Nr. 224» 4S. Jahrgang<��01*10(11*�0 Sonnabend, 16. Mai �93�
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Die Entdeckung des Ärchitetten Winterhelt, der bei dem Abbruch in der Klosterstraße Reste eines gotischen Hauses, des sogenannten Hohen Hauses, sand, von der wir schon vor einigen Tagen berichteten, hat sich jetzt als einer der bedeutend- st e n Funde für die Geschichts- forjchung des alten Berlins heraus- gestellt,„An dieser Stelle liegt ge- radezu die Geschichte des allen Berlins begraben." Diese Aeußerung eines an der Erforschung des Baues Beteiligten lenkt das Interesse der Oesfentlichkeit auf das Schicksal der Baureste. Was soll damit ge- schehen? Es besteht der Plan. das von dem alten Bau an wichtigen Teilen Erhaltene im Märkischen Museum aufzubauen. Andererseits ist die Bedeutung des Fundes so groß, daß eine Erhaltung an Ort und Stelle geboten erscheint. Es handelt sich nach den bisherigen Funden um zwei hohe Häuser goti- scher Bauart, die mit der Stirnseite zur Klosterstrahe lagen. Sie stam- men beide aus der askanischen Zeit und sind 1290 gebaut worden. Das massive Mauerwerk aus guten, alten märkischen Ziegelsteinen ist an vielen Stellen 1 Meter stark, war so dauerhast, daß es bei Um- bauten nach Jahrhunderten stehen blieb. Die gotischen Fenster- öffnungen wurden zwar zugemauert, neue, rechteckige Oeffnungen geschaffen, aber sonst blieb alles bestehen, nur, daß bei der Auf- schüttung der Klosterstraße das ehemalige Erdgeschoß zum Keller wurde. Die Grundrisse beider Häuser sind also unberührt. Sie sind je 18 Meter lang und 514 bzw. 514 Meter breit. Der Südflügel, der nach der Gruner st raße freilag. steht noch 12 Meter über dem alten Boden, durch je ein Gurtgesims, über dem ein bemaller Fries liegt, im ersten Stock nnt fünf großen, rundbogigen Blenden, im Zwesten Stock mst einer dreibogigen Stichbogenblende reich ge- gliedert. In diesen Blenden saßen Rund- bzw. Spitzbogensenster. Ende des 14. Jahrhunderts wurden diese beiden Bauten durch zwei Frontmauern zusammengebunden und in dem so hinzugenomme- nen Mitteltell vier große Säle errichtet. Der Bauherr dieses nach der Klosterstraße mst einer reichen dresteillgen Spitzbogenarchitektur
Die freigelegten Reste des Portals am„Hohen Maus" in der Klosterstraße. geschmückten Teiles, denen im ersten Stock ein ebenso reicher Aus- bau entsprach, ist höchstwahrscheinlich Karl IV. , von dem im Jahre 1374 eine Urkunde als Bauherrn spricht. Das zum größten Teil erhallene Mittelportal dieses Luxemburgischen Baues ist eine der schönsten Bauteile Alt-Berlins, den Portalen der gotischen Marien- und Klosterkirche völlig ebenbürtig. Ein Ab- bruch des einzigartigen Baudenkmals wäre geschichtlich und kulturell unverzeihlich, um so mehr, als die Erhallung durch Ein- fügen innerhalb der sehr ruhigen Architektur des geplanten Waren- Hausneubaues gut möglich wäre. Die geplante Uebertragung in ein Museum würde gegenüber der stimmungsmäßigen Einhest bei der Erhaltung an Ort und Stelle doch nur ein schlechter Notbehelf. Eine Entscheidung über das Schicksal der Baureste muß in nächster Zell gefällt werden. Eile tut not. In etwa 8 Tagen kann berests mst dem Abbruch des Portals begonnen werden, und die Gelegen- hell,«in wichtiges geschichtliches Stück Alt-Berlins, den ältesten und schönsten Bau unserer Stadt, zu erhallen, wäre versäumt.
Tragödie der Not. Junges Ehepaar in Pankow durch Gas vergiftet. In ihrer Wohnung in der Trlenler Straße 5 in Pankow wurden gestern der 27jährige Schneider Erich Engel und seine gleichaltrige Frau Else durch Sa» vergiftet tot aufgefunden. Wie aus Abschiedsbriefen hervorgeht, ist das Ehepaar, das durch längere Arbeitslosigkeit des Mannes in schwer« Be- drängnis geraten war, in beiderseitigem Einverständnis aus dem Leben geschieden. Vermutlich schon in der Nacht vom 12. zum 13. Mai haben die Verzweifellen ihr Vorhaben ausgeführt. Die Tat wurde durch Hausbewohner entdeckt, die sich darüber wun- derten, daß sich von den Eheleuten niemand sehen lieh und schließ» lich, nichts Gutes ahnend, die Wohnung durch die Polizei öffnen ließen._ Der Sommerfahrplan der II-Bahn tritt am Sonnabend, dem 16. d. M.. in Kraft. Er bringt gegenüber dem Winterfahrplan nur geringe Aenderungen.
Ein Knabe erschoffen. Ursache: Leichtfertigkeit beim �einigen einer Pistole. Gelleuklrchcu(Stachen). 15. Mai. Än schweres Unglück ereignete sich in Scherpeusee. Dort spielte ein fünfjähriger Junge auf der Straße. Gerade in dem Moment, als lhu seine Pflegemutter nach Hause wollte, euttud sich die Dieustpistole eine» Zollbeamten, der am Fenster seines gegenüberliegenden Hauses mit der Reinigung seiner Waffe de- schäfkigt war. Die Kugel verletzte die Mutter am linken Oberarm und linken Unlerschenkel und traf den kleinen Zungen in den hinter. köpf, so daß er s o s o r t tot war. Der Beamte wurde f e st g e- nommen und ins Untersuchungsgefängnis geführt.
„kalabaka " im Planetarium. Im Planetarium läuft vom 14. Mai 1931 mst Vortrag des Herrn Fred von Bohlen„Zkalabaka" um 19 Uhr und um 21 Uhr. Außerdem wird mst dem Zeiß- Instrument der Sternenhimmel über dem Lande des Halbmondes gezeigt.
Willkommen in Berlin ! Dänische Polizisten bei uns zu Besuch/ Gute Kameradschaft über die Grenzpfähle hinweg. Es war eigentlich kein offizieller Empfang, sondern ein freudiges wiedersehen, dem man beiwohnte, als gester» 12% Uhr 55 dänische Polizeibeamte, teils in schmucker brauner Uniform, auf dem Lehrter Bahnhof ein- trafen, um ihre Berliner Kollegen zu besuchen. Kannte man sich doch zum Teil schon aus dem Vorjahr her, als unsere Berliner Beamten ihre Musikkapelle zu einer Konzert- reise nach Dänemark gesandt hatten! Mit der größten Herzlich- keit hatte man in ganz Dänemark die Vertteter der deutschen Schutzpolizei aufgenommen, und mit der gleichen Herzlichkeit begrüßte man jetzt bei ihrem Gegenbesuch die Dänen. Neben dem stellver- tretenden Kommandeur der Schutzpolizei , Oberst G e n tz, zahlreichen Polizeioffizieren und vielen Mitgliedern der dänischen Kolonie war Polizeivizepräsident Dr. Weiß erschienen. Als der Zug einrollte. spielte die Polizeikapelle einen Marsch. Die deutschen und dänischen Berusskollegen sammelten sich, und Dr. Weiß begrüßte im Namen des Berliner Polizeipräsidenten unsere lieben Gäste. Noch einmal wies er auf den begeisterten Empfang hin, der vor einem Jahre den deutschen Polizisten nicht nur von der dänischen Polizei, sondern auch vom dänischen Volke bereitet wurde.„Wir freuen uns und sind Ihnen dankbar, unseren Besuch erwidert zu sehen. Wir hoffen zuversichtlich, daß Sie Ihren Besuch dazu be- nutzen werden, die Freundschaft nicht nur zwischen den Polizei- körpern, sondern auch zwischen dem dänischen und deutschen Volke zu vertiefen." Der Polizeioizepräfldent schloß mst einem Hoch auf Dänemark und die dänische Polizei. Der Chef der Ordnungspolizei in Aarhus , Kommissar Berleme Nix, er- widerte in deutscher Sprache:„Es ist uns eine große Freud«, die Hauptstadt des Deutschen Reiches besuchen zu können und die be- rühmte Berliner Polizei kennenzulernen. Auch wir hoffen, daß dieser Besuch unsere Freundschaft vertiefen wird und zur frled- lichen Zusammenarbeit der Polizeien sowie Deutschlands und Dänemark » beiträgt." Nach der Rede des Polizeioizepräjidenten hatte die Musik« Vereinigung I unserer Schutzpolizei die dänische Hymne„Dar er et yndigt Land" gespielt. Nach der Rede des dänischen Gastes erklang die Nationalhymne der Deutschen Republik. Auf Kraftwagen der Polizei, die mit dem Danebrog und der schwarzrotgoldenen Fahne geschmückt waren, fuhren unsere Gäste nach der Polizeiunterkunft West, Soorsttahe 85. Vorher mußten sie sich selbstverständlich den Photographen stellen, aber mehr als über die Lichtbildaufnahmen werden sie sich über die Blumensträuße gefreut haben, die ihnen als willkommenen Gästen von den Töchtern unserer Polizei- beamten überreicht wurden. Polizei im Dienste der Völkerverständigung, das mag mst Recht dem Besuch der dänischen Beamten als Motto dienen! Der Besuch unserer dänischen Freunde währt bis zum Dienstag abend.
Todessiurz auf der Avus. Auf der„Avus" Im Grunewald ereignete sich am Arettag adevd ein schwerer Unfall. Der ZSsährige Oberingenieur Johanne» p aeß- l e r ans der Sleinmehstrahe 2 stürzte mil seinem Motorrad so un- glücklich, daß er ans der Stelle getötet wurde.
Ladeubrand in der Lindeustraße. Kurz nach Gsschäftsschluß brach in dem Schuhgeschäft von Sperling in der Lindenstraße 110, gegenüber dem„Borwärts"- Gebäude, aus unbekannter Ursache Feuer aus. Da die Gesahr recht- zestig von Passanten bemerkt worden war. tonnte der Brand von der Feuerwehr im Keime erstickt werden. Der Schaden ist nur gering.
Seinen 70. Geburtstag beging heute der Lester der„Vorwärts"- Ausgabestelle für Blankenburg -Buchholz, Genosse Gustav Wagner , Blankenburg , Burgwallstr. 71. Wir gratulieren dem alten Genossen.
Kowall»ll»>i«l> ilvrarixtl«»?o»«,» 8,«I>»e-lt»»»<!k.
Frau Griselde nahm diese Lehren von meiner Mutter so folgsam an. als wäre sie ihre Tochter, und freute sich so sehr über ihre kleinen Erfolg«. Sie war wirtlich sehr unerfahren, fast schutzlos in dieser schlimmeren Lebenslage, in die sie ge- raten war. Aus jedem ihrer Worte strahlte Dankbarkeit. Meine Eltern ließen unsere Mieter beispielsweise das Holz in Scheiten und Wagenladungen kaufen, während sie es früher nach Herrenart zu doppeltem Preise fertig geschnitten eingehandelt hatten. � � Jetzt mußte man dabei sein, wie der Herr Direktor und Freddy im Holzschuppen mit der Säge loslegten. Und Mister Jack spaltete pfeifend und sich in die Hände spuckend das Kleinholz, so wie es eben arm« Leute tun, wenn sie ein warmes Zimmer wollen. Der weise Mister Jack sagte auch oft: Das sei eine sehr gute Lehre für den Schwager, der sein eigener Herr sein wollte in der Welt und nicht anderer Leute Knecht; jetzt war er sein eigener Dienerl Doch ebenso wie die Komödianten sich ein wenig unserem Leben anpaßten, erspähten auch wir viel aus dem chren aus solcher Nähe. Besonders ich gewann genauere Lorstellungen über den Gauklerberuf. So sah ich oft früh morgens, wie mein Freund Freddy an Stelle des Kaffees einskalde Abreibungen erhiett und von seinem Vater gründlich durchgeknetet wurde. Wie er dann von seinem Onkel eine Atrobatenlektion erhielt, auf den Hän- den ging. Purzelbäume schlug, und wenn tr mit vor Müdigkeit zitternden Gliedern gerade noch wankte, statt auszuruhen, stundenlange Spaziergänge unternehmen mußte, und zwar bei jedem Wetter.~ Ich lernte einsehen, daß ein elegantes Sallo mehr Schweiß
kostete, härtere Arbeit kostete als eine gute Note aus der ver- kürzten Multiplikation, wenn auch mit Dezimalbrüchen. Auch meine Mutter beschwor Frau Griselde oft, wie sie denn mit ihrem Sohn so grausam verfahren könnten, aber Frau Griselde lächelte nur darüber. Ebenso sah ich, wieviel Geduld es Mister Jack kostete, bis der Affe, in der Mitte des Tisches stehend, sich nach allen vier Ecken des Zimmers verneigte, mit seinem roten Zylinder artig grüßend. Für den Affen war ein kleines Gestell in einer Ecke des Zimmers gerichtet, und es war der einzige Fall, daß Mister Jack uns ernstlich etwas verwies, als wir uns auch mit dem Affen befreunden wollten. Das gaben wir übrigens von selbst auf, als der Affe einmal meine Schwester gründlich an den Haaren raufte. Ueberhaupt bemerkten wir, daß die Ko- mödianten ihre Berufsgeheimnisse nicht gern preisgaben. Neunzehntes Kapitel. das ein gelehrtes Tier für sich in Anspruch nimmt. Am stärksten trafen die schlimmen Zeiten das Kamel. Denn dieses gelehrte Tier zählte fast als Mensch unter den Menschen mit und bewies mir klarer als jede Fabel, wie es möglich war, daß in so abstoßender Hülle ein derartig ge- duldiges und zartes Gemüt wohnte. Weil es durch seinen Verstand unter allen Tieren hervorragte, die Zahlen erkannte, die Mister Jack mit Kreide auf eine Tafel schrieb und sie durch Ausstampfen seiner Hufe anzeigte, das Taschentuch in Mister Jacks innerer Tasche suchte und fand, weil es so Dinge menschlicher Vernunft vollführte, hatten seine Augen einen fast menschlichen Blick. Aber seit Signore Robelly seine Pferde aus dem Stall führte und das Kamel den Raum allein mit seiner Körper- wärme heizen mußte, pflegte sein Herr es vergebens. Der Mister verstopfte umsonst alle Löcher, dieser Sproß glühend heißer Wüsten ertrug die bittere Kälte unseres Winters nicht. Es war ein so traulicher Anblick, wie es in rauher Ein- samkeit in seinem Stalle stand, wo auf den Fenstern genau so phantastische, verschnörkelte Blumen sprießten, aber aus Eis, wie in den Tropen. In allen Ritzen, an der Tür, an den Fenstern, ja zwischen den Deckenbalken hingen glitzernd weiße Eiszapfen. Freddy brachte ihm jeden Tag, was von seinem Brot
und Essen übrig war, auch meine Schwester und ich boten ihm oft unsere Aepfel an. Es half nichts. Das arme Höckertier wurde von Tag zu Tag krummer und räudiger. Man konnte von der Straße sein häßllches, tiefes Husten hören, und wenn sein Herr bei ihm«intrat. wandte er ihm immer matter den Kopf zu. Msster Jack tröstete es, es solle nur den Viehmarkt ab- warten, dann würde es einen Gefährten erhalten, die von meinem Vater angesagte Kuh. Aber der Markt ging vorüber, und meine Eltern brachten nur zwei kleine Ferkel mit heim. Wenigstens diese zwei lebhasten Tiere wurden in den Stall gesperrt zum alten, kranken Kamel, um es etwas zu erheitern. Aber so ein ernstes Tier braucht andere Gesellschaft. Diese ungezogenen Ferkel quiekten und purzetten den ganzen Tag wie verrückt durch den Stall und stießen den armen, alten Kerl immer gegen die Beine. Möglich, daß das Kamel wirtlich einen passenden Ge- fährten erwartet hatte und diese Enttäuschung ihm jetzt den Rest gab. Eines Morgens, als Msster Jack in den Stall hinausging. lag das Kamel m seiner gewohnten Haltung vor der Krippe. nur starr und unbeweglich. Es mochte so um die Mitte der Nacht verschieden sein. Mister Jack kam traurig mit der Nachricht zu uns, und die Komödianten sowohl als wir gingen hinaus, um den denk- würdigen Toten zu betrachten. Mister Jack kam traurig mst der Nachricht, aber oerhehlle nicht, daß es ihm hauptsächlich um das viele Heu leid tat. Jetzt war auch das Fell des gelehrten Tieres bereits in Gefahr, da der Kadaver erkaltet war und kundige Hände zu seiner EntHäutung nötig waren. Mister Jack lief um die Schinder. Die kamen auch gegen Mittag an mit einem Wagen, und luden das Kamel auf. Msster Jack nahm ebenfalls aus dem Wagen Platz. Die Zigeuner wunderten sich zwar über soviel Pietät, selbst wenn es sich, wie in diesem Falle, um ein verblichenes Wundertier handele, fügten sich jedoch Mister Jacks Laune, um so eher, da er ihnen einen Gulden schenkte. Sie sagten nsst größter Bereitwilligkeit ja, als Msster Jack fragte, ob sie das Kamel euthäuteu würden?(Fortsetzung folgt.)