Die begrabene Welirevolution.
(5itwinow schlägt w Senf eine« wirtfchaMche» Nichtangrtsfepatt vor.)
Henderson Abrüstungspräsident. Vom Rat einstimmig vorgeschlagen.
V. Zell . Genf . 19. Rai.(Eigenbericht.) Mit dem heutigen Beschlub des Bölkerbundsrates,«in Gutachten de» chaager Gerichtshofes über die rechtlich« Zulässigkeit der Zoll- union einzufordern, hat die Genfer Tagung ihren chßhepunkt über» schritten. Zlm Abend wurde in einer geheimen Sitzung de» Rat«, einstimmig beschlossen, den englischen Autzenminister henderfon zu ersuchen, den Vorsitz der AbrüslnuMkonferenz im Februar 1SZZ zu übernehmen........ Denn chenderson sich Vedentzeit zur Rücksprache mit fewen Rinrster« kollegen in London erbeten hat, so tst da««ohl nur formal«? Natur. Bezüglich des Orte» der Konferenz ist zwar noch k«in definitiver Bs» fchluß gefaßt worden, weil man höflichkeitshalber dem spanischen Außenminister Lerroux di« Möglichkeit last«« will, für Bare«» l o n a zu plädieren. Aber jeder weiß schon jetzt, daß die Wahl auf Genf fallen wird, da» inzwischen alle gewünschten Zusicherungen für Unterbringung, Besserung der Berkehrsmittel und Reduzie« rnng der horrenden Preis« gegebe» hat: daß diese Der» sprechungen eingehalten werden, wird allerdings vielfach bezweifelt. Di« Wahl chenderson» al» Borsitzender tst gewiß vom. Standpunkt derer, die die Konferenz nicht scheitern lassen, sondern«in« wirklich sichtbar« Herabsetzung der Rüstungen«rreichen wollen, die denk- bar glücklichste. Er ist vielleicht kein solcher„Fachmann� de» Ab- rüstungsproblem», wie der von Frankreich und seinen östlichen
Bundesgenossen seinerzeit so stark empfohlene Dr. B« n e s ch. aber die Erfahrungen der letzten Jahre beweisen gerade in bczug auf die Abrüstung, daß Fachleute oft genug eine G e s a h r für die Erzielung positiver Ergebnisse bilden. Nicht nur als Sozialist, der sich seit Jahren, gestützt auf eine große Arbeiterpartei, für die Abrüstung eingesetzt hat, sondern auch als Außenminister der größten Weltmacht besitz! Arthur hevderson bel den Regierungen die Auloriläl und bei den werktätigen Aiassea da» vertrauen,«le kein anderer Staatsmann der Gegenwort, um est» konkretes Ergebnis allen Sabolageversuchen und widerständen zum Trotz zu erzielen. Sogar die Somselregierung Hot sich kürzlich für die Dahl Henderson» ausgesprochen, und damit dürste auch dem internatio« »alen Bolschewismus«in Agitationsargument aus der Hand ge» schlagen sein. Schließlich ist noch zu bedenken, daß die Schwierig« keitrn der künftigen Konserenz vor allem aus den Rüstungen zu Land« kommen werden. Di« Gegensätze in der Abrüstung zur See sind schon zum größten Teil durch die von Henderson geleitet« Londoner Konferenz des vergangenen Jahres aus dem Weg« geräumt worden. Nun ist England als Seemacht am ehesten in der Lage, einen Ausgleich bei den schwierigen Gegensätzen einer Abrüstung zu Lande herbeizuführen. Au» allen diesen Gründen kann Deutschland , kann auch der internationale Sozialismus den heutigen Natsbeschluß nur lebhaft begrüßen.
Polizei und Wirischast. Sin Vortrag des Polizeipräsidenten Grzesinski . Auf dem P o l i z e i t a g der Vereinigung für polizeiwissenschast- lich« Fortbildung sprach gestern der Berliner Polizeipräsident Albert Grzesinski über„Die Polizei im Dienste der Wirtschaft". „Sicher ist", so sagte er,„oon allen Themen, die zur Tages- ardnung stehen, die Frag« Polizei und Wirtschaft deshalb besonders schwierig, weil sie die meistumstrittene ist. In der Literatur ist sie wenig behandelt, und Venn ich Bemerkungen grundsätzlicher Art nvrausschicke, so muß ich schon politisch werden. Denn die Frage Polizei und Wirtschast hat im Hintergrunde die größere Frage: Staat und Wirtschaft. Jeder Eingriff stört gewisse Freiheits- rechte in der wirtschaftlichen Betätigung, die nach der Berfastung zu den Grundrechten des Staatsbürgers gehören. Aber schon vor dem Kriegs hat der Staat dieses Grundrecht eingeschränkt. Der liberal« Staat war durch zwingende Gründe veranlaßt, die schrankenlose Wirtschaftsfreiheit einzudämmen, aus der eine Vernichtung der gesellschaftlichen Ordnung drohte, da sie wesentliche gesellschaftliche Funktionen nicht zu erfüllen vermochte. Die notwirtschastlich« Gesetzgebung, in der wir wghrend des Krieges und in den ersten Jahren nach dem Kriege lebten, und ohne die einem schrankenlosen Egoismus Tor und Tür geöffnet gewesen wären, wurde 1923 kodifiziert, und ich bedauere die gesetzgeberischen Schritte von 1927, durch die eine Aushebung erfolgte. Die Polizei als Kontrollinstanz für die N a h r u n g s m i t t« l v e r s o r g u n g. die Polizei in ihrer Eigenschaft als Bau- und Feuerpolizei ist heut« für die Gesamtheit schon etwas vollkommen Selbstverständliches, so daß bei irgendeinem Mangel sofort gerufen wird:„Wo bleibt die Polizei?" In den Fragen des Arbeitsschutzes gibt es Dinge, über, die sich kein Deutscher heute mehr den Kopf zerbricht. In den vereinigten Staaten aber hat der Oberste Gerichtshof ein Gesetz gegen die Kinderarbeit ausgehoben, weil e, gegen die Grundrechte der amerikanischen Verfassung verstoße. Ein Staat der USA . hatte ein Arbeitszeitgesetz über den Acht- st u nd e n t a g angenommen, auch dieses wurde als verfassungs- widrig aufgehoben. Mancher erreichte Fortschritt gilt bei uns als selbstverständlich, während er in andere« Ländern noch Gegenstand des Kampfes ist. Seit die deutsche Republik in ihrer sozialen Gesetzgebung an die Spitze aller Länder getreten ist. haben sich Pflicht und Möglichkeit zu Eingriffen im Interesse der Allgemeinheit in Recht« des einzelnen erhöht. Reu ist, daß der Schutz der wirt- fchastlich Schwachen vor dem Schutz des wirtschaftlich Starken steht, weil ein anderes Verfahren höchste Allgemeininteressen der Gesamt- bevölkerung gefährden würde. Der Redner ging dann im einzelnen aus die Nahrungsmittel- kontrolle, auf die Arbeit der Gewerb eaußenstellen, die Seuchen- bekämpfung, die auch beim Publikum zu Ansehen und Beliebtheit gelangte Tätigkeit der Verkehrspolizei, die Durchführung der Reichs- gewerbeordnung u. a.«in. Bei der Behandlung der Arbeit der Baupolizei betonte er, daß wir viele Bausünden früherer Zeit wieder gutzumachen hätten. Das Bestehen so vieler Mietkasernen, dos wohl heute oon allen als Sünde der Vergangen- heit anerkannt wird, legt der Polizei besonders ernste Pflichten auf. Es handelt sich nicht nur um Sonne, Trockenheit und Luft für die Bewohner, sondern auch um moralische und seelisch« Sicherheit, namentlich der Heranwachsenden. Grzesinski schloß: Von der Wiege bis zum Grabe steht der Mensch, hoffentlich meist im guten Sinne, unter Potizeiaussicht. Kein.wirtschaftliches und persönliches Gebiet bleibt unberührt. Dos erhöht die Anforderungen an die Beamtenschaft. Nicht nur Pflicht- treue und Eifer, nicht nur reiches Wiste» sind not. Ein verstehender. freier, ausrechter Mensch, der halsen und fordern will, ist das wichtigste. Der Mensch ist und bleibt da« Maß aller Ding«, aber erschrecken wir nicht vor der Größe der Ausgab«, fondern meistern mir sie in dem Bewußtsein, daß schwer« Zeiten immer ganze Männer gefunden haben." Der Nachmittag war einem Vortrag„Die Technik im Dienst« der Polizei" gewidmet, den Professor P a« t s ch vom Polizeiinstitut für Technik und Verkehr hielt. Eine Besichtigung von Vorführungen der Firma SIen, «ns u. Halste über Verkehrsfignolanlagen. Fern- fchrechoerkehr. Chiffriermöglichkeiten u. a. schloß sich an. (Kxminisier als Angettagier. Der französische Genat als Staatsgerichtshof. Varl«. 19. Mai.(Eigenbericht.) Der Senat, der sich am 2. April auf Antrag der Kammer al» Staatsgerichtshos konstituiert hott«, um die in dem Oustric- Skandal kompromittierten früheren Minister P ä r« t, B e s- nard, Vidal und Fabre abzuurteilen, trat am Dienstag- nachmittag unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten Renault zu feiner zweiten Sitzung zusammen. Di« Tribüne war schon lange Zeit vor der Eröffnung der Sitzung bi» auf den letzten Platz besetzt. hauptsächlich von Frauen. Inmitten lautloser Stille wurden die vier Angeklagten mit ihren Verteidigern in den Saal zur Anklage- bonk geführt. Nach dem Personaloerhör verlas der Generalstaats- anmalt die umfangreich« Anklageschrift, die zu der Schluß- folgerung kommt, daß sich per«! al» Flaanzmlnister und al» Zustlzminister»n persönliche« Interesse für eine Varlei entschieden hat und Rechlsberaker in einem privaten Unternehmen gewesen ist. dessen lleberivachung ihm oblag. Die übrigen Angeklagten«erden der ZMltälerschast beschuldigt. Die Kompetenz des Staatsgerichtshofes werd« al» erwiesen an- gesehen, aber«in« ergänzende Untersuchung für not- wendig erachtet. Der Verteidiger Pärets erklärt«, sein Klient Hab« sich keines Vergehens schuldig gemacht, da die Oustrie-Bank wie all« privaten Banken nicht unter der Kontroll« de« Finanzministers stehe. Ebenso erscheine ihm die Anklage nach Artikel 183 nicht gerecht- fertigt. Dieser schon 125 Jahre alte Text sei noch niemal» ange- wandt worden. Der Artikel setze außerdem die Absicht«ine» Vergehen, voraus, die man bei dem Angeklagten nicht feststellen könne. Di« P-r «t vorgeworfenen Vergehen existierten also nicht, und er müsse gegen die Anklageschrift protestieren. Cr beantrag« ober den sofortigen Beginn de» Prozesses, damit lein Klient nicht weiter unter einer furchtbar« Anklag « steh«, die kein« Berechtigung Hab«. Nach kurzer Unterbrechung der Sitzung gab Pöret«in» Erklärung ab, in der«r die ihm vorgeworfenen Vergehen als absurd bezeichnet« und die Richter bittet, ihn sofort abzuurteilen, damit er so schnell wie möglich seinen Platz inmitten seiner Kollegen wieder einnehmen könne, derer er nicht unwürdig sei. Dann protestierten auch die Verteidiger der drei übrigen An- geklagten gegen die ihnen vorgeworfenen Vergehen. Oidenburger Landtag am 10. Zvni. Wie die Pressestelle de» oldenburgischen Staotsministeriums mitteilt, wird der Landtag zum 1 0. S»l»i»ivberufen axrden.___
Der„Angriff" muß zahlen. Stennes-Monnen gegen Hitler. - Die Opfer der berliner Revolte klagen. Di« Angestellten de»«Angriff" aus der NSDAP. , die nach dem Sieg« Hitler » über Stenn«» fristlos entlassen wurden. klagten beim Arbeitsgericht gegen ihre Entlassung. Elf Anhänger von Stennes traten als Kläger auf. Ihre Freunde füllten den Zu» Hörerraum. Die Richtung Hitler wurde repräsentiert durch die Der- treter der Beklagten und ihre Zeugen. Feindselige Aeußerungeu gegen diese aus dem Zuhörerraum mußten durch den Vorsitzenden mehrmals gerügt werden. Al» aber da, Gericht sich zur Beratung zurückgezogen hatte, da gab es kein Holten mehr. Den Anfang macht««in Zuhörer, der dem Pripatsekretär de» Dr. Goebbels «inen«Lausejungen" an den Kopf warf. Andere Leute aus beiden Lagern mischten sich«in. Den Schimpsworten folgten Drohungen. Einig« besonders erregte«rauh« Kämpfer" forderten ihre Gegner auf. herauszukommen und ihre Gegensätze draußen zum Austrog zu bringen. Als das Gericht wieder erschien, hatten sich die Gemüter soweit beruhigt, daß die Verhandlung nicht gestört wurde. Im Gegensatz zu der Kampsstimwung der Zuhörer ging«» vor dem Richtertiso, recht friedlich zu. In mehreren Fällen wurden außergerichtlich geschlossene vergleiche protokolliert, in anderen Fällen stehen Vergleiche in Aussicht. Einem Kläger, den die Be- klagten als Büroboten bezeichneten, den da, Gericht aber als kaufmännischen Angestellten anerkannte, wurde da» Geholt für April. Mal und Juni zugesprochen. Zu diesem Fall« wurde Schimmel » mann. Privatsekretör bei Dr. Goebbels , vernommen, der unter anderem sagt«:„Ich habe den Kläger beobachten lassen und fest- gestellt, daß er im feindlichen Lager steht." Dies« Angab« wurde durch kräftige»«P sui Deibel!" au» dem Zuhörerraum beantwortet. Der Votenmeister des„Angriff" fordert« außer Bezahlung der Kündigungszeit auch Bezahlung von lieber stunden,«ovo« er täglich 3. 4. auch 5 machen mußte. Cr ist der Meinung. daß ein„sozialistische? Betrieb", wie es der«Angriff" sein wolle, keine unb-zahlte Arbelt von seinen Angestellten verlangen dürfe. Stodtoerordnetor Engel, der den beklagten„Angriff" nertrat. er- klärte es dagegen für„Parteipfltcht",. daß«in Angestellter ein«, Pqrteib«trieb« Ueberstunden ochne Bezahlung zu machen habe.(Ganz«i« bei der KPD .) Da« Gericht sprach dem Kläger die llederstmchenbezahlllng zu,
ebenso die Bezahlung der Kündigungszcit, weil der Parteiwechsel eines Angestellten in einem Parteibetricbe kein Grund zur fristlosen Entlassung sei.
Aelagemngszustand aufgehoben. In Madriv.— Bischof ausgewiesen. Madrid . 19. Mai.(Eigenbericht.) Der Belagerungszustand für Madrid . Stadt und Pro. vi n z. wurde am Montagabend aufgehoben. Mit dem Wieder, erscheinen der kleritol-ronservotioen Zeitung„Debate " ist für heut« zu rechnen: gegen das zweite verboten« Blatt„ABC" ist eine G«. richtsverhandlüng im Gang«,«s wird auch weiterhin nicht er, scheüien. Der Bischof von Vitoria verließ aus Aufforderung des Innen» Ministers am Montag Spanien und begab sich über die französisch« Grenze. Der Bischof hotte trotz verschiedener Warnungen immer wieder monarchistische Propaganda in schärsster Form getrieben und vor kurzem sogar in monarchistischen Geheimversamm» hingen präsidiert. Der Bischof von Malaga ging in Gibraltar an Bord«ine» Schiffe», da, ihn nach Italien bringen soll. Der Be» kagerungszustand in den ondalusischen Bezirken dauert noch an. Die sozialistische Parteileitung. Julian B« st« i r o, der Vorsitzende. Andräs S a b o t i t, dev Eekretär, und ander« Mitglieder der Exekutive der Sozialistischen Partei Spanien , haben im Februar d. I. ihr« Funktionen nieder, gelegt.„El Sociolista"(Madrid ) berichtet nun. daß nach der fir» wohl sich di« Exekutive au» solgenden Mitgliedern zusammensetzt: Borsitzender Remigio Ca b e l I o, Borsitzenderstellvertreter Fron- ciseo Largo Caballero , Sekretär, Kassierer Manuel A l b o r, HUsssekretär Antonio Feimandez Quer, Schriftführer Weneeslo» Carrill, Beisitzer Fernando d» l o» R i o», Lnastasio de G r a» c i a, Manuel C o r d« r o, Antonio Fabra R i b a s. Manuel B l« gil und Franeiseo Azorin. Reichsdeutsche Presseverireler bei Bürgermeister KeiH. Dst Teil, nehmer an der Tagung des Reichsoerbande» der Deutschen Press« wurden von Bürgermeister Seitz im Rathaus empfangen. B«i dem Empfange waren der deutsch « Gesandt « Dr. Rieth, di« städtischen Funktionär«, viele Persönlichkeiten de» öffentlichen Leben« und zahl» »ich« Vertreter der Wiener Presse erjchieilen.