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Nr. 216 48. Jahrgang

rama M1. Beilage des Vorwärts

-Verlagne Hauser

Sonntag, 10. Mai 1931

フォン

Wir sind heute Zeugen der merkwürdigsten Erscheinungen: die Steigerung der Produktivität der Arbeit, früher ein Segen, ist zu einem Fluch für die Menschheit geworden; zu Bergen türmen sich die unverkäuflichen Waren, denen Millionen von Menschen gegenüberstehen, die diese Waren wohl bitter benötigen, aber nicht kaufen können. Wie im großen, so im kleinen. Wir brauchen nur die Entwicklung am Berliner Wohnungsmarkt verfolgen und finden ähnliche groteske Verhältnisse. Hundert­tausende Menschen sind in die Listen der Wohnungsämter eingetragen und die Aussichten, eine Altwohnung zu bekommen, sind gering genug. Aber nicht weit vom Zentrum der Stadt steht ein halber Stadtteil leer. Fast entoölkert ist der alte Westen, kaum ein Haus, in dessen Vorgarten nicht ein Pfahl stünde, der traurig kündet: Hodherrschaftliche 10- Zimmer- Wohnung sofort zu vermieten. Aber wenn es nur immer Wohnungen wären, die zu vermieten sind, viel schlimmer. Ganze Häuser sind verlassen, das heißt sie sind nicht herrenlos, das nicht, einen Besitzer haben sie schon, aber keinen Mieter. Dabei ist dieser alte Westen in seiner Abgeschiedenheit, die noch vergrößert wird, meil jedes Haus in einen Garten eingebettet liegt, heute noch eine sehr, sehr noble Angelegenheit, aber so weit wir uns dieser Tage umsahen, hat wohl Dahlem das bessere Los gezogen. Worauf hoffen Sie eigentlich?" fragten wir eine Frau. Auf eine Gesandtschaft", war die Antwort. Als ob es so viele Gesandtschaften gäbe moie leere Villen im Westen.

Stadtteil ohne Mieter.

Die Flucht aus dem alten Westen muß natürlich einen Grund haben. Es könnten die lärmenden Automobile sein, die in endloser Kette in Richtung Zentrum- 300 und umgekehrt am Rande des Tiergartens porbei sich durch den alten Westen schlängeln. Mein Mann hat neulich wieder einmal die Autos gezählt", sagt die Portierfrau einer leerstehenden Villa in der Hizigstraße ,,, es waren ungefähr tausend in einer Stunde. Vor dem Kriege hatte er auch einmal gezählt, da waren es zweihundert am Tag." Das ist gewiß eine bemerkenswerte Entwicklung, aber wer im Glashaus sitzt, wird nicht mit Steinen werfen, und wer selbst ein Auto hat, tann sich schwer darüber aufregen, daß der Wagen des Nachbars rattert und fnattert. Die Autos sind es auch gar nicht, was die Flucht bewirkt hat, das ist etwas ganz anderes, nämlich was heutezutage jeder Neubau hat, aber nicht jede Billa im alten Westen: Komfort. Da steht eine Etage in der Budapester Straße leer. Es handelt sich um die übliche Zehnzimmerwohnung, die es wie Sand am Meer gibt, nur dieses Haus scheint ganz besonders eigenartig gebaut zu sein, die zehn Zimmer liegen in anderthalb Stodwerfen. Der Miet­preis ist ,, billig", er beträgt 5000 Mark pro Jahr, also 416 Mark pro Monat. Wir. fagen billig, nämlich im Berhältnis zu den Mieten für andere Wohnungen. Es fommen genug Anfragen, aber wenn den Reflektanten dann eröffnet werden muß: Bedauerlicher­weise haben wir feinen Fahrstuhl, nein, Zentralheizung auch nicht", dann ist der Fall erledigt. Nicht weit von diesem Haus ist eine Garage zu vermieten. Kostenpunkt 120 Mart im Monat. Das ist gerechnet für zwei Wagen, die können aber nicht nebeneinander stehen, wie das selbstverständlich ist, sondern die stehen hinter­einander, wie in einen Schlauch gesteckt. Wenn der hintere Wagen heraus foll, muß der vordere erst herausgeschoben werden. Das nur nebenbei. Hat aber ein Haus auch nur den Komfort vergan gener Jahrzehnte, einschließlich Zentralheizung, die ja nicht erst in Zehlendorf entdeckt worden ist, dann schnellen die Mieten sprunghaft in die Höhe. Eine Siebenzimmeretage in der Hitzigstraße foftete 6000 Mark Jahresmiete, die andere Etage des Hauses besteht aus acht Zimmern, aber jetzt sollen die beiden, Etagen nicht mehr ge­trennt vermietet werden, sondern das ganze Haus für 25 000 Mart per Anno. Und in der Corneliusstraße steht eine Vierzehnzimmer­wohnung leer, für die waren bei 11 800 Mart Jahresmiete monat­lich 985 Mart aufs Brett zu zahlen. Ohne Licht, ohne Gas, ohne Heizung, ohne Dienstbotenlohn, was auch bezahlt sein wollte. Die Publikation derartiger Mietfäße grenzt beinahe an Aufreizung zum Klassenhaß.

Das Leben ist eine Rutschbahn.

Jetzt kommt die andere Seite der Flucht aus dem alten Westen. Nämlich wie wir da und dort hörten, scheinen die Geldsäcke nicht mehr so prall wie einst herumzustehen. Es geht natürlich nicht gleich allen Leuten so wie dem Italiener, der für seinen schönen Wagen die Garagenmiete nicht mehr bezahlen kann und deshalb den Wagen Tag und Nacht auf der Straße parten läßt. Ganz so vereinzelt stehen derartige Fälle allerdings nicht da, so sagte der Parkwächter eines bekannten Hotels in der Budapester Straße: ,, Gewiß fommen solche Leute auch zu mir und wollen ihren Wagen ständig hier auf der Straße parken lassen, aber darauf lasse ich mich nicht ein." Es ist schon lange am Kurfürstendamm nicht alles Gold, was glänzt. Um nun auf die 985 Mart Monatsmiete zurückzu­tommen: Dieser Mietezahler war ein Bankier, hatte einen Diener, eine Kammerjungfer, eine Köchin und zwei Mädchen. Der Mann mußte sich einschränken, er hat heute eine bedeutend kleinere Woh nung und begnügt sich mit einem Mädchen. Ueberhaupt, wenn man die Angelegenheit des alten Westens von der Seite des Personals sehen will, dann ist sie mehr als traurig. Entlassungen über Ent­lassungen sind in den letzten zwei Jahren erfolgt, an Dienern, Por tiers und Chauffeuren, und wer von den Portierleuten seine Brot­stelle halten konnte, dem wurde der Lohn gekürzt, da die Arbeit

PREIS REKORDE

geringer geworden sei, weil die Leute alle weggezogen sind. Und wird wirklich einmal eine der leerstehenden Wohnungen wieder vermiefet, dann bringen sich die neu einziehenden Herren ihre eigenen Diener, Jungfern und Chauffeure mit. Die alten sitzen auf dem Nachweis. Es ist überall traurig. Ein anderer Mann aus einer feinen, alten Straße, der veranstaltete Auktionen. Bis er eines Tages die schwere Miete nicht mehr aufs Brett zahlen fonnte; heute wohnt er wieder möbliert. Aus der Traum. Natürlich sterben auch Leute im alten Westen. So steht am Lützowufer eine Wohnung leer, die bewohnte ein alter Professor, der in der Gegend der Giftmischer" hieß. In Wirklichkeit war der Mann Kon­servator beim Aquarium, von wo er die Tiere bekam; aber als er starb, riß sich kein Mensch ein Bein aus nach seiner Wohnung. Wenn dagegen in der Schönhauser Allee eine betagte Tante das 3eitliche segnet, schleichen die Verwandten um die begehrte Alt­wohnung herum. Man fragt einen Hausbesizer in der Budapester Straße: Warum machen Sie denn aus Ihren unvermietbaren Großwohnungen teine fleineren Wohnungen?" Da sagte der Mann:

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Massenfest

der Arbeitersänger!

Heute, Sonntag, 162 Uhr, im Neuköllner Stadion

Vortragsfolge:

Orchester Berliner Konzertverein Leitung: G. O. Schumann Männermassenchor des Gaues

Leitung: Dr. Seb. Strelitzer Festspruch: ,, Unser Lied"

gesprochen von Martha John Begrüßungsworte

Bundesvorsitzender Karl Klauder Orchester Berliner Konzertverein Leitung: G. O. Schumann Gemischter Massenchor des Gaues Leitung: G. O. Schumann

Festansprache

Landtagspräsident Friedrich Bartels Orchester Berliner Konzertverein Leitung: G. O. Schumann Neuform und Neugestaltung von Volksgesang und Volkstanz Rosebery d'Arguto

Männerchőre mit Orchester Leitung: Wilhelm Knöchel

Festspiel ,, Rotes Lied"

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Aufbau und Gesamtleitung: Martin Gleisner, musikalische Leitung: G. O. Schumann Sprechgemeinschaft Niederschön­hausen, Leitung: Karl Hahn Bewegungschöre, gebildet aus Turn- und Sportgenossen, Kindern der weltlichen Schulen und Kinderchören des Gaues- Orchester des Deutschen Musikerverbandes Beginn gegen 20 Uhr

Eintrittspreis inkl. Festschrift und Plakette 60 Pfennig

grauen Federn

,, Machen mir ja, demnächst soll der Umbau losgehen." Und welche Miete wollen Sie dann haben?" Für die Wohnung nach vorne heraus 200 Mark, für die anderen nach hinten 100 Mart." Dabei machte der Mann aber ein Gesicht, als ob er sein Haus verschenkt. Nun ist ja das eine wahr: famisch genug gebaut sind die Häuser im alten Westen. Nach vorne heraus knapp zwei Zimmer, alles andere nach hinten gedrängt und an dunklen Korridoren liegend. So leicht lassen sich da Umbauten eben nicht vornehmen. 200 Mark Monatsmiete für eine Dreizimmerwohmung ohne modernen Kom­fort ist zuviel, da dürfte Zehlendorf oder Frohnau wohl konkurrenz­fähiger sein. Trotz der weiteren Entfernung.

Altwohnungen im Hintertreffen.

Es ist überhaupt eine eigene Sache mit den größeren oder mittleren Altwohnungen. Nur ein Beispiel. Ein Beispiel, das

jeden Tag in Berlin tausendmal wiederholt werden kann: eine Familie in einem Neubauvorort will ihre Neubauwohnung gegen eine Altwohnung in der Stadt eintauschen, in der Hoffnung, dadurch erheblich an Miete sparen zu können. Die Leute sind in einer ganz besonders günstigen Lage, da ihnen das Wohnungsamt Dreizimmer­Altwohnungen nachweist; wegen Krankheit standen sie schon früher in der Bordringlichkeitsliste. In furzer Zeit meist das Wohnungs amt auch 17 Wohnungen nach: Man sieht sich die Wohnungen an, vergleicht und denkt nicht mehr daran, aus der Neubauwohnung wegzuziehen. Denn die Dreizimmer- Neuwohnung foſtet 95 Mart plus 20 Mart für Zentralheizung und Warmwasser, das find 115 Mart. Die Dreizimmer- Altwohnungen sollten zwischen 79 und 93 Mart Monatsmiete tosten, natürlich ohne Zentralheizung und ohne Warmwasser; der Durchschnittspreis hätte sich knapp unter 90 Mart bewegt. Im Nordosten der Stadt, zwischen Lärm und Staub. Aber das soll nicht einmal das Entscheidende sein, der Unterschied zwischen Gesundbrunnen und Karlshorst . Wesentlich ist, daß die Altwohnungen faft ausnahmslos derart herunter­gewohnt sind, daß sie ohne gründliche Renovierung nicht bezogen werden können. Und die Renovierung einer Dreizimmer- Alt­wohnung einschließlich neuer Dielen und neuer Fensterkreuze toftet immerhin 600 bis 700 Mark. Aber selbst eine renovierte Altwohnung hat noch nicht die Annehmlichkeiten einer Neuwohnung. Folgender Tausch ist heute üblich: die Vierzimmer- Altwohnung, die über 100 Mark toftet, gegen die Dreizimmer- Neuwohnung für denselben Preis. Da wird auf ein Zimmer verzichtet und für das eine Zimmer werden eingetauscht: Badezimmer, Zentralheizung, Warmwasser­versorgung, ein Hof, der ein Garten ist gegen die Burgverließe in den alten Wohngegenden. Und noch vieles andere mehr. Was nügen die Säle in den Altwohnungen, die im Winter doch nur Eiskeller find.

Ende der Mietfaserne.

Bei nüchterner Betrachtung muß noch ein weiteres under­ständlich bleiben: das abgemietete Leerzimmer. Da haben Menschen in alten verwohnten Gegenden eine größere Wohnung; so gut fich die Leute einst wirtschaftlich standen, so schlecht geht es ihnen heute. Sie vermieten. Und bekommen 50 Mart Monatsmiete für ein Leer= zimmer. Ueberall war dies bei dem letzten Umzugstermin am 1. April zu beobachten; bis zu 65 Mark wurden für derartige, nach dem Hof liegende Zimmer verlangt. Und bezahlt. Da die Ein­ziehenden sich ihre Möbel mitbringen, wird so leicht nicht zu er­gründen sein, warum sie nicht einer Anderthalbzimmer- Neuwohnung den Vorzug geben, wo die Familie den berühmten eigenen Herd hätte, der Goldes wert ist. Wenn wir dann zum Schluß noch er­wähnen, daß der Mietpreis für Einzimmer- Altwohnungen heute beinahe auf 40 Mart heraufgeschraubt ist, dann beweist dies nur mit aller Deutlichkeit, wie sich die Mietkaserne langsam aber sicher das verdiente eigene Grab gräbt. Nicht einmal die parfumrandeten Billen des alten Westens haben im Kampf gegen die Garten­siedlungen der Vororte bestehen können.

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