Die Kehrseite Alt-Berlins. Wohnungen ohne Licht/ Freudlose. Gassen/ Die ewige Rattenplage
Die allen Datrizierhäuser des ältesten Berlin hinterlassen noch heute einen soliden, gediegenen Eindruck. Das Ermlerhaus in der Breiten-, das Lessinghaus in der Brüder strafe und das Klei st Haus in der Zriedrichsgrachl, dazu dos Ephraimsche Valais am Mühlendamm, diese Bauwerke lohnen schon einmal einen Sonntagsspazicrgang. Aber wo viel eicht ist. ist viel Schatten und so stehen die gediegenen Häuser nur allzuost zwischen übriggebliebenen Hausruinen vergangener Zahrhuuderle: Bauten, die nur zu geeignet sind, das beschauliche Bild Alt-Berlins kräftig zu verdunkeln. Wir sind dieser Tage mit dem Parteikassierer der?. Abteilung. deren Bereich sich mit dem Gebiet des uralten Stadtteils„Göll n" deckt, treppauf und treppab durch die alten Gasisn gewandert. Wir sind bestimmt nicht durch die Mietkascrnen im'Norden, Osten und Süden der Stadt verwöhnt, aber was wir an„Wohnstätten" in der Fischer- und Petristraße, an der Fischerbrücke und an der Friedrichs- gracht zu sehen bekamen, übertraf die düstersten Erwartungen. Es hält überhaupt schon schwer, Vergleiche zwischen diesen ältesten Berliner Häusern und den Mietkasernen der fünfziger oder sieb- ziger Jahre zu ziehen: so sind zum Beispiel der heutigen Zeit für bestimmte bauliche Dinge von damals die Ausdrücke verloren gegangen. Wie heißt nur dieser merkwürdige Gang, der sich in der Höhe des ersten Stockwerks fast um jeden Hof herumzieht. Für einen Laubengang ist er zu profan, eine Veranda ist das auch nicht und eine Balustrade nur sehr, sehr bedingt. Wir sagen das deshalb, weil der stockfinstere, halsbrecherisch steile und windschief getretene Aufgang in diesen Häusern kaum noch die Bezeichnung Treppe ver- dient. Wer diese Stufen glücklich hinaufgepilgert ist, steht dann in einem sonderbaren Vorraum, der noch halb der Treppenabsatz ist. ball» aber schon der Korridor der angrenzenden Wohnung. Im Hintergrund ist ein kleines Fenster zu sehen, das von innen(!) durch den Schein einer Lampe erleuchtet wird. Dieser Raum ist die Küche, in der äußersten Ecke steht die Kochmaschine und nie hat eine Frau gesehen, was sie in ihrem Topfe kocht, es sei denn, sie steckt sich eine Lampe an. Wir mußten erst in die Fischerstraße gehen, um von der Existenz solcher Küchen ohne Licht zu. erfahren. Die Promenade der Ratten. Die Stuben sind nun nicht etwa mit der Küche unmittelbar ver- Kunden, so einfach ist das in Alt-Berlin nicht, sondern man muß erst wieder über die merkwürdige Treppe, um in die Stuben zu gelangen. Hier werden wir vergeblich nach einer Tapete suchen, der Deckenputz rieselt vielmehr herunter, und daß die Klosetts auf dem Hof sind, ist beinahe eine Selbstverständlichkeit. Der Hof ist unterminiert. Die früheren Senkgruben sind nur dürftig verdeckt: wer auf den Boden pocht, hört es hohl und dumpf wider- klingen. Diese Senkgruben sind der willkommene Unterschlupf aller Ratten. Hinzu kommt die seltsame Bauart der 5?äuser, wo jeweils zwischen zwei Häusern ein doppelhandbreiter Raum gelassen ist, der heute den unzähligen überhandnehmenden Rallen als P r o m e-
n a d e dient. Man muß sich auch die K e l l e r w Alt-Berlin nicht ohne weiteres als verschließbare Räume vorstellen, ein Schloß wag vor den Türen schon sein, aber die Spotten sind so groß, unten und .an den Seiten, daß jede noch so fette Ratte hindurchschlüpfen kann; von Mäusen gar nicht zu reden. Gewiß steht nun überall in All- Berlin angeschrieben:„Vorsicht, Rattengift!" und Katzen sind in dieser Gegend wehr als genug da, aber die ekelhasten Ratten nehmen kein Ende, in diesen baufälligen Häusern haben sie soviel Unter- schlüpfe, wo weder Mensch noch Katze hinkommt. So kommt es, daß die Ratten unbekümmert auf den Teppich stanzen spazieren- laufen. Die andere Plage sind die„Schwaben ". Wir wollen getrost„Schwaben " sagen, denn Schabe sagt ja doch kein Mensch. Diese widerlichen Viecher krauchen m den düsteren Küchen in ganzen Regimentern herum und die unglücklichen Bewohner sind noch froh, wenn sie von den dicken, schwarzen, glänzenden Insekten heimgesucht werden, statt von den kleinen braunen, die in solchen Scharen auf- treten, daß es keine Rettung gibt. Oer Turm zu Pisa kann neidisch werden. Man muß sich überhaupt wundern, daß viele dieser alten bau- fälligen Häuser noch stehen. Daß sie nicht eines schönen Tages sang- und klanglos zusammengefallen sind. Da ist längst kein Putz mehr an den Wänden, der Kalk zwischen den Steinen ist ausgewaschen und unter die Türen hat man Steine gepackt, sonst würden sie ein- fach aus dSn Angeln fallen. Biswellen fehlt ein Haus, z. B. das Haus Fischerbrücke Nr. 13, und damit die Häuser Nr. 12 und 14 nicht umfallen, stützen sie sich gegenseitig durch dicke Balken. Auf solche Art wird noch mancher schiefe Giebel gestützt, gegen den der Turm zu Pisa ein kerzengerades Bauwerk ist. Wie viele Winkel und Ecken gibt es nur in Alt-Berlin, in die noch niemals ein Sonnenstrahl gedrungen ist, die die sonntäglichen Besucher wohl für sehr romantisch halten und gern photographieren. Daß hier ein Leben long zu wohnen eine schwere Strafe ist, wird meist nicht bedacht. „Aber wo sollen wir hin?" frage» die All-Berliner Bewohner, wenn man mtt ihnen über diese unwürdigen Zustände spricht. Da ist nun in der Fischersttaße der Seitenflügel eines Hauses durch die Baupolizei zum Abriß bestimmt worden. Aber kaum hatte die Bau- pollzei den Rücken gewandt, schon hatten sich Wohnungslose«in- quartiert, die froh sind, ein Dach über dem Kopfe zu haben. Ohne Wohnungsamt oder andere Stellen. Wie überhaupt die zuziehenden Bewohner dieser Gasten niemand in zjute oder böse zu trennen oermag: im Schatten dieser Alt-Berlmer Wohnungamisere gedeiht so manches Kuppelquartier und so manche„wilde Penne", die in einem Fall in der Fischersttaße em ehemallger Pferdestall war, den ein Schneider sich hergerichtet hatte, um die Bettler der Altstadt auszubeuten. Und im Vorderhaus wohnte eine 7(1jShrige Kuppel- mutter, die unlängst an der Zuckerkrankheit gestorben ist. Man bedauert die armen Kinder, die in diesen freudlosen Gassen spielen müssen. Und es mangelt uns durchaus an Verständnis für die Tiraden wehleidiger Gemüter, die allen wirtschafttichen Er- wägungen zum Trotz diese alten Baracken erhalten und die Kehrseite Mt-Berlins nicht sehen wollen.
Preußens Gesundheitswesen. Wie die Republik die Leibesübungen fördert. Einen Inleresianlen Einblick in die Arbeit der preußi- scheu Staalsregierung und der Sommunalbehörden für die Hebung der Dolksgefundheit liefern die ver- öffentlichungen ans dem Gebiete der Mediziualverwaltung, 34. Band. 3. Heft, im Abschnitt 15: Körperpflege. Badewesen und e i b e s ü b u n-g e a" in der Unterteilung a) Gärtnerische Anlagen und Erholungsplätze. b) Kleingarlenanwgeu. c) warmbadeonstalten. 6) Zreiluft- schwimmbäder.«) Hallenbäder, k) Sporlarztwesen. In 66 preußischen Städten mit über SO 000 Einwohnern wurde ein« Gesamtfläche von rund 15000 Hektar festgestellt, die für Grünflächen, Schmuck-, Sport - und.Kinderspielplätze mll Planschbecken benutzt wurden. 4 Prozent dieser Fläche entfallen auf Sport- und Kinderspielplätze. 62 preußische Städte mit über SO 000 Einwohnern berichten über Kleingarten- anlagen mit rund 48 000 Hektar Gesamtfläche. Die Angaben über die Warmbadeanstalten sind in diesem Zusammenhange unentbehr- lich. Bei den Freilustschwimmbädern ist eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen. Von den gemeldeten 1800 offenen Schwimm- b ä d« r n. die größtenteils an See- und Stauanlagen oder Flüssen liegen, befinden sich etwa% im Besitz der Gemeinden. Die meisten Anstalten sind mit Sprunganlagen und Duschen sowie mtt Turn-
und Sportgeräten und Unterrichts- und Rettungsgeräten aus- gestattet. Die Zahl der Hallenbäder ist nur wenig(um fünf) ge- stiegen. So wurden in 27 der 35 preußischen Regierungsbezirke 127 Hallenbäder festgestellt, die sich zum weitaus größten Teil im Besitz der Gemeinden befinden. Nur wenige Hallenbäder verfügen über Zwei Schwimmbecken. Die Größe der einzelnen Schwimmbecken schwankt zwischen 100 und 800 Qua- dratmeter. Die Anstallen sind mtt Umkleideräumen, Duschen und Wiegeoorrichtungen zweckmäßig oersehen. Die Zahl der sportärztlichen Beratungsstellen ist von 104 im Jahre 1028 auf 110 im Berichtsjahre gefttegen. 8ö dieser Beratungsstellen sind von den Gemeinden eingerichtet worden, 8 von Gemeinden und Sportvereinen gemeinsam, die übrigen werden von Landkreisen(3), Universitäten(2) und Privatärzten(3) unterhalten. 232 Sportärzte, einschl. 26 Sportärztinnen, waren in diesen Beratungsstellen tätig und zwar OS beamtete Aerzte und 137 Privatärzte. Außerdem waren 08 Hilfskräfte (Assistenten, Fürsorgerinnen, Sporttehrer, Santtäter) tätig. Der Regierungsbezirk Düsseldorf ist am besten mit Sportärzten(6S) versorgt, an zweiter Stelle steht der Regierungsbezirk Arnsberg (20), es folgt Berlin mtt 21, Merseburg mtt 10, Magdeburg mit 18, Liegnitz mit 13 Sportärzten. Die Zahl der wöchentlichen Untersuchungsstunden ist im Regierungsbezirk Düsseldorf am höchsten(33), es folgen Berlin mit 32, Königsberg mit 27, Liegnitz mit 17 Unter- suchungsstunden. In S8 Beratungsstellen wurden die üblichen spart- ärztlichen Fragebogen benutzt.
Arbeiter, aufgemerkt? Kommunisten für Lohnabbau und unbezahlte Lleberfinnden. Zu der lehten Sitzung der Vau- und Wohnungsdepulallon der Vezirksversammlung Friedrichshain ist den Kommunisten ein Geständnis entschlüpft, das wert ist, der Oeffentlich- keit bekanntzuwerden. Bei der Aussprache über die Sparmaßnahmen der Stadt ließen die tommumstischen Bezirksvcrordneten M a u r i s ch o t und Kurz- mann wie gewöhnlich ihren Phrasenschwall los. Unter anderem behaupteten sie, die ganze Berliner Kommunalpolitik fei bankerott. Sie verlangten Beschlüsse, die vom Magisttat neues Geld fordern sollten. Von dem sozialdemokratischen Stadtverordneten Klingler wurde ihnen erwidert, daß es ja gar keinen Sinn habe, hier Anttäg« zu stellen, die Mittel oerlangen, während dann in der Stadtver- ordnetenversamnllung die Kommunisten die Herbeischafsung der not- wendigen Einnahmen ablehnten. Uebrigens gäbe es für die Stadt Berlin einen Weg, sehr leicht über die jetzigen finanziellen Schwierig- ketten hinwegzukommen, wenn sie nämlich das tun würde, was die Leitung der Kommunistischen Parter und der„Roten Fahne" getan hat: denn diese haben doch den armen Zeiiungsfrauen ihre Bezüge nm 33 bis 45 Proz. gekürzt, haben also weit mehr Loh« ab- gebaut als es je ein reaktionärer Unternehmer von seineu Arbeitern und Angestellten verlangt hat. Dann werden in der„Roten Fahne" Streikbrecher beschäftigt, die unter Tarif arbetten und wöchent- lich bis zu acht U e b e r st u n d e n machen, ohne dgß die Ueber- stunden bezahlt werden. Wenn die Stadt Berlin so brutal und reaktionär gegen ihre Arbeiter und Angestellten vorginge, dann könnte sie auch einen großen Teil ihrer finanziellen Schwierigkeiten schnell überwinden. Darauf erklärten die linientreuen Kommunisten Maurischat und Kurzmann, die Kommunistische Partei habe nicht wie die Sozialdemokratie Mitglieder, die in guten Staatsstellungen sind und ihre Partei extra unterstützen. Infolgedessen müsse die kommunistische Partei aus dem Persoual der Jftoten Fahne" und den armen Zeitungsfrauen durch Lohn- abzzcg und unbezohlle Ueberstunden das Rötige herauspressen. um sich dadurch finanziell über Wasser zu hallen. Alle Anwesenden nahmen dieses Eingeständnis mtt großem Interesse entgegen und vom Genossen Kkingler wurde nur noch festgestellt, daß die Partei, die sich als die alleinige Partei der Werktätigen aus- zugeben erdreistet, nun zugegeben hat, daß sie ihre Zeitungsbetriebs nur halten kann, weil sie einen 40prozentigen Lohnabzug durchgeführt hat und außerdem von den Arbottern in ihren Betrieben un- bezahlte Ueberstunden verlangt. Das sind jene Leute, die in der Oeffentlichkeit gegen den Lohnabbau große Tone reden und angeben. für die Arbeitslosen einzutreten, die aber in ihren eigenen Betrieben die größten Lohnabzüge machen und durch wohlwollende Duldung unbezahlter Ueberstunden noch mehr Arbeitslose schaffen. Reichsbanner-Gtadion in Berlin . Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold hat das 100 000 Quadrat- meter große Stadion und die Tennisplatzanlage am Fuße des Funkturms(Aous-Eingang) übernommen. Das Reichsbanner wird die gesamte Anlage nach den modernsten Errungenschaften der Neuzett Herrichten und im August den bisher über ganz Berlin ver- streuten Schutzsport-Betrieb hier zentralisiert eröffnen. Moderne Bade- und Duschräume werden auch den hygienischen Forderungen Rechnung tragen. Die vor dem Stadion gelegenen acht Tennisplätze sind bereits dem Betrieb übergeben. Neu angelegt« Rabatten und neue Sträucher umrahmen die Anlage.
Landesverband der Volkshochschulen. Di« Volkshochschulen in Berlin und der Provinz Bran- denburg haben die Absicht, sich im Rahmen des Reichsverbandes der Deutschen Hochschul« zu einem Landesverband zusammen- zuschließen. Bezweckt wird die gemeinsame Vertretung der Jnter- essen gegenüber der Oeffentlichkeit und den Behörden. Arn Sonntag, dem 17. Mai, findet die Gründungsversannnlung statt, in der auch die Wahl des Vorstandes erfolgen soll. Die Volkshochschule Groß- Berlin, die Humboldt-Hochschule, die Abend-Volkshochschule der Sozialen Arbeitsgemeinschaft Berlin -Ost, das Volkshochschulheim Ulmenhof, das Volkshochschulheim Tempelhof , sowie der Magisttat Nowowes im Kreise Teltow , der Magistrat Brandenburg a. d. Havel , der Magisttat Eberswall)« und die Bollshochschule der Stadt Rothe- now haben bereits chre Beteiligung an dem neu zu gründenden Landesverband zugesagt.
Sexualwissenschasllicher Frageabend, nur für Frauen.— 3m Zasiitul für Serualwissenschasl findet der nächste sexual- wissenschaftliche Frageabend am Montag, dem 18. Mai, 20 Uhr, im Ernst-Haeckel-Saal(In den Zellen Oa— Eingang Gartcn- portal) statt. Am Dienstag, dem 10. Mai, findet an demselben Orte und zur selben Zeit erstmalig ein sexualwissenschaftlicher Erageabend nur für Frauen statt, den der bekannte erllner Frauenarzt Dr. Levy-Lenz abhalten wird. Unkostenbeittag 20 Pf., Erwerbslose die Hälfte.
Ein Blick cenlig+i Qualität helsst Immer