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Rr. 214

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48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

9. Mai 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Briand und die Zollunion. Bom Gutachten zur Tat

Antwort an die nationalistischen Scharfmacher.- Bedauern über Deutschlands und Desterreichs Vorgehen.

Paris , 8. Mai. ( Eigenbericht.)

In der Kammer wurde am Freitagnachmittag vor start be= setztem Hause die Interpellationsdebatte über die deutsch öster reichische 3ollunion fortgesetzt.

Franklin- Bouillon

forderte, daß die politischen Methoden des Außenministers fofort geändert werden, da Briand sich seit fünf Jahren ständig in seinen Boraussichten und in feiner Tätigkeit geirrt und damit den Frieden schwer tompromittiert habe. Es sei be­dauerlich, daß die Debatte furz vor der Präsidentenwahl stattfinde. Briand habe sich bei der Genatsdebatte über die deutsch­österreichische Zollvereinbarung damit zu entschuldigen ver sucht, daß er wie alle übrigen Staatsmänner durch die Unterzeich nung des Protokolls vollkommen überrascht worden sei. Diese Be­gründung fei nicht ernst zu nehmen, denn alle Welt wiffe, daß Deutschland und Desterreich seit je auf den Anschluß hin­arbeiten. Der Außenminister habe sich bei seiner Gegenaftion an England und Italien um Unterstützung gewandt, obwohl er missen müßte, daß beide Länder nicht gegen den Anschluß seien. Demgegenüber hätten die Staaten der Kleinen Entente die Gefahr fofort erkannt und sich zu einer energischen Gegenattion zusammen geschlossen. Die Kleine Entente merde der Kern des Wider standes gegen den deutsch - österreichischen Zollplan sein. Briand hätte sofort erklären müssen, daß die Zollunion zwischen Deutsch land und. Desterreich nach den Bestimmungen der Friedensverträge ungefeglich fei, und er hätte fofort die Einberufung des Völkerbundsrats veranlassen müssen. Das habe er aber nicht getan, meil er seit drei Jahren von Paneuropa träume. Statt dieser Utopie hätte der Minister versuchen sollen, die im Kriege gegen die mitteleuropäischen Mächte vereinten Staaten zu einem foliden Block zusammenzuschließen, dem gegenüber Deutschland und Desterreich niemals gewagt hätten, ihren Plan durchzuführen. Der Anschluß sei die Folge der

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zufammenhanglofen schüchternen und blinden Politik der alliierten Mächte. Franklin- Bouillon erklärte schließlich noch, daß nach seiner Meinung die Locarno Berträge bedroht feien. Er begründete diese Auffassung vor allem mit der im De­zember 1930 in Magdeburg von dem preußischen Ministerpräsidenten Braun abgegebenen Erklärung, daß Deutschland sich nicht mehr mit der Ostgrenze einverstanden erflären fönne.

Außerdem habe Breitscheid bei einer Reichstagsgebatte über eine Entschließung, die die Rüdgabe Eupen und medys verlangte, im Namen der sozialdemokratischen Fraktion diefem Antrage zugestimmt und erflärt, eine Bolts­abstimmung in den beiden Kreisen würde eine große Mehr heit für Deutschland ergeben. Darauf sei die Ent­schließung einstimmig angenommen worden. Man ersehe daraus, daß alle deutschen Parteien nicht nur eine Aenderung der Ost-, sondern auch der Westgrenze verlangen. Briand habe die deutsch französische Wiederannäherung durch ein demokratisches Deutschland erhofft. Seif zwei Monaten gebe es aber fein demo­fratisches Deutschland mehr, sondern nur noch ein Deutschland der Reichswehr , das mit Rußland verbündet ist.

Die Politif Briands habe also vollkommen versagt. Der Redner schloß mit der Erflärung, daß seine Freunde und er niemals den Anschluß zulassen werden.

Briand

301labkommen ein. Er führte aus, daß verschiedene seiner 301labkommen ein. Er führte aus, daß verschiedene seiner Erklärungen durch die Tatsachen widerlegt zu sein schienen, er habe vor einigen Monaten erklärt, daß die Anschlußfrage nicht vor einigen Monaten erklärt, daß die Anschlußfrage nicht mehr atut fei. Das sei in gewiffem Sinne auch war. Der deutsch - österreichische Annäherungsversuch habe vor allem einen wirtschaftlichen Charakter, aber trotzdem stelle er ein

ernftes und bedauerliches Ereignis

dar. Er, der Redner, habe geglaubt, den deutschen Staatsmännern gegenüber immer so gehandelt zu haben, daß sie ihm Gesten dieser Art hätten ersparen können. Deutschland habe mit der Zollvereinbarung einen schweren psychologischen Fehler begangen, allerdings handle es sich erst um eine Vereinbarung für den Abschluß eines Abkommens und nicht schon um ein Ab­tommen selbst, wie es in einem Teil der Presse dargestellt morden sei. Im übrigen sei der Anschluß Desterreichs an Deutsch­ land durch die Friedensverträge nicht verboten, sondern es sei nur verlangt, daß er nicht ohne Genehmigung des Bölkerbundes durch­geführt werden dürfe.

Wie habe er, der Außenminister, auf dieses Ereignis reagiert? Man werfe ihm vor, daß er nichts davon gewußt habe, aber es habe gar feine langen Berhandlungen zwischen Deutschland und Desterreich gegeben. Die Operation sei schnell durchgeführt worden. Auch für Benesch fei jie ein harter Schlag gewesen, aber trobem fei der tschechische Außenminister von teinem feiner Gegner deswegen fritisiert worden, sondern alle seine Landsleute hätten sich um ihn.gefchart. Sofort nach Bekanntgabe des Plans habe er, Briand , allen alliierten Mächten mitgeteilt, daß es fich

Arbeitsbeschaffung und Auslandskredite.

Von Fritz Naphtali .

Der erste Teil des Gutachtens des Brauns- Ausschusses zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der grundsätzlich die Berkürzung der Arbeitszeit empfohlen hat, ist zu Ostern erschienen. Um die Arbeitszeitverkürzung, die ja als Forderung der Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei in viel umfassenderer Weise längst bekannt war, auch nur in dem Umfang durchzuführen, der wenigstens einige hunderttausend Arbeitsloje wieder in die Arbeit bringen fönnte, bedarf es nur eines Entschlusses der Regierung zur Tat. Aeußere Hemmungen bestehen auf diesem Gebiete nicht, es gibt nur den Widerstand der Arbeitgeberverbände. Da aber das Reichskabinett bisher vordringlich mit Zollerhöhun­gen beschäftigt war, dürfte der Weg vom Gutachten bis zur Tat auf diesem Gebiete leider länger dauern als von Ostern bis Pfingsten. Man verfennt offenbar noch immer die große Bedeutung, die die Arbeitszeitverkürzung für die Auflockerung der langfristigen Arbeitslosigkeit und damit auch für die Finanzen der Arbeitslosenversicherung und der kommunalen Fürsorge gewinnen fönnte.

Der zweite Teil des Gutachtens des Brauns- Ausschusses im enthält wesentlichen ein Arbeitsbe= großes fchaffungsprogramm. Wir stimmen der Auffassung des Gutachtens, daß die Erstarrung der deutschen Wirtschaft in der gegenwärtigen Depression dazu zwingt, die nicht funktio­nierende Initiative der Privatwirtschaft durch die Beschaffung pon Arbeitsgelegenheit auf Grund öffentlichen Kredits zu be= leben, durchaus zu. Wir glauben mit den Verfassern des Gut­achtens, daß ein solcher Anstoß durch weitgreifende Pläne und den Einsatz großer Mittel über die unmittelbare Beschaffung von Arbeitsstellen hinaus günstig ausstrahlen würde auf Be­schäftigung und Absatz der deutschen Gesamtwirtschaft. Wir um einen Attentatsverfuch gegen die Friedensverträge begrüßen es, daß, wenn auch in sehr zaghafter Form, in dem handle. Henderson habe darauf vorgeschlagen, die Angelegenheit Gutachten zum Ausdruck kommt, daß die negative Konjunktur­durch den Völkerbundsrat behandeln zu lassen. Damit hätten politik, die durch die heftige Einschränkung des Wohnungs­fich alle Parteien einverstanden erklärt, einschließbaues in diesem Jahre getrieben worden ist, dringend einer lich Deutschland und Desterreich, wenn auch nach einem gewiffen Milderung bedarf. Zögern. Jeder werde nun in Genf für seine Sache plädieren. Wenn feine Berständigung erreicht werden könne, werde der Infernationale Gerichtshof um eine Entscheidung ersucht werden. Deutschland und Desterreich behaupten, fie hätten das Recht, einen solchen plan vor­zubereiten. Er antwortet darauf: Nein! Wenn ihr diese Absicht gehabt habt, hättet ihr mit den anderen Mächten darüber dis­futieren müssen, vor allem mit den Mächten, die euch Anleihen ge­währt haben."

Briand sprach weiter die hoffnung aus, daß sich derjenige, der an die Stelle Stresemanns getreten sei, in Genf von denselben europäischen Gedanken leiten ließe, daß Gewaltakte heute nicht mehr am Blaze seien. Man werfe ihm, Briand , vor, daß er durch eine Politit der Schwäche den Krieg vorbereite. Es gebe hier Männer, die das behaupten. Aber es gebe ein Bolt, das daran nicht mehr glaube.( Großer Beifall links.)

Zum Bergleich zog Briand den Rapollo Vertrag heran, der abgeschlossen worden sei, als Poincaré an die Macht war und als man noch die Zwangsmethoden gegenüber Deutschland an wandte. Troß der Proteste Poincarés feien die Berhandlungen zwischen Deutschland und Rußland fortgesetzt worden. Aber niemand habe die Ungerechtigkeit begangen, daraus Poincaré einen Vorwurf zu machen. Bon ihm, dem Redner, verlange man aber jeßt, daß er die Beziehungen zu Deutschland abbreche.

,, Ich bin nicht der Marn einer folchen Politif",

so schloß Briand . Frankreich ist eine Nation des Friedens. Es ist bereit, sich mit allen Ländern solidarisch zu erklären und mit ihnen antwortete nach einer kurzen Sizungspause, von großem Beifall aufammen zu arbeiten. Wenn es an dieser Politik festhält, wird sein Ansehen nicht verringert werden."

der Linken begrüßt, in einer glänzenden Rede den verschiedenen Interpellanten. Er verteidigte seine Friedenspolitik, die von Poincaré und Tardieu gebilligt worden sei, obwohl er

Unter langanhaltendem Beifall der Linken und der Mitte verließ Briand die Tribüne. Die meisten Minister, an erster Stelle Laval, und viele Abgeordneten beglückwünschten ihn zu mit beiden nicht immer einer Meinung gewesen sei. Auch sein feiner Rede. Die Fortsetzung der Debatte wurde dann auf eine Nachtsizung vertagt.

Diefe

Freund Laval schenke ihm volles Vertrauen. Politik, für die sich das Parlament und das Land stets mit großen Mehrheiten ausgesprochen hätten, habe Frankreich große Dienste geleistet. Mit ihrer Hilfe feien

Bewag Umgestaltung.

Stadtvarlament für Annahme des Projektes

ernste Konflikte auf friedlichem Wege geregelt worden. Heute sei es viel schwieriger als früher, einen Krieg zu beginnen und das sei ein enormer Fortschritt. Unter An­In der gestrigen Berliner Stadtverordneten. spielung auf die Ruhrbefehung erklärte Briand , es habe eine Stunde großer Ungerechtigkeit gegeben, in der Frankreich Zwangs versammlung wurde die Vorlage über das Bewag- Projekt mit maßnahmen anwenden mußte(?) und deswegen als ein Land einer knappen Mehrheit von 104: 100 Stimmen ange. mit imperialistischen Absichten angesehen wurde. Diese nommen. Der Magiftrat trat sofort nach Schluß der Stadt. irrige Beltüberzeugung habe berichtigt werden müssen, und verordnetenversammlung zu einer kurzen Sigung zusammen und das sei gelungen. Frankreich werde jegt als der Soldat des ftimmte dem Beschluß des Stadtparlaments zu. Friedens angesehen.

Dann ging Briand auf das deutsch österreichische

( Siehe erste Beilage.)

Gegenüber dieser grundsäglichen Be­jahung, alles Erdenkliche für eine beschleunigte Arbeits­beschaffung in großem Maßstab zu tun, ist die Frage nach den förderungswürdigen Arbeitsgebieten von untergeordneter Bedeutung. Daß auf dem Gebiete des Straßenbaues und der Energiewirtschaft große produktive Arbeitsmöglichkeiten vor­' handen sind, wie es das Gutachten hervorhebt, ist unumstritten. Viel ernster ist die Tatsache, daß im Gegensatz zur Frage der Arbeitszeitverkürzung die Durchführung eines groß­zügigen Arbeitsbeschaffungsprogramms eine Frage ist, die nicht nur von dem Willen zur Tat bei der Regierung ab= hängt. Das Entscheidende bleibt der Weg der Finanzie rung. Die Durchführung des Planes erfordert es, wie es in dem Gutachten heißt, daß Kapital nugbar gemacht wird, melches ohne diese Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen würde". Um dies zu erreichen, empfiehlt der Ausschuß das einzige, was man seit langem auf diesem Gebiete immer wieder empfohlen hat und immer wieder anstreben muß, nämlich die Aufnahme langfristiger Auslands­tredite. Da die Zeit noch nicht weit hinter uns liegt, in der man sehr zum Schaden der Entwicklung unserer öffent­lichen Finanzen und sehr zum Schaden der Möglichkeiten, die Krisenerscheinungen zu mildern, von deutscher Seite selbst die Aufnahme langfristiger Auslandsanleihen in Augenblicken, in denen sie möglich war, gehemmt hat, so fann man in dieser offiziellen Empfehlung des Ausschusses, das Auslandskapital heranzuziehen, schon eine gewisse Bedeutung sehen. Wir be­grüßen es, wenn einer der Mitverfasser des Gutachtens, Pro­feffor Röpfe, in einem erläuternden Artikel in der Frank­ furter Zeitung " zu dem Schluß kommt:

,, Vor allem aber muß der öffentlichen Meinung eingehämmert werden, daß der Weg zur leberwindung der Krise über den Kapitalmarkt führt, und daß jeder Pfennig langfristigen Auslands­tapitals, den wir gewinnen fönnen, die Lage erleichtert."

Wir haben an dieser Aufklärung seit Jahren gearbeitet, wir haben die Irrlehren des Herrn Dr. Schacht mit allem Nachdrud bekämpft, und wir begrüßen jede Ausdehnung der Front der Bernünftigen auf diesem Gebiet. Aber leider können wir uns im gegenwärtigen Zeitpunkt der nüchternen Erkennt­nis nicht verschließen, daß die Frage, ob es gelingt, die er­forderlichen Auslandsanleihen für die Durchführung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms zu erhalten, nicht nur von der Einstellung auf unserer Seite, sondern von der Bereitschaft zur Kreditgewährung an den Märften der Gläubigerländer