Einzelbild herunterladen
 

Das neue Wort der Komintern .

Neue Zersehungsoffensive gegen die Arbeiterbewegung.

Von Peter Garwy.

In der Prawda" vom 24. April sind spaltenlang die ,, Thesen" und Resolutionen erschienen, die in der Plenar­sigung des Erekutivkomitees der Komintern einstimmig an­genommen worden sind. In dieser Plenarsizung wurde ein neues Präsidium des Etfi aus 30 Mitgliedern( darunter Klara Zettin, Remmele, Bied und Thälmann ) und ein ,, Politjekretariat" aus 13 Mitgliedern( darunter Pieck und Thälmann ) gewählt. Unter den Mitgliedern des Etti be­findet sich Stalin , der gleichzeitig Mitglied des Nates der Arbeit und der Verteidigung", des wichtigsten Regierungs­organs der Sowjetunion , und dazu der eigentliche Diktator Sowjetrußlands ist.

Den Statuten der Komintern nach wird die Politik der KPDSU., d. h. der Sowjetmacht, durch die Direktive der Ko: mintern bestimmt. In Wirklichkeit werden die Richtlinien der Komintern durch ihre führende" russische Sektion diktiert.

Alle anderen Sektionen haben nur zu gehorchen. Die Politit der Komintern iſt die Fortsetzung der Politik der KPDS. Die Politik der Forcierung des sozialistischen Aufbaus" in Rußland mündet zwangsläufig in der Aktiviſierung der Ko­mintern und in der Forcierung der Weltrevolution. Wieder einmal Linkskurs! Weltkrise und Arbeitslosigkeit in der ganzen fapitalistischen Welt haben die Komintern zu neuen ,, Thesen" über die heranreifenden Voraus jegungen einer revolutionären Krife" be geistert. Das verflossene Jahr gelte als geschichtliches Wende­jahr". Die kapitalistische Stabilisierung stehe vor dem Ende, während in der Sowjetunion das Fundament der sozialisti schen Wirtschaft gelegt werde. Die übliche Gegenüberstellung des kapitalistischen Zerfalls im Westen und des sozialistischen Aufbaus" in der Sowjetunion wird von der Ekki dazu be­nutzt, um das Weltproletariat vor die Wahl zu stellen: Dif­tatur der Bourgeoisie oder Diktatur des Proletariats . Als Borbild der Diftatur des Proletariats wird dabei die bolsche­wistische Diktatur in Rußland hingestellt.

Es erübrigt sich, nachzuweisen, daß diese demagogische Gegenüberstellung grundfalsch ist. Richtig ist, daß die Welt­trise die grauenhaften Schäden des Kapitalismus besonders start enthüllt hat und den Kampf um den Sozialismus als den einzigen Rettungsweg aufzeigt. Falsch ist, daß in der Sowjetunion die Macht dem Proletariat gehöre, daß die dort aufgezogene Wirtschaftsform mit dem Sozialismus identisch ist und daß es den Arbeitern in Rußland besser geht als in dem von der Krise heimgesuchten Westen. Es ist nicht be­wiesen, daß der sozialistische Ausmeg aus der Krise gerade durch die putschistische Machtergreifung und terroristische Diftatur führen muß.

Goebbels als Sigredakteur.

Die Karikatur der Verantwortlichkeit.

10 A

Gestern fand die Berufungsverhandlung gegen Dr. Goebbels | denken Sie sich denn eigentlich die Tätigkeit des verantwortlichen wegen Beleidigung der Reichsregierung statt. Dr. Rebatteurs, der vier Tage in der Woche abwesend ist? Goebbels war in der ersten Instanz zu 600 Mart verurteilt. Dr. Goebbels mar fozusagen ambulant. Ich kann mir Goebbels hatte sich im Angriff" in Berbindung mit dem young- nicht denten, daß ein halbwegs vernünftiger erwachsener Mensch die plan maßlose Beleidigungen gegen die Regierung zuschulden kommen Verantwortung für etwas übernimmt, was er gar nicht fennt. laffen. Es hieß da u. a.: Sie sind alle aus demselben Holz geschult, Ergebnis darin gipfelt, daß es im Angriff überhaupt teine für Es entspinnt sich noch eine längere Auseinandersegung, deren Verräter am Volk, bezahlte Büttel der Weltfinanz, Ueberläufer nach den Inhalt verantwortliche Persönlichkeit gab und daß der wahre Frankreich . Sinn der verantwortlichen Zeichnung des Dr. Goebbels der war, nis. Das Gericht erhöhte die Geldstrafe von 600 auf 1000 Mart. Staatsanwalt Stenig beantragte fechs Monate Gefäng- einen immunen Sigredakteur zu haben. Gefäng­In der Urteilsbegründung führte Landgerichtsdirektor Siewert u. a. aus, daß das Gericht von einer Gefängnisstrafe nur aus dem Grunde abgesehen habe, weil Goebbels bei der Drudlegung der inkriminierten Artikel nicht vorbestraft und nicht verwarnt worden sei.

aufnahme um 8 Uhr abends gefchloffen. Staatsanwaltschaftsrat In den übrigen Prozeffen gegen Goebbels wurde die Beweis. Stenig beantragte, Dr. Goebbels wegen Bergehens gegen§ 166 und Nachrede zu einer Gesamtftrafe von 1 Jahr Gefäng­wegen öffentlicher Beleidigung teilweise in Tateinheit mit übler nis und 200 Mart Geldstrafe zu verurteilen.

*

Die Prozesse gegen Goebbels , die gestern verhandelt mur den, beleuchteten die unglaubliche Redaktionswirtschaft beim An griff"; es stellte sich heraus, daß Herr Goebbels die Rolle des immunen Sigrebafteurs spielte.

*

Das gleiche Spiel wie bei der Erörterung des ersten Beleidi gungsfalles erlebte man bei der Behandlung aller anderen Be­leidigungsfachen gegen Dr. Goebbels in diefer Sigung. Immer

wieder erschienen vor dem Zeugentisch die Herren Baethge, verantwortliche Dr. Goebbels unter teinen Umständen aud, nur die Dr. Lippert und Wilfe und beteuerten unter ihrem Eide, daß der leiſeſte Ahnung von den Artikeln und ihrem beleidigenden Inhalt Ausflüchten hat ein Redakteur noch nie gewagt, einem Gericht zu haben fonnte. Aehnliches hatte man wahrlich im Gerichtssaal in einem Presseprozeß noch nie erlebt, mit derartig schuljungenhaften

tommen.

Den Höhepunkt der Verhandlung bildete aber das Zwiegespräch zwischen dem Vorsitzenden und dem Brivatsekretär des Pg. Goebbels , Simmelmann. Dieser junge Mensch war es nämlich, der am 27. April der Gerichtsschreiberei erklärte, ihm sei Goebbels Auf­

Der erste Beleidigungsfall, der erörtert wurde, betraf einen Artikel des Hitler- Jugendführers, des netten Bürschchens Ger­hard Pantel, der erst vor zehn Tagen wegen versuchten Tot­Schlags an einem Reichsbannermann zu zwei Jahren Gefängnis Rambte, daß Ihnen der Aufenthalt Dr. Goebbels am Montag verurteilt wurde. Der vielseitige talentierte junge Mensch hatte in der Beilage des Angriff" Der unbekannte SA.- Mann" einen Potsdamer Polizeiwachtmeister schwer beleidigt.

Für dieje Beleidigung ist der tapfere Goebbels Jünger bereits zu 40 Mark verurteilt worden. Der Meister Goebbels Artikel drücken. Er habe ihn vor dem Erscheinen der Rummer des selbst aber wollte sich heute vor der Verantwortung für diesen Angriff" im Straßenhandel überhaupt nicht gelejen, fo erklärte Rechtsanwalt Kamede für seinen Mandanten. Glauben Sie denn, Herr Staatsanwalt, daß Goebbels fämtliche Artikel des Angriff" lesen konnte?" Bors. Er zeichnete doch aber als verantwort licher Redakteur." R.-A. Kamede: Er hatte doch aber gar feine Zeit, alle Artikel vor der Drucklegung zu lesen." Staats. anwalt Steenig: Da hätte er eben nicht verantwort licher Redakteur sein sollen."

gelegten Artikel nicht gelesen haben fonnte, find von der Berteidi. Zum Beweis dafür, daß Goebbels tatsächlich den ihm zur Last gung drei Zeugen genannt worden. Als erster wird der Schrift leiter des Böltischen Beobachter" Baetge gehört, Diefer 3euge glaubt nicht, daß Goebels den Artikel gelesen haben tönnte. Es wurden ihm in der Regel nur die politischen Ar titel vorgelegt.

Die Thefen des Effi werfen den mesteuropäischen Settio­nen der Komintern , insbesondere der KPD., acht Grund fehler ihrer Taktik vor. Indessen handelt es sich offenkundig nicht um taftische Fehler, sondern um die objeftive Unmög Der Geschäftsführer der Reichstagsfraktion der NSDAP . sslichkeit für die westeuropäischen Settionen, den Mostaueritte ist in feinen Aussagen noch bestimmter. Goebbels, fagt Parolen Folge zu leisten. Trotz der ungeheuren Krise under, hat bloß feine eigenen Artitel vor der Drudlegung siVerwirrung scheint der Boden in Westen für die neue Taftif" immer noch ungünstig zu sein. Die Maffen machen einfach nicht mehr mit!

Woche in Berlin , sonst war er stets auf Reisen, er fonnte sich gelesen. Er befand sich ja überhaupt nur etwa vier Tage in der auch gar nicht um den Inhalt des Angriff" fümmern. 2orf. Und bas nemmen Sie verantwortlicher verantwortlicher Schriftleiter? Der Geschäftsführer der Reichstagsfraktion der NSDAP. weiß nur

Anstatt die objektiven Ursachen des Fehlschlages der fommunistischen Kampfparolen einzusehen, tobt die Kominternetmas Unzufammenhängendes zu stammeln. gegen die ,, arbeiterverräterische" Sozialdemokratie. Es han­delt sich hier allerdings nicht um eine Selbsttäuschung, fondern um einen miffentlichen internationalen Arbeiterbetrug. Mit Borsatz wird die internationale Sozialdemokratie als das Haupthindernis auf dem sozialistischen Wege aus der fapi talistischen Krise hingestellt und als Hauptstüße der faschisti schen Bourgeoisie beschimpft.

Bors. Lesen Sie uns mal laut vor, was hier steht. Der Beuge lieft: erausgeber und verantwortlich für den Gesamtinhalt Dr. Goebbels ."

So wird nicht der Weltbourgeoisie, sondern der sozia­ listischen Arbeiterinternationale der Krieg erklärt. Nicht dem bürgerlichen Faschismus, sondern dem ,, Sozialfaschismus " gilt in erster Linie der bolschemistische Kampf. Dabei soll nach der legten Direktive des Ekki bei der Vorbereitung und Durchführung aller revolutionären Attionen der erbittertste, folgerichtige und allseitige Kampi gegen die sozialdemokratischen und reformistischen Führer" geführt werden. Diese persönliche Zuspigung des Klaffen­tampfes gegen den Sozialfafchismus" ist für die patentierten Marristen sehr charakteristisch. Diese Bulgärmarristen ent­puppen sich als gemeine Berleumder und Ehrenabschneider. Diese Einstellung der Komintern zur Sozialdemokratie ist übrigens nicht neu. Bereits Sinomjem hat seinerzeit die So­zialdemokratie dem Faschismus gleichgestellt und dabei er­flärt, daß der Kampf zwischen dem Kommunismus und der Sozialdemokratie auf den Barrikaden des Bürgerkrieges" entschieden werde. Das wird jetzt noch verschärft, indem in den neuen, Thesen" des Etti jede liberale Gegenüberstellung der bürgerlichen Demokratie hier, des offenen Faschismus dort als taftischer Grundfehler gebrandmarkt wird, der eine ,, Ab= spiegelung des sozialdemokratischen Ein fluffes in den tommunistischen Reihen" dar stelle. Die Schlußfolgerung daraus kann nur die sein: die tommunistischen Parteien sollen fünftighin nicht mehr die par­lamentarische Demokratie dem offenen Faschismus vorziehen, Was ist das, wenn nicht eine Hilfeleistung für den Fa­schismus?

Es gibt aber auch etwas Neues in den Beschlüssen der 11. Plenarsizung des Efti. Das neue besteht darin, daß der internationalen, insbesondere der deutschen Sozialdemokratie angebliche interventionistische Pläne und Vorbereitungen unterstellt werden. Es genügt ihnen nicht mehr, die Sozial­demokratie als die ,, wichtigste soziale Basis der Bourgeoisie" hinzustellen. In der Resolution über die Berschärfung der Interventionsgefahr, die nach dem Bericht von Cachin angenommen wurde, wird unter Berufung auf den Mostauer Menschewiki- Prozeß" verleumderisch behauptet, daß, reitscheid, Wels und Hilferding die ruffischen Mensche­watenschädlinge in ihrer Borbereitungsarbeit für die Inter­vention instruiert haben". Der Kampf der internationalen Sozialdemokratie für den Weftfrieden und für die Abrüftung

Borf.: Wen würden also Sie verantwortlich für den Gesamt Das scheint mir bloß eine innere Geschäftsverteilung zu sein. Wie inhalt machen? 3euge: Den Chef des Dienstes Dürr. Bors.:

"

enthalt unbekannt. Er mußte sich nun in der Gerichtsverhandlung vor aller Deffentlichkeit vom Vorsitzenden eine Lektion über Moral, Anstand und Mannesmut gefallen lassen. ,, Stimmt es, Herr Zeuge", fragte Landgerichtsdirettor nicht bekannt war?" Schimmelmann: nicht genau bekannt. Ich wußte nicht, ob die Tagung im Parteihause oder wo anders stattfindet." Vorsitzender: Aber daß Dr. Goebbels in München war, wußten Sie." Zeuge: Ja." Borjigender: Also Ihre Angabe sollte in diesem Sinne ge­deutet werden." 3euge: Ja." Vorsitzender: Vielleicht wäre es praftischer gewesen, zu sagen, daß Goebbels in München sei, Sie wüßten aber nur nicht, in welchem Hause. Hätten Sie z. B. Ja, vielleicht hätte ich an die Geschäftsstelle der Partei telegraphiert." Goebbels durch einen Funtspruch erreichen fönnen?" 3euge: Borsigender: Bielleicht merten Sie sich das für die Zukunft, Herr Zeuge, und machen dem Gericht präzisere Angaben. Wir alten Männer find jo erzogen, daß wir zu unseren Worten stehen, und man an ihnen nichts zu drehen und zu beuten hat." Der Zeuge stolz: Auch ich stehe zu meinen Borten." Borsigender: Sie hatten vom Dr. Goebbels Termin nicht erscheinen würde, und zwar weit seine Pflichten den den Auftrag, dem Gericht davon Mitteilung zu machen, daß er zum Wählern gegenüber den Pflichten dem Gericht gegenüber vorgehen." 3euge: Ja, das war der Sinn des Auftrags, und auch ich bin der Ansicht, daß Dr. Goebbels darin recht hatte." Borsigender: Aljo man braucht einfach der Vorladung eines preußischen Gerichts nicht Folge leisten, wenn man glaubt, daß dadurch eine Kollision mit den Intereffen der Wähler entstehen würde." 3euge: Der Reichstag ist ja aber auch auf Grund des Gesetzes gewählt, und der Abgeordnete befindet sich in Ausübung seiner Pflichten gegenüber aber auch troh Ihrer Jugend sagen, daß in allgemeinen den den Wählern." Borligender: Ihre Erfahrungen sollten Ihnen Ladungen vor Gericht Folge geleistet werden müßte. Es ist nicht fo. daß man sich sagen fann: Es geht mich einen Dred an, wenn man glaubt, daß die Verantwortung vor dem Gesetz der Berantwortung vor den Wählern piderspricht. Ich würde Ihnen in jedem Falle empfehlen, in Zukunft den Gefeßen zu gehorchen, und nicht auf die innere Stimme zu hören. Es wäre auch durchaus zmedmäßig, den Gajeßen zu gehordjen, da man sonst sehr leicht zum Rechtsbrecher merden kann."

"

Leuten: dem Herrn Brivatsekretär und seinem Meister Goebbels .

Die Belehrung, die der Zeuge erhielt, galt zwei jungen

wird dabei als Ablenkungsmanöver für die noch im| fieben bürgerlichen Abgeordneten, darunter einem Demokraten, zu. laufenden Jahre angeblich fällige Inter - fammen. Die legten Reichstagswahlen haben das Stimmenverhält nis meiter zugunsten der Sozialdemokratie verschoben. vention bezeichnet.

Das ist eine plumpe Kriegslüge in dem bolsche­wistischen Kampf gegen die internationale Sozialdemokratie, die der Aktiviſierung aller Sektionen der Komintern zugrunde gelegt werden foll. Daß hierdurch nur das Gegenteil- die Stärtung einer interventionistischen Gefahr erreicht mer­den fönnte, ist offensichtlich. Denn die internationale So­zialdemokratie ist die stärkste Stüße des Welt friedens und der wichtigste Garant für die Unantastbarkeit der Grenzen der Sowjetunion . Nicht aus Liebe zum Bol fchemismus, sondern aus dem Interesse am Weltfrieden und im Interesse des russischen Boltes verwirft die internationale. Sozialdemokratie aufs entschiedendste jede Intervention.

Die Komintern bemüht sich, eine unmittelbare Inter­Dentions- und Kriegsgefahr an die Band zu malen. Der Zweck der Uebung ist die Wiederbelebung der weltrevolutio­nären" Ideologie des Bürgerkrieges.

,, Das neue Bort" der Komintern flingt also wenig ver heißungsvoll. Eine neue Bersegungs- und Spaltungseffen five gegen die Arbeiterbewegung fall in Gang gelegt werden -ein wahrhafter Dolchstoß gegen die Arbeiterschaft in ihrem schweren Abwehrkampfe gegen die faschistische Gefahr. So entartet die Weltrevolution" in die Weltreaktion. Die inter­nationale Sozialdemokratie wird der fommunistischen Offen­sive mit einer Gegenoffensive verstärkter Aufklärungsarbeit begegnen, indem sie ihren Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus unbeirrt fortsetzt!

Landtagswahl im Miniaturland.

Schaumburg- Lippe geht zur Wahlurne.

Büdeburg, 29. April. ( Eigenbericht.)

Das einste deutsche Land, Schaumburg- Lippe, hat am 3. Mai seinen Landtag und feine Gemeindepartamente neu zu wählen. Dem Ausgang dieser Wahlen wird man insofern mit großem Intereffe entgegensehen, als in den legten Jahren eine rein fozialdemokratische Regierung die Geschicke dieses Landes mit seinen 48 000 Bewohnern lenkte.

Der bisherige Landtag sette sich aus acht Sozialdemokraten und

Die Anwendung der Notverordnung. Befferung in Preußen.- Klagen im übrigen Reich.

Seit dem Protest der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gegen die Anwendung der Kofverordnung zur Be­fämpfung polifischer Ausschreitungen hat sich vornehmlich in Preußen eine starke Befferung der Berhältnisse bei der Anwendung der Not­verordnung gegenüber der Sozialdemokratie und ihr naheftehender Organisationen gezeigt.

Die Verfügung des preußischen Innenministers, wonach generell Blafate und Berjammlungseinladungen nicht mehr von jedem ein­zeinen Polizeiorgan zu genehmigen sind, fondern bezirksweise von Regierungspräsidenten , Oberpräsidenten usw. gestattet werden tigen, als werde die Notverordnung schifanös angewendet. Aber fönnen, hat wesentlich dazu beigetragen, die Empfindung zu befei­auch bei dem direkten Eingreifen in die politische Betätigung ist man in Breußen weitherziger geworden. Insbesondere ist das Verbot eines Freidenfer- Flugblattes durch den Landrat in Achim , auf das die sozialdemokratische Reichstagsfraktion besonders hingewiesen hatte, inzwischen aufgehoben worden.

Leider fann man nicht sagen, daß auch im übrigen Reich die Anwendung der Notverordnung ihrem eigentlichen Sinne entspricht. Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat deshalb Beran­laffung genommen, in einem neuen Schreiben an den Reichsminister des Janern einige besonders schwer­wiegende Fälle hervorzuheben und den Minifter dringend um Abhilfe ersucht.

In einem thüringischen Ort hat man unter Bezugnahme auf die Notverordnung der Sozialistischen Arbeiter- Jugend die Mitnahme eines Transparents verboten, das die Aufschrift trug: hinein in die Sozialistische Arbeiter- Jugend". Es ist unerfindlich, warum ein derartiges Transparent der Notverordnung widersprechen soll. Den Freidenfer- Organisationen hat man in den verschiedensten deutschen Städten Bersammlungen mit rein wissenschaftlichen Themen auf Grund der Notverordnuna verbote und Flugblätter, die in Preußen erlaubt sind, zur Berteilung nicht zugelassen.

Es ist erforderlich, daß der Reichsminister des Innern als Zen tralinftanz fich um die Anwendung der Rotverordnung in stärkerem Maße fümmert, als das anscheinend bisher der Fall gewesen ist.