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BERLIN  Mittwoch 6. Mai

1931

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Donhoff 292–297

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Nr. 209

B 105

48. Jahrgang

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Die Pflicht der Regierung

Brotpreis muß gesenkt werden/ Reichstag   vorläufig nicht einberufen

Der eltestenrat des Reichstags beschäftigte sich heute vormittag unter dem Borsiz des Bizepräsidenten von Kar= dorff mit einem tommunistischen Antrag auf Ein berufung des Reichstages. Die Bertreter der Deutsch  nationalen und der nationalsozialistischen Fraktion waren nicht anwesend. Die Einberufung des Reichstags wurde von allen an­mesenden Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, abgelehnt. Staatssekretär Bünder ertlärte, daß auch die Reichsregierung eine Einberufung des Reichstages nicht für zweckmäßig halte. Be­schlüsse des Kabinetts über die Art der Finanzierung lägen bisher

nicht vor.

Bon den Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion wurde darauf hingewiesen, daß die Einberufung des Reichstages im gegenwärtigen Augenblick unzweckmäßig sei, da bisher keinerlei Borlage der Reichsregierung vorliege, der Reichstag   alfo gar nicht zu konkreten Plänen Stellung nehmen, sondern nur nußlose Reden halten könnte. Die Sozialdemokratie biete ihren ganzen Einfluß auf, um in direkten Verhandlungen mit der Reichs regierung die Intereffen der werttätigen Schichten zu wahren. Daß die Erhöhung der Brotpreise überhaupt ein­

getreten sei, müsse man als einen schweren Fehler der Politit der Reichsregierung bezeichnen.

Die Reichsregierung, habe die gesetzliche. Berpflichtung, einer Steigerung der Brotpreise vorzubeugen, fie müsse auch durch Bolfenkung eine Ermäßigung der Weizenpreise herbeiführen. Die Sozialdemokratie verlange, daß die Reichsregierung diese beiden gesetzlichen Verpflichtungen ausführe, und wenn die jetzt ein­geleiteten Maßnahmen nicht zur allgemeinen Gentung der Brotpreise auf den früheren Stand führen, im vollen Umfange zur Durchführung der Verpflichtungen schreiten. Geschehe das in kurzer Frist nicht, so behalte sich die Sozialdemokratie eine erneute Stellungnahme zur Einberufung des Reichstages vor.

Auch die übrigen Parteien hielten eine Einberufung des Reichstags nicht für zweckmäßig, erklärten jedoch übereinstimmend, daß die Politit der Reichsregierung einen Stoß erhalte, wenn es ihr nicht gelinge, die Sentung der Brot preise zu erzwingen.

Proteft gegen Brotwucher.

Beschluß der Frankfurter   Stadtverordneten.

Frankfurt   a. M., 6. Mai.  ( Eigenbericht.) Die Frankfurter   Stadtverordnetenversammlung nahm mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der Kommunisten und Demokraten einen sozialdemokratischen Antrag an, in dem gegen die 3ollpolitif der Reichsregierung und die neue Brotpreiserhöhung eindringlich Protest erhoben wird. Der Magistrat wird aufgefordert, bei der Reichsregierung unverzüglich Einspruch zu erheben und eine Protestattion des Deuts schen Stäbtetages zu veranlassen. Gleichzeitig sollen Maß­nahmen ergriffen werden, um eine Erhöhung des Frankfurter   Brot­preises zu verhindern, der bisher unter dem Druck des Konsum­Vereins stabil geblieben ist. Der nationalsozialistische Stadtverordnete Lange enthielt sich bei der Abstimmung der Stimme. Die Kommunisten störten die Beratung dieses Antrages durch wüstes Geschrei.

Schuß dem Gräberfrieden!

Wirth für schärferes Einschreiten gegen Friedhofsschänder. Der Reichsminister des Innern hat in der Frage der Berhütung der Schändung von Friedhöfen folgendes Schreiben an Die Landesregierungen gerichtet:

Nach zuverlässiger Mitteilung sind im Deutschen Reich   in den legten Jahren nicht weniger als 100 Fälle von Schän­dungen jüdischer Friedhöfe vorgekommen. Unter Hinweis hierauf darf ich den Landesregierungen erneut nahelegen, die Landes­behörden anzuweisen, um die Aufklärung und Verfolgung von Störungen des Gräberfriedens nachdrücklichst bemüht zu sein. Ich hatte schärfstes Einschreiten gegen solche verabscheuungs­würdigen Straftaten für nötig und bin nach den Erfahrungen der letzten Jahre der Auffassung, daß es nicht möglich ist, ihnen ohne empfindliche Strafen mit Erfolg zu begegnen.

Jagd hinter demBriefträgermörder

Geschwister Reins im Ausland- Internationale Fahndung

Feierliche Beisetzung des Ermordeten.

Die Suche nach dem Mörder des Geldbriefträgers| ist. Für das Berbrechen an der Konfitürenhändlerin Matschte ch to an, dem Maurer Ernst Reins  , und seinen beiden mit ihm geflüchteten Schwestern ist bisher erfolglos ge­aus der Franseckystraße stehen die Gutachten noch aus. blieben. Es besteht jetzt kein Zweifel mehr, daß die Flüchtigen bereits ins Ausland entkommen sind. Reins Der ermordete Geldbriefträger Schwan wird morgen nach­hatte zwei volle Tage Vorsprung, und diese Zeit genügte mittag um 5% Uhr auf dem Wilmersdorfer   Gemeindefriedhof in vollauf, um die Grenze ungehindert passieren zu können. der Barstraße beigesetzt werden. Die Ueberführung der Leiche findet vom Schauhaus in der Hannoverschen Straße statt. des Täters, dessen Personalien erst seit Sonntagabend genau bekannt nehmen und dem Trauerzug das Geleit geben. Die Trauermusik Den Grenzstationen war zwar eine oberflächliche Beschreibung mehrere tausend Beamte werden vor dem Schauhaus Aufstellung sind, übermittelt worden, das Signalement war jedoch anfänglich zu wird von der eigenen Kapelle der Postbeamten gestellt. Der ungenau, als daß daraufhin beim Grenzübertritt mit der Verhaftung Leichenzug wird an dem Postamt W. 30, wo der Ermordete nahezu des Mörders gerechnet werden fonnte. Die Mutter des Täters ist 20 Jahre seinen Dienst versah, vorüberführen. Vor dem Postami mit ihren Aussagen sehr zurückhaltend und es hat sich nicht fest wird der Wagen mit dem Sarg turze Zeit halten und der Post­ftellen laffen, ob Reins mit seinen Schwestern gemeinsam die Woh- direktor einige Abschiedsworte an den Toten richten. Mit der An­nung verlassen hat. Anscheinend hat es aber in der Familie, als fich der Verdacht auf den Sohn und Bruder lenkte, heftige Szenen gegeben. Es liegen[ pgar begründete Anzeichen dafür vor, daß es zu Tätlichkeiten gekommen ist. Sowohl Reins wie seine Schwestern verfügten über Auslandspäffe. Der Täter hat sich seinen Paß bereits im Januar besorgt, er enthält aber kein Visum.

Die, Damen wollten nach dem Süden. Inzwischen hat sich bei der Mordkommission noch ein Zeuge gemeldet, der Reins am Sonnabendabend, zwischen 20 und 21 Uhr, in Begleitung seiner Schwestern am Bahnhof 300 gesehen haben mill Die drei führten offenbar wenig Gepäd bei sich. Wenn sich diese Wahrnehmung bestätigen sollte, wird angenommen, daß sich das Trio nach Italien   oder an die Riviera begeben hat. Es war schon immer der Wunsch der Schwestern des Mörders, einmal nach dem Süden zu fahren, und es scheint, daß sie den Bruder für ihren Reiseplan gewonnen haben.

Bekanntlich ist die Fahndung auch auf das Ausland aus­gedehnt worden. In den Polizeistationen sämtlicher Nachbarstaaten find inzwischen die Suchtelegramme der Berliner   Mordkommission eingetroffen. Zur Zeit liegt noch keine Meldung vor, daß Reins oder seine Schwestern irgendwo aufgetaucht sind. Die Flüchtigen dürften sich allerdings nicht mehr allzu lange ihrer Freiheit erfreuen. Inzwischen haben die Schriftsachverständigen den Rohrpostbrief, die Bostanweisung und andere Briefe des Täters miteinander ver­glichen. Dadurch ist einwandfrei erwiesen, daß Reins der Verfasser

Polen   und Oberschlesien  

POLEN  

OBERSCHLESIEN  

1500M

BRAATZ

Wie man es im Angriff" fah Bon uns ergänzt

funft des Trauerzuges in Wilmersdorf   wird um 17 Uhr gerechnet. Die Lehre des Briefträgermordes.

Eine Zuschrift Eduard Bernsteins  .

Zu dem Briefträgermord schreibt uns Genosse Bernstein  : Die Art, wie am Morgen des 1. Mai d. J. der 52 Jahre alte Geldpostbriefträger Gustav Schwan das Opfer eines hinterrücks geführten, ebenso feigen wie brutalen Raubmordes geworden ist, umschließt eine Lehre, von der ernstlich zu hoffen ist, daß sie in den Kreisen der Berufskollegen des Ermordeten nicht unbeherzigt bleiben wird.

Gustav Schwan war am erwähnten Tage von dem Mörder unter Benuzung einer fingierten Bostanweisung in die in Berlin­Schöneberg in der Gossowstraße gelegene Wohnung der 76 Jahre alten Witwe Ottilie Möbius bestellt worden und ist, als er sich dort eingefunden hatte, von dem Mörder in einem noch unbewohnten Zimmer durch einen hinterrücs mit einer massiven Waffe ausge­führten heftigen Schlag auf den Kopf, der diesen schwer verleßte, brutal niedergeschlagen und dann, da er, weil selbst waffenlos, fich nicht wirksam verteidigen fonnte, tüdisch erwürgt und ausge raubt worden. Unmittelbar darauf suchte der elende Mörder, der sich bei der Frau Möbius durch eine ihm nicht gehörende Biſiten­farte scheinbar legitimiert hatte, das Weite und wird jetzt von der Polizei gesucht.

Und die Lehre? Nun, ich denke, sie ist einfach genug. Der natürliche Selbsterhaltungstrieb wird sowieso dazu führen, daß der Beamte, in diesem Falle also der Geldbriefträger, vor dem Betreten einer ihm nicht genau bekannten Wohnung jede durch die Umstände gebotene Vorsicht walten läßt. Dem entspricht es denn auch, wenn er das Berlangen als eine unbillige Zumutung empfindet, in Ausübung seines Berufes sich ein schon bejahrter Mann ohne eigene Waffen, sei es auf der Straße, auf Treppen oder in Woh­nungen, über deren Insassen er nicht genau unterrichtet ist, den Anfällen gewissenloser Burschen auszusehen, die fein Gefühl für Ethit und menschliche Solidarität haben.

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Kirchenvertrag fertig.

Unterzeichnung am Montag.

Die Unterzeichnung des evangelischen Kirchenver­trages durch die Vertreter des preußischen Staates und der acht evangelischen Landeskirchen Preußens findet am Montag, dem 11. Mai, vormittags 11 Uhr, im Sigungsfaal des Staatsministe­riums, statt.

Reichswehrparade vor Eitel Fritz? Von Fritzlar   nach Kaffel zum Waffenring". Kaffel, 6. Mai.  ( Eigenbericht.)

Am Sonnabend und Sonntag, dem 9. und 10. Mai, findet in Raffel ein Waffenringtag" der ehemaligen deutschen Feld­artillerie statt. Auf diesem Waffenringtag wird der Stahl­helmer Eitel- Friedrich- Prinz die Parade abnehmen. Neben ihm werden General a. D. von Gallwig und General Watter der Parade beiwohnen. Wie wir erfahren, foll an der Spize des