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BERLIN Montag 11. Mai

1931

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Donhoff 292-297

Spätausgabe des Vorwärts

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10 Pf.

Nr. 217

B 109 48. Jahrgang

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Madrid gegen Monarchisten

Monarchistische Provokateure rufen Unruhen hervor

Madrid , 11. Mai. ( Eigenbericht.)

Am Sonntagmittag fam es in der Nähe der Hauptpost zu schweren Zusammenstößen zwischen monarchistischen Provokateuren und Republikanern. Bis in die späten Abendstunden gab es dann immer wieder neue Protest. fundgebungen der Republikaner . Im ganzen wurden mehrere Personen verlegt und mehrere Zeitungskioske rechtsstehender Blätter verbrannt.

Als eine Gruppe Monarchisten nach einer Wahlversammlung unter Hochrufen auf die Monarchie durch die Straßen zogen, rief ihnen ein Chauffeur entgegen: ,, Es lebe die Republit!" Sofort fielen mehrere Monarchisten über ihn her und schossen ihn schließ= lich nieder. Konzertbesucher, die aus dem Stadtpark tamen, eilten dem Chauffeur zu Hilfe und drängten die Provokateure in ihr Vereinslokal zurüd. Zugleich murden

vier Wagen monarchistischer Führer verbrannt, darunter auch der Wagen des Direttors der rechtsradikalen Zeitung ,, ABC." Da Grund zu der Befürchtung war, daß das Gebäude dieser Zeitung in Brand gestellt werden sollte, wurde die republikanische Zivilgarde aufgeboten, die beruhigend auf die Demonstranten einwirkte. Immer hin wurden zwei Zeitungsfioste, davon einer der klerikalen Zeitung ,, Debate ", die in letzter Zeit wiederholt die Republik und die Minister

Roles Lied"

Massenchor des Deutschen Arbeiter- Sängerbundes

heftig angegriffen hatte, verbrannt.. Ein Erminister des Kabinetts Die Feierstunden der Arbeiterfänger, herausgeschlagen aus dem Alltag der Arbeit und der Arbeits­Berenguer, der zufällig in eine Demonstration hineingeraten und losigkeit endeten und gipfelten in einem grandiosen Volksfeft, Sonnlagnachmittag und-abend im Berenguer, der zufällig in eine Demonstration hineingeraten uns erkannt worden war, wurde verprügelt. Abends gegen acht Uhr zog die immer größer werdende Menge Stadion Neukölln. Massenchöre, Orchestervorträge, Volksgefang, Volkstanz, Ansprachen; zum Schluß zum Innenministerium, wo der Innenminister vom Balkon zur das neue Festspiel Roles Lied". Taufende von Mitwirkenden, rundherum unübersehbar die Menge Beruhigung und zur Beendigung der Kundgebungen mahnte; man begeisterter Zuschauer und Zuhörer, es mögen, knapp gerechnet, 40-50000 gentesen sein. Ein über müsse am Montag die Arbeit geschlossen wieder aufnehmen. Unterwältigender Eindruck. Es wird noch mehr darüber zu sagen sein. Noch nie ist in Berlin solch deffen war der

Straßenbahnverkehr eingestellt und auch der größte Teil der Autodroschten aus dem Verkehr zurückgezogen

worden. Tausende und aber Tausende zogen, zum Teil mit roten Fahnen und Transparenten, in denen die Entwaffnung der 3ivilgarde gefordert wurde, bis in den späten Abendstunden durch die Straßen. Ernsthaftere Zwischenfälle waren jedoch nicht mehr zu verzeichnen.

Eine um 2 1hr nachts erlassene Regierungserklärung sagt, daß durch die unmotivierten Schüsse aus dem Gebäude des ABC" zwei Bersonen verwundet worden sind. Um ein Uhr nachts wurden hei einer Durchsuchung des Gebäudes der Zeitung eine Anzahl Waffen gefunden. Das Gebäude wurde gerichtlich beschlagnahmt, so daß die Zeitung zunächst nicht erscheinen fann. Gegen den Direktor Marquis Luca del Tena ist Haftbefehl erlassen. Er ist bisher nicht auffindbar.

Die Regierung hat Anweisung gegeben, den Prozeß wegen der Borgänge noch während der Nacht zu beginnen und mit äußer­fter Beschleunigung durchzuführen. Insgesamt wurden bis jetzt 12 Personen verhaftet, darunter zwei bekannte Monarchisten, die hinter den Bäumen der Straße hervor auf die Menge ge­schoffen haben.

Sie wurden mit der Waffe in der Hand festgenommen. Die Regierung mahnt die Bevölkerung dringend, keine neuen Demonstrationen zu beginnen. Sowohl gegen monarchistische als auch äußerstlinke Versuche, die Ruhe zu stören, will sie sehr energisch einschreiten.

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Kommunisten follen einige Waffenläden ausgeraubt und aus den Waffen auf Gendarmen geschossen haben. Als der Minister vom Balkon an die riesige Bolksmenge auf der Puerta del Sol eine Ansprache hielt, verwundete ein Mann einen neben ihm Stehenden durch einen Revolverschuß schwer. Je­doch wurde der Täter von der Menge gelyncht, bevor Polizei eingreifen fonnte.

Wahlvorbereitung.

Madrid , 11. Mai. ( Eigenbericht.) Am Sonnabend und Sonntag wurde in Spanien die Berichti gung der Wählerlisten durchgeführt. In Madrid erfolgten allein am Sonnabend 25 000 Korrekturen. Der Generalstaatsanwalt hat fämtliche ehemaligen Minister des Kabinetts Primo de Rivera wegen Pflichtvergessenheit unter Antlage gestellt.

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ein Fest gefeiert worden! K, P.

Neuer Brotpreisffandal?

Brotfabrikanten halten die Preise hoch/ Regierung hat mit ihnen nicht verhandelt

Die Reichsregierung hat verkündet, daß spätestens am 18. Mai der Berliner Brotpreis 47 Pfennig betragen und bald darauf auf 46 Pfennig gesenkt werden soll. Die Berliner Brotfabri­tanten sollen aber nicht daran denken, mit ihren Brotpreisen eben falls entsprechend herabzugehen. Wenn der alle Preis, auf den die Regierung fich verpflichtet hat, wieder hergestellt wird, so fürfte bei den Fabriken höchstens ein Preis von 48 Pf. gelten. Heute aber foll noch ein Preis von 52 Pf. beiden Brotfabrikanten die Rede sein und wenn nichts geschieht, wird er bei mindestens 50 Proz. des in Berlin verbrauchten Brotes bei der Brotteuerung bleiben, obwohl die Regierung einen Preis von 47 bzw. 46 Pf. ver­sprochen hat.

Dieses traurigen Rätsels Lösung liegt darin, daß nach unserer Kenntnis mit den Brotfabrikanten überhaupt nicht verhandelt worden ist. Es ist zwar anzunehmen, daß auch den Fabriken aus den staatlichen Roggenbeständen ebenso wie den Bäckern das verbilligte Mehl geliefert werden kann, aber über die Preise ist von der Regierung überhaupt nichts festgelegt worden. Die Regierung, d. h. Herr Schiele, hätte verhandeln fönnen und müssen, zumal es sich um höchstens ein Dutzend Fabriken handelt, die man freilich sämtlich zu den Verhandlungen hätte heran­ziehen müssen, da ja der preußische Handelsminister im November vorigen Jahres, als die Brotfabrikanten den Preis von 46 Pf. zu atzeptieren sich weigerten, die Kartellverordnung gegen die Fabrikanten angewendet hat, wodurch jede Preisvereinbarung aus­geschlossen wurde.

Ganz zweifellos hätten die Fabrikanten selbst die Möglichkeit, ebenso billig zu sein wie die Bäcker. Das beweisen die niedrigeren Preise beispielsweise der Firmen Goldacker, Aschinger, Hanke und anderer. Die Fabrikanten faufen im Großen ein und sind von den Mehhändlern unabhängig.

Die Regierung hätte also die Pflicht gehabt, diese Möglichkeiten bei den Fabrikanten zur Sicherung des alten Preises auch beim Die spanische Regierung hat das Ersuchen Trogfis um Ein Fabritbrot auszunügen. Wir stehen aber vor einer neuen Fahr reifeerlaubnis in Spanien abschlägig beschieben. lässigkeit des Reichsernährungsministers Shiele

und vor einem neuen Beweis der völligen Unzweckmäßigkeit des von ihm angewandten Systems, um der schönen Augen der Agrarier willen die einfachsten, von der Sozialdemokratie gewiesenen Wege zur Brotpreisfenfung zu umgehen. Bir fragen auch heute wieder: wie lange mill der Reichstanzler Brüning dem System Schiele, dessen Erfolg jo zweifelhaft ist, mit gefreuzten Armen zusehen?

Um Kürtens Kopf.

Die Urteilsbegründung im Kürten Prozeß dem Gnadens beauftragten zugeleitet.

Düffeldorf, 11. Mai.( Eigenbericht.) Wie wir erfahren, ist die schriftliche Urteilsbegründung im Mordprozeß Peter Kürten dem Gnadenbeauftragten zur Stellungnahme zugegangen. Die Stellungnahme des Gnadenbeauf tragten wird dem preußischen Justizministerium zuge­leitet werden, das dann dem preußischen Staatsministe. rium seine Ansicht über die Frage darlegen wird, ob das Todes­urteil gegen Peter Kürten vollstreckt werden soll oder ob er be­gnadigt werden soll. Demnach dürfte das Staatsministerium in der Lage sein, diese Frage in etwa vierzehn Tagen zu erledigen..

Schüsse auf Profeffor Günther.

Das blödsinnigfte aller Attentate.

Der Raffeforscher" Hans F. K. Günther, den Frid zum Professor gemacht hatte, dessen Abbau aber bevorsteht, ist in der Nacht zum Sonntag in Jena durch Schüsse, die ein junger Mann auf ihn abgab, leicht verlegt worden. Der Schüße entfam in der Dunkelheit unter Hinterlassung eines weggeworfenen Revolvers. Hoffentlich gelingt es, den Täter zu ermitteln und damit das Rätsel zu lösen, wie es zu diesem blödsinnigsten aller Attentate ge­tommen ist.