Neue Werke— alte Wege. Der Musikausschuh des 2IDM21, der alljährlich die Werke für das Programm des„T o n k ü n st l e r f e st e s" auszuwählen hat, ist vor eine schwere Ausgabe gestellt. Es gilt nicht nur, ans hun- derten eingereichter Partituren das beste herauszufinden; es sollen gerade auch neue Namen, Arbeiten noch nicht Anerkannter zur Dis- kussion gestellt, der Fortschritt soll gefördert werden, und als Ganzes soll sich ein Gesamtbild vom jeweiligen Stand der gegenwärtigen Musikpro duktton ergeben. Unmöglich aber, zu sagen, welche Musik lmd welche Musiker heute am ehesten den Begriff des..Gegen- w ä r t i g e n" repräsentieren. Es können die Zwanzigjährigen sem oder die Fünfzigjährigen, die Vertreter der Jugend oder ihre Lehr- meister. Und mit gleichem Recht wie die Ueberwindung der„To- nalität" mag sich heute ihr Widerspiel, die Ueberwindung der„Ato- nalität", als wahren Fortschritt gebärden; mit gleichem Recht die Romantik, die stark genug ist, sich gegen den Alltag einer mechani- sierten Welt zu behaupten, wie jene vermeintliche wirklichkeitsnahere Kunst, die ihren stärksten Antrieb aus dem„Rhychmus der Zeit' gewinnt— aus einem Rhychmus, der in Wahrheit doch wieder nur künstlerisch-unwirkliche Verklärung der Gegenwart ist, ein roman - tisches Symbol und heute schon so abgenützt, daß nur der schöpserisch Inspirierte sich seiner ohne Gefahr, ins schemenhaft Leere zu ge- raten, bedienen darf. Die anderen, und die gerade, die sich am modernsten vorkommen, musizieren heute ganz so konventionell und gesichert durch Ucbereinkommen wie auch in anderen Zeiten die Mitläufer und Mitmacher, mögen die Konventionen sich noch so ohrenfällig geändert haben. Aber mehr als je wäre es zur Stunde müßig, sich in den Streit um äschetische Definitionen einzulassen. Nur auf die Werte des Persönlichen, persönlich Echten, des Ucber-Durchschnittlichen kommt es an: das hat sich in dieser Woche des Wettbewerbs der Richtungen und Generationen von neuem er- wiesen. Orchester- und Chorkonzert. Nach dem ersten Occhestertonzert, über dessen Verlauf hier kurz berichtet wurde, kamen an einem zweiten Orchesterabend vor allem die Jüngeren zu Wort. Unter ihnen ein Meister und überragend Be- gabter: Hermann R e u t t e r, dessen Konzert für Orchester und Äla- vier als bedeutendste Leistung an erster Stelle zu nennen ist. Hier spürt man in den Allegro-Sätzen eine gestaltende Kraft, die nicht durch den unerbittlich stampfenden Rhychmus der bekannten Sorte vorgetäuscht, sondern vom rhythmischen Einfall entfesselt und zu überzeugender Steigerung chrer selbst fortgerissen wird: im Adagio mischt sich lyrische Empfindsamkeit mit dem subtilen Klangsinn eines erfahrenen Orchesterkönners. Durch saubere, reizvoll« Arbeit, gip- selnd in einem wirkungsvollen Rondo-Finale, und durch sachkundige Behandlung des Soloinstruments, aber auch durch Ehrlichkeit der künstlerischen Haltung empfiehlt sich das nicht eben stark inspirierte Violinkonzert des jungen Russen N. Berezowsky. Mehr Per- sönlichkeit spricht freilich aus der lyrischen Orchestersuite seines Landsmannes L. K n i p p e r: vier knappe Sätze, sparsam in den Mitteln, impressionistisch Dahinschwebendes. eigenartige starke Klang- Visionen von außerordentlicher Eindringlichkeit: eine ungewöhnliche Talentäußerung. Aom Berliner Komponisten W. Jacob» haben wir schon Besseres kennengelernt als den in Bremen uraufgeführten. musi- kalisch dürftigen Zyklus von fünf„Barockliedern' für Tenor und Kammerorchester. H. Brehmes Concertv sinfonico interessiert vor allem als aufschlußreicher Beitrag zur inneren Situation des stmgcn Musikers. Er hat in Berlin studiert, und aus seiner Musik glaubt man herauszuhören, daß damals Bruckner und Strawinsky sein« stärksten Eindrücke gewesen. Aber wie er sich müht, die ex- tremen Gegensätze stilistisch zu verschmelzen, auch, sinfonisch« und suitenhafte Elemente zu binden, das spricht mehr für seine Be- gabung als sein Versuch, verbrauchte Jazzessekte konzertmäßig zu verwerten. Abzulehnen aber ist H. Wunsche, des oft Erprobten, Entgleisung ins Witzigseinsollende: abzulehnen, trotz lautem Beifall, den sie fand, diese.Kleine Lustspielsuite', die mit grobem Or- chesteraufwand und hohlem Poltern angeblich den Ablauf eines— Puppenspiels illustriert. Das soll alles parodistisch klingen, Parodie ist große Mode. Wenn sie sonst nichts zu sagen haben, jazzen sie em bißchen, und dann parodieren sie das eigene Gejazze: mir haben genug davon. Eine Matinee war der Kammermusik gewidmet, ein großes Abcndkonzert der Chormusik. Den feierlichen Auftakt und fast die Hälfte eines langen Programms bildete, dem Gründer des Vereins zum Gedächtnis, Franz L i s z t s schönes, eindrucksvolles Requiem für Männerstimmen. Orgel, Blechinstrumente und Pauken; aller- dings für die Kirch-, nicht für den Konzertsaal geschaffen, den meisten Hörern fremd und in so vollendeter Wiedergab« gewiß als Novität willkommen. Aber lebhafteres Interesse weckten die aktuellen Neuheiten: E. Peppings„Deutsche Choralmess«', ein frommes, enthaltsames /c-cepells-Stück, in ernstem, fast klösterlich strengem Geist kunstvoll und eigenwillig gearbeitet; eine dreisätzige Motette A. Moeschingers. der in klangvollem Chorsatz und mit fesselndem Detall an einem Gedicht Stefan Georges seltsam vorbei- komponiert. Und, Hauptstück des Abends, der 90. Psalm für Bariton-Solo, sechsstimmigen Chor und Orchester von Kurt Tomas. Ungleich im Wert und Stil der einzelnen Teste, doch ein Wurf als Ganzes;«in Werk von großem Format, voll innerer Spannung, strotzend von musikantischer Vitalität. Endlich, im zweiten Orchesterkonzert nicht glücklich untergebracht R. Siegels .�eldenfeier' für Männerchor, Knabenchor und Orchester. Ur- spriinglich zum Gebrauch für einen festlichen Anlaß bestimmt, groß- zügig entworfen und gewiß von unfehlbarer Massenwirkung, wo immer die Verherrlichung des Soldatentodes fürs Vaterland will- kommen ist; als Partitur, ohne eigentlich schöpferischen Willen zu offenbaren, ein Muster kluger Disposition und guter Arbeit. Künstlerisch« Bilanz: Zwei schon Anerkannte sind in Erfolg und Geltung gestärkt: Reutter und Tomas. Zwei Namen, eben noch unbekannt, wird man sieh merken müssen: L. Kauffmann und L. Knipper. Und viel Können, großes Wollen, vielerlei Begabtes, sehr achtbares Gesaintnioeau. Mehr dursten wir nicht errvarten; Genies gibt es nicht alle Jahre zu entdecken. Mufikstadt Bremen . Stärkster Faktor des Gelingens war: die höh- Musik- kultur Bremens , die in dieser Woche vollkommenen Muflzierens ossenbar geworden ist. Bürgerliche Kultur, selbstverständlich; aber bürgerliche Kultur ist sie auch lange Zeit gewesen im Gegensatz zur hösischen der deutschen Hauptstädte, ein Stück angedeutete Demo- kratie zwischen zwei Dutzend regierender Fürsten Aus solchem Bode!» vollzieht sich die Anpassung an die Neuzeit leichter als anderswo. Heute find es die Sozialdemokraten, denen die Stadt Bremen die Fortführung ihres Operabetriebe» dankt.
Aber auch nur bei einheitlicher, stetiger Konzentrierung der Kräfte(wie sie sich in Berlin nie durchsühren ließe) ist eine Gesamt- leiswng möglich wie die dieses Tonkünstierfestes. Führender Kopf des Musiklebens ist Ernst Wendel , Generalmusikdirektor, Leiter des Orchesters, das er in langen Arbeitsjahrcn zu einem der besten in Europa erzogen hat; Dirigent und. künstlerischer Führer der großen Chöre, deren— wie endlich auch aller mit- wirkenden Solisten— unter ihnen Flesch, Gieseking, der Baritonist Watzke und, ein neuer Name, die herrliche Altistin Else Schürhoff — mit einem Wort vorbehaltloser Anerkennung zu gedenken ist. Die Musiker unter sich. Die Hauptversammlung absolvierte ihr Pensum ohne Zwischenfall. Nur die Vorstandswahl erregte längere Debatten. Schließlich wurde der Vorstand fast ganz in seiner bisherigen Zu- sammenfetzung bestätigt, allein der Berliner Professor H. I. Moser als Beisitzer neu gewähll. Kurz zuvor hatte er Gelegenheit gesucht und gefunden, in der Oeffentiichkeit des Vereins seine jüdische Her- kunft lächelnd zu verleugnen. Damit ist der Charakter dieser Wahl hinlänglich gekennzeichnet und nicht nur der Charakter der Wahl. Alle Probleme, die den heutigen Musiker unmittelbar berühren, seine sozialen und wirtschaftlichen Nöte, wurden nur im Var-
übergehen gestreift. Und nichts von Rundfunk, Tonfilm, Schall- platte, von neuen Formen und Wegen der Musik; nichts von heutiger Wirklichkeit. Man läßt den Heldentod vorm Feind fest- lich besingen, aber in diesem Kreis von unserer Gegenwart reden, etwa vom gegenwärtigen Staat und feinen Klaffen, gar Worte wie „Republik ' oder„Arbeiterschaft' in den Mund nehmen: das hieße hier schon, politisch werden. Und Politik ist verpönt im ADMB. KIsus Pnngsheirn. Neues van den Berliner Museen. Die neue Abteilung des Kupfer st ichkabinetts stellt ab 1. Juni im Zusammenhang mit der zur Zeit stattfindenden Bau-Ausstellung graphische Blätter von Berliner Bauten der letzten beiden Jahrhunderte aus. Von Mittwoch, dem 20. Mai, an bleibt das Kupferstichkabinett Mitt» wachs und Freitags bis abends 7 Uhr geöffnet. Es wird da- mit der werktätigen Bevölkerung Berlins dos erste Mal die Mög- lichkeit gegeben, die graphischen Schätze des Berliner Kabinetts auch in den Abendstunden im Original kennenzulernen. Die Antiken-Abteilung stellt mehrere Neuerwerbungen aus. Noch immer steht das Pergamon- Museum im Mittel» punkt des Interesses. Die Ausstellung der Meißener Porzellan- Manufaktur im Weißen Saal des Schlosses bleibt bis Ende Juni bestehen.
Die Polizei in der Demokratie Tagung der Vereinigung für polizeiwiffenschastliche Foribildung
Der Polizeitag Berlins , der von der Bereinigung für Polizei- wissenschaftliche Fortbildung veranstaltet wird, und heute morgen in den Kammersälen eröffnet wurde, steht unter dem Leitsatz:„D i e Fähigkeit zu polizeilichen Höchstleistungen muß das Kennzeichen einer Volkspolizei fein.' Dieser grundlegende Satz fand seinen Ausdruck bereits in den Begrühungsworten, die der Vorsitzende der Vereinigung Krimi- nalrat Klingelhöller an die Versammlung richtete.„Die Polizei ist kein Machtfaktor an sich, sondern Instrument des Staates für das Volksganze' sagte er. Darauf sprach Reichstagsabgeordneter Peter Graßmann über das Thema„W as verlangt das Volk von seiner Polizei?'. Er legte dar:„Es liegt mir als Laien fern, mit Ihnen über technische Einzelheiten aus Ihrem Arbeitsgebiet zu sprechen. Das Niveau der Polizei ist heute höher, als es früher in Kommunen und Staat war. Ein stärkeres Einfühlen in Leben und Wünsche der Bevölkerung ist unver- k e n n b a r. Gleichwohl sind gewisse Reibungsflächen, die noch heute zu abwegiger Beurteilung polizeilicher Tätigkeit durch das Volk führen, nicht wegzuleugnen. Ob jemals eine Gesellschaft be» stehen wird, die ohne Polizei auskommt/ wissen wir nicht. Sie ist das Ziel der Anarchisten und nur zu erreichen, wenn der Mensch nach dem Worte des Dichters wirtlich edel, hilfreich und gut ist. heute brauchen wir die Polizei, uad die Frage heißt: wie steht das Volk zu ihr? Es wird nietnals zu hundert Prozent wohlwollend und objektiv fein. Die asozialen Elemente, die die Gesellschaft hassen, werden sich gegen jede Polizei stellen, und auch die politischen Extremisten, ganz rechts und ganz links, die Struktur und Fassade des Staates mit Gewalt ändern wollen, werden die Polizei bekämpfen. Die überwältigende Mehrheit des Volkes aber will die Demokratie. Sie verlangt Sicher- heit von Leben und Eigentum und Schutz vor Uebergriffen asozialer und extremer Elemente und die Aufrechterhaltung der Ordnung. In England ist der Londoner Bobby der Liebling des Publikums, der König der Straße, den die Bevölkerung unterstützt und dem sich auch Angehörige der sogenannten höchsten Stände immer fügen werden. Das ist'nicht von ungefähr so. In der Vergangenheit war die englische Polizei eine Art freiwilliger Bllrgerschutz, und wer sich heute dem Polizisten widersetze, müßte fürchten, daß er morgen auf gleichen Widerstand stoßen würde, wenn er selbst die Hellebarde trägt. Zudem ist England seit mehr als einem Bierteljahrtausend politisch frei. In Deutschland aber gab es den Bürger nur in libe- ralen Blättern. Der Deutsche war Untertan. Wir hatten einen mühsam maskierten Absolutismus. Bis in den Krieg hinein richtete sich das Wirken der Regierung gegen die breiten Volks- Massen, namentlich der Arbeiterschaft. Vor 41 Jahren erst wurde ein Ausnahmegesetz gegen eine Partei aufgehoben, die auf durchaus gesetzlicher Grundlage die Aenderung der Staatszustände erstrebte. Diese Partei war diffamiert. Erst zwölf Jahre haben wir ein Versammlung», und Vereinsrecht und haben wir gleichberechtigte Bürger. Deutschlands größter Bundesstaat Halle eine Wahlrecht, das nur den Besitz und nicht Intelligenz und Gemeinnützigkeit berücksichtigte. Das muhte Verbitterung schaffen. Hinzu kamen Reden, die diesen Volts- kreis, indem es ihn außerhalb des deutschen Volkes stehend erklärte, noch mehr diffamierten. Diese Diffamierung ging in Fleisch und Blut der ausführenden Organe über. Und von dieser Ver- bitterung sind heute noch Reste geblieben. Wenn 1865 in Augsburg 68 Schneidergesellen, die eine Lohnerhöhung berieten, durch die Polizei verhastet wurden, wenn 1870 in Ham- bürg bei einer Streikversammlung von Maurern 6 Arbeiter schwer verletzt wurden, wenn 1898 der Schießerlaß des Ministers v. d. Recke wirksamsten Gebrauch der Waffe und die Unterlassung von Schreck- schüssen befahl, so ist das alles heute noch nicht ganz vergessen. Als 1913 in England die Frauen für das Wahlrecht sehr energisch de- monstrierten, umarmte die Polizei die einzelnen von hinten und der Bobby trug sie aus dem Getümmel. Bei uns aber haben wir Ge- werkschafter z. B. allein durch den S t r e i k p o st e n« r l a h er- leben müssen, wie Verbitterung und Haß gegen Staat und Polizei geschaffen wurde. Gerade die Polizei»vor der prellbock, und aus der Einstellung de» Staates voa früher ist der sogeuauale Blaukoller zu erklären. Diese Erinnerungen aber erschweren es auch dem Wohlwollenden, alte Vorurteile zu beselligen und eine gerechte Beurteilung Platz greifen zu lassen. Die Republik rnandelle den Untertan in den Bürger und beseitigte plutokratisch « Vorrechte und Vorrechte der Geburt. Run muß der Schutzmann durch Geduld und Selbstüber- windung dahin kommen, Schutzgeist der Bevölkerung zu werden. Erfreulicherweise wird die Tüchtigkeit nicht mehr abgewogen nach
der Zahl der erstaüeten Anzeigen, sondern nach der Fähigkeit, auf- zuklären, zu raten und zu Helsen . Das Volk will eine unparteiisch« Polizei. Wenn die Extremisten mit Gewalt gegen Einrichtungen des Staate» vorgehen, will das Volk, daß die Polizei mit gleicher Objektivität und Energie gegen rechts oder links vorgeht. Es wäre eine der schwersten Kata- strophen, und das Ansehen der Polizei würde untergraben, wenn das Volk das Gefühl hätte, daß die eine Celle geduldet, die andere aber um so schärfer angepackt wird. Das Volk verlangt Treue des Beamten zum Staat. Der Staat gibt ihm Vorrechte und Sich«- rungen. Das schafft ein Vertrauensverhältnis. Wer den Staatsdienst sucht, der muß auch Staalsgesinnuug haben. Wer mll dem Staat unzufrieden ist, muß als aufrechter Mann den Dienst liquidieren und gehen. (Anhallender Beifall.) Gewiß erkennen wir an, daß die Tätigkeit des Beamten nicht immer ausreichend entlohnt wird, und die An- forderungen, die an feine Nerven- und Körperreseroe gestellt werden, groß sind. Aber unendlich viele außerhalb der Beamtenschaft stehen in ähnlichen oder schweren Schicksalen. Auch sie halten aus in hartem Kampf um bessere Zukunft. Dasselbe muß von den Be- amten oerlangt werden. Nicht immer winken Lob und Anerkennung im Leben, nicht immer eine ausreichende Entlohnung. Aver größer als das ist das Gefühl freiwillig übernommener uad erfüllter Pflicht. (Lebhafter Beisall.) lieber„Presse und Polizei als Organe der staatlichen Ordnung' reserierte der Vorsitzende des Bezirksverbandes Berlin im Reichsverband der deutschen Presse , Redakteur Kranz Klühs. „Polizei und Presse, diese zwei Machtfaktoren unseres öffent- lichen Lebens, die allgemein anerkannt, vielfach gefürchtet, tellweije sogar gehaßt, aber wenn überhaupt, dann nur iu sehr beschränktem Maße geliebt werden, haben vieles gcineinsom. Sie unter- stehen dauernd der Kritik, sie haben dauernd be- reit zu sein, einzugreifcu, sie werden gerufen, wenn sie nicht da sind, und oft gescholten, wenn sie ihre Pflicht erfütllten. In gewissem Sinne also sind Polizei und Presse schicksalsverbunden, und doch prallen sie oft aufeinander, oft trübt eine unfreundliche Atmosphäre ihr Verhältnis. Dabei ist jeder Teil überzeugt, dem anderen mit voUcirderer Objektivität gegenüberzustehen. Eine leidenschaftslose Untersuchung der gegen- selligen Beziehungen scheint mir zum Verstehen nützlich zu sein. Die Polizei ist die ältere Einrichtung von beiden, leitet sie doch Namen und Ausgabe vom Staate selbst ab und leistet Staatsdienst im engeren und rveiiesten Sinne. Die Beziehung der Polizei zum Staat hat mll der Staatsform an sich nicht zu tun. Derändert wird ihr Verhältnis jedoch zu den Miedern des Staates, den Volksgenossen, je nachdem diese Untertanen oder vollberechtigte Staatsbürger sind. Anders daher ihr Verhältnis zum Untertan In Deutschland vor der bürgerlichen Revolution von 1848, anders in der konstllutionellen Monarchie und anders zum Volk der Republik , dem Träger der Staatssouveränität. Ihre Funktionen sind dem Wechsel der Zeit und der gesellschasllichen Anschauungen unterworfen. Vor hundert Jahren hotte die Polizei noch zahlreiche Ausgaben zu erfüllen, die heute den gesetzgebenden Körperschaften obliegen. Aus der Zelt der pollzeiallmachl stammen auch die Beziehungen zur presse, die aus einer gewissen Tradition heraus manchmal recht kühl, ja sogar gespannt sind. Die Entwicklung der Presse zu einem Organ des ösfeilllichen Willens und der Bildung öffenllichen Willens ist im Kamps gegen staatliche Hemmungen vor sich gegangen, deren ausübendes Organ die Polizei war. Der Kampf gegen die Zensur gehört zu den interessantesten Kapiteln der Entwicklungsgeschichte deutscher Presse- freihell. Ein Kleinkrieg war es, der zuletzt mit dem Siege des Neuen enden mußte. Die Funktionen der Polizei und der Presse als Gesamtheit berühren alle Punkte des öffent- lichen Lebens. Die Presse ist Neuigkeitsvermilllung, und der Nachrichtendienst steht heute an erster Stelle im Leben der Zeitung. Auch die Polizei weiß ja in ihren vielfachen Verzweigungen diesen Nachrichtendienst zu schätzen, wenn sie auch zeitweise mll ihm un- zufrieden ist. Die wichtigste Funktion der Presse aber ist die kritische Behandlung der Ereignisse. Kritik ist durchaus nicht mit Nörgelsucht zu verwechseln, aber offene kritische Aussprache hat oft schon ungeheuer anregend auf den Blutumlauf der Geselljch.ift gewirkt. Gewiß fühlt sich der einzelne im Scheinwerferlicht der Kritik nicht immer wohl. Im ganzen fallen trotz vielfacher Gegen- jätzlichkellen die Interessen der Polizei und der einzelnen Polizei- beamten mll den Interessen der Presse und der Journalisten zu- sammen. Leide haben da» gleiche Ziel: den im Staat orgauiflerleu Volke, jeder nach besten SrSfleu und mit dem Aufgebot von Herz oud Seist, zu dienen,(wchaltender Beifall.)