Nr. 2�»» 4S. Jahrgang 2» Olenstag. �2. Mai-1931
Interessenienwirtschast! Llngerechtfertigte Verteuerung des Rauchtabaks.— Ltnterbindung des Zigarettendrehens.
Wir haben vor einigen Tagen eine Znschrist wiedergegeben, in der auf die unsoziale Form der Abwälzung der letzten Tabak st euererhöhung auf die Verbraucher sowie auf neue Plön « des Finanzministeriums hingewiesen wurde. Diese find indessen Wirklichkeit geworden. Durch eine neue Verordnung wird des Mindestpreis für ein Päckchen Rauchtabak aus steuerbegünstigtem Feinschnitt auf 50 Pf. festgelegt(durch Einführung einer Mindestbanderole in Höhe von 10 Mark per Kilogramm steuerbegü�ftigten Feinschnitt): serner wird die Schnittbreite dieses zu 50 Prozd mis inländischen Tabaken hergestellten Feinschnittes erhöht. Da der deutsche Tabak infolge seiner Beschaffenheit nur in mög- lichst fein geschnittenem Austande r a u ch b a r ist, bedeutet diese Dorschrist eine wesentliche Absatzerschwerung, wenn nicht sogar die Unverkäuflichkeit für die aus inländischem Tabak her- gestellten Sorten. Die unmittelbare Folge dieses Erlasses des Finanzministeriums find umfangreiche Arbeit erentlasfun- gen und Massenkündigungen, insbesondere in der Bremer Rauchtobakindustrie, die in erheblichem Umfange bisher auf die Ver- arbeitung von Inlandstabak zu Feinschnitt eingestellt ist. Die neuen Bestimmungen sind nicht vertretbar, weder wirt- schaftlich und sozial noch fiskalisch. Das Finanzministerium dekre- tiert einen Mindestpreis von 50 Pf. für die kleinste Packung steuer- begünstigten Feinschnitt, obwohl alle leistungsfähigen Fabrikanten auch nach der Steuererhöhung noch 40-Ps.-Packungen, die G e- nofsenschaftsfabriten sogar nach preiswertere Marken herzustellen in der Lage waren. Lediglich weil einige Fabrikanten mit Gewichtsverminderung der Packungen»ach dem Muster der Zigarettenandustrie schlechte Erfahrungen gemacht haben und behaupten, nicht eine Preislage von 40 Pf. herstellen zu können, verbietet dos Finanzministerium auch den leistungsfähigen Fabriken die Bereitstellung billiger Sorten. Eine merkwürdige Finanzpolitik, die die preiswerte Versorgung unterbindet, aber zu jeder Preiserhöhungsmaßnahme einzelner Interessenten, auch wenn dadurch der Konsum gedrosselt wird und die Steuereinnahmen zurückgehen müssen, ihre Hand reicht. Die Erhöhung der Schnittbreite des seingefchnittenen Rauch- tabaks von � auf 1 Millimeter soll die Verwendung dieses Tabaks
zum Selb st drehen von Zigaretten unterbinden! Aber die Zunahme des Selbstdrehens war ja gerade eine Folge der konfumentenfeindlichen Steuerpolitik. Das Finanzministerium hat zunächst eine Verteuerung der Zigaretten zugelassen, die erheblich über die eingetretene letzte Steuererhöhung hinausging. und hat dann, dem Wunsch der Großindustrie folgend, noch dazu den Berpackungszwang eingeführt, d. h. die Einzelabgabe von Zigaretten verboten. Die Folge ist ein außerordentlich starker Rückgang des Zigarettenabsaßes und damit ein Ricsenloch in den Tobak- steuereinnahmen der Reichs lasse. Der Zigarettenabfatz soll im ersten Vierteljahr 1331 nach unwidersprochenen Angaben der bürger- lichen Presse auf Milliarden Stück zurückgegangen sein, während er im gleichen Zeitraum des Vorjahres, gleichfalls umnittel- bar nach einer Tabaksteuererhöhung, 7 Milliarden Stück, also fast das Doppelte, betrug. In einer Periode ungeheurer Arbeitslosigkeit und stark ob- sinkender Massenkoufkraft war es fiskalisch wie sozial unverantwort- lich, eine starke Ueberteuerung der Zigaretten zuzulassen und zu- gleich noch ein« derartig schikanöse"und konsumentenseindlich« Maß- nähme wie den Verpackungszwang einzuführen. Da sich nun das Fiasko in der Sleuerpolilik im Schleppkau von Znleressenlenwünschen herausstellt, versucht man, das Pferd am Schwänze aufzuzäumen: man will mit wirtschaftsfchädlichen Maßnahmen den Verbrauch billigen Rauchtabaks sowie das Selbstdrehen von Zigaretten, zu dem der Raucher infolge der übennäßigen und ungerechtfertigten Verteile- rung seine Zuflucht genommen hat, unterbinden. Wir glauben, daß endlich mit diesen unsozialen und fiskalisch törichten Maßnahmen Schluß gemadjt werden muß. Die neuen Verordnungen sollten umgehend aufgehoben wer- den, damit neue Belastungen der Derbraucher, Schädigung des leistungsfähigen Tabakgewerbes, des inländischen Tabakbaues sowie ein weiteres Anwachsen der Arbeitslosigkeit der Tabakarbeiter ver- hindert werden. Es muß aber ferner auch im Interesse der Kon- sumenten wie des Steuerfiskus der Verpackungszwang verschwinden, wie es in einer Mehcheitsentschließung des Reichstages und neuerdings anch von der preußischen Regierung gefordert wurde.
ttm das Kasein. Ein verrücktes Zollprojekt und ein noch bedenklicheres Kompromiß. -rrvgzSH« Landwirtschaft und die Kaseinsabrikanten forderten, ur- sprünglich eine Erhöhung des jetzigen Kaselnzolles von 6 M. aus 80 M. je Doppelzentner. Kasein wird aus Magermilch gewonnen zur Herstellung von Leim, Lack und auch Farben. Da das Kasein frei deutsche Grenze gegenwärtig 30 bis 3S M. kostet, würde die geforderte Zollerhöhung«ine Wertbelastung von etwa 2 0 5 P r o z. bedeuten. Einen ähnlich hohen Zoll gibt es für kaum eine andere Ware, weder in Deutschland noch in einem anderen Lande. Diese Zollechöhung hätte die' Kaseinoerbraucher(Papier- 'Industrie, Sperrholzindustrie, Kunsthornindustri«, die zusammen gut zwei Drittel der gesamten Kaseinmenge oerarbeiten) um so schwerer getroffen, als sie auf das ausländische Kasein an» gewiesen sind. Einmal haben die deutschen Kaseinsabriken im Jahre 1330 nur etwa 800 Tonnen hergestellt, das ist nur ein Zwanzigstel der Einfuhr(15 800 Tonnen). Zweitens läßt die Qualität des beut- schen Kaseins zu wünschen übrig, worüber besonders die Sperr- Holzindustrie als der zweitgrößte Verbraucher klagt. Die Kaseinsabrikanten sind selbst zu der Einsicht gekommen, daß«in Zoll von 60 bis 80 M. für die Kasein verarbeitenden In- dustrien untragbar ist. und man suchte, da man um jeden Preis sich unter der Schiele-Zollkonjunktur«inen„Schutz" sichern wollte, nach neuen Wegen. Eine Zeitlang war dann von einem Verwendungszwang für deutsches Kasein die Rede. Dieser Plan ist bald wieder fallen gelassen worden, da«r von den Derbrauchern entschieden abgelehnt wurde und auch praktisch undurchführbar gewesen wäre. Run kommen die Kaseiofabrikaiüen und die Magermilchliefe- ranten mit einem neuen Vorschlag, der die Einführung eines Kascin-Bezugsschein Zwanges fordert. Angeblich handelt es sich um einen...Kompromißvorschlog" der Produzenten und der Verbraucher. Und dazu sollen der Staat und der Steuer- zahler direkt bluten. Dos bisherige Zollaufkommen in Höh« von 000 00 M. soll den Magermilchliescronten und den Kaseinfabriken zur Ermöglichung der Produktion, ihrer Erhaltung und allmählichen Steigerung als U eberpreis zugeführt werden, und»war bis zur Besserung der Weltmarktlage. Also eine echte Subvention. Die Reichsregierimg soll durch ein« Aenderung des Zollgesetzes verfügen, daß bei der Einsuhr von Kasein der Importeur«inen Bezugsschein vorzeigen muß, der einen Wert von 0 M. je Doppelzentner Kasein hat. Dieser Bezugsschein ist zu beziehen und bar zu bezahlen bei dem Deutschen Kasein- Kontor, einer neu zu gründenden Organisation, die zugleich die gemeinsame Verkaussstelle der deutschen Kaseinsabrikanten ist. Das Deutsche Kasein-Köntor verteilt den Erlös aus den Bezugs- scheinen an die Lieseranten der Mogermilch. Ferner kontin- g e n t i e r t es die deutsche Produktion und verkauft das deutsch « Kasein freihändig. Ein Teil des Gesamtkontingenls kommt zunächst nicht zur Bertcilung, sondern wird für solche Mogermilchliescranten zurückbehalten, die noch keine Kaseinanlogen haben, ober an einem Ueberflllß von Magermilch„leiden". Also subventioniert« Ausdeh- nunz der Produktion. Dem Aufsichtsrot des Deutschen Kasein-
Kontors soll auch ein Vertreter des Reichsernährungs- Ministeriums angehören, der die Rechte eines beaufsichtigenden Staatskommissars erhält. Der Verband der Kaseinsabrikanten bemerkt zu diesem Vor- schlage, daß er ein Kompromiß sei, und daß er„jetzt von allen Be» teiligten mehr' oder weniger offen akzeptiert worden ist, so daß einer Entsprechenden gesetzlichen Regelung oön interessierter Seite kein Widerspruch entgegenstehn dürfte". Es mag sein, daß Produzenten und Konsumenten sich einig sind, da dieses Geschäft aber aus Kosten des Reiches geht, so hat die Oeffentlichkeit auch ein entschiedenes Wort mitzusprechen. Die 600 000 M. Zolleinnahmen können unter den heutigen Verhält- nisten wahrlich nützlicher verwandt werden als zur Aufpäppelung eines recht fragwürdigen Industriezweiges. h. s.
Verkehrsrückgang bei der Post. Die Deutsche Reichspost, deren Rechnungsjahr im Zu- sammenhang mit dem Finanzjahr des Reiches vom April bis März läuft, legt jetzt ihren Bericht über das vierte Quartal 1330/31, also die Monate Januar bis März, vor. Der Berkehr ist gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres in allen Dien st zweigen zurückgegangen. Besonders stark prägte sich der Rückgang im Paket-, Wert- und TelegranwwcrkeHr aus. Die Postscheckkonten vermehrten sich dagegen in der Berichtszeit noch um 5502 und erreichten damit 337 318. Ausgeführt wurden im Postscheck- verkehr ip der Berichtszeit rund 184 Millionen Buchungen über rund 32 Milliarden Mark, von denen rund 25 Milliarden bargeldlos beglichen wurden. Ini Telegrammvcrkehr wurden 0.0 Mil- lionen Telegramme befördert. Die Zahl der Fernsprechstellen»er- ringerte sich um 4551 aus 3 170 304 Sprechstcllen. Von diesen wurden 022 gegen 032 Millionen Gespräche in der gleichen Zeit des Vorjahres ermittelt. Der Funkverkehr nach dem Auslände umfaßte 607 900 Telegramme. Demerkenswert ist, daß die Zahl der Runds unkteilnehmer in der Berichtszeit einen weiteren kräftigen Aufstieg um 222 172 auf insgesamt 3.73 Millionen ge- nommen Hot. Von diesen waren 134131 Teilnehmern die R u.n d- sunkgebühren aus sozialen Gründen erlassen. In den Monaten Januar und Februar stellten sich die Ein-, nahmen der Reichspost auf 350 Millionen, denen Ausgaben in Höhe von 353 Millionen gegemiberftanden. Der Kassenabschluß für den Monat Mörz steht wegen des damit verbundenen Jahres- abschlusses noch nicht fest. Welt- Holding für Grammophoninieressen. Oer größte Teil der Schallplattenindustrie vereinigt. Der Zusammenschluß zwischen den beiden großen englischen Erommophonkonzernen E o l u m b i a Grammophone Eo. und Grammophone Co. Ltd. findet jetzt durch die Bildung einer gemeinsamen Dachgesellschaft ihren Abschluß. Die neue Gesell- säpist wird den Nomen Electric and Musical Industries Ltd.(Elektro- und Milsikolien-Industrie-Gestllschaft) führen. Ihr Aktienkapital wird aus 5,81 Millionen Pfund Sterling Stammoktien und 400 000 Pfund Borzugsaktien bestehen, insgesamt also einen Wert von über 125 Millionen Mark hoben. Diese Gesellschaft wird dann auch den
«lliuj._____.... trollieren. Ihrerseits wird sie von der Radio Corporation o f A m e r i c o beherrscht, deren Kontrolle wiederum bei der amerika- Nischen General Electric Co. liegt. Durch die neue Gründung ist die Vereinheitlichung des größten Teils der Schallplattenindustrie der Welt vollzogene Tatsache geworden. Die Erhöhung der Brotpreise. So stand es Ende April in 23 Großstädten:
Inzwischen sind die Brotpreise fast überall weiter gestiegen!
Erweiterung des Gchiffahrttrusts. Zusammengehen der Hopag-Lloyd-llnion m t Hamburg-Süd Die Verhandlungen, die seit mehreren Monaten zwischen der Hamburg -Südamerika -Linie, der Hapag und dem Norddeutschen Lloyd wegen eines gemeinschaftlichen Fahrt- dienstes nach Südamerika im Gange waren, sind jetzt zum Abschluß gekommen. Zwischen der Hapag-Lloyd-Union und der Hamburg- Süd ist. ein Vertrag abgeschlossen worden, der zunächst auf zehn Jahre einen gemeinsamen Fahrtdienst nach Südamerika vorsieht. Die Aufteilnng der Schiffahrtserträge erfolgt nach einem bestimmten Schlüssel. Dieser Vertrag stellt sozusagen den Schlußakt der von der Hapag und den Norddeutschen Lloyd unternommenen großen Zu- sammenschlußaktion in der deutschen Schifsahrt dar. Bisher hatte die Hamburg -Südamerika -Lime sich gegenüber den Ausgininenschiuh- bestrebungen der anderen Großreedereien sehr kühl verhalten, wobei es im Laufe der letzten Jahre zu scharfen Kämpfen um den ent- scheidenden Einfluß bei der Hamluirg-Süd gekommen war. Wenn diese Reederei es jetzt verhältnismäßig schnell zu einer Einigung kommen ließ, so wird dazu in erster Linie die außer- ordenlliche Verschärfung der Wirtschaftskrise in Südamerika beigetragen haben, unter der diese Reederei, die ausschließlich diese Strecke besährt, besonders stark zu leiden hatte. Näheren Aufschluß über die Folgen der wirtschafllichen Schwierig- leiten in den südamerikanischen Ländern für die Hamburg -Süd- amerika-Linie wird noch der in den nächsten Tagen zur Veröffent- lichung gelangende Jahresbericht der Gesellschaft geben. Jedenfalls hat die Entwicklung in Südamerika der Hamburg-Süd ganz empfindliche Ausfälle im Frachtverkehr und dementsprechend in den Einnahmen gebracht, so daß. die Gesellschaft sich gezwungen steht, ihre Dividendenzahlung für 1331 einzustellen, nachdem noch im Vorjahr 8 Proz. ausgeschüttet wurden.
Gchuckerts Glanzabschluß. Wir haben die wichtigsten Ziffern des Abschlusses der Schuckert u. Co. A.-G. in Nürnberg für das am 31. März beendete Geschäftsjahr 1330/31 bereits mitgeteilt. Donach hat dieses Unternehmen, das keine eigenen Betriebe führt, sondern eine reine Derwaltungsgesellschaft ist. aus seinem nur unwesentlich verringerten Reingewinn von 0,3 gegen 0,7 Millionen einc Dividende von 11 gegen 12 Proz. im Vorjahr beschlossen. Diese einprozentige Senkung ist, wie im Geschäftsbericht festgestellt wird, nur als eine Vorsichtsmaßnahme zu bewerten, die dos Unternehmen gegenüber weiteren Auswirkungen der Krise starken soll. Der Schuckcrt-Abschluß ist aus zwei Gründen besonders inter- essant. Einmal reicht das Berichtsjahr bis zuln Ende März 1931, umfaßt also minden st ens sechs Monate der schärf st en K r i s e n z e i t, ohne daß sich bei den Gewinnen entsprechende Wirkungen einstellten. Zum anderen hat die Gesellschaft, deren wichtigsten Besitz in der fast 50prozentigen Beteiligung an den Siemens-Schuckert-Werkcn in Berlin besteht, aus der Dividenden- senkung von Siemens-Schuckert von 10 auf 7/4 Proz. Ausfälle von mindestens 11» Millionen erlitten. Ausländsanleihe der Preag überzeichnet! Die für die P r e u- ßische Elektrizitäts A.- G.(Preoig) bestimmte Anleche der Continentalen Electricitäts-Union A.-G., Basel , in Höhe von 25 Millionen Schweizer Fronken(etwa 20 Millionen Mark) ist überzeichnet worden. Die Bedingungen für diese im Zusammenhang mit der Bemag-Umgründung ausgenom- inen« Anleihe ist für deutsche Verhältnisse sehr g ü n st i g— bei einer Verzinsung von 0 Proz. für die Anleihezeichner stellt sich die G e s o in t b e l a st u n g für die Preag(also einschließlich Provision usw.) aus 6'A Proz. des aufgenommenen Kapitals jährlich.
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