Rr. 226 48. Jahrgang
4. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 17. Mai 1931
Ungenügende Entlastung des Arbeitsmarkts.
Kampf gegen Arbeitszeitverkürzung mit Zitatfälschungen.
tausende auf diesem Wege in die Produktion einzuschalten sind, muß dies geschehen. Die Entwicklung im Berichtsmonat bringt uns einen Beweis dafür, daß auf diesem Gebiet ein weiterer Erfolg immer noch möglich ist."
Ende April pflegt die winterliche saisonübliche Belastung unseres| entstanden sind, muß man erkennen, daß eine derartige Entwidlung| ffredung fommt nicht in Frage. Aber auch wenn nur einige HundertArbeitesmarktes so gut wie vollständig überwunden zu sein. Im der Arbeitszeitgestaltung nicht zulässig ist und die Notwendigkeit der Durchschnitt des Jahrfünfts 1924 bis 1928 war zu dieser Jahreszeit gefeßlichen Regelung der Frage beweist. die Arbeitslosigkeit in der Saisongruppe nur um 4,2 Proz. höher als in der Konjunkturgruppe, und die saisonübliche Arbeitslosigkeit im Vergleich mit dem sommerlichen Tiefstand ließ sich etwa auf 1 Proz. schäzen. Um so eindrucksvoller sind die Aprilberichte der Gewerkschaften, die eine nur unerhebliche Entlastung des Arbeitsmarktes nachweisen.
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Von 100 Gewerkschaftsmitgliedern waren arbeitslos bzw. standen in Kurzarbeit: Dagegen 1930:
In der letzten Eingabe der Spikenorganisationen der Unternehmer an die Reichsregierung wurde die an dieser Stelle erschienene Uebersicht über die Lage des Arbeitsmarktes Ende Januar gegen die Forderungen der Gewerkschaften auf Arbeitsstredung ausgespielt. Es wurde nämlich behauptet, daß der lehte freigewerkschaftliche Bericht über die durchgeführte Arbeitszeitverkürzung" zu dem Ergebnis tommt, daß eine entscheidende Besserung der Lage durch die Arbeitsffredung nicht mehr in Frage fommt". Gemeint wurde ein Artikel im ,, Borwärts" vom 18. Februar. Die Berufung auf ihn stellt aber eine dreifache Fälschung dar. Zunächst ist ein gezeichneter Artikel fein freigewerkschaftlicher Bericht", zweitens ist durch die Einschaltung des fleinen Wörtchens ,, mehr" dem angeblichen Bericht ein Gedanke zugeschrieben, der dem Verfasser vollständig fremd war; drittens ist durch das Loslösen des Sazes aus dem Text sein Simm umgedreht.
Monats ende
1931: In der In der 811Ronjunktur Saison- famgruppe gruppe
In der Ronjunktur
In der
Gaison
men
gruppe
gruppe
81fam ment
waren arbeitslos:
Januar.
25,8 Februar. 25,8
72,8
34,5
14,2
55,5
22,2
74,7
34,8
15,0
59,5
23,7
März. 25,6
71,4
34,0
15.1
50,2
21,9
April. 25,2
.
63,7
32,3 15,2
42,9
20,5
standen in Kurzarbeit:
Januar. 22,6
•
2,3 18,8 12,6
2,2
10,6
Ich habe wörtlich geschrieben: ,, Eine entscheidende Befferung der Lage durch die Arbeits
Februar. 23,1
2,2
19,2
15,1
2,0
12,5
März. April... 21,5
22,4
1,7
18,6
14,7
1,4
12,1
1,5
17,9
14,3
1,2
11,7
In diesem Zusammenhang ist vollständig flar, was ich unter entscheidende Besserung der Lage" verstanden habe. Zur Zeit, wo 5 Millionen Arbeiter auf der Straße liegen, fann man nicht die Einschaltung von 600 000 bis 650 000 in die Produktion als eine entscheidende Besserung der Lage betrachten. Dies besagt aber nicht, daß man sich mit den erreichten Erfolgen der Arbeitsstreckung zufrieden erklärt. Der Sinn meiner Aeußerungen konnte nicht von den Verfassern der Eingabe mißverstanden sein, sie haben ihn abec derart umgedreht, daß ich selbst meinen Sah in der Wiedergabe des Arbeitgebers" nicht mehr erkennen fonnte und sicher war, daß es fich entweder um einen mir unbekannten Verfasser oder um eine Erfindung der Unternehmer handelte. In Wirklichkeit war es weder das eine noch das andere, sondern einfach eine Fäl schung. Mir ist unflar, was man mit derartigen Methoden geminnen will: die Erfahrung zeigt, daß jedes falsche Zitat früher WI. Woytinsky. oder später entlarvt wird.
Es ist allerdings zu betonen, daß das Jahr 1930 für das Bau= gewerbe ein ausgesprochenes Krisenjahr gewesen ist. Niemals hatte früher Ende April die Arbeitslosigkeit in der Saisongruppe eine ähnliche Höhe erreicht. Heute liegen in den meisten Bauberufen etwa
zwei Deiffel bis drei Viertel der Bauarbeiter auf der Straße, wobei nur wenige unter ihnen hoffen können, in absehbarer Zeit Beschäftigung zu finden. Unter den Gewertschaftsmitgliedern waren nämlich arbeitslos:
Ende April Ende April Ende April Ende April 1928 Proz
1931
1930
1929
Broz.
Proz.
Broz.
Maurer
71,4
47,0
18,8
10,6
Bauhilfsarbeiter
70,5
53,0
23,8
18,4
Tiefbauarbeiter
62,3
43,7
23,8
21,3
Zimmerer
71,5
51,4
27,9
17,7
60,5
36,0
15,0
7,2
65,3
53,7
25,3
24,5
57,8
41,4
11,7
29,8
15,6
4,1 5,2
Maler
Dachdecker
Steinarbeiter
Grobleramifer
51,8
In der Konjunkturgruppe murde eine Berbesserung fühl bar: Im Organisationsbereich des Gesamtverbandes( Berfehr), in der Labakindustrie, im Bekleidungsgewerbe, Holzgemerbe und bei den Fabrikarbeitern. Die Neueinstellungen in diesen Berufsgruppen waren zum Teil aus Saisoneinflüssen oder aus besonderen Bedin gungen in den betreffenden Industrien( z. B. in der Tabatindustrie)
zu erklären.
Bon 100 Berbandsmitgliedern waren arbeitslos:
Gesamtverband.
Tabalarbeiter
Bekleidungsarbeiter
Holzarbeiter
Borzellanindustrie.
.
Ende März 1931
Ende April 1931
.
11,1
10,7
40,0
30,9
29,5
25,3
49,4
48,3
30,1
27,9
41,5
40,7
47,2
45,6
Dagegen ist in der Metallindustrie und Textilindustrie, im Ber vielfältigungsgewerbe, bei den Lederarbeitern und Schuhmachern, im Nahrungsmittel und Getränkegewerbe u. a. m. die Lage unverändert geblieben. Aus einigen Berufen wird sogar über einen weiteren, allerdings unerheblichen Anstieg der Arbeitslosenzahl berichtet. Bei dieser Sachlage erhält
die Frage der Arbeitsstredung immer größere Aftualität. Es ist feine erfreuliche Erscheinung, daß inmitten der höchsten Not die Kurzarbeit in der Industrie stärker als die Bollarbeitslosigkeit zurückgeht. Nur in der Glasindustrie und Chemie war der Rüdgang der Arbeitslosenzahl( von 41,5 Proz. auf 40,7 Proz. bzw. 23,6 Proz. auf 23,3 Broz.) wenigstens zum Teil auf die weitere Arbeitsstredung zurückzuführen. Dagegen ist aber eine ganze Reihe von Berufen zu verzeichnen, wo im Berichtsmonat die Kurzarbeit zurüdgegangen ist, obwohl die Lage der Beschäftigung die Verlängerung der Arbeitsstunden der Kurzarbeiter
nicht rechtfertigen fonnte.
Metallarbeiter
Papierherstellung
Kupferschmiede
Buchdruder
Buchbinder.
.
Friseure.
Die Zahl der verkürzt Arbeitenden ging zurüd
Die Zahl der Bollarbeitslosen ftieg an auf
Proz.
30,8
Don
auf
Don
Proz.
Proz.
Proz.
28,2
27,7
30,7
8,0
6,8
42,6
43,0
21,9
21,6
19,3
19,8
4,1
3,8
22,1
22,2
36,5
32,3
25,9
22,5
19,0
17,9
27,1 20,2
Auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die für die Arbeitsstredungsaktion aus der Lahnkürzung bei den Arbeitenden
abkommen ratifizieren.
Der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes in Genf , I notwendig sei, daß alle Staaten das alte Washingtoner AchtstundenAlbert Thomas, widmet seinen Jahresbericht zur 15. Internationalen Arbeitskonferenz, die am 28. Mai zusammentritt, vollständig der Frage der Arbeitslosigkeit und ihrer Bekämpfung. Wie der deutsche Brauns- Bericht, so sieht auch Albert Thomas die Urfachen der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaftstrise, in der industiellen Ueberproduktion, in der zu weitgehenden Rationalisierung, der schlechten Gold verteilung, dem Preisfall des Silbers, dem Preissturz der Rohstoffe, den zu hohen Produktionstosten, den Handelshindernissen aller Art und dem Mangel an Vertrauen.
Thomas betont, daß die Mitwirtung des Internationalen Arbeitsamtes nur auf einigen eng begrenzten Gebieten erfolgen könne, die ihm sein Statut offenlasse, daß eine Hoffnung auf Beseitigung des llebels aber nur bestehe, wenn alle Stellen der internationalen Staaten, der Privatwirtschaft, der Gewerkschaften, usw. sich ihrer besonderen Aufgaben bewußt seien. Ais Beitrag des Internationalen Arbeitsamtes zur Milderung der Arbeitslosigkeit bringt er, wie schon in seinem Bericht an den Europa - Ausschuß, einige sehr um strittene Mittel zum Vorschlag, nämlich: 1. Bildung einer internationalen Arbeitsbörse. 2. Allgemeines Programm für Wanderungen der Arbeitskräfte und Erschließungsarbeiten in brachliegenden Gebieten. 3. Prüfung eines internationalen Abkommens über die Arbeitslosenversicherung auf einer der nächsten Arbeitskonfe= renzen. 4. Aufstellung und Durchführung eines internationalen Programms öffentlicher Arbeiten.
Im übrigen vertritt Thomas die Auffassung, daß die Arbeitszeit international verkürzt werden müsse, und zwar über das in Washington porgesehene Maß von 48 Stunden hinaus, vielleicht auf 40 Stunden, daß es aber vor allem
An einer Stelle seines Berichtes geht Thomas auch furz auf das Reparationsproblem ein und sagt: Hier ist nicht der Ort, dieses delikate und schon oft behandelte Problem der Reparationen aufzugreifen. Seine juristische, politische und moralische Seite fönnen nicht vergessen werden. Aber Tatsache ist es doch, daß die international- wirtschaftliche Auswirkung des Reparationsproblems und seine Rückwirkungen auf den Beschäftigungsgrad der Arbeitermassen mehr und mehr Aufmerksamkeit finden, sowohl vom Gesichtspunkt der Schuldner- als auch der Gläubigerländer aus. Ohne prüfen zu wollen, ob Deutschland zahlen kann oder nicht, wie fürzfist der italienische Finanzminister de Stefani schrieb, besteht kein 3weifel, daß die Schulden- und Reparationsfrage erneut geprüft werden muß, nicht im Sinne des Wohlwollens gegen dieses oder jenes Land, sondern als ein Krite= rium des Weltnuhens, das mit Vorteil sogar für die Gläubigerländer felbft gelöst werden tann."
Bemerkenswert ist, daß Thomas sich ziemlich scharf gegen eine wirtschaftliche Antidumping- Aktion gegen Rußland ausspricht. Es stehe nicht einwandfrei fest, daß Ruß land wirklich Dumping im tatsächlichen Sinne des Wortes treibe und andererseits hätten die billigen russischen. Rohstofflieferungen zur Belebung europäischer Märkte beigetragen. Thomas schließt: | ,, Gebt acht! Wenn die industrielle Welt nicht den notwendigen Mut und Geist findet, die neue Ordnung des Friedens und der Gerechtigkeit zu schaffen, dann wird der Geist der Zerstörung und der Revolte, dem sich heute fertige Schlagworte anbieten, nicht verfehlen, fürchterliche Umstürze herbeizuführen, und das in einer Stunde, wo es ohne Zweifel möglich ist, Werkzeuge zu einer neuen Ordnung und Zivilisation zu schmieden."
Die Reichsanstalt und ihre Angestellten. dung diesen Standpunkt und sagt:" Zudem handelt es sich sowohl
Ein befremdendes Urteil des Reichsarbeitsgerichts.
Als im Jahre 1927 die Reichsanstalt für Arbeitsvermitt lung und Arbeitslosenversicherung aufgebaut wurde, forderte man die bei den kommunen und Gemeinden tätigen Arbeits nach meis angestellten auf, ihre Tätigkeit als Angestellte der Reichsanstalt
fortzufegen.
Uebernahmebedingungen und sagt wörtlich:" Bei Angestellten und Der§ 228 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes regelte die Arbeitern, die bei Inkrafttreten des Gesetzes ausschließlich oder überwiegend in einem Arbeitsnachweisamt tätig sind, tritt die Reichsanstalt mit dem Tage, an dem das Arbeitsnachweisamt ihr ange gliebert wird, an Stelle des bisherigen Arbeitgebers in dessen Rechte und Pflichten ein, sofern der Arbeitnehmer die Uebernahme bis zu diesem Tage beantragt."
Die Personalverhältnisse waren noch nicht konsolidiert, als schon von seiten der Reichsanstalt versucht wurde, die alten Rechte der übernommenen Angestellten zu beschneiden. Die Personalverwaltung stellte sich auf den Standpunkt, daß der§ 228 in feiner Auswirkung sehr beschränkt sei, meil er mit vielen anderen Baragraphen im achten Abschnitt des Gesetzes stehe, der allgemein die Ueberschrift llebergangsbestimmungen" trage.
Das Reichsarbeitsgericht teilt jegt in seiner Entschei
Eine halbe Stunde für 10&
Eine halbe Stunde Vergnügen, 30 Minuten köstliches Wohlbehagen verschaffen Sie sich schon für 10 Pfennige, wenn Sie den milden VilligerDas ist ein Qualitätserzeugnis durch und durch. Junior rauchen.
bei dem§ 228 AVAVG. wie bei§ 40 des Tarifvertrages um ,, lebergangsbestimmungen", die schon ihrem Wesen nach feinen Dauerzustand schaffen können und sollen, also den übernommenen Angestellten nicht für immer eine Sonderstellung gegenüber der sonstigen Angestelltenschaft und auch der Beamtenschaft der Beklagten gewähren.
Ueber die Dauer der Uebergangszeit, die ja das Wesentlichste wäre, wenn es der Gesezgeber im Sinne des Urteils gemeint hätte, sagt aber weder das Gesez etwas noch das Urteil des Reichsarbeitsgerichts.
Das Reichsarbeitsgericht geht aber noch viel weiter. Es trifft auch gleich noch Bestimmungen für die Zeit nach Ablauf der Uebergangsbestimmungen", also für eine Zeit, die der Einzelfall(?) und nicht das Gesetz entscheidet, und sagt:
... so erhebt sich fein rechtliches Bedenken dagegen, daß die Beklagte nach Ablauf der Uebergangszeit zum Zwecke der... er= strebten Bereinheitlichung der Dienstverhältnisse ihr notwendig erscheinende und wirtschaftlich erforderliche Maßnahmen ergreift. Als solche Maßnahmen fönnen nach dem Gesagten an sich auch Kündigungen in Betracht kommen. Sie werden zur Herbeiführung einer einheitlichen Gestaltung der Dienstverhältnisse um fo angebrachter sein, je größere Unterschiede bei dem auch dem Reichsarbeitsgericht bekannten Umfang des Verwaltungskörpers der Beflagten zwischen den bisherigen Rechten und Pflichten des von anderen Behörden übernommenen Personals und den Arbeits