Morgenausgabe
Nr. 206 A 104
48.Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Dienstag
5. Mai 1931
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Brotwucher- Regierungsohnmacht Die ſchwierige Finanzlage
Ein sozialer und politischer Skandal.
In ganz Deutschland hat der Brotpreis die gesetzlich fest gelegte Grenze überschritten. Innerhalb zwei Wochen wurden in Berlin die Brotpreise zweimal erhöht. Mindestens das zweite Mal erfolgte die Brotpreiserhöhung durch die Bäckerinnung aus eigener Initiative.
Die Brotpreiserhöhung von gestern, der sich die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgebung nicht anschließen wird, ist als Brotwucher zu bezeichnen. Gegenüber den ersten Brotpreis erhöhungen hat die Reichsregierung Maßnahmen versprochen. Bis jezt dürften solche Maßnahmen noch nicht durchgeführt worden sein. Gegenüber dem gestrigen Schritt der Berliner Bäder, der auch auf die Behörden provokatorisch wirkt, hat die Reichsregierung nur ihr Befremden ausgedrückt, geschehen ist aber noch nichts. Es werden
nur Maßnahmen erwogen.
Das ist der Tatbestand eines
offenen fozialen politischen Standals.
Der politische Standal ist dadurch gegeben, daß die Reichsregierung durch Gesez verpflichtet ist, Brotpreiserhöhungen nicht nur nachträg lich zu verhindern, sondern ihrem Eintritt vorzubeugen. Ueber den sozialen Skandal ist bei 4% Millionen Arbeitslosen kein Wort zu verlieren.
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Wir fordern entschloffene Maßnahmen.
wird. Wir halten es auch für eine unzweckmäßige Maßnahme, in diesem Falle die Kartellverordnung anzuwenden, denn zuerst hat die Reichsregierung selbst ihre Pflicht zu tun. Es wird freilich auch von einer Aufhebung des Nachtbadverbots gesprochen. Im Rahmen der Brotpreisfrage dieses Berbot aufzu heben, wäre ein Betrug. Die Brotpreise sind auf dem Weg der 3ollsenfung und ähnlichen Wegen auf den gesetzlichen Stand zu bringen, nicht durch Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Das Sündenkonto der Reichsregierung
wird immer unerträglicher. Der durchschnittliche Weizenpreis hat längst den Satz von 260 Mart überschritten, der Weizenzoll ist noch nicht gesenkt, wie es vorgesehen ist; die in der letzten Erklärung der Reichsregierung angekündigten Maßnahmen sind noch nicht durchgeführt und dürften sich auch als unzulänglich erweisen. Die Reichsregierung hat nach dem flaren Wortlaut des Gefeßes einer Brotpreissteigerung vorzubeugen, sie hat dieser Teuerung nicht mir nicht vorgebeugt, sie hat auch noch nichts getan, um die eingetretene Teuerung rückgängig zu machen. Von dem Berkauf der Roggenbestände wird gesprochen, auf den Markt gebracht sind sie noch nicht. Die Senkung des Weizenzolls, die hier ebenfalls helfen könnte, ist auch nicht erfolgt, von einer Senfung des Roggenzolles gar nicht zu sprechen. Wenn das Vorgehen der Berliner Bäder als ridjidhtsloser Egoismus Iaffig und wird mit jedem Tage unverantwortlicher.
Die Berliner . Bäder find im llnrecht. Ihr Verhalten ist muche risch. Das muß pisen ausgesprochen werden. Und daran ändert auch die von dem Zweckverband der Groß- Berliner Bädermeister abzu bezeichnen ist, so ist das Verhalten der Reichsregierung fahr gegebene Erklärung nichts, monach die Brotpreissenbung vom November nur eine Vorleistung, für den Abbau der Produktions kosten und die neuerliche Brotpreiserhöhung nur eine Folge der Untätigkeit der Regierung sei. Seit November ist der Mehlpreis von 25,50 m. auf 28,25 m. im Mai gestiegen. Der Novemberpreis rechtfertigte bei einer ausreichenden Bäderspanne einen Brotpreis von 36 Pf. je Kilo. Der Maipreis rechtfertigt bei derselben Spanne einen Brotpreis von 37% Pf. je Kilo. Auf das 2½- PfundBäckerbrot gerechnet entspricht das Preisen von 45 und von 47% Bf. Mag über die Erhöhung des Bäckerpreises auf 48 Bf. fein Streit sein, es bestand Einverständnis darüber, daß die Reichsregierung
Es ist feine Uebertreibung, wenn man feststellt, daß die Reichsregierung für die erste Brotteuerungswelle verantwortlich mar, meil ihr jede Boraussicht mangelte, und daß sie die zweite Brotteuerungswelle hätte verhindern können und verhindern müssen, wenn ihr Wille zur Achtung des Gesezes ebenso gut und groß gewesen wäre wie die Rücksicht auf die Wünsche der Agrarier. die Rücfſicht auf die Wünſche der Agrarier. Not stat mur bie
diese Erhöhung rüdgängig zu machen hat.
Die Berteuerung auf 50 Pf. aber ist absolut ungerechtfertigt. und muß unter den jeßigen Verhältnissen als mucherisch gebrand. markt werden. Die Bäder erhöhen ihre Bäckerverdienstspanne damit non, 14,5 bis 15 Bf. willkürlich auf 17,5 Bf. Diese Verteuerung ist für die Bäckermeister um so belastender, als sie darauf spekulieren, daß ein derart ausgeübter Druck auf die Reichsregierung eine Lohn sentung herbeiführen wird.
In diesem Sinne ist auch ein Vorgehen der Reichsregierung gegenüber den Bäckermeistern notwendig und berechtigt. Wir halten es für unsinnig, höchstpreise festzuseßen, movon gesprochen
600 Abgeordnete.
Madrid , 4. Mai. ( Eigenbericht.) Die Regierung, die sich bereits eifrig mit den Vorberei
tungen der Bahlen aur nationalversammlung beschäftigt, beabsichtigt, die Zahl der Abgeordneten auf 600 festzu setzen, während das alte spanische Barlament 410 Deputierte zählte. Ferner besteht die Absicht, das Land künftig in 50 Wahlkreise ein zuteilen, die den Verwaltungsprovinzen entsprechen. Auf je 40 000 Einwohner soll ein Abgeordneter entfallen. Das bedeutet eine vollkommene Veränderung des früheren Berhältnisses zwischen Stadt und Land. Früher wählten die Großstädte verhältnismäßig viel zu wenig Abgeordnete, während das flache Land mit seinen vielen Analphabeten ein starkes Uebergewicht hatte. Nach dem neuen Schlüssel dürften auf Madrid und Barcelona fünftig 20 Abgeordnete entfallen, währerid Madrid früher 8 und Barcelona 6 Deputierte stellte.
Rüdtritt des Innenministers?
Heute abend mitb befannt, daß der Innenminster Maura infolge von Meinungsverschiedenheiten mit dem Ministerpräsidenten Alcala Zamora über die tatalanische dem Ministerpräsidenten Alcala Zamora über die tatalanische Frage seine Demiffion gegeben hat. Maura macht dem Mi. uisterpräsidenten Zamora den Bormurf, daß er gegenüber dem Präfibenten von Ratalonien, Oberst Macia, eine au versöhnliche Saltzug einnehme
Die Erfüllung dieser agrarischen Wünsche hat nicht nur die wirtschaftliche Krise verschärft, sondern nachgerade den Kredit der Reichsregierung zerstört, worauf der Reichsfinanzminister Dietrich mit Recht hingewiesen hat. Die Reichsregierung sei dazu entschlossen, so sagte Dietrich, den Brotpreis auf dem alten Stand zu halten. Damit stehe und falle das ganze System. Herr Dietrich Damit stehe und falle das ganze System. Herr Dietrich fennzeichnete die Lage richtig. Wenn Herr Dietrich sich nicht den Vorwurf zuziehen will, dmaß er zwar schön und temperamentvoll reden kann, zum Handeln aber zu schlapp ist, dann muß man von ihm erwarten, daß er dem Kanzler Brüning begreiflich macht, daß auch Herr Schiele das Gesetz zu achten hat.
Die gegenwärtige Lage ist unhaltbar. Was jetzt notwendig ist, sind entschiedene und entschlossene Maßnahmen, die den Brotpreis auf den gefeßlichen Stand zurückführen. Werden diese Maßnahmen jetzt nicht ergriffen, so kann niemand der Reichsregierung die Verantwortung dafür abnehmen.
Was soll werden?
Von Dr. Paul Hertz, M. d. R.
Die Finanzlage des Reichs, der Länder und der Gemeinden hat sich aufs neue in bedrohlicher Weise verschärft. Die vor kurzem veröffentlichten Ergebnisse der Reichssteuern im Rechnungsjahr 1930 haben mit voller Deutlichkeit gezeigt, daß unter dem Einfluß der Wirtschaftskrise die Steuererträge weit schärfer zurückgehen, als die Regierung bisher angenommen hatte, und daß infolgedessen die Ertragsschäzungen für das Rechnungsjahr 1931 viel zu hoch
sind.
Auf der anderen Seite hat die Saisonbelebung am Arbeitsmarkt viel zögernder und schwächer eingesetzt als im vorigen Jahr. Damit sind alle Berechnungen aufs schwerste erschüttert, die sich auf den Bedarf der Arbeitslosenunterstügung im nächsten Jahre beziehen. Man übertreibt nicht, wenn man annimmt, daß aus diesen und anderen Gründen im Reichshaushalt 1931 ein Fehlbetrag von weit über ½ Milliarde, bei Ländern und Gemeinden weitere Fehlbeträge von mehreren hundert Millionen entstanden sind. Ein neues gewaltiges Defizit von weit mehr als einer Milliarde ist also aufgetaucht, und damit erhebt sich Defizit zu decken. die bange Frage, ob und wie es möglich sein wird, dieses
Aber so ernst die Finanzlage auch ist, so menig besteht ein Anlaß, an der Möglichkeit zur leberwindung der neuen Schwierigkeiten zu verzweifeln. Die bürgerlichen Barteien verfolgen seit Monaten, ja seit Jahren, die Taktik, die Entmicklung unserer finanziellen Verhältnisse so darzustellen, als wenn wir unmittelbar vor der Finanzkatastrophe ständen und der sozialen Leistungen. So liegen die Dinge in Wirklichkeit als ob fein anderer Ausweg mehr übrig bliebe als der Abbau nicht. Es gibt in der Tat noch genügend finanzielle Mög lichkeiten, um auch die neuen Fehlbeträge auszugleichen, ohne den verhängnisvollen Weg des sozialen Abbaus zu beschreiten. leber eins muß man sich dabei allerdings von vornherein mit der Forderung, das Defizit ausschließlich durch Ausgabeflar sein: Mit dem Verzicht auf jegliche Steuererhöhung und Pürzungen zu decken, mit diesem Leitsatz der bürgerlichen Finanzpolitik muß auf jeden Fall gebrochen werden, wenn eine finanzpolitisch ausreichende und sozial erträgliche Lösung gefunden werden soll.
Die Parole: feine Steuererhöhungen! ist 1928 Parole hat seitdem immer wieder eine rechtzeitige von der Deutschen Volkspartei ausgegeben worden. Diese und hat schließlich dahin geführt, daß die Befizsteuern gesenkt Sanierung der Reichsfinanzen verhindert und die Massensteuern erhöht worden sind. Andererseits reist der Reichsfinanzminister im Lande umher und rühmt die Tat der Regierung, die Reichsausgaben 1931 um 1400 Millionen gegen 1930 gefenft zu haben. Aber diese Ausgabensenkung darf man nicht überschätzen. Steht doch diese große Sen= fung zum Teil nur auf dem Papier, weil umfangreiche Ausgaben vom Reich auf die Arbeitslosenversiche
Zollunion und Frankreichs Gegenplan. rung und die Gemeinden abgeschoben worden find. Sie ist
Der französische Außenminister wird wie wir zuverlässig erfahren im Bölkerbund anläßlich der Beratung der
andererseits nur möglich geworden, weil bedeutende Ausgaben automatisch wegfielen und andere vertagt werden fonnten.
Bei genauem Zusehen schrumpft infolgedessen die tatbeutsch- österreichischen Zollunion unter Hinweis auflächliche Ausgabenersparnis auf weniger als 200 den französischen Blan auf Deutschland dahin einzuwirken Millionen zusammen. Davon entfällt ein großer Teil versuchen, daß seine Regierung im Interesse des europäischen auf soziale Ausgaben, während die Wehrausgaben Friedens auf das Zollabkommen mit Desterreich verzichtet. so gut wie gar nicht gesenkt worden sind. Hier bleibt für die Briand hofft dabei auf die Unterstügung des Bölkerbundsrats, dem er Regierung Brüning ein schweres Verfäumnis nachzuholen. vorschlagen wird, die juristische Seite der deutsch - österreichischen Zoll- Man sollte meinen, daß eine Regierung, die so große wirtvereinbarung durch den Haager Internationalen Geschaftliche Probleme meistern will, sich auch zutrauen müßte, richtshof prüfen zu lassen. Wenn dieser Antrag angenommen die politischen Widerstände zu überwinden, die allein einer wird und Deutschland und Desterreich gleichfalls aufgefordert werden, Kürzung der Wehrausgaben in der Zeit der Krise im Wege des Internationalen Gerichtshofes einzustellen, würde Briand sich die weiteren Verhandlungen bis zur Bekanntgabe der Entscheidung zufrieden geben. Er rechnet damit, daß das französische Gegenprojeft bis zur Entscheidung des Haager Gerichtshofes soweit in die Wirklichkeit umgefeßt merden kann, daß Deutschland und Desterreich, selbst wenn das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes günstig ausfällt, es für 3 med los halten würden, ihren Blan durchzuführen.
China hebt die fremde Gerichtsbarkeit auf. Die chinesische Regierung hat eine Berordnung erlassen, die schon jetzt das Defret vom Dezember 1929 über die Aufhebung der fremben Gerichtsbarkeit ab 1. Januar 1932 in Kraft fezt und die Einzelheiten der neuen Gerichtsverfassung regelt. Dazu erklärt der Außenminister, die Regierung bedauere, daß fie fich durch die Unnachgiebigkeit einzelner Machte in der Frage der Exterritorialität gezwungen sehe, diesen Beg einzuschlagen.
ſtehen.
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Aber auch wenn eine namhafte Senkung der Wehrausgaben endlich zustande kommt, wäre es einfach unmöglich, den neuen gewaltigen Fehlbetrag allein durch Ausgabenersparnisse zu' decken es sei denn, daß man neben einer neuen Kürzung der Beamtengehälter zu einem Ge. neralangriff auf die Sozialleistungen schreiten will. Dagegen wird sich die Sozialdemokratie mit allen Mitteln zur Wehr sehen. Sie kann darauf verweisen, daß es noch genügend andere sachliche Möglichkeiten gibt, die nicht die einschneidenden sozialen und politischen Gefahren heraufbeschwören, die ein Sozialabbau zur Folge haben müßte. Die befchwören, die ein Sozialabbau zur Folge haben müßte. Die Sozialdemokratie steht feit langem auf dem Standpunkt, daß menn es teine andere Wahl gibt, als die Einschränkung