlen der regierungsfeindlichen Parteien beherrscht waren, daß sie getrost als Beginn der Revolution zu bezeichnen sind. Immer wieder brach offen der Aufruhr los und immer wieder gelang es der Regierung, ihn mit des Zufalls gnädiger Hilfe heil und gesund zu überstehen. Schon im Februar 1866 tam die herrschende Macht nur deshalb mit dem Schrecken. davon, weil der Führer der„ Progressisten". General Prim, von den Besatzungen von Alcala und Madrid im Stich gelassen, sich in Richtung zur portugiesischen Grenze zurückziehen mußte. Ebenso ist die Erfolglosigkeit des Aufstandes, der für den August des nächsten Jahres geplant und teils sogar schon begonnen war, nicht auf die Regierungsinitiative, sondern wieder auf den Mangel an Organisation unter den Aufständischen zurückzuführen. Von einer Duldsamkeit beseelt, die ihrer Schwäche entsprang, fürchtete die Regierung den Gegner, der ihr nach dem Leben trachtete, wirklich fest anzupacken. Ihren treuesten Diener, den Ministerpräsidenten O'Donnell, hatte die Königin wegschicken müffen, wahrscheinlich, weil die Wut und der Haß des Volfes gegen ihn auch ihre eigene Person bedrohte. Auf O'Donnell folgte der Marschall Narvaez, berüchtigt und verhaßt wegen des Blutes, das das Volk bereits früher unter ihm hatte lassen müssen, und nach seinem Tode noch einmal berühmt geworden durch seinen letzten Ausspruch gegenüber dem Priester, der ihm rät, sich nun, in der letzten Stunde, mit seinen Feinden zu versöhnen:„ Ich habe keine Feinde, ich habe sie alle umbringen lassen."
Dieser Ehrenmann starb im April 1868 und unter seinem Nach folger, Luis Gonzalez Bravo , rissen Zustände ein, die das Ansehen der Königin völlig erschütterten. Die Ministerposten und die höchsten Würden des Staates wurden nach den Grundsäßen einer Palastherrschaft verteilt. Marfori, der erklärte Günstling Isabellas, von dem behauptet wird, daß er sich durch das Schlafgemach der Königin aus dem Rang eines Droschfenkutschers andere behaupten, eines Choristen in die Höhe gearbeitet hatte, wurde Kolonialminister. Immerhin war es nicht Marfori, über den die Königin vom Throne stürzte, sondern die wirtschaftliche Lage Spaniens .
Die Revolution marschiert.
| wohnheit, nicht anjah. Sie befand sich um diese Zeit mit ihrem Hof im Seebad San Sebastian , nahe dem französischen Badeort Biarritz , wo eben Napoleon III. mit seiner Frau Eugenie zur Erholung weilte. Ein Besuch der spanischen Majestät war vereinbart, aber gerade als es dazu kommen sollte, traf eine Warnung Napoleons ein. Am selben
Tage wurde der Aufruhr in Cadig der Königin bekannt. Bon einem Hof umgeben, der sich wohlweislich hütete, durch ein allzu bestimmtes Wort, durch eine Auskunft, durch einen Rat die Verantwortung für die kommenden Ereignisse auf sich zu laden, durchwacht Isabella eine Nacht um die andere, ohne Nachrichten aus Madrid , ohne eine Ahnung, ob fie die im Grunde so unbedingt notwendige Reise dorthin wagen dürfe. Ihr Mann, der Königsgemahl Francisco, fällt neben ihr den Zeitgenossen durch seine Unbedeutendheit nicht nur die förperliche auf. Der Ministerpräsident
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Alte spanische Karikatur: S. M. besichtigt die Streitkräfte zu Wasser und zu Lande, bevor er in den Krieg zieht
Wer weiß das heute? Frage in einigen Wochen wieder an, Sennor!"
Bravo fordert seinen Abschied; an seiner Statt wird der General | das durchaus nicht umsonst von der Verkäuferin zu haben ist. José de la Concha ernannt, er tritt sofort die Reise nach der Der Käufer, in der Erwartung, ein Klügerer, als er selber ist, werde Hauptstadt an, aber die versprochenen Nachrichten von ihm bleiben die Frage beantworten, findet als Auskunft mit winziger Schrift vorerst aus. Dann, als fie eintreffen, fehlt jegliche Meinungs- am unteren Rande des Blattes gedruckt: äußerung seinerseits, geschweige ein Rat an die Königin, ob sie es wagen solle, ihm nach Madrid zu folgen. Auf ihre dringende Anfrage antwortet Concha: Ja, sie solle nur fommen. Gleichzeitig laufen beruhigende Nachrichten ein, die von einer Beschränkung des Herdes der Revolution melden. Die Königin atmet auf. Sie hält fich womöglich für gerettet.
Der Ministerpräsident hat inzwischen die militärischen Vorbereitungen gegen die Revolution getroffen. Der Generalfapitän der nationalen Heere, Marques von Novaliches, stellte seine fönigstreuen Truppen am Guadalquivir in der Nähe von Cordova zur Schlacht gegen den Führer der Aufständischen, Serrano. Dieser Serrano war vormals ein besonderer Günstling, um nicht zu sagen Liebling, der Königin. Das Bolt von Madrid hatte ihm beim Uebertritt zur Sache der Revolution stürmisch zugejubelt, er war der Mann, der dann später die Regentschaft über Spanien antreten sollte.
An der Brücke von Alcolea.
Um Mitte September 1868 trat die revolutionäre Sache in das Stadium eines neuen, diesmal wohlvorbereiteten Ausbruchs ein. Bon Cadig ging die Bewegung aus. Juan B. Lopete, der Geschwaderbefehlshaber, begann. Aber wenn wir seinen Aufruf lesen, so fällt uns vor allem der Mangel jeglichen Angriffs gegen bestimmte Persönlichkeiten auf. Wohl heißt es, daß die konstitu tionelle Monarchie. wiederhergestellt werden foll mir müssen uns in die historischen Gegebenheiten einer Zeit zurückversezen, in An der Brücke von Alcolea standen sich die beiden der es möglich war, eine Bewegung, die immerhin wieder die spanischen feindlichen Heere gegenüber. Merkwürdige Versuche der Monarchie zum Ziel hatte, eine Revolution zu nennen Führer zwecks Bermeidung der Schlacht jetzten ein. Wahrscheinlich -; aber ea ist hier durchaus offen gelassen, ob sich der Angriff gegen die Person bedrückte den General der Aufständischen der Gedanke des Beginns der Königin Jjatella oder gegen die Dynastie der Bourbonen richtet. eines Brudertrieges allzusehr, die Folgen über das ganze Land Auch die folgenden Aufrufe dieser Tage sind eher durch ihren mußten ja unbedingt für seine Sache erschwerend sein. Die KönigSchwung bemerkenswert, als durch die 3iele, die fie anfündigen. lichen befanden sich eingestandenermaßen in der Unterzahl, und Immerhin wurde aus einem, von mehreren Generalen gezeichneten wenn sie dennoch lieber auf Kampf bestanden, anstatt das freund Manifest ersichtlich, daß eine provisorische Regierung und damit und damit liche Anerbieten, schriftlich und mündlich anzunehmen, das auf augenscheinlich auf jeden Fall die Beseitigung 3sabellas- lebertritt der Königlichen zu den Revolutionären abzielte, so geUebertritt der Königlichen zu den Revolutionären abzielte, so geangestrebt wurde. Jedoch hatte das zahme Programm der Generale horchten sie damit militärischen Begriffen. -sofern es nicht Programmlosigkeit war das Hervortreten des Revolutionsausschusses von Sevilla zur Folge, der offensichtlich das Volk vertrat und der Bewegung erst ihre populären Grundsätze verschaffte:
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Das allgemeine und freie Stimmrecht; Breßfreiheit; Frei
heit des Unterrichts, des Kultus, des Handels und Gewerbes; Reform der Zollgesetze; Abschaffung der Todesstrafe, über haupt Strafvollzugsreformen; Schuß der persönlichen Sicherheit, Wahrung des Briefgeheimnisses, Ünverleglichkeit der Wohnung; Abschaffung der Aushebung für Heer und Flotte zugunsten freiwilliger Rekrutierung; Gleichheit in der Verteilung der öffentlichen Lasten; Aufhebung der Salz und Tabafsteuer, der Brücken- und Verzehrungssteuern; Einheit des Landrechtes und Abschaffung aller Sonderrechte, auch der firchlichen; fonstituierende Cortes( Ständeversammlung) auf Grund des allgemeinen Stimmrechtes zweds Gründung einer Verfassung. Der Aufruf schließt mit den Worten:
„ Es lebe die Freiheit! Nieder mit der Dynastie! Es lebe die nationale Souveränität!" Bon einer Monarchin, der die Aufstände ihrer ,, Landeskinder" und ihre blutige Unterdrückung mittlerweile zum höllischen Zeitvertreib geworden waren, die sozusagen permanent in unruhigen Zeiten lebte, mar es nicht zu verwundern, daß sie sich auch diesmal die Vorbereitungen zu einer Erhebung, fern von Madrid , in Ruhe ansah, das heißt, abgeftumpft durch die GeMANIFIE
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Alte spanische Karikatur: S. M. schickt Manifeste in die vier Himmelsrichtungen der Welt
Fingen die Generale gemütlich an, so hörten sie feineswegs gemütlich auf. 3war näherten fich die tönigintreuen Soldaten der art läffig der umstrittenen Brücke, daß die Aufständischen ihnen, in der Meinung, Ueberläufer vor sich zu haben,„ Es lebe die Frei
be it!" zujubelten, aber die Antwort war alles andere als freundlich. „ Es lebe die Königin!" rufend, setzten sie plötzlich zum Sturm an. Der Sturm wurde abgeschlagen und als Novaliches sich felber an die Spitze der Königlichen stellte, um ihn zu wiederholen und dabei einen gefährlichen Schuß in die Kinnlade erhielt, war die Schlacht für diesen Tag entschieden. Die Aufständischen ar= beiteten während der Nacht an den Vorbereitungen für die Fortfegung des Kampfes. Am nächsten Morgen aber war fein Königlicher mehr zu sehen.
Benige Tage darauf kapitulierten die Königlichen vollkommen und die Aufständischen marschierten auf Madrid los. Das Schicksal der Königin hatte sich bei Alcolea entschieden. 3war rief sie noch:„ Ich will nach meiner Hauptstadt zurück und mich als Mann zeigen!" Aber es fam nicht mehr dazu. Es wurde ihr erklärt, daß ihre Person unhaltbar geworden sei und man erwog bereits, ob die Königswürde sich überhaupt beim Hause der Bourbonen erhalten lasse. Das Drängen in ihrer llmgebung, die teils im geheimen Auftrag der Aufständischen handelte, wurde von Stunde zu Stunde färker, und fo gab sie endlich nach, verließ San Sebastian , um über Biarriß, wo eine Begegnung mit Napoleon und Eugenie stattfand, nach Pau , dem Stammsiz der Bourbonen , zu fahren.
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In Madrid setzte sich die Revolution ohne Blutvergle Ben durch, wie denn überhaupt die Friedlichkeit der ganzen Entwicklung bemerkenswert ist. Der Revolutions ausschuß trat jetzt mit einer Erklärung hervor, in der die Absehung Isabellas verlangt wird, darüber hinaus aber auch die Regierungsunfähigkeitserklärung in bezug auf sämtliche Bourbonen. Es ist gewiß, daß der Ausschuß seine Aufgabe, den glücklich gewonnenen Sieg zu befestigen, ernst genug nahm; aber die Masse ahnte wohl kaum, daß die Generäle, denen fie im Taumel festlicher Tage als den ,, Befreiern des Boltes" von gutem Glauben beseelt, zujubelte, unlösbar mit ihrer Vergangenheit verknüpft, eine völlige Neuordnung faum be= absichtigten.
Das die Antwort auf die ernste Frage, die ein Land bewegt! Die Schelmerei verdiente feine Erwähnung, wenn sie nicht die spielerische Leichtheit andeutete, mit der man diese Revolution behandelte.
Fast unfaßbar erscheint es heute, daß ein Volf in dem Jubel und Trubel über eine gelungene Revolution übersehen konnte, daß gewisse Drahtzieher der Politik die Kernfage verschoben.„ Nieder mit den Bourbonen! Ah bajo los borbones!" hatten auch die Generale gerufen. Aber das Fort mit den Königen", wie es ein anderer gemeint hatte, lag nicht in ihrem Sinn.
José Maria Orense in Kalabrien war es, der diese For: derung vertrat und er hatte das Bolt auf seiner Seite. Er hatte gejagt:
Fort mit den Königen, denn alle verschwören sich mehr oder weniger offen gegen die Freiheit. Ein Königreich mit demokrati schen Einrichtungen- dies hieße die Posse Frankreichs von 1830 bis 1848 wiederholen. Gebrauchen wir die Freiheit der Presse, der Rede, der Versammlung, um laut zu rufen:„ Die Könige haben in Spanien aufgehört!"
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Fort mit dem König! Es lebe der König! Dieser gesunde Kernspruch, diese Selbstbesinnung des Boltes, diese durchdringende Stimme einer neuen Zeit, die sich von Kata lonien her das Land erorberte, hörte nicht auf, sich vernehmlich zu machen, indes die provisorische Regierung die Eröffnung der ,, Cortes" vorbereitete, die ihrerseits dem Volte eine Verfassung geben sollten. In der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1869 wurde Spaniens ferneres Schicksal in den Artikeln 32 und 33 der Ver fassung beschlossen.
Artikel 32: Die Souveränität ruht ihrem Rechte nach in
den Händen der Nation, von der alle Gewalten ausgehen. Artikel 33: Die Regierungsform der spanischen Nation ist die Monarchie.
Mit 214 gegen 71 Stimmen war die Monarchie beschlossen worden, der Republikaner Orense gab die Mitarbeit an der Verfaffung auf. Sie wurde etwa zwei Wochen später dem Volk von Widerspruch und ohne Begeisterung hingenommen. Madrid übergeben und ohne besondere Anteilnahme, ohne lauten
Zwecks Ueberleitung in den Zustand der demokratischen Mouarchie mußte dem Lande ein„ Regent" gegeben werden; eben jener General Serrano, der den spanischen Ereignissen bei Alcolea die entscheidende Wendung gegeben hatte, wurde mit dieser Würde betraut. Die Hauptsorge des Landes schien indessen die Suche nach einem geeigneten König zu sein. Es wurden verschiedene Namen, vornehmlich mit iberischem und italienischem Klang genannt, selbstverständlich war auch ein Vertreter des Hauses Bourbon wieder dabei. Eines Tages aber wurde Spanien und Europa durch die Thronfandidatur des Prinzen Leopold von Hohen zollern überrascht, und was für Spanien in jenem historischen Augenblick immerhin nur eine Frage von vorübergehender Be= deutung war, sollte für Frankreich , Deutschland und schließlich für ganz Europa eines der nachhaltigsten Ereignisse des Jahrhunderts werden. Frankreich beanstandete bekanntlich die Hohenzollernsche Kandidatur und die zu politischen Zwecken hieraus abgeleitete Entwicklung schloß mit der Kriegserklärung des Jahres 1870.
In Spanien entschied man sich endlich für den Herzog von Aosta, der als König Amadeo den leeren Thron der Bourbonen bestieg. In seiner Abdankungsbotschaft, 1873, zieht er das Fazit feiner Königsherrschaft:
3wei lange Jahre sind es, daß ich die Krone Spaniens trage, und Spanien lebt in beständigem Kampfe.
Aber
Es folgte die Republit, aber das Land hörte nicht auf, sich zu zermürben. Endlich, als die Parteien sich am Schluß ihrer Weisheit fanden, holten sie sich den Prinzen Alfonso, also einen Bourbonen, wieder. Man wollte seine Ruhe diese Ruhe, mit der man die Neuordnung hinnahm, sie war nur scheinbar. Wir alle haben die Entwidiung miterlebt, die Spanien in den letzten Jahrzehnten genommen hat, wir sind Zeugen jener Dittatur gewesen, durch die die Krone noch einmal ihren Platz zu behaupten versuchte. Vergeblich! Dieses Mal mußte nicht nur der König über die Grenze fliehen: man warf ihm die Krone nach. Dieses Mal haben Bolt und Führer begriffen, welchen Sinn das Fort mit dem König" hat und sie fügten hinzu: Es lebe die Republit!