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BERLIN  Donnerstag 17. Mai e

1931

Der Abend

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Nr. 211

B 106 48. Jahrgang

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Mörder auf Urlaub

Nationalsozialist Kollatz, Mörder aus der Hufelandstraße, in Freiheit!

Die Straffammer des Landgerichts I   hatte gestern gegen den Widerspruch des Untersuchungsrichters Land­gerichtsrat Beckmann die Haftentlassung des Hakenkreuzmörders Kollak verfügt. Kollat befindet sich in Freiheit, er ist lediglich verpflichtet, sich täglich bei der Polizei zu melden. Unmittelbar nach der Saftentlassung besuchte Kollah, mit einer blauen Brille versehen, am Abend das nationalsozialistische Verkehrslokal in der Chodowieckistraße, wo er von seinen Parteigenossen stürmisch begrüßt

wurde.

Rollatz ist einer der Mörder der Parteigen offen Willi Schneider   und Herbert Graf, die in der letzten Silvesternacht in der Hufelandstraße von drei Nationalsozialisten getötet wurden. Die Täter waren in die Wohnung des Genoffen Schneider eingedrungen, einer von ihnen hat den jungen Schneider mitten im Familientreise erschossen. Graf, der als völlig Unbe teiligter vorüberging, murde von den Mördern auf der Straße er. schossen. Als Täter wurden alsbald der Kaufmann Rudolf Beder, der Maler Mag Hauschte und der Maurerlehr ling Hans Rollag aus der Chodowiedistraße 8 festgestellt.

Die Täter flüchteten. Am 3. Februar murde Rollazz fest genommen, als er die bayerisch österreichische Grenze bei Aufstein überschreiten wollte. Die beiden anderen Täter find höchstwahrscheinlich nach Italien   geflüchtet.

Die Bernehmung des Kollatz und das Material, das bei der Hausfuchung in den Geschäftsräumen der S2. in der Hedemann straße gefunden wurde, ließen erkennen, daß die Flucht der Mörder wohlvorbereitet war, daß sie mit Unterstügung ihrer Gesinnungsgenossen von Ort zu Ort weitergebracht, daß fie von ihrer Partei mit Geldmitteln zur Flucht ver­sehen wurden.

Es wurde weiter festgestellt, daß sie von der S.- Leitung den Befehl zur Flucht erhalben hatten, und darüber hinaus, daß bei der S2. eine Organisation zur Begünstigung der Flucht von Mördern bestand. Diese Organisation hatte einen Auslandsposten in Innsbrud.

Unter solchen Umständen ist der Beschluß der Straffammer des Landgerichts I   ein offenkundiger Standal. All diese Um­

Reins in Genua   verhaftet

Rätselhafte Telephongespräche mit Berlin  

Rom  , 7. Mai.

Der Mörder des Berliner   Geldbriefträgers Schvan, der arbeitslose Maurer Ernst Reins  , ist am Mitt wochabend in Genua   verhaftet und auf die Polizei gebracht worden. Als ihm dort der Steckbrief der Berliner   Kriminalpolizei vorgelegt wurde, verlor er die saltung und klappte auf seinem Stuhl zufammen. Er wurde in das Gefängnis abgeführt, wo er zur Ver­fügung der Berliner   Polizei gehalten wird, bis die Aus lieferungsformalitäten erledigt sind. Reins ist über Tarvis, füblich von Villach   in Kärnten  , nach Italien  gekommen.

Die in Begleitung des Raubmörders befindlichen beiden Schwestern Johanna und Josefine find ebenfalls verhaftet worden. Sie waren am Diens tagabend, aus Lugano   tommend, in Genua   eingetroffen und in dem im Zentrum der Stadt gelegenen Hotel Egzelftor abgestiegen. Nach den ersten Feststellungen der Polizei sind von dem Raubmord noch 3000 bis 4000 m. übrig. Die offizielle Vernehmung findet heute statt.

stätigen könnten, daß der Berhaftete der von der Polizei gesuchte Mörder ist.

Telephongespräche mit Berlin  .

Erst heute vormittag wurde der Berliner   Kriminalpolizei durchy cin Ferngespräch mit dem deutschen   Generalkonsul in Genua   die gestern abend erfolgte Verhaftung der Geschwister Reins amtlich bestätigt. Der Mordkommission tam gestern nachmittag abermals eine Unvorsichtigkeit der Flüchtigen zu Hilfe, wodurch ihre über­raschende Verhaftung im besonderen Maße ermöglicht wurde.

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Die jeht verhafteten Schwestern des Täters hatten aus Genua  zweimal in der Wohnung ihrer Mutter angerufen, ohne Antwort zu erhalten. Deshalb meldeten die Mädchen, die natürlich von der inzwischen erfolgten Festnahme der Mutter nichts wußten, ein drittes Ge spräch an eine Person aus ihrem großen Bekanntenkreis an. Sie erfundigten sich nach dem Befinden ihrer Mutter und fragten, ob ihr etwas zugestoßen sei. Zum Schluß bat eines der Mädchen, es handelte sich um die ältere Schwester, der Mutter zu bestellen, daß sie ihnen unter Chiffre S. E. 13, Genua   hauptpos lagernd ein Lebenszeichen geben möchte. fofort Mitteilung, worauf von der Berliner   Mordkommission die Der Angerufene machte der Polizei von dem Telephongespräch Genueser Polizei unverzüglich entsprechend informiert wurde. In import Genua   murden daraufhin sämtliche Hotels einer Kontrolle unter­zogen, und noch am selben Abend gelang so die Festnahme des Kriminalfommissar Milenz und Kriminalfommissar präsidium haben sich bereits gestern abend auf die Reise nach der Dr. Meyer, der perfeft italienisch spricht, vom Berliner   Polizei­italienischen Hafenstadt, dem Ausgangspunkt mehrerer Südamerika­linien, begeben.

Zur Berhaftung des Mörders des Berliner   Geldbriefträgers meldet der Messagero" aus Genua  : Auf der Piazza de Ferrari im Hotel Erzelfior stellten Polizeibeamte im Gästebuch die Anwesen heit eines jungen Deutschen   feft. Als die Beamten ihn beobachteten, seigte es sich, daß er die Merkmale des von der deutschen   Polizei gesuchten Berliner   Mörders hatte. Auf der Questur mies sich der Ausländer als der 25jährige Ernst Reins   aus Berlin  aus, trug also den Namen des Gesuchten. Der Kommissar teilte dem Berhafteten mit, welche schmere Anflage gegen ihn fahmebe, aber Reins leugnete energisch, an jenem Verbrechen beteiligt zu sein und leugnete auch, aus Berlin   zu stammen. Bei der Durch fuchung des Zimmers und des Gepäcks des Verhafteten scheint die Polizei intereffante Dotumente gefunden zu haben, die bes

ſtände ſprechen dafür, daß dieſer Bursche Kollatz im höchsten Maße swald Spengler, der Bürgerschreck!

fluchtverdächtig ist. Bequemer fann man es den nationalsozialisti­schen Mördern wirklich nicht machen, als es hier durch die Straf­tammer geschah.

empat

Wir erwarten, baß das Kammergericht schleunigst den standalösen Bescharß diefer Straftammer aufheben mird. Natürlich besteht die Gefahr, daß Kollaß sich die Haftentlassung zunuze macht, um zu flüchten! Geldmitel für solche Flucht fönnen durch seine Parteigenossen um so leichter beschafft werden, als diese bisher schon gewisse Erfahrungen in Fluchtbegünstigung gesammelt haben.

Bewag- Entscheidung vertagt.

Kein Beschluß im Stadtverordnetenausschuß. Berhandlungen.

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Neue

Jn der heutigen Sigung des Stadtverordnetenausschusses, der fich mit den Bewag- Verkaufsverhandlungen beschäftigte, berichtete Bürgermeister Dr. Elfaß über die neuen Berhandlungen mit dem Konfortium. Bei diesen Verhandlungen ist es den Unterhändlern der Stadt gelungen, die Beteiligung der Stadt Berlin  an der neuen Berliner   Kraft- und Licht AG. dadurch zu ver­bessern, daß im Falle des Zustandekommens des Berfrages der Stadt Berlin   ein erhöhter Einfluß gesichert wird. Der Anschuß vertagte sich dann, ohne Beschluß zu feffen. Wie die Beratung Nachmittag in der Stadtverordnetenverfamm­lung, die sich mit der Bewag- Transaktion befaffen muß, verlaufen wird, und ob man hier zu einer Entscheidung fommen wird, ist noch völlig ungewiß. Die verantwortungsbewußten Fratiionen des Berliner   Rathauses scheinen jedoch entschlossen, eine neuc Berzögerung der Beratung zu verhindern.

Ginhundertfünfzigtausend Jahre habt Ihr Zeit gehabt, Euch zu entwickeln. Ru is Schluß! Macht, daß 3hr untergeht!"

Trios.

Geständnis des Mörders.

Der gestern abend verhaftete Ernst Reins   ist heute vor­mittag in Gegenwart eines Vertreters des deutschen   Generalkonsulats einem Berhör unterzogen worden und hat nach längerem Leugnen ein Geständnis abgelegt. Die Auslieferung wird sofort in die Wege geleitet. Bei Reins wurden noch 1740 Mart in deutschem Gelde und einiges italienisches und dänisches Geld ge­funden. Seine beiden Schwestern sind bereits einem Dot­läufigen Berhör unterzogen worden und sollen heute nachmittag weiler vernommen werden.

Mehr Schuh dem Geldbriefträger!

Eine Zuschrift des Gesamtverbandes.

In letzter Zeit mehren sich die Fälle, daß Geldzusteller bei Aus­übung ihrer Dienstgeschäfte überfallen werden. Besonders tragisch ist der Raubüberfall auf einen Geldzusteller im Westen Berlins   abgelaufen, der in den letzten Tagen verübt wurde und den Tod des Beamten zur Folge hatte. Der Beamte, Oberpost­Schaffner Schwan, wurde von einem 23jährigen Burschen, der sich bei einer Witwe als Untermieter eingemietet hatte, in dem Miet­zimmer mit einem Bleirohr niedergeschlagen und erwürgt. Der. Täter ist mit dem geraubten Geldbetrag von über 6000 Mark ent­fommen. Die Deutsche Reichs post warnt die Geldbriefträger immer wieder davor, sich in Wohnungen zu begeben, deren Inhaber ihnen persönlich unbekannt ist. Die Beachtung dieser Vorschrift ist besonders bei der Auslieferung von Geldsendungen an Unter= mieter erforderlich. Wie der neueste Fall in Berlin   beweist, wird dieser Warnung von den Beamten aber recht oft nicht entsprochen. so daß die Raubüberfälle sehr erleichtert merden. Die Postderwal­tung hat in letzter Zeit Maßnahmen getroffen, die den Geldzusteller vor Raubanfällen schüßen sollen. Die Beamten im Geldzustelldienst merden bewaffnet und andere Maßnahmen zu ihrem Schuß ge troffen. Aber die Maßnahmen der Berwaltung, so gut sie auch gemeint sein mögen, find faum geeignet, geplante Raubüberfälle zu verhüten oder den Beamten in der Abwehr wirksam zu unterstützen. Daran ändert auch die Bewaffnung der Geldzufteller nicht viel. Es. ist dabei zu beachten, daß der Ueberfall immer aus dem Hinter halt und überraschend erfolgt, fo daß selbst ein Totschläger oder