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der weder durch sein Alter noch durch seine Verdienste Veteran der Varlei ist, gestattet, den Blick rückwärts auf die ersten Apostel der sozialistischen Sache zu richten, die seit 20 Jahre» die Hoffnung des Proletariats gewesen sind, Sie haben schwere Tage erlebt, aber durchdrungen von dein nnerschntterlichen Glauben an den Werth, an die Größe und an die Nothwendigkeit ihrer Sache, über- wanden sie alle Hindernisse und empfange» heute den gerechten Lohn ihrer unermüdlichen Beharrlichkeit. Das Saatkorn, welches sie ausstreuten, hat gekeimt und die Ernte wird ergiebig sein." Redner berührte sodann die Disziplin der Sozialdemokratie, sprach sich über den Kollektivismus aus und stellte dann das Programm auf:Der Staat muß eingreifen, um denUebergang der verschiedene» Kategorien von Produktionsmitteln aus der Domäne des Kapitals in diejenige der Nation zu bewerkstelligen, je nachdem sie für die soziale Aneignung reif werden: Besitzergreifung von der Staatsgewalt durch das allgemeine Stimmrecht, internationales Einvernehmen der Arbeiter." Millerand schloß mit einem Hoch auf dieEinigung der sozialistischen Partei, auf die Eroberung der Staatsgewalt durch die Sozialdemokratie und auf de» Triumph der sozialen Republik". Paris , I. Juni. Bis jetzt sind elf Anträge auf Re> Vision der Verfassung gestellt worden. Da die Auf- »ahme des Nevisionsantrages in die Tagesordnung trotz der Opposition der Regierung eine Stimmenmehrheit erhalten hat. so glaubt man, daß der Antrag auch bei der definitiven Ab- stimmung eine Majorität erzielen wird. Die Monarchisten können sich nämlich der Abstimmung nicht enthalten, ohne ihre eigenen Interessen zu schädigen. Demnach scheinen die Tage deZ Kabineis Meline gezählt zu sei». Belgie». Brüssel , 1. Juni. Gestern beschloß eine christlich-demo- kratische Versammlung, den bisherigen Vertretern ihrer Partei im Ministerium, welche sich der Regierung in allen Punkten unterworfen haben und den Abbs Dhaens fallen ließen, ihr Ver- trauen zu entziehen. Eitglaud. D i e neuen dörflichen Geineinde-Ver- Wallungen, die auf Wahlen durch ein sehr weitgehendes Stimmrecht basiren, so daß auch ländliche Arbeiter daran theil- nehmen können, habe jetzt ihr Probezahr überstanden. Die Daily News" schreiben über das Ergebniß:Die Befürchtungen der All-Tories sind jedenfalls nicht eingetroffen. Sie behauptete» vor einem Jahre, daß eine Art Bürgerkrieg in jedem Dorfe aus- brechen würde, wenn die ländlichen'Arbeiter auch ein Wort mit- zusprechen hätten in Dorfangelegenheiten. Lord Salisbury er- klärte, daß der Dorfgemeinderath aus einer Klasse genommen werden würde, welche nicht gewohnt wäre, sich mit öffentlichen Angelegenhelten zu befassen. Das würde allerhand Gefahren herausbeschwöre». Diese alte Geschichte ist stets erzählt worden, wenn es sich um Erweiterung des Stimmrechts oder der Selbstverwaltung handelte. Und jedesmal wird die Prophe- zeiung über die Ereignisse Lügen gestraft durch den gesunden Sinn und die Mäßigung, welche so charakteristisch für die Eng- länder sind. Was wußte man vor zwei Jahren nicht alles von der kommenden Verschwendungssucht der Torfgemeinderätbe zu erzählen? Und wie ist die Sache geworden? Die meisten Räthe scheuen sich, überhaupt Ausgabe» zu machen. Dadurch wurden natürlich die Extremisten der Gegenpartei enttäuscht, welche glaubten, daß die Gründung der Dorfgemeinderälhe das tausend. jährige Reich herbeiführen würde." Türkei . Philippopel, 31. Mai. Nach den vorliegenden Nachrichten aus Konstantinopel wurden dortselbst 14 Türken, darunter der Chef der Korrespondenz des Kriegs- m i n i st e r i u m s, i n V e r b a n n u n g geschickt. Der Polizei- kommissar Markar, ein Armenier, wurde in der Vorstadl Knm- kapu, wo sich der armenische Patriarchat befindet, verwundet. Die daselbst ergriffenen polizeilichen Maßregeln hatten eine Panik hervorgerufen. V o m A u f st a n d e in Kreta . DieAgenzia Stefani" meldet aus Canea: Heut« Vormittag befreiten die türkischen Truppen mit Hilfe der neu eingetroffenen Verstärkungen die in Vamos eingeschlossene Abtheilung. Tie Lage in Canea ist be- ruhigend. Di« griechischen Zeitungen eröffnen eine Subskription zu gunsten Kreta's. Der Kriegsminister befahl den Ojsizieren angesichts der Ereignisse die strengste Zurückhaltung zu beobachten. Die Zeitungen werden morgen ein kretensisches Manifest veröffent- lichen, in welchem erklärt wird, das nationale Programm Kreta's sei dasjenige des revolutionären Ausschuffes. Die Lage in Kerkschu und Retimno ist immer noch kritisch. Afrika . Pretoria , 30. Mai. Sowohl Präsident Krüger wie auch Leyds erklären, daß der Artikel Forsi's in der Monatsschrift Nineteendt Century" voller Unwahrheiten sei. Krüger stellt absolut die Existenz einer geheimen oder anderen Abmachung mit Deutschland in Abrede. Die Republik würde keinerlei Einmischung dulden, weder seitens Deutschlands noch irgend einer anderen Macht. Wenn der Artikel die Beweg- gründe Cecil Rhades' für die Unterstützung des Zuges Jameson'S richtig schildere, so würde Rhades mehr Bestrafung verdienen, alS diejenigen, die den Raubzug ausgeführt haben. Die Johannesburger Handelskainmer sandte an den Präsidenten Krüger ein Telegramm, in dem sie ihm den Dank für seine groß- müthige Entscheidung betreffs der Freilassung der Mitglieder der Rhodesischen Verschwörung, sowie das Vertrauen ausdrückt, daß die gleiche Großmnlh auch auf die übrigen Gefangenen auS- gedehnt werde. Auch aus anderen Theilen Südafrika '» wird über ähnliche Kundgebungen berichtet. ~ W i e d i e E ii t h ü l l» n g e ii des neuesten Grünbuches der Transvaal -Regierung auf die Burenbevölkerung selbst gewirkt haben, erhellt ans dem folgenden Kommentar, den die Zeitung Volksstein" in Pretoria am 2g. April dem Verhalten Sir Henry Loch's angedeihen läßt: Im Juni 1834 kam Sir H. Loch, der Oberkommissar der Königin, nach Pretoria , um über Swaziland zu verhandeln, und war der Gast unserer Regierung. Jetzt wissen wir aus Urkunden, daß er mit den Verschwörern verkehrt und ihnen zum Ausstande gerathen hat. Er hat Besprechungen niit Lionel Phillips gehabt. , der jetzt wegen Hochverraths verurrheilt ist, und hat ihm gesagt, wenn man über 3000 Flinten verfuge und Johannesburg nur sechs Tage gegen die Buren halten könne, so würde er selbst im stände sein, jedes bewaffnete Einschreiten Englands abzuhalten. Die gleiche Persönlichkeit, die während ihres Aufenthalts in Transvaal als Gast des Landes mit den Einwohnern gegen die Regierung wühlte, ist heute der tägliche Rathgeber des Kolonial- Ministers Chambcrlain. Es ist nicht schwer vorauszusehen, was das englische Volk von dieseni rechtschaffenen Rathgeber er- warten kann. Er bildet ein artiges Gegenstück zum Premier- minister der Kapkolonie , der seine Stellung als Leiter der Char- tered Company dazu mißbrauchte,«ine schmachvolle Grenz- Verletzung zu begehen."_ Die Kommission für den Entwurf eines Bürgerlichen Aesenbuchs beginnt heute ihre zweite Berathung. Mit Rücksicht auf persönliche Behinderungen des Freiherrn v. Stumm der auch gern dabei sein möchte, ist das Vereinsrecht' vorerst auS dem allgemeinen Theil zurückgestellt. In der heutigen Sitzung wird voraussichtlich der allgemeine Theil lss 1 235) erledigt werden. Zu demselben liegen eine Reihe Abänderungsanträge vor Der wichtigste Abänderungsantrag ist die gegen die Einführung der Abschaffung d e S K o a l i t i o n s r e ch t s g e r i ch t« t e von der Kommission mit S gegen 8 Stimmen in erster Lesung bestätigte Bestimmung des Z 223 des Entwurfs.§ 223 besagt nämlich:Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe den Verpflichteten (also z. B. den Arbeiter, der die Arbeil niederlegen will) fest- nimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Hand- lung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht recht- zeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die gesperrt ge- druckten Worte würden die Ausübung einer Arbeits- niederlegung illusorisch machen. Der Fabrikherr und der Gutsbesitzer wären nach dem neuen§ 223 berechtigt, die Arbeiter einzusperren. Die Regierungsvertreter hatten zugegeben, daß diese Folge eintreten könnte, sie sei aber nicht beabsichtigt gewesen. Dem auf Streichung der gesperrten Worte gerichteten Antrag unserer Genoffen setzten sie wenig Widerstand entgegen. Desto energischer trat der National- liberale von Bennigsen gegen den sozialdemokratischen Zlntrag ein; das Gesetz gebe dem festgenommenen Arbeiter hin- reichenden Schutz dadurch. meinte er daß der Fabrikherr, Gutsbesitzer u. s. w. ihn zum Richter führen müsse. Diese Oberprä- sidial-Töne finden recht verständnißvollen Boden beimFreisinn". Dadurch kam der Antrag auf Streichung in erster Lesung mit 9 gegen 8 Stimmen zu Fall. Warten wir ab, wie die Majorität sich in der zweiten Lesung gestaltet. Auffällig ist, daß die Freisinnige Zeitung" und die übrigen liberalen Blätter gegen diesen ultrareaktionären Versuch der Beseitigung voller Ausübung des Koalitionsrechts noch nicht ein Wort des Tadels gefunden hat. Rsvkei-Na�ri�zten. Au die Frauen und Mädchen Berlins ! Am 27. Juli dieses Jahres wird in London der Internationale Sozialistische Arbeiter- und Gewerkschaftskongreß abgehalten werden. Die Be- deuinng der proletarischen Frauenbewegung in Berlin macht unserer Meinung nach die Vertretung derselben auf dem Kongreß nothwendig. Die iilnberaumung der Versammlung zur Wahl der Delegirten am 14. Juni vormittags schließt die Theilnahme der Frauen fast gänzlich aus. Wir haben deshalb zu in o r g e n Abend eine Volksversammlung einberufen, in der die Wahl einer Delegirtin empfohlen werden soll. Alle Mädchen und Frauen unserer Partei ersuchen wir, zii dieser Versammlung sich zahl- reich einzufinden und an der Wahl theilzunehmen. Das Nähere siehe im Jnseratentheil in der heutigen Nummer desVor- wärts". Die Vertrauenspersonen. Ottilie Baader . Emma Scholtz. Unser Genosse, flleichstags-AbgeordneterHorn. tritt am 2. Juni eine acht monatliche Gesängnißstrafe in Zwickau an. Die Strafe hat sich unser Genosse in seiner Eigenschaft als Redakteur des Fachorgans der Glas- und Porzellan- Arbeiter zugezogen, und schwebt gegenwärtig gegen unseren Genossen noch ein Urtheil von 10 Monaten in Nevisiousinstanz vor dem Reichs- gericht und eine Privat-Beleidigunge klage in erster Instanz. I» diesen beiden Prozessen ist das Verfahren vom Reichstage ein- gestellt. Die Strafe, die unser Parteifreund im eifrigen Kampf für die Interessen seiner Bernfsgenosscn er- hielt, wird ihm, dessen sind wir sicher, i» seiner unerschütterlichen Auffassung, der Sache der Arbeiter weiter seine ganzen Kräfte zu widme», keinen Abbruch Ihnn; wünschen wollen wir nur, daß unser alter, braver Parteigenosse gesundheitlich keinen Schaden während der Gesängnißstrafe erleiden möge. Ein in Deutschland bisher«nbekanuteS Werk von Karl Marx Revolution und K o u t r e- S! e v o l n t i o n in Deutschland ." Deutsch von Karl Kautsky. (24. Band der Jiiternationalen Bibliothek, I. Serie. Broschirt 1,50 M., ge- blinden 2 M.) ist soeben im rührigen Berlage von I H. W Dietz in Stuttgart erschienen. Da? werihvolle Buch enthält folgende Abschnitte: I. Deutschland am Vorabend der Revolution. 2. Die Anfänge der liberalen Opposition. 3. Die religiöse Opposition. Die Idee der deutschen Einheit. 4. Oesterreich. 5. Die Märzrevolution in Wien . 6. Die Märzrevolution in Berlin . 7. Die Frankfurter Nationalversammlung . 8. Polen , Czechen und Deutsche . S. Der Panslavismus. Der Krieg in Schleswig- Holstein . 10. Die Junischlacht und ihre Rückwirkung auf Deutsch- land. II. Die Oktoberrevolution in Wien . 12. Der Fall Wiens . 13. Der Ausgang der konstitnirenden Versammlung in Berlin . 14. Die Ansänge des Jahres 1849. 15. Der'Abschluß der Reichs- Verfassung und die Kaiserpvsse. 16. Ter Beginn des Kampfes nni die ReichSverfassnng. 17. Tie Demokratie am Ruder. 13. Die Reichsverfassungs- Kampagne. 19. DaS Ende der deutschen Nationalversammlung. 20. Der Kommunisteuprozeß in Köln . Diese Schrift bildet« ursprünglich eine Arlikelreihe, mit der Marx 1851 seine Mitarbeiterschaft an der New» AorkerTribüne" eröffnete. Sie zeigt die Trieb- kräfte der deutschen Revolution und Gegenrevolution von 1843 und 1649 und charaklerisirt auf's glänzendste und schäefste die entscheidenden Faktor«» jener gewaltigen Bewegung in einer Weise, die auch für die Erkenntniß der heutigen Gegensätze der Klassen und Parteien von Bedeutung ist. Man kann die Schrift ein Gegenstück zu demachtzehnten Brnniaire" desselben Ver- fassers nennen; aber, für daS Publikum eines täglichen Blattes in Amerika verfaßt, ist sie populärer gehalten und daher geeignet, de» weitesten Kreisen in kurzen Zügen das Berständniß der ersten deutschen Revolution zu vermitteln. Polizeiliches, Gerichtliche»:e. G e n o s s e M a n f r e d W i t t i ch hat am 4. Dezember vorigen Jahres in Dresden in einer öffentlichen Maurer-Ver- sammlung einen Vortrag gehalten überBauernkämpse in der Geschichte". Im Verlause dieses Vortrages soll er u. a. die Aeußerung gethan haben: Genau wie damals, wie Kaiser Karl , seien auch Fürsten derJetztzeil" durch Mord und Meineid zu hoher Machtstellung gelangt." Die Dresdener Polizei-Dircktion erblickte in dieser Aeußerunggroben Unfug", weil sich die beiden Ueberivachenden darüberöffentlich" geärgert haben und beglückte den Genossen Wittich niit einer auf eine Woche Haft lautende» Strafverfugung. Auf eingelegten Einspruch erkannte das Dresdener Schöffengericht, daß die Aeußerung derartig geeignet sei, öffentliches Aergerniß zu erregen, baß 7 Tage Haft eine viel zu geringe Strafe sei und erhöhte dieselbe auf 14 Tage Hast. Heute stand nun Genosse Wittich vor dem Dresdener Berufungsgericht. Er erklärte, die Aeußerung nicht in der ihm zur Last gelegten Weise ge- than zu haben, die sprachliche GrausamkeilJetztzeit" sei ihm überhaupt nicht geläufig, im übrigen glaube er wohl, daß ihm das Gericht nicht zutrauen könne, einen solchen Blödsinn und eine historische Unwahrheit gesagt zu haben. Jndeß, die beiden lieberwachenden bestätigten den Wortlaut der Anklage durch Eid und so wurde denn die Berufung verworfen. In der Urtheilsbegründung betonte der Landgerichls-Direktor Göhler, daß die Aeußerung bei jedemW o h l" gesinnten Aergerniß erregen müsse. Genosse Wittich wird also 14 Tage lang die Mehlsuppe des sächsischen Gejängnisses trinken. Srtzölsv. In der Verhandlung vom Sonnabend, die bis 12'/« Uhr Mitternacht dauerte, wurde der Angeklagte Redakteur S ch ö l e r zu acht Monaten G e f ä n g n i ß, der Verleger Lutz zu 1000 M. Geldstrafe verurtheill. Die Kosten des Verfahrens wurden den beiden Verurtheilten auferlegt, den Beleidigten wurde die Publikationsbefugniß zugesprochen. Der Staais- anivalt hatte 18 beziehungsweise 2 Monat Gefängniß beantragt. Aus der Verhandlung selber sei in Fortsetzung des Bericht? aus der Sonntagsnummer folgendes wiedergegeben: Es wird zunächst der Premierlientenant Salewski, der zur Dienst« leistung nach Magdeburg abkommandirt war, vernommen. Er bestreitet, die Leute mißhandelt zu haben, giebt aber zu, daß er wiederholt Ausdrücke wie H a l- l u n k e n", L u ni p e" und dergleichen beim Exer- zieren gebraucht habe. Er entschuldigt sich damit, daß man auf dem Exerzierplatz die Worte so genau nicht wählen könne. Er habe andererseits auch vielfach den Leuteu auf die Schulter geklopft und bemerkt:Sie sind ein patenter Kerl." Den Hauptmann Moll bezeichnet der Zeuge als einenstrengen aber gerechte» Vorgesetzten". Den mehrfach erwähnten Almstedt will Leutenanl Salewski als geisteskrank nicht erkannt haben. Angeklagter S ch ö l e r bittet, den Zeugen noch zu befragen, ob er wisft, daß einmal ein Mann aus Schwäche vom Reck gefallen und einige Tage darauf t o d t gewesen sei. Präs.: Die Frage gehört gar nicht hierher. Schöler: Ich meine doch, daß die Beantwortung der Frage sehr wichtig ist, weil ich ja behaupte, daß der Mann leidend war und sich nur aus Furcht vor Strafe nicht krank gemeldet hat. Präs.: Herr Schöler, Sie muffen doch nicht annehmen, daß alles das, was man Ihnen zugetragen hat, auch durchweg wahr ist. Vor allem ist doch nicht anzunehmen, daß die Herren Offiziere von allem, waS Sie abfällig kritisiren, auch Kenntniß hatten. Aug«II.: Darum eben wollte ich die Zeugen danach befragen. Der nächste Zeuge, Kesselschmied Schwarze aus Bremen . war Soldat des 17. Jnfauterie-Regiments in Ludwigslust und wurde wegen Meuterei zu einem Jahre Festung und Versetzung in die Arbeitsabtheilnng verurtheill. Er kann sich persönlich über Mißhandlungen nicht beklagen. Den Angeklagten Schöler be- zeichnete er als einen guten und friedfertigen Käme- laden, der s i ch stets bemüht habe, auf die anderen Leute in erzieherische ni Sinne einzuwirken. Präs.: Der Hauptmann Moll soll bestimmte Leute unter den Arbeitssoldaten gehabt haben, die die anderen behorchten und etwaigen Flüchtlingen nachgesandt wurden. Zeuge: Ja. - Präs.: Waren es immer dieselben Leiite? Z e u g e: Ja. Der nächste Zeuge Arbeiter Schopp« aus Friedenau bei Verlin hat ebenfalls mit Schöler zusammen in einer Kasematte gelegen. Auch er hat nie bemerkt, daß Schöler die Kameraden aufgestachelt hat. In bezug auf Alm- st e d t bemerkt er, daß ihm diesernicht recht richtig" vor- gekommen sei. Man habe in den Kasematten über den Zustand des Almstedt nicht gesprochen, hauptsächlich aus Furcht vor den S p i o n e n; die dem Hauptmann Moll jedes Wort hinterbracht hätten. Der Hauptniann Moll hatte viele ergebene Leute unter uns, die sich bei ihmLieb' Kind" machten, indem fle uns behorchten und das, was sie hörten, ihm wiedererzählten. Wir nannten sie unter unsBluthunde". Der Zeuge bekundet dann weiter, daß die Revierkranken ständig eingeschloffen waren und daß Hauptmann Moll nach dem Abgange des Angeklagten Schöler nach Königsberg in Preußen eine Ansprache vor der Front gehalten habe, in der er den Angeklagten als einen Wolf in Schasskleidern bezeichnet habe. Präs.: Was sagte Haupt- mann Moll dann noch? Zeuge: Der Schöler sei nicht würdig, Soldat zu heißen, er sprach auch noch von Zuchthaus und so was. Präs.: Was sagte Hauptniann Moll dann noch: Zeuge: Schöler hätte das Realgymiiastum besucht, habe aber das Gehörte nur halb verdaut. Gr, Moll, sei ja nur ein dummes Luder(Stürmische Heiter- k e i t.) Präs.: Ich muß es mir ganz entschieden verbitten, daß hier irgend etwas vorkommt, was gegen die Würde verstößt. ~ Zeuge(fortfahrend): aber Schöler wäre noch d ü m m e r. Präs.: Ist die Behandlung der Arbeitssoldaten scharf gewesen? Z e u g e: Ja, namentlich der Hauptmann Moll war hart. Einmal hat er in großer Wuth zu uns gesagt:Ich erkläre Euch allen den Krieg bis auf den Degen". dabei faßte er nach seinem Säbel. Angekl. Schöler bittet, den Zeugen zu befragen, ob der Hauptmann Moll dem Zeugen als Frömmler erschienen sei. Zeuge: Ja, der liebe Gott spielte in den Ansprachen des Haupt» in a n n s M o l l eine g r o ß e R o l l e. Präs.: Ist eS Ihnen so vorgekommeu, als ob Herr Moll mehr Christenthnm zur Schau trug, als sich mit seinen Handlunaen vereinbaren ließ? Z e u g e: Ja. Angekl. Schöler: Hatten Sie nicht den Eindruck, als ob ein Mann, der sich so fromm gab, etwas milder mit seinen Nntergebeuen hätte umspringen können? Präs.: Die Beantwortung der Frage wäre ein Gutachten, ich lehne sie daher ab. Den Premierlieutenant Salewski bezeichnet der Zeuge als einen strengen, aber gerechten Mann. Die Aeußerung:Ihr sollt alle zu Säulen zu» s a m m e n f r i e r e n!" glaubt der Zeuge gehört zu haben. Zeuge Schriftsetzer Schmidt aus Berlin giebt ebenfall? der Ansicht Ausdruck, daß Almstedt geistesgestört war und bestätigt, daß in den Magdeburger Kasematten ein ausgedehntes Angeberwesen bestanden habe. Hauptmann Moll(vortretend): Ich habe die Leute nur instruirt, aus Ruhe und Ordnung zu achten. Präsident(zum Zeugen): Sind Sie in die besser« Führnngsklaffe gekommen? Zeuge: Nein. Staats» anivalt:. Das wäre ja auch noch schöner, er hatte ja vier Disziplinarstrafen. Zeuge: Nun, ob ich die zu recht bekommen habe, wollen wir doch dahingestellt sein lassen. Zum Beispiel bin ich einmal mit zwei Tagen Arrest bestraft worden, weil ich mich krank gemeldet hatte, ohne es. nach An- ficht des Hauptmanns Moll, zu sein. Ich war aber thatsächlich krank. Präs.: Wie war die Sache? Zeuge: Wir hatten Sand gekarrt und ich Hab« mich dabei jedenfalls über- anstrengt, denn ich hatte heftige Kieuzschmerzen. Als ich mich beim dienstlhuenden Lieutenant meldete, wurde ich einem ein- jährigen Arzt zur Nntersuchung überwiesen und er schrieb mich krank. Ich meldele mich nun beim Haupt- mann als krank und wurde, statt in das La- zareth, in die Untersuchung abgeführt, weil ich angeblich simulirte. Die Ueberführung geschah an einem Sonntag Nachmittag. Neben mir und vor mir gingen Soldaten mit aufgepflanztem Seitengewehr. Vor die Thür stellte man dann noch einen Posten auf, damit ich ja nicht ausrückte. Nach vier Wochen kam dann vom Kommando der Befehl, mich freizulassen, da ich kein Simulant wäre. Ich kam dann ins Lazareth, wo der Oberstabsarzt ein chronisches HalS» leiden,, n t st a n d« n durch die Verzögerung meiner ärztlichen Behandlung, feststellte. Nachdem ich mich dienstuntauglich gemeldet hatte, wurde ich nach einem Vierteljahr zur Reserve ent- lassen. Jni weiteren bekundet auch dieser Zeuge, daß der Angeklagte stets in gutem Sinne auf seine Kameraden ein- zuwirken sich bemüht habe. Präs.: Hat Hauptmann Moll viel von Religion und Christenthnm gesprochen? Z e u g e: Ja. Präs.: Und sind Sie der Ansicht, daß seine Handlungen mit seiner christlichen Gesinnung nicht in Einklang zu bringen waren? Z e u g e: Ja. Er führte fein Christenthnm wohl öfter an. als es nölhig und angebracht ivai. Staats­anwalt: Ich bitte den Zeugen zu befragen, ob er denn Christ ist und somit überhaupt beurtheilen kann, ob Hauptmann Moll«in Frömniler war. Rechtsanwalt von Jssendorff: Ich bitte um Ablehnung der Frage. Sie gehört nicht hierher. Staatsanwalt: Und ich beantrage die Stellung der Frage. Präs.(zum Zeuge»): Sind Sie Christ? Zeuge: Ich bin evangelisch. Staatsanwalt: Da ist gar n i ch t s g e f a g t. Da ist viel Raum in der evangelischen Kirche. Glauben Sie an Gott ? RechtSanw. v. Jssendorff: Ich muß doch beantragen, diese Frage abzulehnen. Wo kommen wir sonst hin? Staatsanwalt: Der Bertbeidigcr hat so viel Fragen, di« nicht zur Sache gehörten, stellen dürfen,