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schwebende Ziel schon gebracht auf dem Marsch bis heute. Wieviel Heldentum von Männern, die Familienväter, von Frauen, die Mütter waren, wieviel Aufopferung und Selbst- Verleugnung für die Idee der Menschheitserlösung schmücken die Seiten der Geschichte dieser 40 Jahre! So ist denn auch der 1. Mai ein Tag des Ge- denke ns an eine ruhmreiche Vergangenheit geworden, des Gedenkens an alle, die weder das Elend der

Arbeitslosigkeit, weder das drohende Gefängnis, noch die Not Ihrer Familie abschrecken konnten, für ein hohes soziales Ideal zu kämpfen. Aber in erster Linie ist uns der 1. Mai ein Tag der H o f f n u n g, der Zuversicht, ein Tag, an dem unsere geistige Kraft einen gewaltigen Auftrieb empfängt zu dem Begehren, weiter zu kämpfen, um unserer heranwachsenden Generation, unserer Jugend, ein schöneres menschliches Dasein zu erringen.

1. Mai in der Krise.

Opfer und Triumph. Von Ocka Olberg. Die Wirtschaftskrise hat unsere Partei in die D e s e n- s i o e gedrängt. Sie trifft uns schwerer als alle andern Par» tcien, weil sie gerade die Klasse befällt, aus der unsere Bewe- gung hervorgeht.' Eine Weltlage, die Millionen von Arbeitern und Angestellten arbeitslos und damit brotlos macht, die schleichend auf immer weitere Kreise übergreift und sie körper- lich und seelisch zermürbt, muß die politische Stoß- kraft der Arbeiterschaft vermindern. Es ist überflüssig, das des längern auseinanderzusetzen. Die gewich- tigstc Drohung, die der Arbeiter in die Wagschale zu werfen hat, die des Streiks, wird unwirksam, wenn sich Millionen Hände nach Arbeit ausstrecken. Wo die nackte Existenz in Frage steht, erlahmt das Interesse für Allgemeines und Ueber» persönliches. Die Solidarität der Klassengemeinschaft wird zerrissen durch die Kluft, die sich zwischen Arbeitenden und Ar- beitslosen auftut. Und schließlich erscheint denen, die nicht zu tieferer Erkenntnis der wirtschaftlichen und sozialen Erschei- nungen durchdringen konnten, die Schutz- und Trutzaktion der Partei unzulänglich. Gerade ihre Machtstellung als stärkste Partei scheint sich jetzt gegen die Sozialdemokratie zu wen- den. Manche, die nur durch den Stimmzettel zu ihr gehören und auf diesen Zettel rechneten wie auf eine Versicherungs» Police, sagen jetzt in törichtem Vorwurf: Dazu hat es die stärkste Partei im Lande kommen lassen! Und in der allgemeinen Unsicherheit und Ratlosigkeit, in der Desperado-Stimmung dieser Krisenzeit sieht sich unsere Partei auch in ihrem Werben um Nachwuchs vielfach durch politische Strömungen beeinträchtigt, die dem augem blicklichen Seelenzustand besser Rechnung tragen. Da ist der Kommunismus, der das Nahen des jüngsten Gerichts für den Kapitalismus verkündet, zur Gewaltaktion aufruft, die nervös Erschöpften und Zerrütteten aufstachelt, alles auf eine Karte zu setzen. Da ist der Nationalsozialismus in seinen verschiedenen Spielarten. Was der aus dem brodeln- den Schmelztigel der Jugend, die im Kriege Kind war und in der Krise heranreift, an ungenützter Kraft und hysterischer Lebensgier, an Ueberschwang und Minderwertigkeit für sich in Beschlag nehmen will, um daraus Werkzeuge und Waffen der Reaktwn zu formen, das wird ihm durch die tiefe soziale Erschütterung unserer Zeit geboten. Er ist der Nutznießer der Krise. Die Rauschgifte, mit denen er wirbt, sagen frellich manchem besser zu als die harte, nüchterne Zucht unserer Partei, die kein Müdewerden duldet und ein beständiges Ueberwachen der Deiche verlangt, durch die die Reaktion ein» zudringen und unsere Errungenschaften fortzuspülen fucht. Wollen wir aber gerade die Ungunst der politischen Kon- junktur zum Thema einer Maibetrachtung wählen? Haben wir nichts Festliches, Verheißendes, Zukunftgewendetes? Wer sagt uns denn, daß in der heutigen Lage nicht auch V e r« heißendes sei? Schlechte Konjunktur gewiß, wenn wir nichts wären als eine politische Partei, nichts zu gewinnen hätten als Mitgliedskarten und Mandate, kein Wahrzeichen hochhalten müßten als das des Vorteils. Aber wir find m e hr als ei'ne politischePartei, im Tageskampf, mit Tageskonjunkturen. Wir find eine Menschheits- b«M, e g u n g, die der Sinnlosigkeit des Naturgeschehens menschlichen Sinn geben, die das Chaos bändigen will. Und die, um es bändigen zu können, dieses chaotische Mirrsal natürlicher Kräfte in uns und außer uns zunächst erfassen und begrifflich überwinden mijß. Begrifflich fast überwunden, aber materiell ungebändigt ist nun das Chaos hereingebrochen wie der Fleisch gewordene Widersinn. Es gibt zuviel Korn, darum müssen die Menschen hun- gern: die Maschinen erzeugen zuviel Güter, darum müssen die Menschen, entbehren: der Erde wird mit verminderter Mühsal mehr abgerungen, und durch diesen Triumphbogen der Technik ziehen unabsehbare Scharen Arbeitsloser, Hungernder, Ent- erbter. Die Wirtschaft verblutet an ihrem eignen Siege. Und diese Bestätigung sozialistischer Voraussicht, die experimentelle Nachprüfung sozialistischer Kritik, dieses gigantische Gericht, das der Kapitalismus über sich selbst hält das sollte die Stoßkraft des Sozialismus lähmen? An dem, was unsere Theorie bewährt, sollten wir als Praxis scheitern? Das könnte nur geschehen, wenn unsere Praxis losgelöst wäre von der T h e or i e, unser Parteileben von unserer Weltanschauung, unser Einzelschicksal von unserer Klassenauf- gäbe. Von dem Schatten der Krise getroffen, trägt unsere Partei schwer an den gegenwärtigen Nöten, erlebt in ihren Mitgliedern eine ungeheure Summe von Qual, aber der Sozialismus als Ganzes ragt über den Schatten hinaus. Was ihn heute als Partei beeinträch- tigt, bewährt ihn als Gesellschaftstheorie. Er hat es voraus- gesehen und vorausgesagt. In der heutigen Krise versagt das kapitalistische System und triumphiert die Gesellschafts- kritik des Sozialismus. Die Krise ist ein einziger Schrei nach einer sinngemäßen, gebändigten Wirtschaft. Aber, was frommt es uns. vorausgesehen und voraus- gesagt zu haben? Soll es uns etwa trösten, uns in eiserne Notwendigkeit eingeschnürt zu wissen, die uns heute abwärts und morgen aufwärts schleift? Wenn uns die Theorie nichts weiter zu geben hat als dieses Gefühl des Unabwendbaren, dem wir ohnmächtig zusehen, dann müßten wir wahrlich den schlichten Glauben beneiden, der in seiner Not hingehen kann und um ein Wunder beten! Macht es uns vielleicht weniger elend, zu wissen, daß wir heute naturnotwendig zermalmt werden und dieselbe Naturnotwendigkeit morgen andere sonnenwärts hebt? (£5 ist eine mißverstandene Theorie, in die wir uns ein- gesperrt fühlen wie in einen Käfig. Gewiß hat unser Wissen um die wirtschaftlichen Gesetze die Krise kommen sehen, ohne sie abwenden zu können, aber einfach deshalb, w e i l u n f e r e Machtorganisation und unsere Selb st er-

ziehung noch nicht Schritt halten mit der wissenschaftlichen Erkenntnis. Die als eine außer uns stehende Walze empfundene Naturnotwendigkeit lasse man getrost aus dem Spiel: sie ist ein Alpdruck, schlecht verdauter Philosophie. Die Theorie soll uns nicht einlullen mit dem Singsang, daß alles so kommt, wie es kommen muß, fo daß wir das Heute ohne Verwünschung ertragen, das Morgen ohne ringenden Kraftaufwand heraufziehen lassen. Die sozialistische Theorie zeigt uns die Linien der möglichen gerechteren Gesell- schaft und stellt so unfern Witten auf das Ziel ein, das Rohmaterial der Notwendigkeit menschlich sinnvoll zu ordnen. An der als möglich erkannten besseren Ordnung messen wir die heutige und dürfen und sollen es tun mit oller Wucht der Entrüstung, mit der geballten Faust der Empörung, mit Augen, die noch weinen können über ungeheures Unrecht. Die Theorie zeigt uns keine vorbestimmte Welt, deren Entwicklung abrollt wie ein Film, unbeeinflußt durch unsere Ziele. Sie weist uns eine mögliche Welt, in der wir unfern Zielen eine

Heimstatt schaffen können. Die theoretische Erkenntnis wirst das Licht einer möglichen höheren Gerechtigkeit in unsere Zeit, daß unser Gefühl nicht abstumpfe gegen gegenwärtiges Un- recht, und unser Wille nicht erlahme im Kampfe um das Gute. Und das Wissen um eine bessere Welt von der die Utopisten nur träumen konnten wird uns klarer und ge- wisser durch die Weltkrise, in der der sich selbst über- lafsene Kapitalismus aus dem Ueberfluß den Hunger gebiert, in der die Maschine sich der Herrschaft entwindet und die Menschen niedertrampelt, denen sie zu dienen geschaffen war. Gewiß tut die Krise unserer materiellen Kraft Abbruch. Die herrschende Klasse weiß das und oersucht, aus dem Versagen des Kapitalismus als System eine Rettung für die Kapitalisten als Klasse zu machen. Sie will aus den jetzt dicht bevölkerten Massenquartieren der Rot die Söldner der Reaktion ausheben. Aber unsere Partei hat tiefere Wurzeln, als daß sie verdorren müßte im wirtschaftlichen Oedland der Gegenwart. Sie reichen hinunter in die fruchtbare Erde der Idee. Wir haben nicht nur Erfolge zu erringen, sondern einerAusgabezu dienen. Wir bieten nicht Vorteile, sondern'wir fordern Opfer. Denn wir haben einen Glauben, der nicht hingeht und um ein Wunder betet, sondern stand- hält und wagt, auf daß er das Wunder vollbringe. Ist etwa der Sozialismus getroffen, wenn die Kessel des kapitalistischen Regimes platzen, weil keinerlei soziale Vernunft Produktion und Verteilung regelt? Kann man die Idee treffen, indem man die apokalyptischen Reiter der Krise gegen die arbeitenden Massen schickt? Die Idee verblutet nichtmitdem einzelnen, und wenn auch die Zahl der einzelnen sich auf Millionen beliefe. Darum wollen wir auch am 1. Mai, am Fest unserer Verheißung, die Augen nicht ab- kehren von der Krise. Aus ihr tönt mit Donnerstimmung die Forderung nach einer sozialistischen Ordnung. In ihr zeugt der Kapitalismus gegen sich selbst. In ihr versagt ein System. Und sie zieht den Schleier fort von einer Zukunft voll schwerer Aufgaben und leuchtender Verheißung.

Karl Marx ' Vermächtnis. Zum 40. Lahrestag des Erscheinens derRheinischen Zeitung ", Köln .

Gin Glückwunsch nach Köln . Von Karl lllautsllz�. Wenn wir den vierzigsten Geburtstag derRheinischen Zeitung " feiern, so wenden sich unsere Blicke unwillkürlich noch über die vierzig Jahr«, über das Sozialistengesetz, über die von Lassolle an- gefachte Bewegung hinaus zu den Anfängen des Marxis- mus zurück, der in Köln seine erste literarische Vertretung in der Reuen Rheinischen Zeitung" fand. Marx begründete sie 1848, kurz nachdem er mit Engels dem proletarischen Klassenkampf im Kommunsstischen Manifest seine theoretische Grundlegung ge- geben. Roch gab e» keine Sozialdemokratische Partei . Die Kam- munssten, zu denen sich Marx und Engels zählten, waren nur eine kleine Propagandagsfellschast. Ihren Tendenzen nach unterschieden sie sich allerdings nicht von der späteren Sozialdemokratie Deutsch- lands. Sie hatten nichts mit dem gemein, was sich heut« Kommunis- mus nennt: Das bezeugt schon die Datsache, daß sie ihr Organ, dos erste marxistisch« tägliche Blatt, eben dieReue Rheinisch« Zeitung", ausdrücklich aus seinem Kopf« mit großen Lettern alsOrgan der Demokratie" bezeichneten. Der KomlNwnismus, den sie anstrebten, war untrennbar. verknüpft mit der Demokratie. Die theoretische Grundlage, aus der dieNeue Rheinische Zei- tung" stand, das Kommunistische Manifest, ist im wesent­lichen dieselbe, auf der heute, nach mehr als 80 Iahren unsere Rheinssä)« Zeitung" beruht, wie die Presse der Sozialdemokratie überhaupt. Allerdings, nurim wesentlichen", nicht in allen Einzel» heiten. Schon 1872 erklärten Marx und Engels, daß auf Grund der seit 1848 eingetretenen Aenderungen und Erfahrungen manches veraltet, manches anders zu fassen wäre. Besonders geirrt hatten aber unsere Meister dort, wo sie die Erwartung aussprachen, daßdie deutsche bürgerliche Revolution nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann". Die deutsche bürgerliche Revolution, die sie Ende 1847 prophezeiten, kam wenige Monate später wirklich, aber die pro- letarische Revolution blieb aus. Es dauerte ganze 70 Jahre, bis sie in Deutschland kam, und dann sah sie anders ans, als unsere Vorväter erwartet hatten. Sie brachte einen sehr gründlichen politischen Umsturz, ober noch nicht eine Ueberwindung der kapitalistischen Produktionsweise durch demotratssch-gesellschastliche Produktion. Die ist noch zu schassen. Und heut« ist sogar die demo­kratische Republik bedroht und sie erheischt die höchste Klugheit und Kampfbereitschast des Proletariats zu ihrer Verteidigung. Dieses langsam« Tempo dar Entwicklung entspricht ja gar nicht unseren Wünschen und Bedürfnissen. Es hat immer und immer wieder die lebhastest« Opposition manches Soziakisten gegen Marx und Engels hervorgerufen. Diese rechneten wohl mit der Revolution, waren aber überzeugt, eine solche lasse sich nicht nach Bs- lieben hervorrufen. Jeder Versuch, sie zu erzwingen, müsse zu einer Niederlage führen und uns zurückwerfen. Die revolutionäre Ungeduld verführte viele Re- vokutionäre im Gegensatz zu Marx und Engels entweder zu Aben- teuern oder zu unwilliger Abwendung vom Soziallsmus überhaupt. Schon gleich nach dem Niedergang der Revolution, 1850, hatte Marx im Bund der Komnmnssten einen schweren Kampf gegen jene Mit- glieder zu führen, die den Standpunkt vertraten:Entweder müssen wir gleich zur Herrschaft kommen oder wir können uns schlafen legen." Während der ganzen weiteren Lebenszeit unseres Messt«? kam die Revolution nicht, die sie selbst mit Sehnsucht erwarteten. So de- stand ihre Aufgabe in der praktischen Politik zum großen Teil darin, revolutionäre Ungeduld zu hemmen und andererseits der Ver- drossenheit, dem Zweifel an der Sache, oder gar der Bereitschaft, die Flinte ins Korn zu werfen, entgegenzutreten, die sich fo leicht ein- stellen, wenn es nicht so schnell geht, wie man gerne möchte. Kurz nach Marx ', Tode, alz ich auch einmal einige Ungeduld darüber äußerte, daß es nicht vorwärts gehen wolle, sagte mir Engels:Ihr Jüngeren müßt lernen. Geduld haben und zu warten. Wir Alten haben das auch lernen

muffen, so sauer es uns ankam. Tut desgleichen." Natürlich meinte Engels mit den Worten nicht, di« Hände in den Schoß legen und tatlos dem Gang der Dinge Züschen , bis«ine günstige Gelegenheit kommt. Er verstand unter diesen Worten nur, sich's nicht verdrießen lassen, wenn der Erfolg unserer Tätigkeit nicht sofort eintritt, sondern stets mit größter Energie in den Gang der Ding« eingreifen. Nur durch stete Arbeit gewinnt unsere Partei die Einsicht und die Kraft, um jede günstige Gelegenheit zn großen Er­folgen sofort ausnützen zu können. Es war nach dem Zusammenbruch der Revolution von 1848, daß Marx die Politik entwickelt«, di« seither den Marxismus kennzeichnete. Sie ist die der Sozialdemokratischen Partei und der Sozialistischen In t e rn at i 0 na Te geworden. Sie setzt sich hohe Ziele der Menschenbesreiung und hott zäh an chnen fest, weiß ober dabei in jedem Moment dos gerade Möglichste illusionslos zu erkennen und ihre ganze Kraft zcifajwilij darauf zu konzentrieren. So gelang es chr immer mehr, das ganze Proletariat unter chr« Fahnen zu sammeln und die gewaltige Kraft. die der Enthusiasmus für ein hohes Ziel verleiht, zu vereinen mir dem Ansporn und den vermehrten Machtmitteln, die aus praktischen Erfolgen hervorgehen. Das galt bis zum Weltkrieg. Die politssche Revolution uni> di« ökonomische Not, die ihm folgten, haben allenthalben groß« Massen von Kleinbürgern proletarssiert, große Massen Indisferenter paliti- siert. Man durfte erwarten, daß unsere Bewegung dadurch außer- ordentlich begünstigt werde. Doch war das nur teilweise der Fall. Di« Zahl derjenigen, di« sich Marxisten nennen, ist zwar enorm ge- wachsen, doch keineswegs in gleichem Maße die Zahl derjenigen, die im Geiste des Marxismus denken und handeln. Die Kommunisten von heute handeln ganz im Sinne der Willich und Schapper , die 1850 Marx im Kommunsstcnbund entgegentraten, weil sie Putsch machen wollten, und die Marx des Verrates an der Revoluiton anklagten, weil er sich solchen Bersuchcn widersetzte. Sie handeln ganz im Sinn« B a k u n i n s, gegen den Marx zwei Jahrzehnte später einen schweren Kampf in der Intcr- nationale führte, die die Bakunssten auch auf die Bahnen des Pusschismus drängen wollten. Der Kampf Willichs wie der Bakunins gegen Marx hat der proletarischen Sache schwere Wunden geschlagen. Nach I80O ging daran der Kommunistenbund, nach 1870 die Erste Internationale zugrunde: sie spalteten sich zuerst und verfielen dann. Ein ähnliches Schicksal schien nach dem Weltkrieg der proletori- schen Bewegung zu drohen, als die Neubakunisten, geführt zuerst von Lenin unter der Fahne eines angeblichen Marxismus ! sich daran machten, die Sozialistische Internationale und di« sozialdemo- kratifchen Parteien der einzelnen Länder zu spalten. Der von Marx und Engels begründeten sozialdemokratischen Taktik der Beschrän­kung der praktischen Arbeit auf das jeweils mögliche setzten sie den Appell an die revolutionär« Ungeduld ungeschuller und unorgani- sierter Massen entgegen, die von den wirklichen ökonomischen Be- bingungen und den Kraftoerhäktnissen der Parteien in den einzelnen Ländern kcine Ahnung haben und glauben, energisches bloßes Wollen genüge, unwiderstehlich zu werden. Die Sozialdemokratie und der neuen Internationale ist es indes besser gegangen, wie ehedem Marx und den von ihm geführten Organisationen. Das Proletariat, namentlich West- europas, hat seitdem doch enorm viel gelernt. Aber wurden Sazialdeinokrati« und die Sozialistische Arbeiter- Internationale durch die kommunsstischen Spaltungsbestrebungen auch nicht geradezu umgebracht, wie es ehedem das Schicksal des Kommunsstenbundez und der Ersten International« war, so wurden dach Sozialdemokratie und Internationale und mit ihnen das Pro­letariat aufs schwerste geschädigt, sein« Kraft gerade in sehr entscheidenden Momenten bedenklich geschwächt. Das schlimmste Unhell aber haben die Kommunisten dem pro- letarischen Klassenkampf durch die moralische und intellet- tuelle Verlotterung gebracht, die sie m weiten Kreisen der Arbeiterschaft herbeiführten. Sie predigen heute wieder den alten Grundsatz: Entweder müssen wir gleich zur Herrschaft kommen oder wir können uns schlafen legen. Natürlich kommen sie, trotz aller