Hans Kafka : Erfolg macht Liebe
Tivoli, Kopenhagen . Musik und Maschinenlärm, Hunderte von bunten Rummelplazbuden, Hochbetrieb, abends.
Da tam ein Mann daher, dem man trotz seiner einfachen Kleidung eine gewisse Besonderheit nicht absprechen konnte. Man dachte, menn man ihn sah, an Adlerblid", an eine fühne Stirne" aber das sind ja wohl Phrasen. Eraft und einwandfrei war festzustellen, daß er eine sichere Hand besaß. Es gab da Automaten, in die man Geld einwerfen mußte, worauf eine Kugel rollte und vermittels eines Drehrades ein Hanswurst mit umgekehrt in der Hand gehaltenen Müze so bewegt werden mußte, daß die Kugel in die Müze fiel. Der Mann warf ein, bewegte den Hansmurft. gewann das dreifache Geld und setzte das Spiel seelenruhig so lange fort, bis der Automat leer mar. Dann ging er zu dem nächsten öhnlichen Apparat; hier mußte man aus einer feststehenden Pistole auf einen vorübereilenden Hasen schießen; traf der Schuß eine Scheibe auf des Hafen Rücken, so gab der Automat Geld heraus. Auch dies glückte dem kühnen Mann zahllose Male; so lange übrigens, bis fein Geld mehr darin war. Dann drehte er beim ,, mechanischen Pferdchenspiel" das Rad, das sein Pferdchen bewegte, weder zu langsam noch auch zu schnell in diesem Fall hätte sich nämlich das kleine Blechtier wie erschrocken umgedreht und die ganze Tour zerstört Ueber sämtliche Mitbewerber ging der Mann alle Male als Sieger hervor. Dann warf er Gänsen, die in einem Teich feelenruhig hin und hergondelten, je drei Ringe mit blißschnellem Griff über den Hals; dreimal trieb er es fo wofür ihm nach den Sagungen des Gänseteichs" die drei betreffenden Gänse als Geschenk und Eigentum gebührten. Und er wurde weiter nicht müde. Er ,, arbeitete" fort. Er bedeckte in einer weiteren Bude, eine ziemlich weit entfernt auf eine horizontale Fläche hingemalte Figur über und über mit leicht hingeworfenen flachen Scheiben. Wieder strich er Geminste ein. Und endlich landete er bei den Weekend Freuden". Er war wirklich ein Raubvogel, dieser Mann mit dem Adlerblick, ein reißendes Tier für den ganzen großen Rummelplatz des Tivoli. Die Budenbefizer mußten vor ihm zittern, weil er ihnen einfach alles, was sie durch die Ungeschicklichkeit der meisten Besucher erworben hatten, auf ganz legale Weise wieder abgewann. Bersuchte man ihm den Gewinn vorzuenthalten, was oft genug geschah, so nahm das Publikum sofort für ihn Partei. Also zahlten, vor Herzmeh stöhnend, die Budenbefizer. Der Mann mit der fühnen Stirne nahm nämlich weder lebende Gänse, noch Beckeruhren oder bunte Basen, als Gewinn in Empfang. Er ließ sich vielmehr den Gegenmert in barem Geld erlegen. Zusamuen mit den Geminsten aus den Automaten häufte es sich zu einer Summe, die als Lages verdienst so manchem gar nicht zu niedrig erschienen wäre.
Er landete dann, wie gesagt, vor den ,, Weekend- Freuden", und verweilte ein wenig vor dieser mit den buntesten Fähnchen behängten Bude. Auf dem gemalten Hintergrund war ein sehr bewegtes Meer zu sehen. An der Grenze zwischen Malerei und Wirklichkeit schautelten vier Rähne, jeder bis zum Rande angefüllt mit fleinen Richtigkeiten, Stoffpuppen, Bonzo" genannt, mit bonzo ähnlichen Tigern und Löwen , sompie mit noch so einem petit rien" einer lebenden Buppe, einem hübfchen Mädchen. Jedes dieser vier Mädchen trug eine rote Matrosenmüze, eine rote Krawatte, eine weiße( genau genommen: nicht übermäßig weiße) Bluse und einen blauen Rod. Ueber alledem stand: Weekend- Freuden". Vor der Bude hatte sich ein Ausrufer aufgepflanzt, der an die umstehenden Menschen mit maßlosen Ausdrücken die Aufforderung richtete, sich des Lebens und speziell des Weekends zu freuen. Dies bestand feiner Ansicht nach darin, um den linken Arm eine Anzahl von Reifen zu nehmen und dann einen nach dem anderen mit der rechten Hand in die Bude hineinzumerfen. Ziel war, das zu diesem Zmed eigens erhobene und( wenigstens was die eine links, Marie betraf) durchaus reizende Bein eines Mädchens. Mer sechs Reifen auf Diese Weise placierte, gewann; nicht etwa Marie oder ein anderes Mädchen, sondern eine Buppe aus Stoff, einen Bonzo, cinen Tiger. Marie, die saß in dieser Bude auf dem Tivoli Rummelplag, mit Strümpfen aus irgendeiner Kunstseide, zwischen den Zähnen ein Stüd Kaugummi . Echter als die Berlenschnüre und die Ohr gehänge, die sie frug, mar jedenfalls ihr Lächeln. Dazwischen, in den Arbeitspausen, die sich ergaben, wenn das Scheibenwerfen daneben oder das Pferdchenrennen meiter vorne allzu viel Leute an fich zogen, unterhielt sie sich mit dem jungen Frant, der ihretwegen täglich ein paar Stunden vor den„ Weekend- Freuden" stand. Er hatte sie mal am Abend nach Beendigung ihrer Arbeit angesprochen und war mit ihr essen gegangen. Nichts meiter; sie zeigte fió) als typisches ,, tak for aften" Mädel, das in Dänemark deshalb so heißt. meil es leicht und gern mit fremden Herren einen Abend verbringt und dann nach Hause begleitet, vor ihrer Haustüre, mit festem Händedrud und der Formel: ,, tak for aften" für den Abend von Herzen dankt.
Frant sah stundenlang nur zu, wie Marie lächelte, keep smiling, immerzu, so daß von dem Weekend- und Meeresbild her immer neue Wellen der Erotik nach der Menge der wartenden Männer hinschlugen und hörte dazwischen, wie sie halblaut, zwischen Zähnen und Kaugummi , ihren uffigen, dänischen tief ver achtungsvollen Flüche über die Männermelt hervorstieß, was nur als Mitteilung für ihn, Frant, bestimmt war, für ihn allein, feinen anderen. Wenigstens das war etwas.
,, Seltsame Beziehung", dachte er. ,, So etwas gibt es noch hier oben. Denn er hatte ganz abgesehen von dem negativen äußerlichen Beweis, daß zwischen Marie und ihm niemals etwas vorgefallen mar auch innerlich leider das bestimmte Gefühl, daß fie ihn durchaus nicht stürmisch und nerzehrend liebe.
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Da trat gerade in diesem Augenblid der Unbekannte endlich aus der Menge hervor, pflanzte sich breitspurig bei den WeekendFreuden" auf, und begann auch hier seine Arbeit. Aber die Art, wie er das Bündel Reifen über den linken Arm warf und mit der rechten Hand den ersten, einen gelb ladierten, herabzog, war anders als die aller anderen. Raunen erhob sich ringsum und der Bestzer der Weekend- Freuden" wurde meiß im Gesicht. Frank erfuhr durch die Umstehenden, daß der Unbekannte gar nicht so unbekannt war: er mußte schon einmal das Tivoli besucht haben. Jetzt flog der gelbe Reifen. Die Mädchen mochten mit ihren hübschen Beinen unmerklich ausweichen, wohin sie nur wollten; der Mann mit dem Adlerblick und der Locke in der fühnen Stirne hatte das alles vorausberechnet die Reifen hingen, einer nach dem anderen. Hier schien die Sache dem Herrn fogar etmas mehr Spaß zu machen als andersmo. Die Pferdchen und die Hasen aus Pappe oder Blech, die mehrten sich gewiß nicht gegen seine Geschicklichkeit; mohl aber die Mädchen mit ihren seidenbestrumpften Beinen. Und dennoch murde er, unfehlbar sicher, mit allem fertig. Er hätte übrigens ruhig unter den Umstehenden absanımein fönnen so große Sensation erregte seine Leistung unter allen zusammenströmenden Besuchern des Rummelplazes. Er verzichtete darauf. Es genügte ihm, noch die ganze Tageslofung der ,, WeekendFreuden" einzuftreichen; dann hatte er für den Tag genug. Dann setzte er sich in das große Restaurant, begann zu trinken und warf nur hier und da einen Blick nach den Buden. Nicht nur die ,, Weekend Freuden" wurden von hübschen Mädchen bestritten. Das
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amerikanische Geschäftsprinzip, beim Bertrieb einer Bare häßliche Mädchen auszuschalten, war auch an den Kassiererinnen der Schießbuden, der Wechslerinnen, die vor den Automaten aufgestellt waren, den Angestellten des Gänseteiches" und der Scheibenwerfereien" zu den Angestellten des Gänseteiches" und der Scheibenwerfereien" zu merken. Und der seltsame Mann, räuberisch auch hier, stieß mit festen Blicken zu.
Nur wenig später wurde das Tivoli geschlossen. Frank begleitete Marie nach Hause, unfehlbar würde er am Tor wieder das„ Tak for aften" hören, sicher bezeichneten manche Leute die Art, in der er schon vier Tage lang mit einem Schaubuden- Mädchen vom Rummelplag verfehrte, als die höchst bemundernswerte eines lyrischen Troubadours, andere aber als die eines Idioten. Jeden falls wollte er geliebt werden. Marie aber sprach auf dem Nachhauseweg nur von dem unheimlichen Fremden.
ch tenne ihn", sagte sie. ,, Unser Unternehmen war nicht immer hier. Bir saßen während der letzten Jahre schon im Wiener Brater, in St. Pauli zu Altona , im Berliner Lunapart und im Bois de Boulogne auf unseren Kähnen und wippten mit den Beinen. Und der Mann war überall da und gewann."
Ist wohl sein Beruf", flüsterte Frank.
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,, Rein leichtes Brot. Er war Artist. Er heißt Herr Cramer, Cramer mit C. Er ist Artist geblieben. Ein Artist, denke ich mir, der das Drehen der Automatenhebel und der Räder für die Pferdchen, oder das Werfen von Scheiben und Ringen oder das Zielen mit dem Gewehr großartig trainiert hat: genau so wie viel leicht Rastelli oder sonst wer das Jonglieren. Er verdient gewiß auch nicht weniger als Rastelli. Wahrscheinlich arbeitet er nach einem bestimmten Plan. Immer weiß er, wo er zu arbeiten hat. Interessant was? Er engagiert sich sozusagen selber nach St. Pauli oder dem Tivoli und zwingt alle Budenbefizer, bei denen irgendwie gewettet oder für irgendeine Leistung bezahlt wird, ihm das ganze Geld zu überlassen. Dabei hat ihm keiner noch das Handwerk legen fönnen. Denn was er macht, ist schließlich ordentlich und richtig. nicht?"
Merkwürdig", erwiderte Frank langsam. Was es alles gibt! Boher wissen Sie das alles so genau?"
,, Das ist datan gar nicht das Merkwürdige", sagte Marie dar auf. Sie gingen quer durch Hafenstraßen, an dem Rathaus mit dem seltsam gen Himmel sich windenden Spiralenturm vorbei. Das Merkwürdige ist, daß wir Mädchen von der Weekend- Bude in diesen Mann alle verliebt sind." Frank sah sie an; sie fuhr ganz ruhig fort:„ Ja. Irrfinnig verliebt. Und nicht nur wir von den Weekend- Freuden", sondern auch, das meiß ich ganz gencu, die Wechslerinnen und Kaffiererinnen und die Damen, die die Schießgewehre mit Patronen füllen und die Bons zum Pferdchens rennen verkaufen. Auch die, die gar nichts mit ihm zu tun haben, die Brezel und türkischen Honig verkaufen und wahrscheinlich sogar die Dame ohne Unterleib und die lebende Spinne im Raritätenfabinett. Irrfinnig verliebt."
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Frank schluckte ein paarmal. Dann warf er ein:„ An Männern ist doch eigentlich kein Mangel an solchen Rummelplägen; schöne Männer, gute und junge Männer, reiche und fluge Männer kommen doch da vorbei. Gerade an so einen verlieren Sie Ihr Herz, als eine unter Hunderten, wie Sie selber sagen."
,, Schöne, gute, reiche Männer, die da immer vor unserer Bude auf und ab gehen, die da auf dem Rummelplah Klamaut treiben. Oh ja. Philosophieprofessoren, die hier Aeroplantaruffell fahren, Bankdirektoren, die den„ Lutas hauen", Großkaufleute, die den " Wasserfall" heruntergleiten oder im„ Teufelsee" hin und her eine Musterfolletfahren. Reiche, gescheite, würdige Männer aber anderswo. Bei uns nicht. An der Schießbude und tion bei dem Pferdchenrennen und ganz besonders vor unseren Beinen nicht. Im Gegenteil."
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Sie sah Frant an, der ihr vielleicht ein bißchen leid tat, und schloß:„ Ich habe in der Naturgeschichte gelernt, daß die Weibchen der Adler irrfinnig verliebt jenem Männchen folgen, das das größte Stück Fleisch geraubt hat. Was wissen wir von der Welt? Die Welt, das ist der Rummelplatz, in dem wir leben. Und hier verlieren alle Männer, und wenn sie gewinnen, so ist es nur sehr wenig. Bis auf den Raubvogel. Der mar, wann immer wir ihn sahen, in unserer Rummelplatzwelt der Erste. Der legte es eben darauf an, hier, nur hier, das größte Stück Fleisch zu haben."
Dr. R.France: Wo entsteht ein neuer Erdteil?
Nach fast einem Jahrhundert naturwissenschaftlicher Bildung| ist es natürlich heute schon ein guter Teil der Alpinisten, der Wintersportler und Sommerreifenden, denen es bei dem Besuch des bayerischen Hochlandes oder der Dolomiten, auch im Innerea Deutschlands , vor den merkwürdigen Hochflächen und Kalfabhängen der Eifel oder den wundervollen Felszacken der fränkischen Schweiz , nicht minder des Schwäbischen Juras ohne weiteres flar ist, welchen llrsprung diese bald gigantischen, bald romantischen Felshäupter und Wände genommen haben. Man weiß allgemein, daß die Kalkalpen, der Jura, daß fast alle europäischen Kaltberge cinst Korallenriffe gewesen sind. Eine Längstvergangenheit allerphantastischster Art, die nicht wieder kommt. Wie seltsam ist doch diese Barstellung! Jm bieder behaglichen schwäbischen Land rauschte ein tiefblaues Meer unter ebenso blauem Tropenhimme!, Brandungen schäumen über weißem Korallensand. Wo heute, das schweigend gewaltige Bergrund des Wettersteins hinabdräut ins taublißende Garmischer Ial, dort miegten sich Baimentronen im Geemind. Keine Berge ringsum, sondern sanfte Inselhügel voll Idyllen und Sonnenglaft.... o fränkischer Kirchen Sonntagsgloden läuten und die ernsten schwarzgefleideten Franken ihre Hügeläder mißmutig be trachten ob der gottlos vielen unnugbaren Kalffelsen, die ihnen das Schidsal ihrer Heimat in reichlich über ihre Aeder türmt, da mar einst Berlaffenheit weiter Weltmeere und phantastische Glut zauberischer Korallengärten, die eben jene Felsen der fränkischen Schweiz erbauten. Schwer zu glauben, daß solche Aenderung der Welten durch bloßes fanftes Rieseln fleinster Zeitänderungen vor sich ging und doch hundertfach bewiesen und handgreiflich unumstößlich gemacht durch die Kaltschmämme und Korallenstücke, durch Reste von Rifftieren, die von diesen Felswänden auswittern und herabbrödeln.
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Aber das war eben einmal so, in Märchenvergangenheit und Urtagen und ist verschwunden auf Nimmerwiedersehen so wie die Märchentiere und Riesentiere der Urzeit. So fagt man sich und irrt dabei so gründlich mie nur möglich. Genau dasselbe ist auf Erden auch heute da und gerade jetzt" bilden fich neue Alpen und Bergländer. Urmeere, Längstvergangenheit, Korallenmärchen, welt vergeffene Einsamkeit, alles das ist gegenwärtig. Man fann um die Jahrmillionen zurückreisen in die Erdurzeit und einen längst vergangenen Schöpfungstag, der den Menschenaugen verschlossen war, wieder erleben.
Wo? Im siebenten Erdteil. Gerade auf der anderen Seite der Erde, bei den Antipoden. Geographisch gesprochen: Von Australien bis zu den Inselgruppen der Baumstu und Marquesas . Oder von einer Nordlinie im Stillen Ozean , die von den Marianen südlich von Japan bis zu den Hamaii- Inseln reicht und sich im Süden bis zu den Ländern erstreckt, die die niegehörten Namen Tubuai und Pitcairn tragen. Man schlage die Karte des Stillen Ozeans auf und suche diese Namen auf. Dann rechne man sich das damit um schriebene Biered nach. Es umfaßt 76 Millionen Quadratkilometer. Das ist ein Erdteil, größer als der größte von allen, nämlich Asien , denn das hat an Fläche nur 44 Millionen Quadratkilometer. Wenn man diesen siebenten Erdteil über Europa stellen würde, dann würde er von Schweden bis zum Aequator reichen und von England bis an das Herz von China .
Auf so großem Gebiet, das fast ein Drittel der gesamten Erdoberfläche ist, liegen Tausende, nein, es sind Zehntausende von Inseln, welche jetzt genau dieselbe Natur wiederholen, wie sie vor Bildung der Alpen in Europa lebendig war.
Inseln von zweierlei Natur. Entweder vulkanisch spiggipfelig, erdbebenerschüttert, von tiefen Tälern durchfurcht, wolfenverhangen, regenfeucht, mit üppigstem Leben überwuchert oder flache Riffa sonnenüberglüht, einsam, oft arm, sandig, blendend in fengender hige von Aequator stürmen überbroust, ein Land der Kokospalmen und Einöde. Häufig so angeordnet, daß die Bulkanberge umgürtet sind von flachen Wallriffen oder flachen Landfuchen freisförmig geschlossen sich viele tausend Kilometer weit erstrecken. Ich habe diesen siebenten Erdteil von einem Ende zum anderen durchzogen und lieben, auch verstehen gelernt. Habe verstanden, warum fich Habe verstanden, warum sich die meisten der Hochberginseln an seiner Westseite zusammendrängen in einen großen Bogen, der vom einst deutschen Guinea über die Salomonen, Neuen Hebriden, Neukaledonien zu den Fidschiinseln reicht; deutlich erkennbar durch diese Linie, daß Australien einst mit Afien zusammenhängend bis zu diesem Berggrenzwall gereicht hat, der ein alter Kontinentrand ist, jenseits dessen, gegen Often zu, dann nur noch das Reich des Inselstaubes" sich erstredt. Denn gleichsam nur mie Sandförner in einem großen See sind dann ost: märts die Koralleninfelchen und Atolle verstreut. Rur wenige von ihnen find vulkanisch( Samoa , Gesellschaftsinseln , Marquesas ), die
meisten sind völlig flach, manchmal ungeheuer große schmale Säume um eine Innenlagune, alle aber, ob tätige Bulkane oder längst versunkene sind ein Erdschüttergebiet, wie es solche in diesem Ausmaße auf Erden nicht wieder gibt.
Wenn man auf den neuen Hebriden weilt, also in einer Welt, wo noch Kannibalen hausen und weite Urwald- und Berggebiete völlig unerforscht, von Weißen gar nicht begangen sind, dann kann man wie wir auf der Insel Efate erleben, daß der Boden Tag und Nacht zittert. Alle paar Wochen oder Monate fommt ein stärkerer Erdstoß, der Riffe um zehn bis zwanzig Meter finten, unterseeischen Grund ebenso hoch steigen läßt. Wenn man das erlebt hat, dann versteht man es wohl, wenn z. B. auf der Insel Choiseul in 1600 Meter Höhe über dem heutigen Meer an den Bergwänden ausgetrodnete und emporgehobene Korallenriffe sieht. Auch auf Neukaledonien , den Neuen Hebriden, auf Neu- Jríand und den Tongaiseln fann man ähnliches sehen, wenn auch nicht in solchem Ausmaße. Andererseits versinken z. B. die Gesellschaftsinseln und
der Rand des Korallenmeeres. Auf Neukaledonien machte es mir besondere Freude, den Orten nachzugehen, wo man wiederholt dera artige Senkungen unter den Meeresgrund und Neuhebungen den Felsmänden ablesen kann. So oft der Boden unter Wasser war, hatten sich Korallen auf ihm angesiedelt, mar er an der Sonne emporgestiegen, hatten ihn Laven und vulkanische Steine überdeckt, so daß sein Aussehen seine Geschichte seit vielen Jahrtausenden wiedergab.
Durch diese stets wiederholten hebungen und Senfungen, mit denen natürlich auch Auffaltungen und Zusammenschiebungen Hand in Hand gehen, entsteht gegenwärtig bereits Neuland. Es bereitet sich ein vielverzweigtes, ungeheures Kettengebirge vor, ganz nach der Art wie die Kalkalpen eines sind, nur mit dem Unterschied, daß hier alles Riefenmaße befigt, was in Europa im Vergleich dazu geringfügig erscheint. Die Linie der Kalkalpen von Wien bis ins Herz der Schweiz ist etwa 550 Kilometer lang, die Hebungslinie von Neukaledonien bis Neuguinea aber mehr als 23 000 Kilometer, mehr als dreimal so lang denn die gesamten Alpen. Und das ist erst ein Bruchteil der Erdscholle, die sich dort unten im Süden rührt.
Man sieht, wenn man diese Länder bereift, ganz deutlich, daß es fich nicht um einen einheitlichen und nach einem Ziel gerichteten Vorgang handelt, sondern daß sich hier viel Bewegungslinien freuzen. Die ganze ungeheure Ralfscholle wird mit vultanischen Gesteinen durcheinandergeschoben, gleichsam vertnetet und verarbeitet. Der Zeitraum, in dem sich das Endgültige zusammenschließen und dem Meere entringen wird, läßt sich demgemäß gar nicht abschätzen, so wie auch die Zeit, in der das alles begann, recht meit zurüdliegen muß. Aber daran fann kein Zweifel mehr sein, daß hier wirklich die Bildung eines neuen Erdteils stattfindet, dessen Werden und Sein uns hellstes Licht über die Zustände gibt, aus penen unsere eigenen heimatlichen Kaltberge hervorgegangen sind.
Der nützliche Marienkäfer.
Ein beliebtes fleines Insekt ist der Marienkäfer. Meist ist er zweifarbig, wobei die eine Farbe als Grundfärbung, die andere in Punkten, Flocken oder Zeichnungen erscheint. Der nach den sieben dunklen Punkten, die feine roten Flügeldecken schmücken, Siebenpunkt genannte Käfer gehört zur Gruppe der Blattlausfäfer, die sich durch Bertilgen der schädlichen Blattläufe nüglich erweisen. Weil sich die Käfer sowohl mie ihre Larven ausschließlich von solchen nähren, fällt der Nuzen, den sie stiften, um so mehr ins Gewicht. In Erkenntnis davon legte ihnen der Volksmund nicht nur mancherlei darauf bezügliche Namen bei, sondern weihte sie sogar der Gottheit, mie es die Benennungen Herrgottstühchen, Sonnentälbchen beweisen. Ebenso eifrig wie der Käfer selbst zeigt sich auch seine Larve, die man am häufigsten auf Kartoffeltraut findet und die oft mit der Larve des Kartoffeltäfers verwechselt wurde. Den großartigen Nuzen der Tierchen im Freien erkennend, versucht man, sie zahlreich in die Wärmhäuser der Gärtnereien, in deren feuchtwarmer Luft sich die Blattläufe ungeheuerlich mehren, einzuführen. Auch zur Beseitigung der Läuse auf den Blättern der Rosen und Blattpflanzen in Zimmern sind sie das beste und zugleich für die Gewächse unschäd lichste Mittel. Zu diesem Zmed fängt man fich auf einem Spazier gang einige dieser Käfer ein, trägt fie in einer durchlöcherten, Luft zulassenden Schachtel heim und setzt sie auf die zu reinigenden Gewächse aus. Für die geleistete Arbeit vergesse man nicht als geringen Dank, ihnen die Freiheit wiederzugeben, mofür das Deffnen eines Fensters genügt; fie spüren den frischen Luftstrom und lassen sich bald von ihm entführen.