Dienstag 5. Mai
1931
Der Abend
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Nr. 207
B 104 48. Jahrgang
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Selbstentlarvung der Fälscher
Der Stahlhelm über sein Flugblatt
Der„ Stahlhelm" fühlt sich genötigt, seiner bisherigen schamlosen[ Ausnützung des offensichtlich gefälschten Aufrufs der Volksbeauftragten" noch nachträglich eine Fundierung zu geben. Das geschieht durch folgende Notiz, die er durch Hugenbergs Telegraphen- Union" verbreiten läßt:
Das Flugblatt mit dem Aufruf des Rats der Boltsbeauftragten, das nach dem Beschluß des Herrn Reichsinnenministers Wirth eine ungewöhnlich plumpe Fälschung" hatte sein sollen und dessen Echtheit vom Amtlichen Preußischen Pressedienst und anderen sozialdemokratischen Zeitungen mit den höchsten Tönen unritterlicher Kampfesweise bestritten wurde, lag heute auf dem Tisch des Bundesamtes des Stahlhelm im Original vor. Es trägt das Datum des 9. November 1918 und ist gedruckt bei D. Beidlich, Hamburg 26, Hammersteindamm 62. Zahlreiche Zeugen haben das Flugblatt in der Hand gehabt und sind bereit, dies zu beeiden. Das Flugblatt ist sogleich photo: graphiert worden und dann zum Schuh vor Zugriffen durch Bolizeibeamte, die unter dem Einfluß der SPD , stehen, seitens des Stahlhelm sichergestellt worden, damit es für die in dieser Angelegenheit zu erwartenden Gerichtsverhandlungen zweifelsfrei zur Verfügung steht.
Durch diese Behauptungen macht der Stahlhelm, der Bund der Ritterlichen", seine Schande nur noch ärger. Konnte man bisher noch annehmen, daß die Flugblattfabrikanten in gutem Glauben einer Fälschung aufgesessen feien, so lassen sie jetzt den guten Glauben selbst fallen und wollen unter Beweis stellen, was nicht zu beweisen ist: Ein ,, Rat der Boltsbeauftragten" hat am 9. November 1918 überhaupt noch nicht be= standen, folglich fonnte er feinen Aufruf drucken lassen, nicht einmal in Hamburg , Hammer Steindamm. Außerdem find sämtliche jpäteren Aufrufe und Verordnungen der Boltsbeauftragten ordnungsmäßig im Reichsgesehblatt veröffentlicht worden; außerdem gab es in Berlin Druckereigroßbetriebe genug, die im Notfalle Riefenauflagen von Aufrufen für die Boltsbeauftragten hätten drucken können, da brauchte man nicht nach Hamburg , Hammer Steinweg, zu gehen!
Selbst wenn ein solches Flugblatt ,, im Original" vorliegen follte, so ist schon von vornherein klar, daß es sich dabei um eine politische Fälschung offenfundigster Art handelt. Diese Fälschung wird nur noch übt offen durch die zhnische Selbstverständlichkeit, mit der die Stahlhelm13 Jahre nach der Revolution
ritter von ihr brauch machen.
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Aber auch die neueste Entlastungslüge der StahlhelmPeute hat die kürzesten Beine. Wie wir durch Anfrage in Samburg feststellen konnten, bestand die Druckerei von O. Weidlich, Hammer Steinweg, im Jahre 1918 überhaupt noch nicht. Erst im Jahre 1921 hat Herr Weidlich sich einen Gewerbeschein besorgt, aber noch im Adresbuch für 1928/29 figuriert er als Papierwaren= händler, und zwar im Hause Anberg 2. Also kann er seine kleinste Druckerquetsche die nicht einmal bei dre Buchdruderinnung angemeldet ist und keinerlei Perjonal bei der Berufsgenossenschaft versichert hat längstens seit einem Jahr oder seit anderthalb Jahren in Betrieb haben!
Flugblätter, die seine Firma tragen, können demnach unmöglich aus dem Jahre 1918 stammen. Sie sind so oder so gefälscht und der Stahlhelm macht sich zum bewußten Verbreiter solcher Fälschungen! Das zur Charakterisierung der edlen Sippe, die in ihrer Erklärung die preußische Polizei auf das Niederträchtigste zu verdächtigen wagt.
Mit dem Auto in den Kanal.
Drei Infaffen ertrunken.
Ein tragisches Automobilunglüd ereignete fich in der Nähe von Boulogne sur Mer . Ein Aufo, in dem der Besizer, sein fechsjähriger Sohn und ein Geschäftsfreund Plak genommen hatten, stürzte infolge Steuerbruchs in einen an der Straße entlangführenden& anal, der gerade an diefer Stelle mehrere Meter tief war. Den Jusaffen des Wagens gelang es nicht, sich aus der geschlossenen Limousine zu befreien. Alle drei Lonnten nur noch als Leichen geborgen werden.
Der Kampf um Preußen
In der heutigen Landtagsfizung nahm bei der zweiten Lesung des Haushalts des Staatsministeriums das Wort
Ministerpräsident Otto Braun :
Wer die literarischen und journalistischen Aeußerungen der Rechtspresse in der letzten Zeit verfolgt hat, mußte zu der Auffassung tommen, daß das A und O der ganzen Rechtspolitik der Leitfah mar: Wie trennen wir das Zentrum von der Sozialdemokratie? Diese Auffassung hat u. a. sehr deutlich der deutschnationale Führer v. Oldenburg- Januschau zum Ausdruck gebracht. Ich bin der Auffassung, daß das Zentrum selbst wissen wird, wie es seine Politit einzustellen hat.( Sehr gut! lints und in der Mitte.)
Insbesondere ist meine Stellung zum Freidenfertum Gegenstand lebhafter Erörterungen gewesen. Im Freidenkertreis find starke Bedenten laut geworden, ob nicht durch den Wortlaut der Notverordnung die Freidenferbewegung gehemmt werde. Sicher kommt es dabei auf die Ausführung an. Ich bin der Meinung, auch die Freidenkerbewegung hat nicht nötig, mit herabsezenden und vergiftenden Verdächtigungen oder Beschimpfungen zu arbeiten, sie fann sich darauf beschränken,
im geistigen Wettstreit die Ethit ihrer Weltanschauung der Weltanschauung der Kirchen gegenüberzustellen.
Das braucht niemand verlegen und kann doch zum Nachdenken über die Weltanschauung führen. Es sollen nur Verleumdungen, Verunglimpfungen und Beschimpfungen, die das politische Leben vergiften, Roheitstaten und Gewalttaten schärfer als bisher befämpft werden.
In diesem Sinne habe ich auch meine Ausführungen in der öffentlichen Berliner Parteiversammlung gemacht. Mißgriffe, die in der ersten 3eit bei der Handhabung der Notverordnung vorgekommen find, bedaure ich. Aber die Tatsache, daß so wenig berechtigte Klagen in dieser Beziehung vorgebracht wurden, beweist, daß die Notverordnung notwendig war im Kampfe gegen Lüge und Verleumdung.( Großer Lärm bei den Kommunisten.) Es muß doch sehr schlecht um eine Politik bestellt sein, die nur mit Lüge und Verleumdung arbeiten fann.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und in der Mitte.)
Ueber das Volksbegehren vormeg eine Bemerkung: Der Stahlhelm gibt sich jetzt als der erbitterte Feind des jezigen Regimes aus, obwohl er sich bei seiner Gründung stramm republi fanisch gab. Heute wollen die Herren von rechts das abstreiten. Ich weiß nicht, weshalb, denn
das ist doch gar keine schlechte Bergangenheit!( Große Heiterkeit) Damals hat der Stahlhelm, bei seiner Gründung, wörtlich in seinen Aufrufen geschrieben:„ Wir stellen uns auf den Boden der Republik
Regierung und Brotwucher.
Das Orafel von Delphi.
Die Reichsregierung läßt erflären, daß sie sowohl nach der crften wie nach der zweiten Brotpreiserhöhung alles unternommen habe, um den früheren Brotpreis von 46 Pf. wiederherzustellen.
Dieser überraschenden Mitteilung läßt die Reichsregierung die vielversprechende Ankündigung folgen, daß sie noch im Laufe des heutigen Tages die Vorausfegungen mitteilen werde, auf Grund deren es möglich sein würde, die Be| mühungen zur Wiederherstellung des Brotpreises von 46 Pf. erfolgreich zu gestalten!
Gegen folche geheimnisvollen Andeutungen ist das Drakel von Delphi gar nichts!
und treten rückhaltlos für sie und die jetzige Regierung ein!"( Stürmisches Hört! hört! links und in der Mitte.)
Damals handelte es sich noch dazu um eine rein soziaistische Regierung.( Große Heiterfeit links und in der Mitte.) Wir haben nun die verschiedenartigsten Aeußerungen über
Ich
Der Knallfrosch aus der Kiste! Ausführungen das Boltsbegehren zu einer Bertrauensfrage
FLOBARY
Blu SW
Dr. Gonbbels
„ Die Frösche, die ich rief, werde ich nicht wieder los!"
den Zweck des Voltsbegehrens gehört. Die einen wollen das jetzige Regime beseitigen, die anderen die marristische Mißwirtschaft. Der Deutschnationale Abg. Schwecht will nach seinen jetzigen Auss führungen einen anderen Ministerpräsidenten. möchte das auch gern( Heiterkeit), aber dazu hätte es wirklich nicht des Volksbegehrens bedurft.( Große Heiterkeit im ganzen Hause.) Der Abg. Stendel von der Volkspartei will nach seinen gestrigen für die Regierung machen. Das ist begreiflich, wenn man nicht ohne eigene Schuld sechs Jahre lang in der Opposition sitt.( Sehr gut bei den Soz.) Aber er scheint doch keinen rechten Erfolg mit seiner Haltung bei den Deutschnationalen zu haben. In einer Versammlung hat sich Herr von Oldenburg Janusch au folgendermaßen über die Bolkspartei geäußert: Das mit der Boltspartei ist ja sehr nett; aber wenn man sie so sieht, diese Herren, dann muß ich immer an das berühmte Wort denken: Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!"( Stürmishe Heiterteit im ganzen Hause.)
Herr von Oldenburg ist dann in seiner Rede fortgefahren:„ Ehe sich diese Leute von der Volkspartei an uns heranmachen, müssen sie crft entlaust werden!"( Langanhaltende große Heiterkeit.) Herr von Oldenburg meinte schließlich in seiner Rede ganz offen, daß es sich eigentlich um einiger Monate willen nicht lohnt, die erheblichen Kosten des Volksentscheids zu übernehmen. Aber er fügte hinzu:„ Andererseits bringt es Hunderte von Millionen ein, wenn wir nur einige Monate früher an die Regierung kommen!" ( Stürmisches Hört, hört! links und in der Mitte. Zuruf links: Für wen?!)
Er hat dann seine Rede geschlossen mit der Bemerkung:„ Wenn die jetzigen Inhaber die Regierungssessel in Preußen räumen, müßten die neuen Regierungsmänner aber richtige Preußen sein!" Ich als Ostpreuße zähle offenbar nicht zu den richtigen Preußen, und es mag schon sein, daß bei mir die Entwicklung die gute Geburt verpfuscht hat.( Große Heiterfeit.) Herr von Oldenburg ist schließlich der Prototyp des alten Preußentums. Er hat diesen Begriff ungefähr so interpretiert: Wer nicht vom Rhythmus eines alten Soldatenmarsches mitgerissen wird, ist fein guter Preuße. Das Ginnbild des alten Preußentums auf den Werbeplakaten zum Volksbegehren war der Alte Frig mit seinem Krüdstod, Bir haben hier die Symbole des alten Breußentums