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Beilage Montag, 18. Mai 1931

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Der Untergang der Kommune

Hermann Wendel : Zum sechzigsten Gedenktag derBlutigen Woche" Welcher Manoel Ott Kritik lieot torin, die Kommune oerot>e»u oeilig M svrcchen, sie fttr unfehlbar m erliören! ssricdrich Enqeis. &\5 am �1. Mai 1871 gegen drei Uhr nachmittags der städtische Werkführer D u c a t e l auf der Bastion 84 der Porte Saint-Cloud den Vorposten der Versailler mit einem Taschentuch winkte, zum Zeichen, daß sie unbesorgt in die Stadt einrücken könnten, erwies sich in der Tat dieser Teil der Pariser Umwallung von den Ver- teidigern verlassen. Bald fluteten in mächtigen Wellen die Angriffs- truppen, Regimenter der Korps Douay,(Eissel), C l i n ch a n t, Ladmirault und V i n 0 y in die ungeschützten Viertel; abends 'zehn Uhr besanden sich schon 20 OVO Mann innerhalb der Stadt, ohne daß die Kampsleitung der Föderierten etwas ahnte; der Kommune schlug ihr letzte- Stündlein. Und es war ein grau- siges Ende! Der Flammenschein der brennenden Gebäude be- leuchtete in diesen acht Tagen, der berühmtenBlutigen Woche", ein Morden, wie es gleich viehisch die Weltgeschichte kaum ein zweites Mal gesehen hat. Wo immer, den heldenhaften Wider- stand der Kommunards niederwerfend, eine siegestrunkene und rachedurstige Soldateska vordrang, ließ sie wahllos Mann und Weib, Greis und Kind, Kämpfer und Zuschauer über die Klinge springen. Paris war in vier große Militärbezirke eingeteilt, in vier große Schlachthäuser verwandelt; anderthalb Dutzend Kriegs- gerichte arbeiteten im Schnell- und Massenbetrieb: unaufhörlich krachten in der Prinz-Eugen- und der Lobau-Kaserne, im Park Monceau und am Bahnhof Montparnasse , in der Militärschule und in den Champs Elysees die Salven der Exekutionspelotons; auf dem Friedhof Pere Lachaise , der, einer der letzten Stützpunkte der Föderierten, in der Nacht zum 28. Mai den Angreisern in die Hände fiel, mähte, heißt es, Geschützfeuer die Gefangenenhaufen nieder. Während dreier Tage zog sich ein breiter, roter Streifen kilometerlang mitten durch die Seine; das Blut der hingeschlachteten Kommunards war es, das in den sonst so heiteren Fluß dieses schauerliche Ornament einwirkte. Hatten zuletzt höchstens 12(XX) Mann hinter den Barrikaden gefachten, so bezifferte die Regierung die Zahl der summarisch Erledigten auf 17 000; in Wahrheit überstieg die Zahl die 20 000: die Leichen wurden, oben- hin verscharrt, in der Sommerhitze durch die Ausdünstungen der Verwesung zu einer Gefahr für die Gesundheit der Stadt. Aber in gewissem Betracht erschien das Ende der Kommune als ihr Glück. Wie verblaßten neben den namenlosen Greueln der Versailler die paar Uebeltaten, für die die Kommune wenigstens zum Teil die Verantwortung trägt. Mochten sich 1874 aus dem sicheren Londoner Port auch dreiunddreißig mehr oder minder führende, Kommunards, darunter Eudes, Lul l i e r, Varl et und leider auch Ba l 14 ont, stolzen Munde» zum Nieder- brennen der öffentlichen Gebäude und zum Nie der- metzeln der Geisein bekennen, so bleibt doch� namentlich die Abschlachtung Wehrloser und Unschuldiger ein nicht wegzuwischen- der Flecken auf dem Bild der Kommune. Es waren ja auch die Mitglieder der Internationale, die sich diesen so nutzlosen wie gewalttätigen Methoden widersetzten. T h e i s z und C a m e- linat oerhinderten der eine, daß die Hauptpost, der andere, daß die Münze in Flammen aufging, B e s l a y schützt« die Bant von Frankreich , und Varlin , eine der reinsten und hinreißendsten Gestalten der ganzen Bewegung, setzte sein Leben aufs Spiel, als er sich den Geiselmorden in der Rue Haxo in den Weg warf. Die bluttriefend niederträchtige Rache der Versailler an den Unterlegenen hat aber auch für Jahrzehnte der s 0 z i a l i st i f ch e n Kritik an dem eigentlichen Wesen der Kommune über Gebühr den Mund geschloffen; obwohl Karl Marx seinenB ü r g e r- krieg in Frankreich " zu Papier brachte, als Pulverdampf und Blutgeruch noch über dem Schlachtfeld lagen, und weder eine kühle Nachprüfung der Ereignisse möglich war, noch das nötige Material zur Verfügung stand, galt diese ausgesprochene Kampf- schrift, von deren Angaben und Auffassung A. Conrady später so viel zerpflückte, nur zu oft als geschichtlich« Quelle. Aber die Kommune eine Diktatur des Proletariats, als die sie die Jünger Moskaus heute noch feiern? Die Kommune eine sozialifti- sche Revolution und Lorschule der Umwälzung, die auch wir an- streben? Von beidem blieb sie weit entfernt. Wohl wurde an ihrer Schwelledie Emanizipation des Proletariats" angekündigt, ober die Mehrheit, die, aus Blanquisten und Jakobinern bestehend, das Heft in der Hand hatte, vermochte sich darunter nur etwas Wolkenhaftes und Verschwommenes vorzustellen: in ihrem Sinne gab das Amtsblatt der Kommune, dasJournal Officiel ", die Er- Hebung des 18. März nicht als ein Stück Klassenkampf, sondern alsKampf der Freiheit gegen die Autorität" aus; ihr soziales Programm erschöpfte sich in einem Schlagwort des in 100 000 Exemplaren verbreiteten Aufrufs an die Landarbeiter und Bauern: Keine ganz Reichen und keine ganz Armen mehr!" Das war, auf den Buchstaben genau, das rückwärtsgerichtete, klein- bürgerliche Ideal der Linken des Jahres 1793, die Losung Robespierres und Satnt-Justs und hatte mit modernem Sozialismus rein gar nichts zu tun. Aber auch die Minderheit innerhalb der Kommune, die der Sozialistischen Arbeiter-Internationale angehörte, schrieb nicht etwa die Vergesellschaftung der Produktionsmittel auf ihre Fahnt. Der Aufruf der Internationale zu den Kommunewahlen sah in der Gemeindefreiheit, die für viele die Kernsrage des Ganzen war, die Bürgschaft für eine Befreiung der Arbeiter und erhob Forderungen, die entweder wie Presse-, Vereins- und Verfamm- lungsfreiheit, Unentgeltlichkeit des Unterrichts, Laienschule, all- gemein demokratisches Gepräge trugen, oder wie die Organisation des Kredits, des Warenaustausches und der Genossenschaft weit mehr nach Proudhon als nach Marx schmeckten. Dabei ge- brach es der Minderheit an der Macht, ihr Programm gegen die oft widerstrebend« oder gleichgültige Mehrheit durchzusetzen. So gewaltig sich denn die Kommune im Kampf gegen Kirch« und Klerisei ausplusterte:Wir streichen den lieben Gott!", so bescheiden duckte sie sich mit ihren sozialen Leistungen, die zudem alle«her in das Fach des Arbeiterschutzes sielen, als das Gebiet des Sozialismus berührten. Statt des Achtstundentages wurde ge- rade der Zehnstundentag durchgedrückt, die Uebernahme solcher Be- triebe, die von den Unternehmern verlassen waren, durch Arbeiter- genossenschaften kam über den Beschluß nicht hinaus, und wenn Fraen kel. der wirtlich eine Lanze für die Interessen des Prole-

tariats brach, das übrigens in der Kommune umstrittene Verbot der Nachtarbeit in den Bäckereien die einzig wahr- Haft sozialistische Maßregel der ganzen zehn Wochen nannte, sagt das genug, denn diese zahme Reform ist seitdem von sehr vielen sehr bürgerlichen Regierungen durchgeführt worden. Auch der Einwand, daß die Kommune, alle ihre Kräfte im Kampf um ihr nacktes Dasein verzehrend, keine Zeit zu Versuchen großen Stils gehabt habe, hinkt. Denn einmal versagte sie, da in die Leitung der Operationen zu viel unberufene Schwätzer hineinredeten, auch militärisch, und zum zweiten gingen auch jene Verwaltungszweige, die abseits der Kriegshandlungen lagen, nicht an den Umsturz des Ueberkommenen heran. Die neueste, mit dem stärksten Willen zur Unparteilichkeit geschriebene Studie über die Pariser Revolution von 1871 behandelt ihr Gerichtswesen; ihr Ver- sasser, Georges Laronze, findet auf Grund sorgfältiger Prüfung an Hand der Akten in der Justizreform der Kommunenichts Sozialistisches, ja nicht einmal etwas Revolu- t i 0 n ä r e s" und vermißt auch in ihrem ganzen Werk alles, was auf den Plan einer Zukunftsgesellfchaft hindeuten könnte. In der Tat war die Kommune, weniger durch die individuelle Schuld ihrer leitenden Köpfe als wegen der historischen Unreife einer ganzen Klasse, des Proletariats, statt einer sozialisti- schen Revolution ein blanquistischer Putsch von ge- waltigen Ausmaßen; mehr als der Arbeiter drückte ihr der wild-

gewordene Kleinbürger seinen Stempel auf, und von B a k u n i n, nicht von Marx stammten ihre Stichworte und Losungen. Aber in der Geschichte wirken Bewegungen nicht nur durch das, was sie sind, sondern auch durch das, was sie scheinen. Wie darum Fahlheit die roten Wänglein der Bourgeoisie überzog, weil sie in Paris die kommunistischenTeiler" an der Arbeit wähnte, so sah das Proletariat aller Länder in der Kommune einen Kampf für seine Sache; in einer Zeit, die der großen, Achtung einflößenden Arbeiterorganisationen überall entbehrte, war es den Armen und Unterdrückten ein Herzenstrost, daß in Frankreich wenigstens die Armän und Unterdrückten gegen ihre Ausbeuter und Bedränger die Massen erhoben. So schrieb zehn Jahre nach den Ereignissen G u e s d e sEgalite", daß weniger durch sein Pro- gramm und seine Personen als durch die Hoffnungen, die es er- weckt, und durch den Schrecken, den es eingejagt habe, das revo- lutionäre Unternehmen des 18. März 1871 feine rechte Bedeutung für die Arbeiterklasse und den Sozialismus erweise, und so hatte August Bebel nicht unrecht, wenn er noch während der Ereignisse dem teils höhnenden, teils bestürzten Reichstag ins Gesicht schleu- derte,daß der Kampf in Paris nur ein kleines Vorpostengefecht ist, und daß, ehe wenige Jahrzehnte vergehen, der Schlachtruf des Pariser Proletariats: Krieg den Palästen, Friede den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang ! der Schlachtruf des gefam- t en europäischen Proletariats werden wird".

Kommune und Kommunisten

Die Kämpfer der Kommune gehören zu jener aufopfernden Vorhut im großen Befreiungskrieg der Menschheit, auf die sich das berühmteUnd so weiter" am Ausklang von L e n a u s Albigenfern" erstreckt. Aber die allermeisten Führer der Be- wegung von 1871 wären wohl maßlos verblüfft, wenn sie aus ihren Gräbern auferstehen könnten und oernähmen, daß Sowjet- rußland nach Lenins Wortein Staat vom Typus der Pariser Kommune ", also die Verwirklichung ihres Frecheitsideals sei. Viel- leicht würde sich dieses Staunen bei näherem Zusehen etwas legen, weil sie dann entdeckten, wieviel an reinstem Blanquismus, nämlich die Meinung, daß man mit einer kleinen entschlossenen Minderheit die Staatsgewalt nicht nur erobern, sondern auch auf die Dauer gegen die Mehrheit behaupten könne, im Grunde der Mostauer Heilslehre anhastet. Wie dem aber auch fei, die Kommunisten tun allerhand, das Gedächtnis der Kommune wachzuhalten. Zum sechzigsten Jahrestag der Pariser Revolution legt die Soziologisch« Verlagsanstalt«ine neu« deutsche Ausgabe von Liffagarays Der Pariser Kommune -Auf st and", gebunden zu dem niedrigen Preise von 2,86 M., vor; die Einleitung stammt von K. H. W 0 1 f! der Anhang bringt Brief« von Karl und Jenny Marx über die Kommune. Liffagarays die Ding« keineswegs be­schönigende Schilderung jener ateMraubenden Ereignisse wird in- sofern nie veralten, als er mit dabei war, hinter den Barrikaden focht und den greisen Delescluze im Feuer der Versailler zu- sammenbrechen sah; der frische Hauch eigenen Erlebens weht des- halb durch seine Darstellung. Nach Stichproben zu urteilen, ist die Uebertragung auch in erfreulichem Maße flüssiger, lebendiger und deutscher als die der Ausgabe des gleichen Werkes in der Jnter- nationalen Bibliochek. Aber wenn schon starke Kürzungen unver- weidlich waren, warum dann nicht durch Streichungen oerbessern? Es wäre wirtlich kein Schade, wenn der Leser des Jahres 1931 nichts mehr von denGeheimnissen des Klosters Picpus" und dem Keller der Kirche Saint-Laurent " erführ«, die beide Ausgeburten antiklerikaler Kolportagephantasie waren. Auch das WerkPariser Kommune 1871 " mit dem UntertitelBerichte und Dokumente von Zeitgenossen", im Neuen Deutschen Verlag, Berlin W. 8, erschienen, enthält eine Fülle des Wissenswerten und Aufschlußreichen über die Vorgeschichte und Ge- schichte der Pariser Bewegung, aber mehr für den kritischen als für den voraussetzungslosen Leser. Denn leider erweist es sich als ein Sehfehler, wenn der Herausgeber Dr. Hermann Duncker in diesem Bucheine umfassende, aus den offiziellen und zeitgenöfsi- fchen Berichten erarbeitete Geschichte der Pariser Kommune " und demnachdie wohlgelungene Ausfüllung einer bedauerlichen Lücke im marxistischen Schrifttum" erblickt. Auf weiten Strecken handelt es sich um nicht mehr als eine Materialfammlung; Auf- rufe, Proklamationen, Zeitungsartikel. Dekrete, Auszüge au» dem

Journal Officiel ", Sitzungsberichte der Kommune, Protokolle der Pariser Sektion der Internationale, Schilderungen aus der Feder von Zeitgenossen, wie A r n 0 u l d und Balles, Betrachtungen von Marx , Engels , Mehring, Lenin , Antonow reihen sich aneinander, aber verarbeitet, verarbeitet ist all das nicht, und der verbindende Text wirkt durchaus unzulänglich. Von den Originaldokumenten abgesehen, ist neben den eingestreuten Jllu» strationen und den freilich auch nicht überall zweifelsfreien Bild- tafeln noch das Wertvollste ein Stadtplan von Paris aus dem Jahre 1871, in den die Barrikaden und Batterien der Kommunards eingezeichnet sind. Schreibt dieses Werk eines anonymen Verfassers mit Recht dem Blanquismus die führende Rolle in der Kommune zu, so zeigen sich doch Ansätze zu einer Verbeulung der Tatsachen, aber wenn von den Dekreten und Programmen des Pariser Rathauses gesagt wird, sie gäbenein Bild der gewaltigen L e i st u n g e n der Kom- mune", so erteilt Wolfs Einleitung zu Liffagarays Ge- schichte die richtige Antwort mit der Feststellung, daßdie prak- tischen Maßregeln der Kommune sehr d ü r s t i g" ge- wesen seien. Sie hatten zudem samt und sonders mit modernem Sozialismus nichts zu schaffen; vielmehr war, wenn Engels in Blanqui einenRevolutionär der vorigen Generation" sah, auch die von Blanquis Geist erfüllte Kommune eine Revolution' der vorigen Generation, die dem Jahre 1793 unendlich näher stand als dem Jahre 1931. Wieso sie gleichwohl für Duncker und seine Gesinnungsfreunde einGrundstein für die Entwicklung des modernen Kommunismus" undder erste weithin leuchtende Sieg der proletarischen Diktatur und des kommunistischen Gedankens" ist, bleibt unerfindlich, falls nicht eben doch das Blanquiftische, Gewalttheorie und Gewaltpraxis, zwischen dort und hier die Brücke schlägt. Aber die Anwendung der Gewalt ist für die französisch« Arbeiterklasse übel ausgelaufen; furchtbar zur Ader gelassen, durch die Massenerschießungen und Deportationen gelichtet, in seinem Vormarsch um Jahrzehnte zurückgeworfen, bedurfte das Proletariat fast eines Menschenalters, um wieder halbwegs ein politischer Faktor im Leben der Nation zu sein.Die Fähigkeit, mit den Waffen umzugehen", heißt ss in dem von Duncker eingeleiteten Buch,hat den Pariser Arbeitern den Sieg des 18. März 1871 ge- sichert", ohne Zweifel, aber ebenso zweifellos die Niederlage des Mai 1871 eingetragen. Auch wenn Marx als preisliches Er- gebnis des Bürgerkrieges in Frankreich vermerkte, daß er das französische Proletariat in den Waffen geübt habe,und das ist die beste Garantie für die Zukunft", unterlag er einer Selbsttäuschung, denn nie mehr hat seitdem die französische Arbeiterklasse im Kampf um ihre Befreiung zur Flinte gegriffen.

0sr letzte Tag Aus den nicht veröffentlichten Erinnerungen eines Kommunards In der Nacht zum 21. Mai 1871 begann die letzte Offensive der Versailler Truppen auf diejenigen Straßenteile von Paris , die sich noch in den Händen der Kommunards befanden auf die prole­tarischen Vorort« Belleville und die Hügel von Chaumon. Es war ein harter Kampf. Di« Kommunards hatten keine Aus- sichten mehr zu siegen. Di« hier veröffentlicht« Skizze gibt ein ge- treues Bild der Stimmungen dieser Kommunards am letzten Tage des Kampfes. Der Verfasser ist unbekannt aus dem Inhalt geht bloß hervor, daß er zu den Kreisen der polnischen E m i- granten gehörte und sich dem Kampfe d«r Kommunards anschloß. Diese Skizze ist im Jahre 1876 für die russische Zeitschrift Wperiod"(Vorwärts) niedergeschrieben worden, die in London von P. L a w r 0 w, einem Mitglied« der Ersten International« und einem guten Bekannten von Marx und Engels, redigiert wurde. Dieser Artikel ist seinerzeit aus unbekannten Gründen nicht er- schienen und wird jetzt zum erstenmal veröffentlicht. Das Original befindet sich im Berliner Archiv der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands . L. dlücolzjevskz'. *** Schwarz «, stockfinstere Straßen; schmutzige Bürgcrsteig«; der Himmel durch eine undurchdringliche Finsternis verdeckt; Regen- schauer und kalter, scharfer Wind. Di« Latern«n verbreiten ein schwaches Licht... Drückendes Schweigen herrscht in dem Vorort Belleville ; die dumpfen Töne der Pauken und das Alarmgeläut durchdringen dies« fiir Paris so unnatürliche Stille. Ich erinnere mich... ich erinnere mich mit furchtbarer Klar- heit aller Einzelheiten dieses Tages.

Es war vor fünf Jahren. Fern von meinerHeimat". Ich> ein Flüchtking kämpfte für dieFreiheit" eines fremden Volkes! Ist das aber von Bedeutung? Mein Feind ist dort wie hier derselbe... der gehaßt« Feind des Proletariers! Di« Gruppen der Nationalgarde stehen unbeweg- lich im Regen, von der Finsternis der einbrechenden Nacht umhüllt ... es leuchten die Bajonette. Wer wird siegen? Mir war es klar. Ich untersuchte mein Gewehr, lud meinen ,Lesome"-Reoower, brachte meine Patronentasche in Ordnung und verließ meinen Unterschlupf, um nie mehr dorthin zurückzukehren. Ich stieg die schmutzige Treppe hinab und befand mich bald in einer Nebengasse. Zwei Reihen hoher düsterer Häuser, die das schmale Gäßchen einrahmten, mit langen Fensterreihcn, mit Dächern, die das letzte winzige Stückchen des unfreundlichen Himmels verdeckten so sah das Gäßchen Ruelle Saulinier aus; die Sonne blickte nie zu uns hinein hier hauste der Proletarier von Paris . Aus den Fenstern dicht unter den Dächern steckten Frauen und Kinder ihre Köpfe hinaus die Armen! Ein« furchtbare Stille herrschte in der Gasse. Am Ausgang der Gasse war eine Barrikade: das umge- kippte Gestell einer alten Postkutsche, halbzerfallene Fässer, Reste von Möbeln, ein Haufen Steine und Schmutz... und dieses alles war bloß mit einigen schmutzigen, alten Matratzen bedeckt. Ganz obenaus wehte ein rotes Banner: der Wind liebkoste dieses durchnäßte Banner des ausständtschen Volkes... Hinter der Barrikade standen Men- schen... ich blieb auch stehen. W e r d a?" wurde ich gefragt. Ein Kämpfer der Kommune," antwortete ich. Meine Genossen waren Arbeiter; ich merkte es sofort an den stolzen Zügen ihrer strengen Gesichter, an den Muskeln ihrer kräftigen Arbeitshände.