Morgenausgabe
Nr. 212
A 107
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48.Jahrgang
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Freitag
8. Mai 1931
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Scharfe Ablehnung durch die Interpellanten.
Die Interpellationsdebatte über die deutsch österreichische 3ollunion wurde am Donnerstagnachmittag in der Kammer mit einer Rede des radikalen Abgeordneten Nogaro eingeleitet. Das Haus war ziemlich schwach besetzt. Die Regierung mar u. a. durch Laval , Briand und Marineminister Dumont vertreten.
Nogaro erklärte, daß das zwischen Deutschland und Desterreich beabsichtigte 3ollbündnis unbestreitbar das Vorspiel zu einem ernsten politischen Ereignis fei, das mit seinen Folgen dem Frieden nicht günstig sein fönne. Das Ablommen sei nicht, wie Deutschland und Desterreich behaupteten, zu dem Zwed abgeschlossen worden, die mirtschaftliche Notlage Desterreichs zu lindern. Desterreich habe hinreichende Unterstützung(?) erhalten, es habe die größten Schwierig feiten überwunden und habe jetzt weniger zu flagen als die übrigen Nachfolgeftaaten der österreichisch - ungarischen Monarchie(??). Im übrigen müsse Desterreich seine Absahmärkte nicht nach der Seite Deutschlands erweitern, sondern nach den östlichen Staaten, mit denen es eine aftivere Handelsbilanz habe. Es sei auch sehr zweifel haft, ob die österreichische Landwirtschaft Borteile aus dem Abkommen 3tehen werde. Bom Standpunkt der österreichischen Landwirtschaft aus sei die Zollunion mit Deutschland nicht zu verteidigen. Das Abkommen solle zwar allen anderen Staaten zum Beitritt offen stehen, aber Deutschland werde sich sicherlich nicht damit einverstanden erklären, daß sich die Agrarstaaten Osteuropas anschließen. Es fei aud) unmöglich, daß Frankreich dem Abkommen beitrete, wenn es nicht den Ruin mehrerer seiner Industrien auf fich nehmen wolle. Dost Bollbündnis zwischen Deutschland und Deiter reich fänne also nicht als Einleitung zu einer europäischen Union angejehen werden. Ea laufe vielmehr auf die
Bildung eines profeffionistischen Staatenblods hinaus, der anderen proteftionistischen. Etaatenblods entgegengesett merden solle. Das europäische Problem tönne nur durch eine gemein fame Aftion möglichst aller Staaten gelöst merden."
Der nächste Interpellant, der Linksrepublikaner Fougère führte aus, daß das deutsch - österreichische Abkommen zugleich eine Berlegung des Friedensvertrages und des Böller bundspattes darstelle. Hoffentlich werde Briand mit einem
| energischen Rein die Rückgängigmachung des Abkommens verlangen. Die allmähliche Annäherung der Bölfer dürfe nicht durch derartige gefährliche Initiativen, mie fie die Zollunion darstelle, verhindert werden. Andererseits dürfte die Organisation Europas auch nicht zur Folge haben, daß sich die übrige Welt gegen Europa auf lehne. Die Regierung müsse der Kammer genau auseinandersetzen, melche Maßnahmen sie gegen die Durchführung des deutsch öftereichischen Blanes zu ergreifen gedenke.
Nach einer turzen Bause erhielt der robitale Abgeordnete margaine das Wort, der die Regierung über ihre Außenpoltit und über die Vorteile, die Deutschland zum Nachteil Frankreichs aus ihr habe ziehen lönnen, interpellierte.
Im weiteren Verlauf der Kammerdebatte nahm als letzter Redner des Donnerstags der nationalistische Abg. barnegaran das Wort. barnegaran charakterisierte das deutsch österreichische Abkommen als das fühnste Unternehmen gegen die friedliche Organisation Europas und als die erste Herausforderung Deutschlands an die siegreichen Mächte. Der Außenminister Briand sei troß seiner ständigen Zusammenarbeit mit deutschen Staatsmännern von der deutsch - österreichischen Bereinbarung voll
Kampf um
Von S. Grumbach.
1 Paris , Anfang Mai. Am Dienstag ist die Kammer nach einmonatigem Ofterurlaub mieder zusammengetreten. Damit ist das Zeichen gegeben worden für den Beginn des auf den 13. Mai festgesetzten Endtampfes um den allerhöchsten Stuhl im Elysée, um die Präsidentschaft der Republit. Seit dem Krieg mar es stets der Rechten gelungen, ihrem Kandis daten zum Siege zu verhelfen. Im Jahre 1924, nach dem Wahlfieg der Linksparteien und der Vertreibung des Bertrauensmannes der Nationalisten, des Herrn Alexander Millerand , aus dem Präsidialpalaft, schien es einen Augenblid, als ob die Linke imftande sein würde, einem eigenen Mann in den hochwürdigsten aller weitlichen Sessel zu verhelfen. Hätte sich die Linke im entscheidenden Augenblick schneidig genug gezeigt, so wäre der damalige Präsident des Senats, Gaston Doumergue , Er- Ehrenpräsident der radikalsozialistischen Partei, sicherlich gern in ihrem Namen und Auftrag Staatschef geworden. Aber die Linke hatte sich auf Painlevé festgelegt und hielt an seiner Kandidatur feft, auch als nicht mehr die geringste Aussicht bestand, ihn durchzubringen. So wurde Doumergue der Erwählte aller Rechtsparteien, mit denen er sein ganzes Leben lang nichts
ommen überrascht worden. Merkwürdig sei, daß die fran zösischen Botschafter in Berlin und Bien dennoch noch nicht abberufen worden seien. Das Zollbündnis jei nur die maste für einen früher oder später durchzuführenden polizu tun gehabt hatte... til den 3ufammenfchluß der beiden Länder. Deutschland träume wie vor dem Kriege wieder von einem Mitteleuropa , das die Unterwerfung ganz Europas unter die germanische Macht bedeuten würde. In Frankreich fei das Ablommen allgemein gemißbilligt worden, außer von den Sozialisten, die zweifellos ihre Gründe für diese Haltung noch darlegen würden. Wenn er, der Redner, einen Preis für den sch är fften Protest auszuteilen hätte, dann würde er ihn Herriot aussprechen. Frankreich wünsche, daß der Friede refpettiert werde.( Briand | lebhaft: Er wird respektiert. Sagen Sie mir, wann das nicht der Fall gewesen ist.")
Der Redner schloß mit den Worten: Frankreich ist ein erstes Mal durch die Unterstüßung von Mächten gerettet worden, die nicht ein zweites Mal dazu bereit sind. Darin liegt das Drama, über das ich sie reiflich nachzudenken bitte."
Die Debatte wird am Freitagnachmittag fortgesetzt.
Noch feine Brotpreisfenfung
Handelt es sich um Kleinigkeiten?
Die Tage vergehen, aber die Brotpreise gehen nicht um 5,6, in Breslau um 6,3, in Magdeburg um 7,4, in Potsdam um herunter. Es wird verhandelt und verhandelt. Bon Bir tungen merkt man nichts. Die Bäder bleiben hartnädig. Herr Schiele scheint sich um den Ernst der Lage sehr menig zu fümmern. Er mißachtet meiter das Gesetz und tanzt Herrn Brüning auf der Naje herum.
Bei den agrarischen Roggenfrontfämpfern fucht man die Brotpreisfrage um so mehr zu bagatellisieren, je politisch gefähr licher wird. Herr Schiele und die Deutsche Tageszeitung" tun fo, als ob es sich um einen Sturm im Wafferglas und um Kleinigfeiten handele. Was sind 2 Pfennig, was sind 4 Pfennig, meint die ..Deutsche Tageszeitung" mit der Miene des Biedermannes. Bir aben schon vor einigen Tagen festgestellt, daß es um eine Summe von 60 bis 100 Millionen Mart geht. Bir fügen heute hinzu, daß die 4 Pfennig bei einer vierköpfigen Arbeiterfamilie jährlich eine Berteuerung um 16 Mart bedeuten, wahrlich genug bei der heutigen Rotzeit; während der Lohnabbau Triumphe feiert und Millionen Erwerbsloje von Pfennigen leben müssen. Das sind teine Kleinigkeiten. Ist es auch eine Kleinigkeit, wenn das Gefeß mißachtet wird?
Noch nichts ist bis jetzt erreicht. Auf der Börse ist zwar der Roggenpreis gestern eine Kleinigkeit zu rüdgegangen und der Preis für Roggenmehl ist im Durchschnitt gestern wieder um 25 Pfennig auf 27,65 M. zurückgegangen, nachdem er vorgestern um 30 Pfennig gesunken war. Gestern murde gemeldet, das Reichsernährungsministerium hoffe in zwei Tagen die Verhand
Wir haben festgestellt, daß die Regierung am 21. April, als in Berlin die erste Brotpreiserhöhung von 46 auf 48 Pf. vor genommen wurde, sofort die Brotpreisfrage hätte mit Erfolg lösen tönnen, wenn fie augenblicklich ausreichende Roggenmengen aus ihrem Bestand auf den Markt geworfen hätte; denn vom 15. April bis zum 21. April, wo die Brotpreiserhöhung erfolgte, war eine Mehlpreissteigerung von nur 15 Broz. je Doppelzeniner eingetreten. Das wäre die Pflicht der Regierung gemejen, aber wir wissen ebenso, daß man damals im Reichsernährungsministerium die Brotpreissteigerung als Frage ganz untergeord neter Art behandelt hat und daß man ganz leichtfertig das Unheil heranwachsen ließ.
Von dieser Art, die Brotpreisfrage und die Mißachtung eines Gefeßes auf die leichte Schulter zu nehmen, ist man auch heute im Reichsernährungsministerium noch nicht frei. Auch heute besteht die Neigung, daß man Gesez Gefeß sein läßt und die agrarische Roggenfront für wichtiger hält als die nationale Hungerfront und beschlossene Gefeßze. Die Reichsregierung hat sich für die volle Biederherstellung des alten Brotpreises, für Berlin von 46 Bf., verpflichtet. Die Frage wird immer dringender, was Herr Brüning gegen Herrn Schiele zu tun gedenkt.
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Die Folgen davon machten sich rasch bemerkbar, als das Linkskartell und das Kabinett Herriot dem Ansturm der vereinigten Geldfürsten und kirchlichen Würdenträger zum Opfer fielen und der neue Präsident, Herr Doumergue , sich der Rechten gegenüber nur allzuerkenntlich zeigte, dadurch, daß er mit allen Mitteln die Rüdfehr Poincarés an die Spize der Regierung betrieb. Jedes Jahr wurde die Freundschaft zwischen Doumergue und den Rechtskreisen enger, so daß es als ein logisch erscheinender Abschluß seiner Präsidentschaft erschien, als er vor wenigen Bochen, in Toulon , die letzte Gelegenheit einer öffentlichen Rundgebung vor seinem Ausscheiden benutzte, um eine Rede zu halten, deren Ton und Grundorientierung unzweideutig gegen die von dem Linkskartell eingeleitete und von Briand weitergeführte Außenpolitik gerichtet waren.
Die gesamte nationalistische Presse, von der royalistischen Action Française", die im allgemeinen sämtliche republikanische Staatsmänner in der wildesten Weise zu beschimpfen pflegt, diesmal aber Worte hoher Anerkennung fand, bis zu faschistisch- chauvinistischen Blättern des Parfumfabrikanten Coty und des fleritalen Generals de Castelnau, die seit Jahren Briand als„ Landesverräter" brandmarken, hat Doumergue ,, für seine mutige Tat" zugejubelt. Das hat insofern eine günstige Folge gehabt, als die Linksparteien dadurch zur Erkenntnis gezwungen wurden, daß der Kampf um die Neubesegung des Präsidenten postens por allem ein Kampf um die auswärtige Politit Frankreichs sein wird.
Der Mann vom Quaid'Orsay, der seit Monaten von seinen Freunden umsonst bedrängt wurde, endlich zu fagen, ob er das Präsidialrennen mitzumachen gedenke, spizte die um ihrer hohen Empfänglichkeit millen weltberühmten Ohren und ließ Vertraute eine neue Sprache vernehmen:
,, Eigentlich fühle ich mich nicht recht geschaffen dafür. Ich habe die Empfindung, noch so vieles hier im Auswärtigen Ministerium und in Genf zu tun zu haben... So mitten drin die Arbeit liegen lassen, das will mir nicht passen! Aber wenn es den Herren von der Rechten unter allerhöchster Anführung etwa darum zu tun sein sollte, die auswärtige Politit, so wie ich sie seit Jahren verfolge, in den Mittelpunkt des Kampfes zu rücken, und wenn ſie gedenken, mich bei der Präsidentenwahl so nebenbei miterledigen" zu können, da werde ich mir es doch überlegen und, wenn ich es für nötig erachte, mich selber zur Wahl stellen. Dann werden wir ja sehen...!"
fungen abschließen zu tönnen und wolle noch in diefer Reichsdefizit: 1,25 Milliarden. apparat des Herrn de Kérillis Plakate klebte, die zum
Woche den Erfolg herbeiführen. Kann irgend jemand glauben, daß bei solch lächerlichen Auswirkungen auf der Börse in so kurzer Zeit ein Erfolg möglich ist? Wenn nicht Roggen in Maisen auf den Martt gemorjen wird, was wir immer wieder gefordert haben und pas möglich ist, wird ein qusreichender Erfolg sicher nicht hold zu erzielen sein.
Fatfache ist, daß vom März bis April der Brotpreis in Berlin
jahr 1930/31 im ordentlichen Haushalt ein Fehlbetrag von Das Reichsfinanzminifterium teilt mit, daß fich für das Steuer988.6 Millionen Mart ergibt. 3m außerordentlichen Etat wird der jahr 1930/31 im ordentlichen Haushalt ein Fehlbetrag von Fehlbetrag auf 261 Millionen angegeben, so daß fich das Gesamtdefizit auf über 1250 Migionen beläuft. Die schwebende Schuld war bis Ende des Steuerjahres( 31. März 1931) auf 1709,5 mil. lionen angewachsen.
So ungefähr sprach in stillen Gemächern Aristide Briand , während draußen, auf alle Mauern der sechsunddreißigtausend Gemeinden Frankreichs , der Propagandasoundsovielten Male diesmal unter Berufung auf die deutsch österreichische 3ollunion Briand als Agenten antifranzösischer Interessen schildern.
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