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(Beilage Sonnabend, 16. Mai 1931

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Nährvater Schrebergarten Gespräch Vorm MisthaufcTl** Von Heinrich Hemmer

Also Sic leben von diesem Siückchen Erde?" sagte ich un- gläubig und blickte durch ein blitzblanksauberez Häuschen in ein dito Gemüsegärtchen, darin Birnbäume blühten. Der Philosoph wandte lebhaft den Kopf, der dem Rabin- dranat Tagores ähnelt, wenn er sich den Bart nach Art der französischen Präsidenten zustutzen ließe. Ich bin ein Kleinsiedler. Ein Laubenbewohner". sagte er milde,den sein Schrebergärtchen ernährt. Ich kaufe für ein paar hundert Mark Konsumartikel im Jahr, aber da ist Seife, Stiefelwichse und alles mögliche für 6 Personen mit dabei. Im Grunde liefert uns dieser halbe Morgen Gartenland das ganze Jahr über jeden Bissen, den wir in den Mund stecken. Hätte ich statt eines halben einen ganzen Morgen Land, so wäre aller Konsum gedeckt." Der Philosoph steht über jeden Zweifel erhaben, er atmet Wahr- haftigkeit aus. Er scheint mir ein einwandfreies Beispiel dafür zu sein, daß vor den Toren von Berlin ein Mann mit Familie sich der Hauptsache nach von seinem Schrebergarten ernähren kann. Aber wie wie nur kann man sich soviel Sicherheit schaffen in diesen unsicheren Tagen? Eine Lektion Kommen Sic", sagte der Philosoph und führte mich durch ein kleines Klapptürchen zum Haus hinaus(ein Haus, das mit der Fa- milie in die Breite und in die Höhe gegangen war) in den Garten. Dort öffnet er was soll das bedeuten die Türe zu einem Miniaturen Häuschen, von der Art. wie man es sonst den Gästen nur auf speziellen Wunsch vorführt.... Herr Rabindranat, ich bitte...! Im Anfang war der Mist", sagte der Philosoph ge- lassen. Der erstaunliche Mann erläuterte mir. ob ich's wollte oder nicht, den Betrieb dieses Häuschens, sowie des in seinem Schatten liegenden Kompo st Haufens. Das bildet nun einmal die Basis dieser Gartenwirtschaft, das ist sozusagen seine goldene Grundlage. Ich zog ein Taschentuch. Der Philosoph winkte ab:Ncm ölet", sagte er wie jener römische Imperator, der sich von demanrüchigen" Golde gewisser Anstalten bereichert hatte. Der Philosoph schnüffelte mit der Nase: ein Zeichen, daß das Riechorgan in diesem heiklen Rayon nicht der leisesten Beleidigung ausgesetzt sei. Fabelhaft! So weit haben es nicht einmal die Engländer gebracht, dachte ich.D a s ist kein W E". sagte er.Das heißt: es gibt kein W(asser) in diesem C. Es ist ein Torf stuhl. Der eingeworfene Torsmull aber bindet ja eben das Ammoniak und läßt den Stickstoff nicht un- genutzt in die viel mißbrauchte Luft entweichen. Kon olet." Ich stehe vor dem Komposthausen, dessen sanfte Erhebungen sich 3 Meter weit im Norden des Schuppens erstrecken und erhielt hier eine richtige landwirtschaftliche Chemielettion. Aus einem Mixtum compositum produziert hier der Wurm(dessen un- heimliche Rolle es immer ist, die Domänen des Todes und Lebens miteinander zu verbinden), in wenigen(S o m m e r-)Wochen Erde: Humus. (Im Winter schläft er, so wie sich's für einen Wurm gehört.) Das Mixtum ist wirklich sehr compositum und enthält aus den durch Torfmull gebundenen und dadurch ganz präsentablen Substanzen: Vieles und doch wieder nur Bestimmtes: 1. Die in einer gemauerten Grube schlummernden flüssigen Küchenabfälle(fettes Spülwasser usw.), die der Philosoph mittels Armschwung und eines gestielten Kübels zwei-, dreimal die Woche, wuppdich, auf den Kom- pofchaufen hinüberschüttet(ein bißchen Freiluftgymnastik"), 2. trockene Küchenabfälle(Kartoffelfchalen, Rhabarberblätter), 3. Ma- mtstripte, die der Verleger nicht gewollt hat(der Wurm schreckt vor nichts zurück), 4. Holzasche, 5. abgefallene Blätter(die, wenn sie liegen bleiben, wie im Walde, der Wurm in die Erde zieht), und schließlich müssen dem sandigen märkischen Boden gewisse Substanzen von außerhalb zugeführt werden wie: ungelöschter Kalk(5 Zentner a 4 Mark), Lehm, etwas Grün-Dung und etwas Kunstdünger: der Paprika" dieses reformierten Bodens. In einem halben Jahr kann man den Komposthaufen in die Tasche stecken. Das Mixtum ist kompostiert: zu Gartenerde ..verwittert". Der Wurm hat seine Schuldigkeit getan: der Wurm kann(schlafen) gehen. Die große Sache Nun: jetzt kommt die große Sache. Der Philosoph und mit ihm die Reformer behaupten: diese und zwar nur diese heilige Kom- posterde ist gesunde Nahrung für Pflanzen, die ihrerseits den Menschen gesund erhalten soll, nicht die Rieselungen der Groß- ftadt, nicht der ungebundene Dich- und Menschendung des Bauern. Der unverrottete Dung treibt wohl die Pflanzen auf, sie werden größer, stärker.... aber: geschmackvoller werden sie nicht, wert- voller, gesünder werden sie nicht. Ehrlich gesprochen, lieber Leser, wir sind des öfteren an bro- delnden Kohltöpfen vorübergegangen, von denen man nicht sagen kann: Kon olet. Der Kohl riecht genau wie jene Substanz, die ihm zu seinem übermäßigen Wachstum verholfen hat. Kosten Sie den aromatischen Kohl dieser Reformer, kosten Sie ihre Kartoffeln, kosten Sie anderes. Ich weiß es erst seit gestern wie das schmeckt, wie das duftet. Ach, was lebte ich für ein gottloses Leben, ich nährte mich von aufgeblähten Pflanzen und Tierleichen..., wenn ich reformierbar wäre, reformierten sie mich am Ende noch da draußen. Aber ich habe doch prächtige Kinder gesehen!" wagte ich ein- zuwerfen,großgezogen an Rieselfelderkohl, Milch, Eiern, reichlich eiweißhaltigen Substanzen." Das find Posaunenengel", sagte der Philosoph. Ein etwa sechsjähriger, sehniger, ulkiger Struwelkopf kam auf uns zugesprungen. Der Philosoph öffnete ihm den Mund wie einem Pferd:Zeigen Sie mir solch« Zähne unter denPosaunenengeln", sagte er,und wo gibt es unter den Fleischessern einen so gesunden Hals. Mandelentzündung. Diphtheritis, dergleichen ist hier unbe- kaunt. Sehen Sie, der Rieselfelder-Kohlkopf, dos ist auch fo ein vegetabiler Posaunenengel scheinbar das gesündeste vom gesündesten und doch..." Ist das Ihr Sohn?" fragte ich. Ja." Wie.... wie..." Sie wollen wissen, wie alt ich bin? Siebzig", sagte der Mojoxh._;....._______

Wir gingen durch dos bis zum letzten Quadratzentimetcr aus- genutzte Gärtchen, in dem es grünte und sproßte und blühte... und mit dieser Fruchtbarkeit auf unfruchtbarem Grund hat auch die Bodenhaltung zu tun. Man darf den Boden nicht quälen, darf nicht die Arbeit der(höre ich recht) Bodenbakterien stören. Die Bodenbakterien sitzen tief in der Erde, haben dort irgendeine dringende Arbeit vor, wie ich am Schreibtisch und wollen (zum Donnerwetter!) nicht gestört werden. Das weiß man erst seit zehn Iahren. daß man die Bakterien nicht stören darf. In bezug auf die Schreibtischsitzer weiß man das heute noch nicht. Was baut ein Reformköstler in seinemSchreber "garten an? Kartoffeln, Gemüse, Salate, Beeren, Obst. Sie essen das, was die Jahreszeit gibt. Heute gab es zum erstenmal Rhabarber in diesem Hause. Kartoffelmus mit Brechspargel. Darauf Rhabarberkompott mit Plätzchen. Abends gibt es dasselbe. Findest du das power, lieber Leser? Auch ich habe ein Schwcinskotelett im Magen. Aber mir haben, weder ich noch du haben wir IS verschiedene Sorten Aepfel im Garten wachsen und die Herzogin von An- goulcme und andere hochwohlgeborene Birnen und Erdbeeren, die mit der Schlagsahne flirten(so viel wir wollen) und leckere kirschen- große schwarze Johannisbeeren und Edelgemüse, und solche Salat- und Tomatenherrlichkeiten..., und es könnte sein, daß sich der PH!» losoph über unseren(was uns dünkt) appetitlichen Teller beugte, und nicht deswegen, weil wir Fleischesser und jene nicht, son­dern einfach vom Q u a l i t ä t s standpunkt aus ausrufen würde: Pfui Teufel". Der Philosoph zog wich in den Keller. Da lagen sie hundert- weise: Frucht saftflaschen, ungegoren, und sahen mich mit sonderbarem Borwurf an:Reformiere dich!" Mir wurde ganz schwummerlich-dummerlich zumute. Da lagen auch Büchsen, hunderteweis, Gurken, Kürbisse, grüne Bohnen, Mohrrüben; was im Sommer roh oder halbroh genosien wird, ist luftdicht verschlossen, vorsichtig auf einen leichten, Bitaminen nicht schadenden Wärmegrad erhitzt, hier lebendig ein»

I balsamiert. Ich trinke und esse aromatische Säfte, anscheinend frisches Gemüse, wie sie es den ganzen Winter über essen. Jene. Poweren. Und unverfälschte Marmeladen liegen herum, ohne Färb- sross und Zucker..., wie Ambrosia schmeckend. Oh, ihr Schlemmer! Und noch zwei... Träume ich? Ein zweiter noch rasfaelisch-struweligerer Junge kommt auf uns zugesprungen, als wir wieder in den Garten treten, wo uns die Herzogin von Angouleme zulächelt. Der Junge konnte doch nicht mehr als drei Jahre zählen..? Hören Sie, ist das auch Ihr...", stammelte ich. Das ist der zweit e", sagte der Philosoph sehr philosophisch vornehm..., rannte aber, als ein Gewitterwindchen uns Blüten und Regentropfen ins Gesicht blies, auf einen Korb zu, den er im Studierftübchen, wo der Faust im Regal steckt, auf den Tisch stellte. Wie tüchtig, dachte ich: ein Philosoph, der im Regen die Wäsche rettet... Da da fing der Korb zu schreien an. Der Philosoph hob die Decke. Ein Baby lag im Korb. Bier Monate alt:Das ist Adolf", sagte Rabindranat,mein Jüngster." Ich war sprachlos. Aber der Philosoph erklärte mir ohne mit der Wimper zu zucken sachgemäß, warum Adolf so frisch und munter sei. Adolf trinkt von der Brust. Und sie. Mutterchen, ißt nicht etwa Fleisch und Eier und Butterfür zweie"..., sie trinkt nicht einmal Milch, diese Begetariermamatrinkt denn die Kuh Milch?" Die Kuh nährt sich von milch p r o d u z i e r e n d e n Substanzen. Genau fo macht es diese Mutter.Darum gingen auch die Geburten olle so leicht vonftatten. Man rief im letzten Moment nach Assistenz, in einer Stunde war alles in Ordnung..." Unfähig, so viel Ordnung, so viel Gartenbau-, Haushalts- und Nährreformen, so viel System, so viel Gelassenheit, soviel bis ins Detail geübte Sparsamkeit und Einfachheit der Lebensführung auf- zunehmen, taumelte ich aus diesem Gartenparadies hinaus.(Denn die Obstbaumblüte hatte mich noch mal nach dem Garten Eden ge- trieben.) Taumelle ins sündige, unfertige, unreformierte und doch irgendwie von hellen Funken durchzogene Leben zurück, das mir irgendwie zuwinkte und fragte mich, ob man besser als kom- pakte Masse, wie diese Kolonie, nach edleren Lebensformen strebt, oder einzeln. Und was denn eigentlich edel sei. Ein Spruch Paul Heyses kam mir auf der Rückfahrt in den Sinn:Edel ist der- jenige Mensch, der nicht aus Erfahrung klug wird". Und dann sah ich, daß auch in Berlin die Bäume blühen....

Südamerika heute und morgen Auseinandersetzung mit einem Buch

Kasimir Eds chmidts neues Reisetagcbuch in Roman- form, dos unter dem TitelGlanz und Elend Süd- a m e r i k a s" soeben im Frankfurter Sozietätsverlag erschienen ist, trifft in eine'Zeit starker Anteilnahm« an dem bewegten Geschick des merkwürdig unorganisch erscheinenden südamerikanischen Kontinents. Revolutionen in einer selbst für diese Gegenden ungewohnten Häusig. keit erschüttern ihn: der ihnen innewohnende Sinn, von Edschmidt klar herouzgestelll, ist ein unsicheres Hin und Her zwischen der Wirklichkeit drückend empfundener Diktaturen und dem mehr oder weniger idealistischen Streben nach einer Demokratie, die rein und achtunggebietend darzustellen, jener jungen, werdenden Kullurwelt einstweilen noch versagt zu sein scheint. Der Weltkrieg hat allenthalben in Südamerika die Geltung Europas als eines bewunderten kullurellen Vorbildes gemindert und das kontinentale und nationale Selbstbewußtsein der Südamerikancr unendlich hochgetrieben. Nordamerika durchdringt jene Länder politisch, wirtschafttich undkulturell"(in Gänsefüßchen), begegnet aber einem rassisch bestimmten Widerstande, dem der größte Dichter Lateinamerikas , Rüben Dario, schon vor 25 Iahren in der Ode an Rooscvelt" klassischen Ausdruck gab, und den Argentiniens Expräfidcnt Irigoyen bis zu seinem Sturz(September 1930) rücksichtslos vor aller Welt dargelegt hat. In einen Zustand unerhörter Gärung innerhalb der bürger- Richen Gesellschaft leuchtet also Edschmidts Werk hinein, das in der Tat die berühmteLücke" im Buchhandel ausfüllt, da sich vieles geändert hat, seit Colin Roß vor elf. zwölf Jahren, sozusagen als erster Repräsentant des republikanischen Deutschlands , dort seine Erfahrungen sammelte und aufschrieb. Gleichgeblieben ober ist die überwältigende, buntwech'elnde Natur Südamerikas : vor deren Erhabenheit hat Edschmidt als ruhiger, reifer Beobachter gestanden. Ein Hauch von ihr scheint in sein Buch eingegangen zu sein: die beinahe gewalttätige Eigenwillig- keit der Formgebung früherer Werke Edschmidts ist bis aus Reste gewichen, so daß das Lesen des Buches zunächst ein ästhetisches Bcr- gnügen bereitet. Meer und Gebirge, Hochebene und Flußniederung, Himmel und Wald, Blumen und Tiere sind mit Maleraugen gesehen und mit Dichterkraft geschildert. DieSchwimmenden Wiesen" im Guayra ström(Ekuador ), ein Abend in Buenaventura (Kolumbien ), ein Blick aus Rio und manches ander«, sind kleine Meisterstücke künstlerischer Zusammenschau. Die gleiche scharfe Beobachtungsgabe beweist Edschmidt gegen- über der gegenwärtig in Südamerika herrschenden Klasse: die treffend«, bisweilen amüsante Schilderung von Personen, Krci- sen, Schichten bleibt im Gedächtnis. Hohes Lob erteilt Edschmidt der gegenwärtigen deutschen diplomatischen Vertretung: alsdann dürfte ein Wandel gegen die Borkriegszeit eingetreten sein. Deutsche Leser wird die vorsichtig-taktvolle Anrührung der Gesühlsbeftimmt- heit alter Kolonialdeutscher und die Aufhellung der bolivianischen Mission des Generals Kundt lebhaft anziehen. Edschmidt hat unendlich viel gesehen, Wichtiges gesrchickt ausgewählt und zusammengestellt und seinen Lesern in so spannender Dar- stellung vorgelegt, daß die Anteilnahme nicht einen Augenblick aus- setzt. Wer über bedeutsame Erscheinungen des südamerikanischen Lebens unterrichtet sein will, muß das Buch unbedingt lesen. Man wird von einem Reisebericht, selbst wenn der Derfasser ein Jahr und mehr im Auslande beobachtet haben sollte, billiger- weis« nicht erwarten, daß alles Wesentliche darin ausgezeichnet sei. Das gilt auch für Edschmidts Buch. Die Schau wird davon be- stimmt, von welchen Punkten aus sie genommen wird: Glanzpunkte des gesellschastlickten Lebens: Stootspräsidentenpalais, Luxusbotels, Motorjachtcn, reiche Estancien brauchen kein falsches Bild ge- sellschaftlicher Zustande zu geben: wer sich aber vorzugsweise auf solchenHohen" hält, übersieht natürlich leicht allerhand Un-Schem- bareres.

Das ist hier die gegenwärtige Lage und die Zukunft des süd« amerikanischen arbeitenden Volkes, aus deren Be- trachtung dem KapitelElend" reicher, zum Teil erschütternder Stosf zugeflossen wäre, die aber auch Ausblicke auf di« künftige Gestaltung der Ding« eröffnet hätte. Die' Tatsache jahrhundertelanger Aus» beutung und Unterdrückung des eingeborenen, indianischen Prole- tariots wird zwar von Edschmidt betont, aber von der Aufbau- arbeit der allindianischen Bewegung, den Siedlungen derNeuen Indios" am T i t i k a k a s e e, der entschiedenen Abkehr der Indios von den bisher durch die weißen Herren geschickt gepflegten, abstumpfenden Lastern des Alkoholismus und des Kokagebrauchs, von dem Geländeoerlust der katholischen Kirche bei den Indianern und allen anderen hochbedeutenden Erscheinungen eines als R a s s e n k a m p s auftretenden Klassenkampfes in Bolivien und Peru hat er anscheinend nichts erfahren. Auch die Zustände der Arbeiterschaft östlich der Anden bleiben unbehandelt. Es ist schade und dürftig, in dem so kenntnisreichen Buche von dem Sozialismus in Argentinien nichts weiter zu hören, als daß da irgendwo eins ihrer Plakate gehangen habe. Ob es richtig ist, daß sich die Landarbciterschaft in ihren Verhält» nissen wohlfühle, ist z. B. nach dem Riesenstreik, der um die Mitte der zwanziger Jahre in der Provinz San Juan ausbrach und blutig niedergeworfen wurde, sehr zu bezweifeln. Weiteres Material wäre in den Zuckerdistrikten Tukumäns, den Kebratschowäldern des Tschako, ja, schon in fürchterlichen Konoentiljos(Mietkasernen) in Buenos Aires selbst, leicht aufzufinden gewesen. Zugegeben, daß es eine gewaltige Arbeit für sich gewesen wäre. auf die ungemein verwickelten und schwer zu übersehenden Fragen der Arbeit und der Arbeiter in Südamerika einzugehen: insofern aber, als Edschmidt in gewissem Sinne auch Zukunftsprognosen zu stellen versucht, hätte er doch wohl zu Sozialismus und Kommunis- mus Stellung nehmen sollen. Die soeben in Argentinien vorgenom- menen Wahlen zeigen beträchtliche Stimmenzahlen zugunsten der Sozialdemokratie, die schwierige Arbeit an der geistigen und poltti- sehen Bildung eines völkisch buntgemischten Proletariats hätte er- wohnt werden können: der starke Anteil der studierenden Jugend an der Geftalwng sozialisttscher Zukunft ist nicht zu übersehen(vgl. E. Goldschmidt,Argentinien ", E. Reiß, Berlin ), und den Kommu- nismus als unerheblich abzutun, erscheint gewagt. Sozialistische Einstellung nämlich ist, wie z. B. an der uralten Hilfsorgamsation des Kaamay in Peru hätte festgestellt werden können, Erbgut der indianischen Bevölkerung noch von den Jnkazeiten her. Bewußtem Sozialismus begegnet man allenthalben, und stimmungsgemäß ist er noch viel verbreiteter. Mit Ausnahme der traditionsgebundenen, konservativen Kreise gibt es in Peru heute niemand, der sich nicht mit mehr oder weniger Aufrichtigkeit einen gewissen sozialistischen Einschlag zuschriebe." Dies Wort des peruanischen Vorkämpfers für den Sozialismus, des im vorigen Jahre verstorbenen Jose Carlos Mariategui , trifft auch anderwärts zu. Es ist selbstverständlich, daß sich diese Tatsache in Zukunft gestaltend auswirken muß. Wenn heute in Süd- und Mittelamerika, ausgesprochen ab- wehrend gegen Europa und Nordamerika , an einem kommenden .Indolateinischen Kulturkreise" gearbeitet wird, wo- von weder Edschmidt noch Colin Roß etwas erwähnen, so ist die leckende sozialistische Komponente unoerkennbar. Der Kontinent ist Kampfgelönde: wie stark die Gegensätze sind, zeigt der fabelhafte Widerstand in Nikaragua gegen di«. Nordamerika - nifche Durchdringung, bewies erst vor Wochen die Schließung der nordamerikanischen Petroleumgritken in Kolumbien . Diele treibende Kräfte hat Edschmidt richtig gesehen: eine wichtige, vielleicht die wichtigste überhaupt, scheint ihm entgangen zu ssin. Vielleicht hat er sie absichtlich Ettcrsehetvl CL H. Keucndorü,