Man schveibt uns: Vor kurzem fand au? dem Schloß der Leiterin des„Königin- Luise-Vundes, Gau Schlesien , eine bedeutsame politische Kon- f e r e n z statt, deren Teilnehmer sich aus den Kreisen des schleflschen sogenaimten Adels und Großgrundbesitzes, sowie des „Stahlhelm " rekrutierten. Gegenstand der Tagung sollte sein eine Besprechung, der allgemeinen politischen Verhältnisse in Preußen und im Reich. Unmittelbar nach Eröffnung der Konferenz erschien — stürmisch begrüßt— das verflossene-K r o n p r i nz e n p a a r i Vor diesem Gremium— profane Nationalsozialisten hatte man geflissentlich ferngehalten!— sprach der Gauleiter der Hitler -Parteiin Schlesien , Reichstagsabgeordneter Brückner. Nachdem er sich in längeren historischen Darlegungen versucht hatte, erklärte er mit erhobener Stimme, daß die NSDAP , planmäßig auf die Errichtung einer Monarchie, die über dem Par- lament und ü b« r den Parteien stehe, hinarbeite und zum gegebenen Zeitpunkt mit diesem Programm vor die Oeffentlichkeit treten werde: von gewissen Kreisen werde als notwendige Vorstuf« hierzu eine besondere Art der„Regentschaft" propagiert. Die chitler-Partei betone sedoch zu diesem Plan, dem sie durchaus nicht abweisend gegenüberstehe, daß für diese Regentschaft, ebenso wie für die Monarchie„nur ein Mitglied des chohenzollern- Hauses" von ihr anerkannt würde. Diese Erklärung, die Brückner mit einem vielsagenden Blick auf das Kronprinzenpaar abgab, käste größte Bewegung im Saale aus und erzeugte srenetischen Beifall. Brückner gab ferner bekannt, daß zu Anfang Juni in O e l s, dem Stammsitz des Ex-Kronprinzenpaares, ein gemein» s a m e r Alffmarsch der chitlerschen Sturmabteilungen und des schlesischen Stahlhelms erfolgen werde, die Parade würde vom ehemaligen Kronprinzen und vom Minister Fron- zen„Seite an Seite" abgenommen. Er, Brückner, messe diesem Iuniaufmarfch, an welchen sich eine«ingehende Aussprache zwischen den Führern der Hitler -Partei, des Stahlhelm, und dem Herrn Wilhelm Prinz von Preußen anschließen weide, die„größte politische und historische Bedeutung" bei. Schließlich erklärte Brückner, es fei„durchaus kein Zu- fall, daß die NSDAP , feit Monaten schon und in nunmehr oer- stärktem Umfange den Hohenzollernprinzen August Wilhelm als Redner auftreten lasse." Es käme im jetzigen Stadium der Entwicklung darauf an, die„Massen des verhetzten deutschen Volkes wieder an ihre Tradition heranzuführen": der Proletarier brauche, um überhaupt leben zu können, einen festen Halt, ber„gleichermaßen im Gefühl und in der Vernunft ver- ankert" fei. Diesen ,�halt aber könne— neben einer starken, nationalen und sozialen Reichsleitung durch neue Männer— nur die Hohenzollerndynastie" gewähren. Auf«ine Zwischenfrage über die hahenloUernfeindlich« Stellung. die in den Schriften Gottfried Feders zum Teil in sehr drastischer Weise zum Ausdruck gekommen fei, erklärt« Brückner, daß Feder seinen„Irrtum", der auf die systematisch« Massenverhetzung nach der Revokution zurückzuführen sei, längst als solchen erkannt und
revidiert habe; im übrigen seien die entsprechenden Stellen inl Feders Schriften bei der Neuauilogc gestrichen.— Mit keinem Wort ging Brückner auf die Stellung- der Hitler« Partei zu der Wittelsbacher und den übrigen Ex>Dynastien ein; Anfragen in dieser Richtung wurden seltsamerweise nicht gestellt. Zu dieser offenen Schwenkung der Hitler -Partei zum Gedanken der Hohenzollerndynostie erfahren wir, daß sie in weiten Kreisen der NSDAP , erhebliche Mißstimmungen erzeugt hat. Obwohl man durch geschickte Regie geflissentlich bestrebt war, die Tatsach« und— vor allem— das Ergebnis der Konferenz v o r e r st g e h e i m zu halten, war es doch nicht zu vermeide», daß die Rede des Abgeordneten Brückner die Runde durch die Oeffentlichkeit der Partei machte. Adolf siariet im Gporipalast. Wie beim Sechstage-Rennen. Als wäre er Lothar Ehmer, der Sechstageliebling der Damen - weit, als wäre er gar Hanne Breitenfträter in seinen besten Tagen. genau so wurde Adolf Hitler gestern im Berliner Sportpalast empfangen. An der Wand hing sein Bild, käuflich für 1ü M. in drei Monatsraten ohne Anzahlung. Auf dem Tisch lag eine Monographie:„Adolf Hitler , von Millionen enthusiastisch geliebt.." Draußen stand man Schlang«: Wir wollen Adolf Hitler sehen! Als er einmarschierte, dröhnte minutenlang„Heil ijitler"". Junge Mädchen flehten:„Helft mir doch auf den Tisch, ich kann ihn nicht, sehen!" Betagte Herrschaften flüsterten:„Ob wir wohl die Treppe herauf- gehen dürfen, damit wir chn sehen können?" Brennende Zigaretten versengten unter„Heil Hitler" fremde Jacketts, Biergläser zersplilter- ten unter„Heil Hitler", selbst der biedere alte Herr auf der Toilette bediente sich unter„Heil Hitler" des Faschistengrußes. Es war großartig! Dann sprach Hitler drei Viertelstunden, ohne etwas zu sagen. „Alz wir vor zwölf Jahren in die Bewegung eintraten, waren wir sieben Mann. Was wir erreicht haben, kann jeder sehen." Und«in« Schilderung, ausführlich bis dorthinous, der eigenen und immer wieder der eigenen Leistung folgte. ER wird gefeiert wi� Wilhelm und ER spricht wie Wilhelm. ER weiß nichts von de» Millionen Arbeitslosen. ER weiß nicht, von sozialer, kultureller und nationaler Not, Er löst das Problem der Außenpolitik mit einem Satz:„Wir glauben nicht an internationale Verständigung. wir glauben nur an unsere eigene Kraft." Punkt, erledigt. Deutsch » land erwache. Hell Hitler ! Die„erzwungene Legalität" streift er mit einem Satz«. Sein eigentliches Thema„Preußen und der Nationalismus" behandelt er mit einem Schulaufsatz aus der Tertia und erklärt, die Nationalsozialisten seien die Erben de» alten Preußen. Sein« Parteifreunde. die Junker in Pommern und Ostpreußen und die Großkapitalisten im Westen, werden das gerne hören. Der Rausch de» Wilhelminismus ist überwunden worden, auch die Fiebertrankheft des Adolfinismus wird vorübergehen.
wefterhin vereinigen.� einige wertvolle Neuengagements sollen es bereichern. Als Gäste sind auch für das nächste Jahr wieder Max Pallenberg and Hans A l b e r s gewonnen. Außer ihnen werden Käthe Dorsch und Fritz K o r t n e r spielen. Die Vorstellungen im Schillertheater' werden Gelegenheit bieten, alle wesentlichen Kräfte des Staatlichen Schauspiel- Hauses kennenzulernen. Legal, Ießner, Fehling, Lindtberg u. a. werden Regie fühten. Die Oper Unter den Linden wird Kleiber, Klemperer, Blech am Dirigentenpult zeigen." Darf man annehmen, daß. wenn so das kurz umrifsene Programm der Volksbühne und nicht nur ein herausgebrochener Satz der Oeffentlichkeit unterbreitet morden wäre, der törichte Lärm, der von den bürgerlichen Kritikern angefacht worden.ist, nicht hätte entstehen können? Der ominöse Satz, wie ihn Ncstriepke niederschrieb, enthält genau dos, worüber die Verwaltung, der Künstlerische Ausschuß und der künstlerische Leiter der Volksbühne so und so oft miteinander gesprochen haben und worüber sie alle mit- einander einer Meinung waren. Es ist ja auch nichts gar so Erstaunliches, daß die Mitglieder der Volksbühne in diesen trüben Zeiten ein heiteres und unterhaltsames Theater haben möchten. Was das Zeitstück anbelangt, genauer gesagt: dos Reoolutionsstück,— so dürfte es wohl Sache derer, die Revo- lution zu machen haben, sein und bleiben, ob sie es wünschen. ob sie es zurückstellen wollen. Die Herren Kritiker sollten oe- denken, daß für den Arbeiter das revolutionäre Theater nicht nur«in kurioses Amüsement ist, nicht nur ein Nervenkitzel, vielmehr ein« Erregung, die an die Wurzel des Wollens greift, eine äußerste Anspannung. ein Vormarsch des Geistes. Es ist auch nicht recht einzusehen. (darüber ist schon früher gesprochen worden), warum die bourgeoise Theaterkritik durchaus etwas fordert, was Leit- ortikler und Börsenfachmann des gleichen Blattes verab- scheuen. Und schließlich sollten die literarisch gut geschulten Herren nicht übersehen, daß auch heitere und unterhaltsame Stücke der künstlerischen Forderung genügen können und daß letzten Sinnes jedes Theater zeitlich und politisch ist. Wozu also der ganze Lärm? Niemand hat Karl Heinz Martin , dem es an berechtigter Anerkennung»acht gefehlt hat und der solche Anerkennung für das letzte Theoterjahr oerdient, irgendwelche Schwierigkeiten gemacht. Der künst- lerische Leiter der Volksbühne hat unzweifelhaft wehr Frei- heit als irgendein Direktor oder Intendant eines staatlichen oder städtischen Theaters. Martin wird das nicht leugnen können: er wird zugeben müssen, daß der demokratische Kon- trollapparat der Volksbühne sehr tolerant ist. Gewiß der Künstlerische Ausschuß begutachtet die eingereichten Stücke. gewiß, sämtliche Instanzen der Volksbühne besprechen mit dem künstlerischen Lefter den Spielplan: aber so bitter c:» st. wie das jetzt dargestellt wird, ist solche Mitwirkung nicht zu bewerten, dazu sind alle Betelligtcn zu gutwillig und zu kunst- gläubig. Martin hat nie irgendwelche besonderen Schwierig» ketten gehabt, den Spielplan nach seinen Wünschen zu ge- stalten, und in seine Regieleistung ist ihm nie irgend etwas, was Bedeutung haben könnte, hineingeredet worden. Auch 'an dem Spielplan, den Karl Heinz Martin vor iveni.qen Wochen vorgelegt hat. an dem Spielplan also, um den der' Streit geht, haben Künstlerischer Ausschuß und Verwaltung kaum etwas auszusetzen gehabt. Unmöglich kann Martin sich eingeengt fühlen, weil Bedenken gegen„Aufstand in Masuren " vorgebracht wurden, gegen ein problematisches Stück, das sich mit dem Kapp-Putsch befaßt, aber sowohl dafür als dagegen ausgelegt werden kann. Unmöglich kann Martin sich ein- geengt fühlen, weil mit einiger Vorsicht auf Bruckners Bearbeitung des„Timon" gewartet werden soll und weil Feuchtwangers Bearbeitung von„Aristophanes " einigen Mitgliedern der Berwaltung und des Künstlerischen Aus- schusses Sorgen macht. Derartige Dispute dürften zu den Selbstverständlichkeiten in jedem Theaterbetrieb gehören. Darüber hinaus aber kann Martin nichts vorbringen, was ihn hätte hindern können, feine künstlerischen Pläne zu ver- wirklichen. Niemand wollte ihn daran hindern, niemand will ihn daran hindern: er kann und soll, genau so wie bisher. feine künstlerischen Absichten durchführen. Nur eins, nur Zweierlei, nur Selbstverständliches wird er beachten müssen: das Budget der Volksbühne und eben den Tatbestand, daß das Theater, dem er seine Kraft leiht, die Volksbühne ist— und daß es nicht Karl-Heinz-Martin »Theat«r heißt. Der Froschmäusekrieg um die Berliner Volksbühne dürfte auf einem Mißverständnis beruhen. Niemand, auch nicht die Ordner, die dach nichts anderes sind als die Vertrauensleute der MUglioder, haben etwas gegen Karl Heinz Martin : es gibt einen Konflikt zwischen den Ordnern und Hewrich Nest. Heinrich Nest aber ist Fleisch vom Fleisch der Ordner und der Streit, der sich hier aufgetan hat, eine menschlich tiefbetrubliche Angelegenheit, ist wirklich nichts, was irgendwie mit Kunst, mit deren Freiheit oder deren Beengung, zu tun hat. Viel- leicht fürchtet Karl Heinz Martin , daß durch den Fortgang Rests ihm Unbequemlichkeiten entstehen könnten: er kann ganz unbesorgt sein. So bedauerlich es sein würde,»venn Heinrich Nest der Berliner Volksbühne wirtlich verloren gehen sollt«: Martin und die künstlerische Freiheit werden darunter nicht zu leiden haben. Es wird auch kein Mitglied der Berwaltung, kein Ordner sich widersetzen, wenn Karl Heinz Martin oder sonst irgendein Berufener Vorschläge für eine Reform, gar für«ine Umgestaltung der Volksbühne zu machen hat. Wie dies Karl Heinz Martin in seinen inzwischen berühmt ge- wordenen fünf Punkten getan hat. Es trifft nicht zu. daß Martins Programm mit Hohn abgelehnt worden sei: man hat es diskutiert, man wird es wefter diskutieren, man wird sich einigen. Eins freilich bleibt Voraussetzung: die Wahrung der Disziplin für jedermann, aber wirklich für jedermann, die Ver- meidung überflüssiger Erregung und die Ausschaltung derer, die das Vereinsleben der Volksbühne nichts angeht.
wegen uabesugter Uebcrsliegung von deutschem Reichsgebiet ahne pah wurde der polnische Fliegerhauptmann G j e d g o w aus Warschau , notgelandet und verhaftet in Ostpreußen , vom Schnell» richter in Braunsberg zu sieben Tagen Hast verurteilt, die durch die Untersuchungshast verbüßt sind.
�.r Zum parieiiag..../ Die Koavgebuag am Gröffnungstag. Da» Parteitagskomrte« Leipzig teilt mit: Um die Durchführung der Demonstration am Sonntag, dem ZI. Mai reibungslos zu gestalten, die«intreffenden auswärtigen Teilnehmer geordnet einzureden, sowie ihnen ihre Stellplätze mitteilen zu können. ersuchen wir die Bezirke und Ortsgruppen, die ungefähre Teilnehmer- zahl und die Zeit ihres Eintteffen» in Leipzig bis spätestens zum 24. Mai dem Bezirkssekretariat Leipzig . Tuchaer Straß« tg-2t, mitzuteilen. Erwünscht ist vor allem auch die Angab«, ob die teil» nehmenden Genossen per Bahn(Sonderzug, Gesellschaftsfahrt) oder Transportautos eintreffen. Die Arbeitsgemeinschaft Sozioldemokrattscher Aerzt« veranstaltet im Zusammenhang mit dem Parteftog in Leipzig einen Sozial- demokratischen Aerztetag am 21. Mai 19Z1: Beginn 10 Uhr im Gesellschaftshous des Zoologischen Gartens. Da» Haupt- referat hält Genosse Professor Dr. K n a ck-Hamburg , über dos Thema „Der bürgerliche und der sozialistische Arzt". Nach der Diskussion kommen Organisationsftagen zur Sprache. Treffpunkt«: Sonn» abend- und Sonntagabend im Bolkshaus, Sonntagmittag im Zoolo- zischen Garten. Alle porteigenössischen Aerzt« und Zahnärzte find willkommen. Rückftagen beantwortet der Schriftführer Dr. Bttn» bäum, Berlin-Weißensee, Berliner Alle 19.
Oer hastige Kreuzer. Vas neckische Zwischenspiel beim GtapeNauf. Panzerschiff A(Ersatz Preußen) Hot den Peronstaltern der „Kieler Woche " einen Streich gespielt, als es den Herrn Reichs» kanzler au« dem Konzept bracht« und die Sekttaufe nicht erst ob- wartet«, sondern schleunigst und programmwidrig den Weg in» Wasser suchte. Oben auf der Tribüne standen der Reichspräsident, der Reichs- kanzler. der Wehrminister und Minister Trevironus und machten ziemlich verdutzte Mienen. Für«inen Augenblick unierbrach Dr. Brüning sein« Red« und schaut« sich hilflos um. Daß«in Täufling sich«igeninächtig der Taufe entzieht, schien ihn doch noch nicht vorgekommen zu sein. Währenddessen schaukelte der Schiffs- rümpf im Wasser, ol» ob das so ganz selbstverständlich sei. Kurz entschlossen rief der Reichspräsident dem enteilten Kreuzer den Tauf» spruch nach und oben auf Deck war man so geistesgegenwärtig, schnell die Namensschilder herunterzulassen. Jetzt weiß man wenigsten», daß der neu« Kreuzer amtlich den Namen„Deutschland " führen wird. Manche Leute, die abergläubisch veranlagt sind, leiden inzwischen an der Zwangsvorstellung, der neue Kreuzer könnt« auch später so selb- ständig und vorschnell handeln, wodurch noch unangenehm« Situationen herbeigesührt werden, wie die auf der Werst angesichts der feierlichen Festversammlung. Damit bei dem Ernst auch der Humor zur Geltung komme, haben übrigens, wie sie nachträglich mitteilen, sechs Reichstags- abgeordnete der Hitler-Fraktion demonstrativ die Feier verlassen, weil di« Heldenjünglinge der Nazi-Pressc offiziell nicht' eingeladen worden waren. Nun haben diese Hotenkreugbediensteten zwar eben erst beipiesen, daß sie einen Remorque nicht von einem Scheinpslug unterscheiden können, aber st« sollten doch zugelassen werden, selbst wenn sie einen Panzerkreuzer für«inen Hakenkreuzer halten würden. Reichswehrminister Groener hat übrigens noch eine Red« gehalten, bei der er den Reichspräsidenten und den ReichskanAer Brüning als die Männer feierte, denen Deutschland dieses allzu
hastige Schiff oerdankt. Hindenburg hat sich schließlich an Boro eines— alten— Kreuzers begeben und macht nächtlich« Schieß- manöver in ber Osts«« mit. Prozesse am laufenden Band. Kommunistische Abgeordnete und Redakteure vor Gericht. Die Aufhebung der Immunität durch den Reichstag hat geradezu «in« Hochflut von„politischen" Prozessen verursacht. So kamen gestern in Moabit «ine Reihe Fälle teils zur Aburteilung, teils zur Bertagung. Di« kommunistisch« Reichstagsabgeordnet« Frau M il- d« n d e r g hatte es vorgezogen, der Gerichtsverhandlung fern- zubleiben. Die Anklage gegen sie lautete auf Aufforderung zur Begehung strafbarer Handlungen und auf schweren Landfrieden»- bruch. Frau Mildenberg hatte am 17. Oktober vor dem Einfahrt». tor der Meierei Bolle in Alt-Moabit aufgefordert, den zur Unter» stützung der streitenden Metallarbeiter«ingesetzten Bolle-Streik weiterhin mit allen Mitteln durchzuführen. C» kam zu Au»- schreittingen. Frau Mildenberg wurde festgenommen und«in Haft- beseht gegen sie wegen Landjriedensbruches erlassen. Gemäß Arttkel 37 Absatz 3 der Reichsoerfassung mußte er jedoch ausgehoben werden, da zur Strafverfolgung wie auch zur Verhaftung die Genehmigung de» Reichstage, erforderlich war. Das Gericht erließ gestern gegen di« zum Termin nicht erschienene Frau Milden» berg einen Dorführungsbefehl. Der kommunistische Reichstagsabgeordnete Schneller hatte sich gleich wegen fünf Anklagen zu verantworten. Wegen De- schimpfung der katholischen Kirch«— es handelte sich um geschmack- los« Gloffierung des Dogmas von der unbefleckten Empfängnis erhielt er als verantwortlicher Redakteur der„Roten Fahne"«inen Monat Gefängnis. Ein zweiter Artit«) in der„Roten Fahne" „Wir warnen vor Seoering' brachte ihm drei Monat« Ge» sängnis«in. Seoering wurde in dem Artikel als„der schlimmst« unter den sozialdemokratischen Bluthunden" bezeichnet, als„Lakai d«, Faschismus, ohne Rückgrat, ohne Ehre und ohne Macht". Grzesinski gehöre zu Severing, hieß es weiter, wie das Beil zum Henker. Don der Anklage der Ausforderung zum Steuer- streik wurde Schneller freigesprochen. Dagegen wurde er wegen Beleidigung de, Ministers Schiel« zu 300 Mark oer- urteiv. In einem Artikel„Wer stiehlt dir dos Brot?" war Schiel« Hungerministcr genannt worden. Schließlich hotte sich Schneller noch wegen Beleidigung van Polizeibeamten zu»er- antworten. In einem Artikel„Todesopfer der Zörgiebel-Äofaken" wurde behauptet, daß Polizeibeamt« während der Arbeits- losendemonstration am 6. Juni 1930 durch Dumdumgeschosse den Tod de» Arbeiters Frischmann verursacht hatten. Die Geldstrafe be- trug diesmal 7 00 Mark.. Bor einer onderen Abteilung des Schöffengericht» Berlin -Mitt« stand gestern der Redakteur der„Roten Fahne" Karl Sochmann. In der Nummer 17 der„Roten Fahne" vom 8l. Januar 1930 war ein Artikel erschienen mit der Ueberschrift:„SPD. -Minister Leuschner erhält eine Abreibung. Der Mann, der Wormser Arbeiter niederschießen ließ." E» wurde darin gesagt, der hessische Minister des Snnern habe durch fein« Bürgertriegsgarde zwei Jungarbeiter ermorden lassen. In Wirklichkeit ist aber in einer Verhandlung vor dem Bczirksschössengericht in Darmstadt festgestellt worden, daß die Polizei bei jener Erwerbslosendcmonstration in Worms von der Schußwaffe erst Gebrauch gemacht hatte, nach- dem sie von den Demonstranten mit Steinen beworfen und be- schössen worden war. Do» Schöffengericht Berlin -Mitt- verurteilt« den Redakteur Gothmann zu 800 Mark Geldstrafe.