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Serfisa sendef

Erziehung zum Itundlunkhoren Die Deutsche Welle brachte einen Vortrag von Alfred Flatau:Dringliche Worte an den werktätigen Höre r". Es ging um grundsätzliche Fragen des Radiohörens überhaupt: deshalb scheint es geboten, besonders ausführlich auf diese Darlegungen einzugehen. Unsere lärmende Zeit hat bereits, ehe der Lautsprecher zur Herrschaft kam, unser Gehör abgestumpft. Lärm und Worte, Ge- räusch und Musik können an unserem Ohr oorübergleiten, ohne an upser Bewußtsein zu dringen. Wir spüren die Wirkung dieses von Unruhe erfüllten Lebens nur an dem immer stärkeren An- wachsen der Nervosität, die heute schon die Kinder heimsucht. Dem nervösen Menschen sällt die Konzentration des Geistes schwer. be< sonders nach anstrengender Tagesarbeit. Er will sich am Abend unterhalten. Deshalb schaltet er, wenn er zu Hause ist, den Laut- sprechet ein. Der bleibt dann im Betrieb, ob man Abendbrot ißt oder Zeitung liest oder sich mit der Familie unterhält. Am wenigsten störend wirkt bei allen diesen Verrichtungen Unterhaltungsmusik, da sie keine Forderung an den Geist stellt. Wenn die Hörer, die sie als Hauptbestandteil des Funkprogramms wünschen, wirklich ihre Aufmerksamkeit auf diese Musik richten würden, so würden sie sich bei den allzuoft gehörten, häufig sehr banalen Melodien sehr bald entsetzlich langweilen. So aber läßt man sich, im«örtlichen Sinne, von diesen Klängen nurzerstreuen". Man vetl�rnt dabei von Tag zu Tag mehr die Fähigkeit zur Konzentration. Alfred Flatau betonte deshalb sehr richtig in seinem Vortrag, daß die meisten Menschen erst zu Rundfunkhörern erzogen werden müssen, das heißt zur geistigen Aufnahme dessen, was die Schall- wellen aus Lautsprecher oder Kopfhörer an ihre Ohren tragen. Die erste und wichtigste Mahnung an alle Rundfunkhörer heißt: Wenn dir die klänge oder Worte, die aus dem Apparat strömen, nichts zu sagen haben, so schalte ihn aus. Der Hörer dient sich und seinen Mitmenschen, wenn er sinnlose Geräusche vermeidet, und er schafft sich durch eine vernünftige Auswahl der Programmdarbietungen einen Genuß am Rundfunk, den er bei seinem gleichgültigen Dauerempfang nie haben konnte. Der Rundfunk ist heute keine technische Spielerei mehr: er ist eine geistige Kraft. Daß sie noch oft nicht recht fühlbar wird, ist zum großen Teil Schuld der Hörer, deren geistige Trägheit die Funkprogramm« am liebsten auf dem primitivsten Unterhaltung?- Niveau festhalten möchte. Natürlich braucht der arbeitsmüde Mensch abends Entspannung, die ihm zum Teil durch leichte Musik werden kann. Aber nur zum Teil; eine stärkere und nachhaltigere Cr- holung vermag oft gerade aus geistiger Beschäftigung zu strömen, die ein Ausgleich zu der immer ungeisttger werdenden Tagesarbeit ist. Nicht einer oberflächlichen sogenanntenBildung" freilich darf diese Beschäftigung dienen, sondern sie muß sich um «ine sinnvolle Vertiefung und Bereicherung von Kenntnissen und Erkenntnissen mühen. Der Rundfunk gibt die Möglichkeit dazu. Alfred Flatau er- mahnte den Hörer: Suche dir aus dem wochenprogramm die Veranstaltungen und Vorträge heraus, die du abhören willst. Er empfahl, es gleich für die ganze Woche im voraus zu tun, um unter Umständen für einzelne Veranstaltungen bereits vorhandenes Wissen aufzufrischen oder zu vertiefen. Wer sich so sein Rundfunk- wochenprogramm zusammengestellt hat, erwartet die einzelnen Dar- bietungen mit steudiger Spannung: er ist bereit, sich auf sie zu konzentrieren. Läßt sich diese Arbeit im Arbeiterhaushalt, wo die ganze Fa- milie mit ihren häuslichen Verrichtungen meist in einem Raum vereint ist, ober stets ausführen? Es ist selten vorauszusetzen, daß Es regnete unaufhörlich. Die Nacht brach ein. In der Dunkel- heit waren kaum die einzelnen Silhouetten der Menschen an der Barrikade zu sehen. Wir standen schweigend und blickten krampfhaft in die undurch- dringliche Finsternis... wir wußten, wir wußten es allzugut, daß wir nichts mehr zu hoffen hotten! Woran dachten wir in diesen endlosen Minuten? An alles: in meinem erhitzten Kopfe wechselten schnell die Ge- danken: eine Erinnerung jagte die andere: ich rief in meiner Er- innerung den großen Tag des 28. März zurück die feierliche Proklamierung der Pariser Kommune : Artillerie böllerte an den Ufern der Seine und begrüßte den Sieg des Voltes. Hinter den Barrikaden standen dichte Menschenmengen, es ertönten laute Freudenru�eEs lebe die Kommune!" O, wie naiv war ich da- mals, als ich glaubte, daß alle Leiden zu Ende sind, daß der große Tag der Befreiung endlich angebrochen sei. Ein Gedanke folgte dem anderen, ein« Erinnerung jagte die ander«... und in dieser Zeit hörten wir das Geknatter der Gewehre unsere Genossen wurden erschossen! Plötzlich erschien aus der Nebenstraße eine Kolonne Sol- baten, es ertönte eine Salve, die Kugeln flogen die Gasse entlang. Wir zielten und schössen. Das dauert« eine Weile... Dann drückten wir einander die Hände und warteten auf den Sturm. Wir hatten keine Putronen mehr... Rebellen, ergebt euch!" rief uns der Offizier zu. Wir sahen uns an... und jeder erkannte in den strengen Zügen der Genossen, daß es unter uns keinen einzigen gab, der bereit war, sich lebend zu ergeben. Wir waren nicht mehr als 20 Mann. Ergebt euch!" wiederholte der Offizier. .Niel" Schießen!" Im düsteren Gäßchen wurde es für«inen Augenblick hell. Das Echo wiederHolle die Salve... Dann... was geschah später?... Daran erinnere ich mich nicht mehr. Die Soldaten zerstörten die Barrikaden, erstachen die Ver- mundeten mit ihren Bajonetten: ich lag unter den Trümmern der Barrikade, mir schwindelle, ich war verwundet und verlor das Be­wußtsein. Der Feind trat die Leichen meiner Genossen mit Füßen. Es wurde ganz still. Dann fühlt« ich, wie ich aufgehoben wurde... Zur Besinnung kam ich erst unterwegs... im Krankenwagen. Ich lag auf einem Haufen von Menschentörpern, di« in den Wagen hineingeworfen waren. Ich wurde nicht lebend begraben, wie es mit Hunderten der Kommunard? geschah: ich wurde auch nicht nach der Venvundung erschossen, wie zahlreiche meiner Genossen, nein! Nur einem Zufall denn in dieser furchtbaren Zeit konnte nur ein Zufall ein Menschenleben retten verdankte ich mein Leben. Gerettet? Ich wurde vor das Kriegsgericht unserer Mörder ge- stellt und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt...

alle Familienmitglieder dem Thema eines Vortrages das gleiche Interesse entgegenbringen. Hier gibt es nur einen Ausweg für den Hörer: die Rückkehr zum Kopfhörer. Hinter seinen Muscheln versinken die Gespräche und Geräusch» der Umwelt zwar nicht völlig, aber doch soweit, daß bei ernstem Willen dazu eine Konzentration auf die Funkdarbietung möglich ist. Müheloser freilich läßt sich dieses konzentrierte Hören in einer gleichgestimmten Gemeinschaft erreichen, und der werktätige Hörer sollte danach streben, wichtige Funk- darbietungen im kreise einer Hörgemeinschaft zu empfangen. Solche Gemeinschaft kann bereits die Familie bilden oder auch«in Freundeskreis. Der Arbeiter-Radiobund ist dazu überge- gangen, Abhörabend« für wichtig« Vorträge und Darbietungen zu veranstalten. Im verdunkelten Raum kann sich hier der Geist ganz auf das Wort einstellen. Wenn es nötig erscheint, wird der Ver- anstaltung«ine kurze erläuternd« Einführung vorausgeschickt. An die Funkdarbietung schließt sich eine Aussprache an. Alfred Flatau sprach den Wunsch aus, daß solche Abhörstunden möglichst zahlreich von den verschieden st en Organisa-

tionen und Verbänden geschaffen werden, da sie nicht nur für den einzelnen Hörer einen unmittelbaren Gewinn bedeuten, sondern auch die Möglichkeit zu fruchtbarer Kritik am Rundfunk geben. Die Eindrücke einer größeren Gemeinschaft über eine Dar- bietung lassen sich an solchen Hörabenden doch immer soweit klären, daß ein für den Sender brauchbares Gesamturteil zustande kommt. Das aber trägt dann wieder dazu bei, künftige Programme zu vervollkommnen. Dieses Gemeinschaftshören kann sich naturgemäß immer nur auf Spitzenleistungen des Programms erstrecken: der Einzechörer am Radioapparat wird die Regel bleiben. Deshalb ist die Selbst- erziehung zum richtigen Funkhören die wichtigste Aufgabe jedes Funkteilnehmers, der vom Radio verlangt, daß es ihm mehr ist als nur ein mechanischer Sprechapparat. Ihn als solchen anzu- sehen, heißt aber das größte Wunder unserer Zeit entwerten. Im Rundfunk hat sich zum erstenmal allen Menschen deutlich sichtbar aus der technischen Grundlage eine geistige Macht entfaltet: die Technik, heute so oft mindestens scheinbar eine Kraft, die sich die Menschen unterwirft, ist hier nur noch ihr bescheidener Diener. Die drahtlose Welle, die heute die ganze Welt umspannt, bietet das Mittel, diese ganze Welt ihrem Geist zu erobern. Es ist Sache jedes einzelnen Hörers, daran mitzuarbeiten, daß wir uns dieses Geistes einst nicht zu schämen haben. De,.

Qruß der walisischen Jugend Der 18. Mai ist in den angelsächsischen und einigen anderen Ländern zu einem Friedensfeiertag der Jugend(Lood. will Day) geworden, seitdem sich angesehene Erziehungsorganisatio- nen für ihn in diesem Sinne eingesetzt haben. Es ist der Erinne- rungstag der ersten Haager Friedenskonferenz von 1890, auf der sich die deutsche Delegation den traurigen Ruhm eines energischen Pro- teste? gegen jeden Abrüstungsversuch erwarb. Am 18. Mai übermittelt der britische Sender seit einigen Iahren, jetzt zum zehntenmal, eine sympathisch und eindringlich ge- halten« Botschaft der Jugend von Wales an die Jugend aller Länder. In allen walisischen Schulen wird der Text der Botschaft ausführlich behandelt, auch die Elternschaft wird für sie gewonnen. Der Anreger zu dieser liebenswürdigen Geste war die Völkerbunds- liga von Wales. Mag ihr politischer Einfluß nicht sehr weitgehend sein, ihr Einfluß auf Gesinnung und Denkrichtung ist zweifellos be- deutsam. Hier ist der Text des diesjährigen Grußes, der die Gestalt Nansens , des Förderers der Völkerbundbestrebungen, des Helfer« der Hungerleidenden in Rußland und China , des mutigen Pioniers der Forschung, in den Mittelpunkt stellt: Wir Jungens und Mädels von Wales grüßen euch auch in diesem Jahre von ganzem Herzen, ihr Knaben und Mädchen von Europa , Asien , Aftika, Amerika und von den großen Ländern der

Südsee. Heut«, am Tage des guten Willens 1931, gedenken wir in Wales im besonderen des Werkes von Dr. Fridtjof Nansen, der ein Freund aller Völker war und ein Held aller Kinder ist. Wir glauben, wie Dr. Nansen es glaubte, daß stetige fteundschaftliche Gesinnung zwischen den Völkern der ganzen Welt Friede bedeutet. Auch wir wollen mithelfen, die Welt für den Frieden zu gewinnen. Wir freuen uns der bisher errungenen Fortschritte und geloben, gemein- sam mit euch, auch in Zukunft alle unsere Kräfte daran zu setzen. noch größere Erfolge zu erzielen." Die einlaufenden Antworten werden den walisischen Kindern dann bekanntgegeben. Es wäre erfreulich, wenn sich die Zahl der deutschen Erwiderungen, die schon im Vorjahre beträchtlich war, weiter mehren würde. Wie wäre es, wenn Kinderfreunde, Rote Falten und SAJ. diese internationale Verbindung mit aus- nähmen? Man schreibt an die League os Nation» Union , 10, Museum Place, Cardiff , Wales . Wie gesagt. Deutschland ist mehr und mehr aufmerksam auf diese jährliche Kundgebung geworden, besonders nachdem 1926 Unter- richtsminister Becker persönlich mit einem Telegramm nach Wales geantwortet hat. Aber eine Instanz nimmt noch sehr wenig Notiz von der Sache: unsere deutschen Sender. Seit Iahren schon wird der Gruß von ftanzöflschen, schweizerischen, überseeischen Sen- dern weitergeleitet oder übersetzt. In Deutschland sieht man noch keine Veranlassung dazu, wie ich durch persönliche Anftage in Berlin feststellen konnte. Hoffentlich notiert sich der Deutschland- sen der die Angelegenheit wenigstens für das nächste Jahr vorl Xlkreä Ehrentreich.

WAS DER TAG BRINGT .................................................................................................................................................................................. ERZÄHLT VON YORICK

Zwischen Müncheberg und Neuendorf. Am Rande der Landstraße zwischen Müncheberg und Nenendorf saß ein Handwerksbursche und verzehrte sein sauer erfochtencs Früh- stück. Er hatte sich, um die Gemütlichkeit dieses Beginnens soweit zu erhöhen, als es die wenig komfortable Umgebung irgend zuließ, sogar eine Rllckenstütze gesucht: nämlich den Grenzstein, der das Ende der Müncheberger und den Beginn der Neuendorfer Feldmark bezeichnete. Es schmeckte ihm ganz gut, der Lehnstuhl war ein bißchen hart, aber besser als gar keiner, die Spnne schien leidlich, es lag kein Grund vor, sich zu beunruhigen oder irgendwo Kam- plikationen zu wittern-- da sank der Handwerksbursche plötzlich hintenüber, die Stulle entfiel seinen Händen, er lag wie tot. Sowohl von der Müncheberger als auch von der Neuendorfer Seite waren Feldarbeiter herzugelaufen, die den Mann aufhoben und ihn, da er kein Lebenszeichen gab, einstweilen und bis zur Ankunft eines Arztes in ein zur Ausbahrung Toter bestimmtes Zimmer einer nahen Heilanstalt brachten. Von hier aus benach- richtigte man die Polizei: ein toter Handwerksbursche sei aufgefunden worden: und während man den Gendarmen erwartete, besprach man den traurigen Fall: so lange, bis ein Müncheberger bescheiden an- fragte, wann und wo die Neuendorfer den Toten denn zu beerdigen gedächten? Die Neuendorfer? Wieso die Neuendorfer? Die wehrten sich energisch. Der Mann sei aus Müncheberg gekommen, also m Müncheberg zu beerdigen. Widerspruch der Müncheberger. Der Mann habe tot vor dem Grenzstein gelegen, aber mit dem Kopf auf Neuendorfer Feldflur: und der Kopf repräsentiere den Menschen, dagegen könnten die Neuendorfer doch wohl nichts einwenden. Oho auf der anderen Seite. Der Mann hätte mit den Beinen auf Müncheberger Mark gelegen. Also sei er von Müncheberger Gebiet aus umgesunken, also eben auf Müncheberger Gebiet. Tja, wenn er da gestanden hätte! Aber er hatte ja nicht gestanden, er hatte gesessen. Hier drohte es zu tätlichen Auseinandersetzungen zu kommen: über der rechtlichen Frage war ihr Verursacher selbst vollkommen vergessen worden. Und war, vermutlich von dem erheblichen Lärm, im Rücken der Streitenden und ungesehen von ihnen aufgewacht. Gerade war er einigermaßen wieder zu sich gekommen, da machte ein ganz Schlauer folgenden Vorschlag zur Schlichtung des Streites: Wenn er aber an dem Feldstein gesessen hat, dann hat er eben mit der einen Seite auf Mllncheberger Gebiet und mit der anderen auf Neuendorfer Feldmark gesessen. Und denn ist es ja woll das Beste, wenn ihr Müncheberger seine rechte Seite beerdigt, und wir Neuendorfer--" Hier kam der Sprecher nicht weiter. Mit einem entsetzten Ausschrei jagt« der Handwerksbursch« durch di« Gruppe der Streitenden ins Freie, im Gesicht die gräßliche Angst vor dem Halbiertwerden-- lies querfeldein und ward nie mehr gesehen. Käuze. 1. In England starb ein« Miß Smith. Hochbetagt. Unvermählt. Sieben Katzen. Zwölftausend Pfund Sterling. Sie hinterließ testamentarisch die zwölftausend Pfund den sieben Katzen. Um diese ihre Lieblinge zu pflegen und zu erhalten. Aber: aber unter einer Bedingung. Daß keine dieser sieben Katzen sich je mit einem Kater einließe. So wenig Miß Smith sich je mit einem Manne eingelassen hatte. Sollte dennoch: so muß die betreffende nachsichtslos ersäuft werden: und geht demnach auto- matisch ihres Anteils an den zwölstaufend Pfund oerlustig.

Wie die modernen, unromantischen Katzen schon sind: keine von ihnen wird um eines lächerlichen Katers willen ein paar tausend Pfund verlieren wollen... 2. In Tibet regiert der Dalai Lama . Als geistlicher und welt­licher Herrscher. Der hat sich jetzt, wie sich das für einen solchen Herrscher gehört, ein Auto gekauft. Rolls Royce natürlich, jüngste Linie. Der Dalai Lama hat also sein Auto und könnte damit fahren: man bloß: sein Land Tibet hat keine autogeeigneten Fahrstraßen. Wenigstens gerade da nicht, wohin der Dalai Lama mit seinem Rolls Royce möchte. Was tun? Soll man, nun man ein Auto Hot, bei der altgewohnten, von vier Kulis getragenen Sänfte bleiben? Mitnichten. Sondern es wurden dreißig Kulis bereitgestef Um das Auto zu tragen... Taxametermoritat. Wenn ich dichten könnte, richtige Verse dichten, so sich hinten reimen: dann würde ich aus dieser Geschichte eine Moritat machen, eine richtige MorUat von der Liebe mit erschröcklichem Ausgang und moralischer Nutzanwendung, zu singen nach der schönen Melodie: Sabinchen war ein Frauenzimmer". Indessen muß ich in den Grenzen meiner Begabung bleiben und lediglich einen Bericht ver- fassen, indem ich den Stoff selbst berufsmäßigen Moritatendichtern gern zur Verfügung stelle. Was also das zu besingende Paar betrifft, so Handelle es sich nicht um Sabinchen und um den bösen Schuster aus Treuenbrictzen, sondern um einen Fabrikanten aus Paris und seine Freundin. Die hatten sich während längerer Jahre schon oft und gern geküßt und täten das noch heute ohne jede Störung, wenn sie es nicht einmal in einem Taxi getan hätten. Ob nun der Chauffeur der Taxe sich mittels des Rückspiegels allzusehr in das Tun seiner Fahrgäste vertieft hatte, oder ob nur eine ausgefeimte Niedertracht des Schick- sals vorlag: jedenfalls stieß die Taxe gerade während des anscheinend etwas zeitraubenden Kusses mit einer anderen Kraftdroschke zu- sammen. Und infolge der mit solchen Zusammenstößen verbundenen Erschütterung wurde dem Fabrikanten von seiner ihn küssenden Freundin wie sage ich's meinem Kinde, also in einer Moritat darf man ja mit der Sprache heraus:, also ihm wurde die Zungen- spitze abgebissen. Ich weiß nicht, wie sowas kommen kann, aber es kam. Es kam noch mehr. Nämlich zunächst ein mehrwöchentliche» Unverifiögen für den also Gebissenen, zu sprechen und mithin ge- schäftliche Verhandlungen zu führen: des weiteren ein Sprachfehlsr, de? leider bleiben wird hinfort wird der Arme lispeln: und schließ- lich ein Scheidungsprozeß. Nämlich der Fabrikant war, was sich nun nicht mehr länger verschweigen läßt, verheiratet: konnte seiner Gattin aber keine glaubhaste Erklärung für das plötzliche Fehlen seiner Zungenspitze beibringen: wurde deshalb verklagt, mußte sich von einem Facharzt sagen lassen, daß in der Zunge Abdrücke von Damenzähnen gefunden worden seien, und wurde verdonnert. Indes, es gab noch einen weiteren Prozeß. Der läuft zur Zeit noch. Er wurde angestrengt von dem Gebissenen nicht etwa gegen die gebissen Habende, sondern gegen den Taxamcterbesitzer. Der Beklagte behauptet, daß er doch nicht für die Kuhmethoden seiner Fahrgäste verantwortlich sei. Der Kläger hält dem entgegen, daß die Verstümmelung doch nicht der an sich harmlosen Methode, sondern dem Zusammenstoß zuzuschreiben sei. Wer Hot recht? Und wo liegt die Moral? Soll man sich nicht in Taxis küssen? Oder soll man sichso" überhaupt nicht küssen? Oder soll es hinfort keine Rückspiegel mehr in Taxis geben? Bitte sehr, meine Herren Moritatendichter!