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Morgenausgabe

Nr. 220

A 111

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwo

13. Mai 1931 Groß- Berlin 19 Pf.

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Kentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

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Frankreichs   Präsidentenwahl.

Die besten Aussichten für Briand  .

V. Sch. Paris  , 12. Mai.  ( Eigenbericht.)

Noch ist von einem eigentlichen Wohlfieber am Vorabend der Präsidentenmahl nicht viel zu verspüren. Selbst in den Wandel gängen der Kammer ging es nicht übermäßig lebhaft zu. Manöver

zufammen 96 Franken, rund 15 Mart, an die radikale Partei­faffe bezahlt haben. Das hat Herriot   zunächst genügt, der auf Briand   eifersüchtig ist, um die Kandidatur Doumers als eine radikale" hinzuffellen.

der letzten Stunde gegen die Kandidatur Briands find bisher nicht Indessen soll sogar Herriot   inzwischen umgefch went fein, als

zu verzeichnen gewesen.

Nach wie vor ist der Optimismus der Anhänger Briands fehr flart, besonders bei den Sozialisten, die zwar nicht offiziell, aber faffisch die ursprünglichen und eigentlichen Vorfämpfer dieser Kandidatur sind.

Dennoch wird heute abend mehr als gestern auch bei den Links. parteien zugegeben, daß der Kampf bis zulet hart sein wird. Man hofft noch immer, ist aber dessen nicht ganz sicher, daß Briand  schon im ersten Wahlgang mit der erforderlichen absoluten Mehrheit gewählt wird. Das hängt davon ab, wieviel Stimmen der ebenso ettle wie steinreiche Rognafmagnat und Zeitungsbefizer Hen reffy aufbringen wird. Manche meinen 10 bis 12, andere halten es für möglich, daß er 20 bis 25 Mann durch allerhand Gefälligkeiten für sich gewonnen hat. Hennessy   handelt dabet teils aus Eitelkeit und Größenwahn, teils auch aus Bosheit gegen Briand  , der sich vor Jahresfrist geweigert hat, ihn zum Botschafter in Berlin  zu ernennen, weil er ihn für diesen wichtigen Bosten für unzuläng:

lich hielt.

Erzielt Hennessy   mit seiner Kandidatur im Verein mit den Erzielt Hennessy   mit seiner Kandidatur im Verein mit den Kommunisten eine Stichwahl, dann ist vielleicht doch noch ein Betriebsunfall nicht ausgeschlossen. An diese Hoffs mung flammern fich Doumer und sein buntfchediger Anhang, der aus einer Anzahl von persönlichen Freunden in der radikalen Gruppe des Senats, im übrigen aus der gesamten nationalistischen Reaftion besteht, einschließlich der wildesten Faschisten und Royalisten.

ondasite

Die fogenannte Zugehörigkeit Doumers zur Radikalen Partei ift in Wirklichkeit erst vierzehn Tage alt. Bor elwa zwei Wochen foll er rüdwirkend 8 Jahresbeiträge von je 12 Franken, alfo

Zollunion plus Italien  - Ungarn  ?

schauten.

Postschedkonto: Berlin   37 536.- Banffonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr.3, Dt. B.n.Disc.- Gef., Depofitent., Jerusalemer Str.   65/66.

Die Flucht in die Reaktion.

Konsumentenmord, das Altheilmittel".

Von Anton Erkelenz  .

Lujo Brentano   hat vor einigen Tagen im Berliner Tageblatt" jenen Abschnitt aus seinen Lebenserinnerungen porveröffentlicht, in dem er die Begründung gibt für seinen Austritt aus dem Verein für Sozialpolitik. In das allge=

meine Durcheinander der Tagesnöte und Tagestämpfe er­er merfte, wie die meisten feiner eigenen Freunde über dieses Malingt damit wieder einmal der Ton der grundsäglichen növer, dachten und daß sie seine wirklichen Beweggründe durch. Auseinandersegungen, der grundfäßlichen Verschie haut haten und daß fie feine bungen, die im Geisteszustand des deutschen   Volkes und be­fonders feiner, intellektuellen Mittelschicht vor sich gegangen sind und vor sich gehen. Und diese Vorgänge machen es auch flar, warum die Lage der Sozialdemokratie, der deutschen   Partei der Arbeit, so ungeheuer schwierig ist.

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Die Kandidatur Briands wird zwar fast ausschließlich von der Linfen   unterstüßt, doch scheint sie etwas an Boden unter den eher nach rechts neigenden Gruppen gewonnen zu haben. Sie wird von einigen Anhängern Tardieus unterstützt Tardieu selbst hat eine flare Stellungnahme für Briand   oder Doumer bisher forgfältig vermieden und vor allem scheint die kleine Gruppe der chriftlichen Demokraten, die am ehesten dem deutschen   Zentrum entspricht, und die die meisten elfäffi­fchen Abgeordneten umfaßt, gefchloffen für Briand  ftimmen zu wollen. Auf diese Erwartungen stürzt sich die Linte zubekommen. Bei einer absoluten Mehrheit von rund 445 Stimmen bei ihrer Hoffnung, Briand   bereits im ersten Wahlgang durch rechnet man mit 450 bis 455 Stimmen für Briand   im ersten Wahl gang, für Doumer nur mit rund 400 bis 410. Doch glaubt man, daß bei einem zweiten oder einem sogar nötig werdenden dritten Wahlgang genügend Hennessy  - Stimmen den Ausschlag zugunsten Briands geben würden.

Bis weit in die Reihen der Mitte hinein ist man sich bewußt, baß, so wie zur Zeit die Dinge liegen,

eine Niederlage Briands für das außenpolitische Ansehen Frankreichs   in der Welt geradezu tatastrophal wäre. Und gerade diese Sorge, daß eine Wahl Doumers als eine Abkehr Frankreichs   von der Verständigungs politit aufgefaßt werden tönnte, wird höchstwahrscheinlich die Entscheidung zugunsten des Mannes von Locarno   bringen.

zeichnet werden, und es ist zu hoffen, daß der Vertrag nach Er teilung der notwendigen Genehmigung durch die beiden Staaten

Görings Mission.

Wie weit war das Auswärtige Amt bei seinem Papst besuch beteiligt?

Wien   schließt Verträge mit Rom   und Budapest.ehestens in Kraft treten wird. Unmittelbar vor Beginn der Genfer   Beratungen wird aus Rom   gemeldet, daß in Verhandlungen, die der öster­reichische Sektionschef Dr. Schüller dort geführt hat, eine grundsägliche Vereinbarung" über ein regionales Dreiecks- Abkommen zwischen Italien  , Desterreich und Ungarn   zustande gekommen sei. Als 3med der Berein barung wird die Steigerung des Güterverkehrs durch Krediterleichterungen im Warenverkehr und Transportwesen" angegeben. Man will durch bevorzugte Krediterleichterungen dasselbe Ziel erreichen, das man sonst durch Borzugs zölle zu erreichen sucht. Da die Meist begünstigungsklausel solchen Borzugszöllen im Wege steht, hat man zu diesem Auskunftsmittel gegriffen.

zu stellen.

Dem sozialpolitischen Aufschwung der Jahre nach 1890 ist ja sehr schnell der Reif in der Frühlingsnacht gefolgt. Bon all dem Aufschwung blieb nur übrig die Bewegung des evangelisch- sozialen Kongresses und die politische Bewegung Friedrich Naumanns. Sie fanden beide einen gewissen Widerhall so lange, wie die Arbeitnehmerschaft vom Staatsein­lution die Bertreter der Arbeitnehmerschaft mit an die Staats­fluß ausgeschlossen war. In dem Augenblick, als die Revo­führung brachte, entdeckten sehr viele Leute die Grenzen ihres Sozialpolitischen   Herzens. Schon in der Inflationszeit haben Sozialpolitit die Drientierung völlig verloren und mit ein­mir es erlebt, mie die namhaftesten Vertreter der deutschen  stimmten in die allgemeinen Phrasen, die Inflation sei die Folge zu hoher Löhne und des achtstündigen Arbeitstages. So haben sich auch weiter die Bertreter des sozialpolitischen Gedankens aus bürgerlichen Kreisen immer mehr verflüchtigt. Einige von ihnen waren durch den Krieg zu hemmungslosen Nationalisten geworden, auf deren Ideenbild der sozialpoli tische Gedante überhaupt feinen Einfluß mehr hatte. Andere waren in Amt und Würden gelangt und fanden die Bürde Der Verantwortung so schwer, daß fie jede neue Forderung als eine persönliche Beleidigung empfanden. Die Behauptung, daß die Löhne unerträglich hoch seien, daß die Arbeiter mit hundert und hundertfünfzig Mart Monatseinkommen in Saus und Braus lebten, dieser große Schwindel der Gegenwart fand gerade in diesen Kreisen sehr viel Zustimmung. Die Darlegung, daß der Lohn noch nie den Borkriegsreallohn überstiegen hat, daß fein Arbeitnehmer in Deutschland   wegen Lohnerhöhung heute in besserer Lage ist als in der Borfriegszeit, daß die deutsche   Wirtschaft auf Grund der Rationalisierung für die Produktion pro Stüd oder pro Einheitsmenge weniger Lohn bezahle als vor dem Kriege das alles und vieles andere ist den Kreisen, die vornehmlich die öffentliche Meinung machen und bilden, noch nicht eingegangen. Daß die Krise ein Folge zu hoher Löhne, zu hoher Sozialabgaben, überhaupt zu hoher Forderungen und Rechte der Arbeitnehmer feien, ist doch heute der allge­ist die jetzige politische und wirtschaftliche Gesamtlage möglich. meine Glaube. Allein auf der Grundlage dieser unwahrheit

Der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Göring  meilte dieser Tage im Auftrage Hitlers   in Rom  , wo er bei dem Bapst um einen Empfang nachsuchte, der auch gewährt wurde. Göring   soll nach den uns zugegangenen Informationen dem Bapst gelobt haben, daß die Nationalsozialistische Partei fünftig die fatholische Kirche nicht mehr angreifen und auch versuchen werde, sich mit dem Zentrum auf guten Fuß Ist das Auswärtige Amt, das beim Batilan eine Ber. Je mehr der Lohn sintt, um so mehr muß die feit steigt, um so stärker wird die Lähmung der Wirtschaft. 3wed Arbeitslosigkeit steigen. Je mehr die Arbeitslosig Man hat uns den Neuaufstieg der Wirtschaft verkündigt, wenn die Löhne gesenkt würden. Nun, die Löhne sind ge­fenft um 10 bis 15 Proz. Bon einem Neuqufschwung der Wirtschaft ist teine Rede. Der Lohnabbau sollte den Bett­bewerb gegenüber dem Ausland stärken. Das Ausland be ginnt ebenfalls mit Lohnabbau: Infolgedessen bleibt das Bettbewerbsverhältnis bestenfalls das alte, und der ganze Raubzug wird bloß gemacht, um unter wohlflingenden Phrasen den Arbeitern, Angestellten und Beamten ihre Be züge zu schmälern. Die Prozentzahl der Arbeits­Lofen ist am größten in dem Lande, das die niedrigsten Löhne zahlt, nämlich in Bolen.

sted Zugleich hat man versucht, die Erweiterung der Zoll­union, die in der Richtung auf Rumänien   vergeblich ertretung, unterhält, über das Gelöbnis Görings und feinen med strebt wurde, in der Richtung auf Italien   und Ungarn   unterrichtet? Ist es ferner richtig, daß die Einführung. Görings vorzunehmen. Infolgedessen sieht es im Augenblid so aus, durch Bermittlung der deutschen   Vertretung als ob in Genf   zwei Blöde gegeneinander aufmarschieren beim Vatikan   nach Rückfrage beim Auswärtigen Amt   in wollten: der französisch- tschechisch- jugoslawisch- rumänisch- pol Berlin   erfolgte? nische Block und der deutsch- italienisch- österreichisch- ungarische.

Politik!

Standal im Münchener   Stadtparlament.

Für grundsätzliche Anhänger der deutsch   frans zöfifchen Zusammenarbeit sind das wenig er freuliche Aussichten. Ein Anschluß Deutschland  - Desterreichs an das Italien   Mussolinis und das Ungarn   Horthys wäre ein außenpolitisches Experiment, dem die Sozialdemo­München, 12. Mai.( Eigenbericht.) fratie nur mit schärfster Opposition begegnen fönnte. Die Standalchronit des Münchener   Stadtparla Einstweilen darf man hoffen, daß die politischen Grup- ments, die inzwischen durch die Radauszenen der Nazis zu einem pierungen Europas   na ch Genf   doch etwas anders aussehen erheblichen Umfang angewachsen ist, wurde am Dienstag um

werden als unmittelbar zuvor.

Berfehrsvertrag mit Defterreich.

WTB. meldet:

3n Innsbrud vereinbart.

Am 9. Mai haben die bevollmächtigten Vertreter des Deutschen Reiches und der Republik   Desterreich, Ministerialdirektor im deut schen Reichsverkehrsministerium Bogel   und Seftionschef im Bun desministerium für Handel und Verkehr Dr. Boeschmann in Innsbruck   einen den beiderseitigen Verkehrsbedürf: pissen vollkommen Rechnung tragenden Bertrag über die Anschluß und lebergangsverhältnisse im Eisenbahnverkehr bereinbart. Die Urfunden werden in nächster Zeit in Berlin   unter

einen neuen Fall bereichert.

Im Anschluß an die Haushaltsberatungen hatten die Halen. freuzler den Antrag auf Neuwahl des Stadtrats gestellt. Bei der Begründung dieses Antrages beschimpfte der berüchtigte Ratio. nalsozialist Effer die übrigen Parteien, wobei ihn sein Kol­lege Amann, der Geschäftsführer des nationalsozialistischen Bar teiverlages, eifrig unterstügte. Als der Lärm immer größer wurde und schließlich überhaupt fein Bort mehr zu verstehen war, for berten die Nazis die Tribünenbesucher auf, bei dem Standal mitzu machen. Dadurch wurde jede ordentliche Fortführung der Sitzung unmöglich. Der Borsigende ordnete daraufhin die Räumung der Tribüne an und berief den Weltestenrat zusammen, während die Stadtverordneten das Rathaus verließen. ind Es war in München   das erstemal, daß eine Stadtratsfigung fich ohne formellen Beschluß auflöſte.

Wenn alle diese verhängnisvollen Maßnahmen im deut­ schen   Bolte so wenig Widerstand finden, dann beruht das nicht zulegt darauf, daß die intellektuelle Mittelschicht, die als Träger des liberalen Fortschrittsgedankens auch die Antriebs­fraft des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts war, sich vor ihren eigenen Ideen, vor den Auswirkungen dieser Ideen flüchtet und sich hemmungslos in die Arme der Realtion ge­morfen hat. Auf einmal wird der Welt im dritten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts wieder die Theorie des Emporhungerns gepredigt, die Theorie der Sparagnes. Wissenschaftlich nennt sich diese Flucht aus der Wirklichkeit die Theorie der Kontraktion, der zum Prinzip erhobenen Ein­schrumpfung des Wirtschaftslebens. Es mag bis zu einem