1931
Der Abend
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Nr. 215
B 108
48. Jahrgang
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Die monatelangen Ermittlungen der Politischen Polizei zur Aufklärung der schweren Krawalle am Tage der Reichstagseröffnung in der FriedrichEbert und Leipziger Straße sind jetzt zu einem gewissen Abschluß gelangt. Die Feststellungen haben einwandfrei ergeben, daß die Tumulte, bei denen eine große Zahl Schaufensterscheiben durch Steinwürfe zertrümmert wur. den, von den Nationalsozialisten vorbereitet und planmäßig durchgeführt worden sind.
Eine ungeheure Kleinarbeit war zu bewältigen, um die nationalistischen Fensterstürmer, deren Presse die Krawalle im Stadtinnern unverfroren den Kommunisten in die Schuhe schieben wollte, als Urheber zu entlarven. Eine Reihe von Beteiligten ist bekannt lich bald nach den Krawallen abgeurteilt worden, gegen fünf weitere Rädelsführer konnte jetzt ebenfalls auf Grund der Nachforschungen Anklage erhoben werden. Drei der Täter gehören dem Sturm 4" und einer dem Sturm 38" an. Dieses Quartett hat sich in besonderem Maße bei dem Sturmangriff" auf die Fensterscheiben des Cafés Dobrin aktiv beteiligt. Einer der Burschen stahl ein silbernes Sahnentännchen und einen Teller und steckte die ,, Beute" seiner Begleiterin zu. Ein anderer Täter ist einwandfrei als die Person wiedererkannt worden, die über einen
älteren jüdisch aussehenden Herrn herfiel und diesen mit unglaub licher Brutalität schwer mißhandelte.
Alles planmäßig vorbereitet.
Bei den weiteren Ermittlungen stellte sich heraus, daß die Krawalle von einzelnen Gruppen der NSDAP . genau vorbereitet und dann auch planmäßig durchgeführt wurden. Die Sturmabteilungen sind zum Teil in geschlossenen For mationen angerüdt. Der Sturm IV sammelte sich auf Anordnung des SA. - Führers am 13. Oftober um 13 Uhr im Verkehrslokal der Hakenkreuzler in der Wilmersdorfer Straße . Die SA., in der Mehrzahl Erwerbslose,
fuhren dann geschlossen in die City, Fahrgeld erhielten sie aus der Parteikasse.
Die Fäden der Krawallvorbereitung reichen sogar hinüber bis nach Brandenburg a. d. Havel . Dort war der Sturm 38 auf Anordnung von Berlin als Verstärkung angefordert worden. In dieser SA. befanden sich einige besonders rauhe Kämpfer", die in der Leipziger Straße dann auch ganze Arbeit
leisteten.
Geldbriefträger niedergeschlagen
Frecher Raubüberfall nach Muster Reins
Mannheim, 9. Mai.
Am Sonnabendvormittag gegen 8.30 Uhr wurde in einer in der Seckenheimer Straße gelegenen Wohnung der Geldbriefträger Gericke von bisher noch un bekannten Tätern niedergeschlagen, gefesselt und beraubt. Die Täter entwendeten einen Geldbetrag von etwa 3000 Mark und gingen flüchtig.
Ueber den Hergang der Tat erfährt die Telegraphen- Union" noch folgende Einzelheiten: Am Freitagabend erschien bei der 40 Jahre alten Witwe Radloff in der Seckenheimer Straße ein junger Mann in der Absicht, ein 3 immer zu mieten. Er besah sich die Räumlichkeiten und mietete schließlich das Zimmer. Alsdann verließ er das Haus und fahrte alsbald in Begleitung feines angeblichen Bruders wieder zurüd.
Da in der Wohnung der Frau Radloff noch ein zweites Simmer ziehen. Die beiben Täter übernachteten dann auch in der Wohnung zu vermieten war, wollte der angebliche Bruder in dieses Zimmer bis Sonnabend früh. Gegen 8 Uhr erschien einer der Täter in der Küche und erkundigte sich bei der Vermieterin nach ihren Angehöri
Kammer gegen Zollunion.
Sozialisten für Verständigung.
Patis, 9. Mai. ( Eigenbericht.) Die Kammer hat in einer langen Nachtsitzung die Interpellationsdebatte über die deutsch - österreichische Zollvereinbarung mit der Annahme einer von dem Linksrepublikaner Fougère und verschiedenen Abgeordneten der Mittelparteien eingebrachten Bertrauensfundgebung für die Regierung abgeschlossen, in der zum Ausdruck gebracht wird, daß die kammer weiter für die Politik der internationalen Verständigung und der loyalen Zusammenarbeit der Völker eintritt, daß fie aber das deutsch - österreichische Zollprojekt, das zu dieser Politik und den Friedensverträgen in Wider. spruch stehen würde, verurteile.
Der wichtigste Teil der Tagesordnung wurde mit 430 gegen 52 Stimmen der Rechten angenommen. Infolge des nationaliffiStimme enthalten, nachdem ein von Leon Blum gestellter Abänderungsantrag gemäß dem Wunsche der Regierung abgelehnt worden war.
gen. Er lockte dann die Frau unter dem Vorgeben, dieser seinen Bruder vorstellen zu wollen, in das gemietete Zimmer. Schläge mit einem Gandsad betäubt, während der
Dort wurde die ahnungslose Frau von hinten durch andere der Burschen ihr den Mund zuhielt. Sie wurde an Händen und Füßen gefesselt, auf das Bett geworfen und mit dem Tode bedroht, falls sie sich nicht ruhig verhalten sollte.
Gegen 9 Uhr erschien dann der Geldbriefträger, um eine Bostanweisung über einen Betrag von 2 Mr. an Frau Radloff zu übergeben. Einer der Täter bat den Beamten, in die Wohnung zu kommen, da seine Mutter trant zu Bett liege.
Raum hatte der Geldbriefträger die Wohnung betreten, als er von dem zweiten Täter, der sich hinter der Tür verborgen gehalten hatte, ebenfalls mit dem Sandjad zu Boden geschlagen und dann gefesselt wurde.
Die Täter beraubten den Wehrlosen und ergriffen un auffällig die Flucht. Dem Beamten gelang es, sein Taschenzerschneiden. Es gelang ihnen auch, sich gegenseitig freize messer der Frau Radloff zuzuschieben, um die Fesseln zu machen, worauf sie sofort Warm schlugen. Bei den Tätern soll es sich um junge Burschen im Alter von 20 bis 25 Jahren handeln.
teil zu fällen und damit der Entscheidung des Völkerbundsrates und des Internationalen Gerichtshofs vorzugreifen. Grumbach sprach schließlich die Hoffnung aus, daß die konstruktive Friedenspolitik Frankreichs von der Mehrheit der Kammer gebilligt werde. Diese Politik sei zwar nach der Ansicht der Sozialisten nicht immer ausreichend gewesen, aber sie hätten sich über die Schwierigkeiten Rechenschaft abgelegt, deren Briand begegnet sei. Die Kammer vertagte sich heute morgen auf den 28. Mai.
Bauausstellung eröffnet.
2000 Gäste bei der Eröffnungsfeier.
Mit einem feierlichen Festakt wurde heute vormittag am Kaiserdamm die Deutsche Bauausstellung eröffnet. Vor dem Eingang zur Ehrenhalle hatte sich zahlreiches Publifum verfammelt, um die Auffahrt der Prominenten zu sehen. Zur Feier hatten sich nahezu 2000 Ehrengäste eingefunden. Die mit den schmückte Vorhalle reichte für die Unterbringung der vielen Gäste nicht aus, so daß noch angrenzende Räume hinzugenommen werden mußten.
Wie von Anfang an vermutet wurde, standen die Fensterstürmer unter einheitlicher Leitung. Das ist durch die er schen Charakters der Tagesordnung hatten sich die Sozialisten der Flaggen und Wappen aller 23 ausstellenden Länder feftlich gefolgten Festnahmen, Berhöre und Zeugenvernehmungen nun flar erwiesen. Die Berliner „ Stürme" 4, 9 und 13 sind überführt, geschlossen an dem Sturm auf das Café Dobrin teilgenommen zu haben.
Kopenhagen , 9. Mai. Bei starkem Nebel ist in der Nacht auf Sonnabend 3 Uhr südlich von Gjedser der Hamburger Dampfer„ Hugo Stinnes V" nach einem Zusammenstoß mit dem englischen Dampfer ,, Pacific" unter
gegangen.
Ueber das Unglüd liegen folgende Einzelheiten vor: Der eng lische Dampfer Pacific" war auf der Reise nach Danzig , als er den deutschen Dampfer Hugo Stinnes V" rammte. Der Hugo Stinnes " tenterte sofort nach dem Zusammenstoß und sant. Die Mannschaft fonnte jedoch noch in die Rettungsboote ge langen. Der Engländer bekam ebenfalls ein großes Led und starte Schlagfeite, so daß es im ersten Augenblick ausfah, als ob auch dieses Schiff untergehen würde, weshalb die englische Mannschaft sofort in die Boote ging und von der Unglücksstelle fortruderte. Von Gjedser eilte der dänische Rettungsdampfer Aegir" zur Unglücksstelle. Bon Swinemünde wurde funftelegraphisch der Rettungsdampfer Seelöwe" angefordert. In unmittelbarer Nähe der Unglüdsstelle befand sich der deutsche Dampfer Emsstrom", der die beutsche Mannschaft an Bord nahm
Der Abstimmung ging eine lange Debatte voraus, in der die Redner der verschiedenen Frattionen ihren Standpunkt auseinandersezten. Die wichtigste Erklärung wurde von dem radikalen Führer Herriot abgegeben. Herriot verurteilte zwar die von Franklin- Bouillon befürwortete Bündnispolitik, die schon zu fo vielen Kriegen geführt habe, aber er führte aus, daß die deutsch österreichische Zollvereinbarung gerade von den Pazifisten am schärfsten bekämpft werden müsse. Der Anschluß Oesterreichs an Deutschland sei unzulässig, weil er eine Verlegung der Verträge barstelle, und weil es keinen Frieden ohne eine aufrichtige und enge Wiederannäherung zwischen Frankreich und Deutschland geben könne. Wenn Frankreich heute nachgebe, werde man schließlich soweit fommen, daß von den Verträgen überhaupt nichts mehr übrig bleibe. Die Völker, die auf Anwendung von Gewalt verzichtet haben, hätten nur eine Garantie:„ Die Solidität der Verträge." Durch diese Erklärung Herriots, die den auf die Berurteilung des deutsch - österreichischen Zollabkommens bezüge lichen Teil der Tagesordnung unterstrich, wurde es den Sozialisten, die die Politik Briands gern gebilligt hätten, unmöglich gemacht, für die Tagesordnung zu stimmen. Der Abgeordnete Grumbach
setzte den Standpunkt der Sozialisten auseinander. Er erklärte, es bestehe vorläufig nur die Absicht, ein Zollbündnis durchzuführen, aber es liege noch keine Verlegung der Berträge vor. Da das Abkommen dem Völkerbund unterbreitet sei, wäre es von feiten der französischen Kammer untorrett, schon jetzt ein Ure
Den Eröffnungsakt, der pünktlich um 10 Uhr begann und auf alle deutschen Sender übertragen wurde, leiteten Darbietungen des Berliner Symphonie- Orchesters ein. Dann sprach Oberbürger meister Dr. Sahm, der betonte, daß die Bauausstellung eine Rechtfertigung der Berliner Ausstellungspolitik ist. Der Beranftaltung kommt gerade für die Ueberwindung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise eine besondere Mission zu, denn sie lenkt die Augen der gesamten Deffentlichkeit auf die beherrschende Schlüsselstellung, die dem Baugewerbe innerhalb der Volkswirtschaft zukommt. Noch in jeder Wirtschaftstrife ist eine Belebung der Bautätig. feit als das zwed mäßigste Mittel zur Behebung der Arbeitslosigkeit benutzt worden. Wir dürfen nicht vergessen, daß neben der vermehrten Herstellung von Wohnungen, die in folge der Nachwirkungen der Stagnation während des Krieges und nach dem Kriege, notwendig geworden ist, es nicht unterlassen werden darf, die vorhandenen alten Wohngebäude zu fanieren. Hier ist eine Aufgabe von unerhörter Dringlichkeit gegeben.
Nach Dr. Sahm sprach als Vertreter der Reichsregierung der Arbeitsminister Dr. Stegerwald, der in der Hoffnung, daß die Bauausstellung mit dazu beitragen möchte, die Nöte unseres Boltes zu lindern, die Ausstellung namens der Reichsregierung eröffnete. Als dritter Redner nahm für die preußische Regierung Staatsminister Dr. Steiger das Wort, der sich besonders über das ländliche Siedlungswesen verbreitete. Bekanntlich bleibt ein Teil der Ausstellung auf dem Freigelände als Dauerschau für die alljährliche Grüne Woche erhalten. Als letzter sprach Baurat Dr. Riepert als Borsigender des Vereins Bauausstellung.