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Morgenausgabe

Nr. 218

A 110

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

12. Mai 1931

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Briand fandidiert.

Für die Präsidentschaft der französischen Republik.

Paris , 11. Mai.

Wie Havas mitteilt, hat Außenminister Briand dem Drängen seiner politischen Freunde nach gegeben und sich bereit erklärt, für die Präsidentschaftswahlen zu

kandidieren.

V. Sch. Paris , 11. Mai. ( Eigenbericht.) Briand hat, wie man seit einer Woche allgemein erwartete, die

ihm angebotene Kandidatur für die Präsidentschaft der Republik heute abend endgültig angenommen. Bis zuletzt hatte sich der schlaue Taftifer und hervorragende Kenner der Stimmung im Par lament hartnädig geweigert, feine Entscheidung offiziell bekannt zu geben. Er wußte nur zu gut, daß er durch einen vorzeitigen Entschluß die Wühlarbeit seiner zahlreichen und erbitterten Gegner nur erleichtern würde, er wollte, um volkstümlich zu sprechen, nur bei Nummer sicher" gehen. Allein die Tatsache, daß er jetzt zugefagt hat, bedeutet eigentlich, daß seine Wahl durch die in Versailles als Kongres versammelten Senatoren und Deputierten so gut wie sicher ist.

Ein merkwürdiges, unerwartetes, in seinen Ursachen und Zu­sammenhängen nicht ganz flares 3mischenspiel am heutigen Tage hätte beinahe Briand veranlaßt, feine Kandidatur abzulehnen. Gerade ein Teil der Radikalen Partei, also der eigentlichen bürger lichen Linksgruppe, erhob Bedenken gegen eine Festlegung zugunsten Briands. Radikale Führer wie Serriot und Dalabier hatten geltend gemacht, daß ein Mitglied der eigenen Partei, nämlich der Senatspräsident Baut Doumer feine Kandidatur bereits angemeldet hat. Nun ist Doumer zwar seit einigen Jahren angeb I ich Mitglied jener Gruppe der demokratischen Linken, die im Parlament als Barteivertretung der Radikalen gilt. Aber nach seiner ganzen Bergangenheit fällt es schwer, in ihm einen Exponenten der Linken zu erbliden. Bereits vor genau 25 Jahren war Doumer der unglüdliche Kandidat der Rechtsparteien zur Präsidentenwahl von 1906.

Damals unterlag er gegen den Kandidaten der Linten Fallière. Mag er sich auch seit dem Kriege etwas nach links entwidelt haben, es wäre geradezu ein Wig, wenn man ausgerechnet ihn als Expo­nenten der Linfen gegen Briand bezeichnen würde. Diesen Wiz aber haben sich sonderbarerweise Herriot und Daladier zunächst wenigstens andeutungsweise geleistet. Man kann sich ihre Beweggründe schwer erklären, und so ist die einzige Erklärung, die man überall dafür hört, daß

Herriof auf Briand eifersüchtig sei und ihm den höchsten Poften im Staate nicht gönne. Indessen ist es den anderen radifalen Führern, insbesondere Malvy und Caillaug, gelungen, Briand dennoch zu bewegen, sein Ja endlich auszusprechen. Die Bedenten, die Briand dabei aus­gesprochen haben soll, braucht man nicht allzu schwer zu nehmen: das waren die selbstverständlichen Widerstände eines Mannes, der

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den Eindruck ermeden will, als bringe er ein schweres Opfer durch die Aufgabe jenes Ministeriums des Auswärtigen, das er schon seit sechs Jahren ununterbrochen verwaltet, und durch das er einen Beltruf erlangt hat. Aber man geht wohl nicht fehl in der An­nahme, daß der fast fiebizjährige Briand den ehrenvollen Ruheposten des Staatspräsidenten sehr gern bekleiden wird.

Der Verfuch, der auf Beranlassung Briands selber am Abend unternommen wurde, Doumer zum Verzicht auf seine schon gemel dete Kandidatur zu bemegen, ist gescheitert. Es wird also in Ver­failles zum Kampf fommen. Der Ausgang dieser Kraftprobe ist taum zweifelhaft. Doumer hofft zwar noch immer; denn

die gesamte Rechte hat ihn jeht zu ihrem Schildhalter bestimmt, und er, der angebliche ,, Radikale", läßt es sich gefallen. Er glaubt, daß es ihm möglich sein wird, den Präzedenzfall von 1924 zu wiederholen, bei dem es einem Mann der Linken, Gaston Dou mergue, gelang, mit Hilfe der gesamten Rechten und eines Teiles der Linten gegen den Kandidaten des Linksfartells, Painlevé , durchzukommen. Aber wenn nicht alles täuscht, dürfte diese Rech­nung fehlgehen: die zahlreichen persönlichen Sympathien, die Dou­mergue besonders unter den linksgerichteten Senatoren und Ab­geordneten aus Südfrankreich befaß, dürften Doumer diesmal nur vereinzelt zugute tommen. Der ehrwürdige, aber farblose und langweilige alte Herr wird fast ausschließlich von der Reattion unterstügt werden. Das wird taum ausreichen, nicht einmal um einen zweiten Wahlgang zu erzwingen. Denn ernstzunehmende meitere Kandidaturen find bisher nicht vorhan den Daß der Kognaffabritant ennesin, ehemaliger Bot­schafter in Bern und Landwirtschaftsminister, ſeine Kandidatur auf gestellt hat, ist eine sonderbare Geist esperirrung. Als stein reicher Mann mag er ein oder zwei Dugend Freunde bewegen können, für ihn zu stimmen, das dürfte aber ebensowenig wie die 3ähltandidatur der kommnuisten, die bestenfalls ein Duzend Mann aufbringen werden, ausreichen, um eine Stichmahl herporzurufen. Man rechnet daher heute allgemein mit einem Zwei­tampf Briand Doumer , der bereits im ersten Wahlgang zugunsten Briands, zwar nicht mit überwältigender, aber doch

mit einer ficheren Mehrheit entschieden werden

wird. Nur dann, wenn wider Erwarten ein zweiter Wahlgang zustande fäme, mären Ueberraschungen noch möglich. Die Sozia. listen, die erkannt haben, daß es vor allem gilt, die Reaktion zu schlagen und gefährliche Manöver bei einer Stichwahl zu verhin dern, werden zweifellos auf die in früheren Zeiten übliche 3ähl fandidatur im ersten Wahlgang ganz verzichten und ihre faft 130 Stimmen 110 Deputierte und 20 Senatoren von vornherein für Briand als den Todfeind der Nationalisten in die Waagschale werfen. Sie legen damit mehr realpolitische Einsicht und Gradlinigkeit an den Tag, als jener Teil der Radikalen, dessen Haltung am heutigen Tage reichlich verworren und zwei­deutig gewesen ist. este

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Klöster brennen in Madrid .

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Belagerungszustand.- Die Extreme rechts und links arbeiten Hand in Hand.

Madrid , 11. Mai. ( Eigenbericht.) Die Unruhen vom Sonntag nahmen am Montag mit immer ernsterem Charakter ihren Fortgang. Die Bolts­wut richtete sich in erster Linie gegen die kloster. Am Montag­nachmittag standen sechs Klosterkomplexe in Flammen, darunter die Hauptrefidenz der Jesuiten auf der Grania.

Der in Permanenz tagende Ministerrat beschloß am Montag nachmittag, in Anbetracht der durch die monarchistischen Provolatio­nen hervorgerufenen Unruhen, den Belagerungszustand zu verhängen und die Börse zu schließen. Um zwei Uhr ließ die

Regierung erklären, daß sie mit aller Schärfe durchgreifen werde und sich dabei insbesondere auf die hinter ihr stehenden poli­fischen Parteien und Gewerkschaften ſtützen werde. Die Regierung hat Beweise dafür, daß die Unruhen von rechts organisiert wurden und die Monarchisten mit fommuniffischen Elementen im Einvernehmen standen. Die sozialistische Partei und die Gewert­schaften forderten ihre Anhänger am Montagnachmittag zur fo­fortigen Wiederaufnahme der Arbeit auf.

suchung der Konnents- und Zeitungsgebäude nach Waffen und so. fortige Bildung eines. Volfstribunals. Falls die Regierung den Forderungen der Massen nach gerichtlicher Aburteilung der Borfommnisse am Sonntag nicht nachtomme, seien die Massen nicht zu halten. Der Unterrichtsminister versprach die sofortige Wieder verhaftung des Generals Berenguer, die Auflösung des obersten Kriegsgerichts, das die Freilassung Berenguers durch gelegt hatte, und die Aburteilung der Minister der Diktatur. Reise nach Genf unterbrochen und zurückgekehrt.

Paris , 11. Mai..

Wie Havas aus Madrid berichtet, hat Außenminister 2er roug, der mit der spanischen Delegation nach Genf abgereift war, in Balladolid seine Reise unterbrochen, als er von den Borgängen in Madrid hörte. Er ist nach der Hauptstadt zurück getehrt 3 DEST

Elettrizitäts- und Wasserwerke besetzt.

Paris , 11 Mai.

Während des Ministerrats erschien eine durch den Freund Wie Havas aus Madrid berichtet, hat der Generalfapitän die Francos, den Mechaniker Rada, geführte Abordnung, die folgende Elettrizitätswerte, die Wafferwerte und andere Ge­Forderungen stellte: Sofortige Auflösung der Guardia Civil, Durch| bäude öffentlichen Interesses durch Truppen besehen lassen.

Schachts Geschoß.

Zur Umgründung der Berliner Elektrizitätswerte. Gestern mittag um 12 Uhr fand im Gigungsfaal der Preußischen Staatsbant( Seehandlung) die Gründung der Berliner Kraft und Licht A.-G. statt. Als Gründer wurden eingetragen die Stadt Berlin , die Preußische Staatsbant, die Reichstredit 2.-G., die Preußische Elettrizitäts A.-G. und die Elettromerte A.-G.

Die gestern mittag erfolgte Gründung der Berliner Kraft- und Licht A.-G. wird als ernstes und bedeutsames Er­eignis in die Berliner Geschichte und in die Geschichte der öffentlichen Wirtschaft in Deutschland eingehen. Durch diese Gründung wird der bisher rein öffentliche und rein fommu nale Betrieb der Berliner Kraftwerke gemischtwirtschaftlich gemacht und zur Hälfte privat kapitalistischem Ein­fluß unterstellt. Die größten fommunalen Kraftwerke Deutschlands werden durch die Beteiligung des ausländischen Kapitals internationalisiert. Zwar haben die neuen Leiter der Reichshauptstadt in langen und schweren Verhand lungen der Stadt Berlin , dem Reich und Preußen die Führung der Verwaltung und im Betriebe gesichert, alle entscheidenden Beschlüsse sind von der Zustimmung der Stadt Berlin abhängig; auch wurden trotz der Finanzschwieriga feiten in Berlin und trotz der internationalen Kapitalfrije noch vor acht Tagen faum erwartete und auch für den Ber­ liner Haushalt sehr wichtige finanzielle Zugeständ­nisse erreicht, so daß man von einer erheblichen Unter­bezahlung des Wertes der Werke heute faum mehr sprechen fann. Aber die Tatsache darf nicht beschönigt werden, daß mit der Teilprivatisierung und Internationalisierung der Kraftwerke Berlins , deren machtvoller und gesunder Ausbau unter städtischer Führung eine kommunalpolitische Leistung ersten Ranges war, die kommunale und die öffentliche Wirt­schaft Deutschlands einen schweren Rüdschlag erlitten hat. Dieser Rückschlag geht auch die deutsche Arbeiterklasse an, die in der öffentlichen Wirtschaft, wenn sie mit gemeinwirt schaftlichen Zielen geführt wird, mit Recht eine Bastion zur Heraufführung einer neuen Gesellschaftsordnung erblickt.

Die Feinde der Arbeiter? lasse und der Sozialdemokratie, zu denen auch die Kommunisten gehören, wetteifern in dem Mißbrauch des Ereignisses, um mit der öffentlichen Wirtschaft das Ansehen der Sozialdemokratischen Partei herabzusetzen und ihre furzsichtigen parteiegoistischen Interessen zu fördern. Mißmirtschaft der öffentlichen Hand, sozialdemokratische Miz­wirtschaft" sind die Parolen. Diese Parolen sind verständlich im politischen Kampf, aber sie laufen den Tatsachen stritt zuwider. Die Sozialdemokratie und die öffent­liche Wirtschaft haben sich der städtischen Berliner Werke, und das gilt auch für die so heftig angegriffene Berliner Verkehrs­gesellschaft, nicht zu schämen; die Sozialdemokratie iſt ſtolz darauf und wird es immer sein, an dem Aufbau dieser Werke mitgearbeitet und einen großen Anteil dabei gehabt zu haben. Es gibt noch heute in der ganzen deutschen Privatwirtschaft faum Werke, die so ausgezeichnet geführt und so mertoo Il find mie die Berlins . Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, so ist durch die Tatsache, daß während der schwersten Kapitalmarktkrise der tapitalistischen Geschichte das internationale Finanztapital sich um Besizanteile an diesen Werfen bemüht, dieser Beweis geführt.

In Wahrheit handelt es sich bei diesen Angriffen gegen

die öffentliche Wirtschaft und die Sozialdemokratische Partei

um ein Ablenkungsmanöver, durch das die Verantwortung von den wirklich Schuldigen abgewälzt werden soll. nicht die Tatsache der Teilprivatisierung der Berliner Werke und der hohen schwebenden Schuld Berlins ist entscheidend für die Frage der Verantwortlichkeit, sondern die Gründe sind es, die dazu geführt haben. Es ist richtig, daß ein großer Teil der schwebenden Schuld der Reichshauptstadt, unter deren Drud die Teilprivatisierung der Berliner Werte notwendig wurde, auf den Ausbau der Berliner Verkehrsgesellschaft und die dazu und zu anderen Zweden erforderlichen Grundstücks­fäufe zurückzuführen ist. Aber der Ausbau der Berliner Ber­fehrsgesellschaft, der elf Jahre lang unterblieben war, war nicht nur notwendig, sondern ist auch von fämtlichen Parteien des Berliner Rathauses beschlossen worden. Wenn sich heute in der Rückschau der erfolgte Ausbau wegen seiner Wirkung auf die Berliner

Finanzen als zu rasch erweist, so nicht deshalb, weil dieser Ausbau wirtschaftlich nicht gerechtfertigt gewesen wäre, son­dern weil durch das Zusammenspiel des privaten Bankkapitals, der deutschen Unternehmerparteien und verbände und be­sonders des ehemaligen Reichsbantpräsidenten Dr. Schacht. mit dem öffentlichen auch der Kredit der Stadt Berlin ruiniert wurde; damit auch das Zustandekommen jener Auslandsan