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Die Agrarpoliiit der Sozialdemokratie. Erste Tagung des Reichsausschusses der Zlgrarpolitischen Zentrale beim parteivorfiaad. Nachdem Organisation und Austau der Ag rarpolitischen Zen- trale beendet waren, berief der Parteivorst and den Reichs- ausschuß der Agrorpolitischen Zentral« zu einer Tagung, die als einwöchiger Kursus stattsand. Von den 32 Mitgliedern des Reichs- ausschusses(je ein Vertreter der Außenbezirke der Partei) waren 27 zum Kursus erschienen, unter ihnen lZ Landwirt« und ein Wein- bergsbcsitzer. Die anwesenden Landwirte bewirtschaften zusammen 53S Morgen Land. Der Weinbergsbesitzer, gleichzeitig Weinbergs- arbeiter. verfügt über 4 Morgen Weinberge. Es waren in der chauptsach« Klein- und Mittelbauern als Vertreter der Landwirtschaft bei tU!r ersten Tagung des Reichsausschusses anwesend, außerdem An- gestellte des Deutschen Landorbeiterverbandes, Parteisekretäre und einige andere Genossen, die in amtlicher Stellung ständig Fühlung mit der Londwirtschaft haben. Der Reichsausschuß soll, wie Genosse Vogel vom Partei- vorstand in seiner Begrüßungsansprache ausführte, der Agrar- politischen Zentrale und dadurch dem Parteivorstand die Fühlung mit der landwirtschaftlichen Praxis geben, damit aus dieser Fühlung- nähme Anregungen für die Belebung der Landagitation und für ein einheitliches Vorgehen in ollen wichtigen Fragen der Agrar- Politik geschöpft werden können. Außerdem soll der Reichsausschuß diejenige Stelle sein, der der Partei vorstand agrarpolitische Fragen von besonderer Bedeutung zur Klärung unterbreiten wird, um daran immer wieder die Agrarpolitik der Partei neu orientieren zu können. Die auf dem Kursus gehaltenen Vorträge gaben auf der ersten Tagung dem Reichsausschuß Gelegenheit, zu den aktuellen Agrar- fragen Stellung zu nehmen. Es sprachen Genosse K w a s n i k vom Deutschen   Laudarbeite roerband über.Land- und Forstarbeiterfragen', Genosse Reichstagsabgeordneter Tempel über, Landagitation unter besonderer Berücksichtigung der bäuerlichen Bevölkerung', Genosse Oberpräsident Lüdemann überAgrarpolitik in Gemein- den und Kreisen', Genosse Direktor P o s s« l von der Preußenkosie überDas landwirtschaftliche Genossenschaftswesen unter besonderer Berücksichtigung des direkten Verkehrs von Erzeuger- und Vec- brauchergenossenschaften", Genosie Dr. W i l b r a n d t überDie Agrarkrise und die Mittel zu ihrer Behebung', Genosse Staats­sekretär Krüger überEinführung in die landwirtschaftliche Ver- waltung'. Genosse Dr. L i p s ch i tz überDie Steuern in der Land- Wirtschaft'. Als besonderes Ergebnis der Agssprach« tonnt« fest­gestellt werden, daß einmütige Abneigung gegen die grohagrarisch« Schutzzollpolitik von Schiele be- steht, in der auch die parteigenössischen Landwirte kein Mittel zur Behebung der Agrarkrise sehen. Während des.Kursus wurden drei Güter der Stadt Berlin   unter fachkundiger Führung von Generaldirektor Ruths und Vermessungsrat Breiter sowie die Versuchsstation Miincheberg des Kaiser- Wilhelm- Institutes unter Führung von Professor Dr. Baur besichtigt. Es wurde der Wunsch laut, in Zukunft den Reichsausschuß bei ollen wichtigen agrorpolitischen Entscheidungen zu hören und auch den stellvertretenden Mitgliedern des Reichs- ausschusses alsbald durch einen ähnlichen Kursus die Möglichkeit zur Erweiterung ihrxr..Kennttzisje unh zur Bereicherung der ljfrfahrunzen der' Agrorpolitischen Zentrale durch Fühlungnahme mit ihnen zu geben.**"'' A.Z. Indiens   Verfassung. Die zweite Londoner Konferenz. Laadon. 21. Mai.(Eigenbericht.) Die Konferenzam runden Tisch', die Indien  die neu« Verfassung geben soll, wird am 29. Juni ihr« Arbeiten in London   aufnehmen. An diesem Tage wird der Unterausschuß, der die bundesstaatlich« Verfassuno zu bearbeiten hat. zusammentreten. die Vollversammlung erst Anfang September. Diese Termine sind das Ergebnis der energischen Verhandlungen des neuen Vizekönigs feit seiner Ankunft in Indien   mit Gandhi   und den Kongressisten. Der Unterausschuß sür die bundesstaatliche Verfassung tritt früher zusammen, weil er die größten Schwierigkeiten vor sich hat, besonders die Minderheitenfrage. Der Gegensatz zwischen den Forderungen der mohammedanischen Minderheit und den Zugeständnissen der Hindu» ist seil dem Abschluß de» ersten Teile» der Zndienkonserenz keineswegs über- brückt worden. Die blutigen Zusammenstöße zwischen den beiden Religionsgemeinschaften vor einiger Zeit in Sauupur zeigen, daß diese» größte Hindernis sür ein« indische Selbstregierung noch besteht. Im zweiten Teil der Indienkonferenz werden zum Unterschied vom ersten die Vertretung der radikalen Parteien des indischen Kongresses da sein. Die Arbeiten werden dadurch sicher nicht er» leichtert werden, ober ihr« Ergebnisse werden größere Gültig» k e i t haben ol» ohne Zustimmung dieser Parteien. Es ist des Ver- dienst des vorigen Vizekönigs Lord Irwin  , daß er den Kongreß zur Teilnahm« an den Arbeiten und vor allem zur Anerkennung der bundesstaatlichen Verfassung, form bewogen hat. Dagegen hat der Kongreß bisher die seinerzeit in London   vereinbarten Ein- schränkungen der indischen Selbstregierung, vor ollem in der Außenpolitik, Armee und Finanzen, noch nicht angenommen, und man muß damit rechnen, daß hierüber noch heftig« Kämpfe geführt werden. Gerade dies« Einschränkungen haben die Radikalen in Indien  schon während de» ersten Teiles der Londoner Konferenz scharf kritisiert. Die konservative Partei Englands will, so wird seit einiger Zeit behauptet, ihre weitere Mitarbeit van eiuee vorherigen An- erkeunung dieser Einschränkuagea durch dea Kongreß abhängig wachen. Bekanntlich wird die Indienfrage von den drei Parteien Englands gemeinsam behandelt, und es wäre überaus bedauerlich, wenn diese überparteilich« Zusammenarbeit durchbrochen würde. Ob Gandhi  als Vertreter de» Kongresse, im Unterausschuß für die bundesstaat- liche Verfassung End« Juni in London   erscheint, steht noch nicht sest. Man sieht also, daß, wenn auch die Wiederaufnahm« der Ver- sassungsarbeit gesichert ist, die Schwierigkeiten keineswegs verringert worden sind._ Besprechungen über da« Stenervereinheitlichungsgeseh. In der R«ich«kanzlei wurden am Donnerstag unter dem Vorsitz des Reichs- konzlers die Besprechungen mit den Führen de» Bayerischen Bolls- parte! über das Eteueroereinheitlichungsgesetz fortgesetzt. Zu dem Ergebnis dieser Besprechungen wird der Londesvarteionsschuß der Bayerischen   Lolkspartei End« dieses Monats endgültig Stellung
Ein trauriger Held.
(Oer Razi-Reichswehrsoldat Löwe verstümmelte sich selbst und gab dann an, von Kommunisten überfallen zu feln.)
,3ä) darf mir nur die linke Hand zerschießen, die rechte brauche ich, um Oennnziantenbriefe zu schreiben." Litwinows Nichtangriffspakt. Schluß des Europakomiiees.
Genf  , 21. Mai.  (Eigenbericht.) In der Schlußsitzung der Europakommifsion blieb von dem großen konstruktiven Wirtschaftsplan Frankreichs   und allen übrigen Vorschlägen nichts weiter übrig, als die Bildung eines st ä n d i g e n Komitees sür wirtschaftlichen Augleich; drei Unterkomitees aus Fachleuten für die Verfolgung der Kredit-Zollpräfercnz- und Kartell- ide« kommen dazu. Oesterreich   kann sich mit Dorfchlägen für feine Unterstützung an den Europaausschutz wenden. Zum russischen Vorschlag des wirtschaftlichen Nichtangriffspaktes sagt das Resolutionskomitcc nichts, da er weitgehende grundsätzliche Probleme enthält, die dos Mandat der Kommission nicht ausreichend umMe. In der Bereitung dieses Ergebnisses widersprachen Eng- lanSs. Skaitbinavien und Holland   der Zollpräserenz der Anagror- stoaten. Trotzdem wurden dies« Bedenken nur in den Bericht an den Rat und die Vollversammlung ausgenommen: die Borschlog« auf Bildung von Komitees wurden angenommen. Likwinow evkwickelte dann noch einmal den wirtschaftlichen Richlangriffspakt: Generell« Prinzipien müssen jeder Mdglichkeü einer wirtschaftlichen Verständigung vorausgehen. Die Regierungen müssen sich oller feindlichen Wirtschostsmaßnahmen enthalten, der Wirtschaftskrieg muß feierlich verdammt werden. Er schlägt die Annahme von Regeln gemeinsamer Zusammenarbeit im Wirtschaftssrieden vor. Das werde kein Land der Freiheit zum Abschluß von Verträgen mit anderen Ländern berauben. Die Feststellung, daß zwei Systeme der Wirtschaft friedlich nebeneinander bestehen können, wäre damit ebenfalls getroffen. Das Unterkomitee hat keinen Wcg gezeigt zur Verwirklichung des russischen Vorschlags. Run muß die Voll- s i tz u n g sofort entscheiden. Die hier versammelten Minister werden doch alle die Politik ihrer Regierungen kennen! Es kann also ein solches Abkommen sofort unterzeichnen werden, zumindest kann jeder sein« Meinung sagen. Sosort unterstützte der Vertreter der Türkei   den Wirtschaft- lichen Nichtangriffspakt. Hcnderson regte an. diesen Dorschlag in der Unterkommission nochmals zu behandeln. Dr. Evrtivs erklärt« die vollste Sympathie Deutschland  « für cilwinow, Richlangrissspakt: er begrüß« diese Idee aufs wärmste und spricht die Ileberzeugvng au», daß dl« Verurteilung jeder feindlichen WIrtschastshandlung überall gut aufgenommen wird. Die deutsche Delegation Hobe sich bemüht, zu einem baldigen Er- gebni» zu kommen. Andere Minister wollten jedoch erst mit ihren Kollegen zu Hause verhandeln. Man müsse Zeit lassen, um den Gedanken zu prüfen: das sei kein Zeichen einer unfreundlichen Auf- nahm«. Er stelle daher den Antrag, diese Idee auf die Tagesordnung der nächsten Europa­tagung am Z. September ,u setzen. in der Hoffnung, daß dann alle Mitglieder des Ausschusses zu- stimmen. B r i a n d stellt in seiner Schlußred« fest, daß vor allem das Protokoll Litwinows unverändert in den Händen des Unter- komitees sei und somit automatisch zur nächsten Tagung zurückkehren werde. Er unterstützt aus» Wärmste die Idee eine» Weltwirtschafts- friedens, der gewiß nirgend» widersprochen werde: aber in cilwinow« Plan seien noch Bestimmungen, die nicht ganz unschuldig wäre« und erst noch geprüft werden müßten. Da» habe nichts mit Unfreundlichkeit zu tun und er werde alle Anregungen dieser Art mit wärmster Sympathie begrüßen. Hier sei im Geiste des Friedens und der Solidarität gearbeitet worden. Es bleibe die Hauptausgcrb« des Komitee» bestehen, die gegen- s« i t i g« Hilf«, vollsten Dank sagt Briand   für die Unterstützung seiner Vorsitzsührung. die chm ein Glück und eine Befriedigung gewesen sei. Hausbau für Abrüstungskonferenz. Zürich  , 21. Mai.  (Eigenbericht.) Für die Vorbereitungsarbeiten zur Wcltabrüswngskonferenz verlangt die Genfer   Regierung vom kantonalen Parlament 2 M i l- l tonen. Die Schweiz   wird dem Kanton Genf   diese Summ« gegen pwffährig« Amortisation vorstrecken, vorerst soll ein große«
Gebäude in der Nähe des Völkerbundssekretariats, mit diesem verbunden, errichtet werden. Frankreich   und der Haag. Lehrreiche Diskussion Älum-Herriot. Paris  , 2l. Woi(Eigenbericht). Die Wahlniederlage Briands hat eine ausgedehnte Fehde zwischen den Führern der Sozialisten und der Radikalen Leon Blum   und Herriot   nach sich gezogen. Blum hatte Herriot de- schuldigt, zwar nicht direkt, ober durch seine sehr nationalistische Rede," gegen den Zollplan Perlin-Wen- zu diesem Wahlausgang beigetragen. zu haben. Herriot   antwortet nun auf Blums Kritik an der Herriotschen Art von Pazifismus, er brauche sich mcht darüber be» lehren zu lassen, daß die Probleme andere Gestalt angenommen hätten und die Beziehungen unter den Völkern ein« gewiss« Schmiegsamkeit verlangen. Die Friedensverträg« hätten«in« neue Rechtsprechung geschaffen, zu der er Vertrauen habe, nämlich die des Völkerbundes. Deutschland   und Oesterreich   hätten sich in den Friedensverträgen und Oesterreich dazu noch im Genfer   Protokoll vom 4. Oktober 1922 verpflichtet, alles zu unterlassen, was der wirtschaftlichen ober polilischen Unabhängigkeit Oesterreichs   Abbruch tun känule.> Trotzdem hätten beide Länder den Anschluß vorbereitet. Damit könne er sich nicht einverstanden erklären, denn wenn man ein Land daZu ermächtigt, selbständig die Verträge abzuändern, so bedeute das die Verneinung jeder internationalen Moral, die Rückkehr zu den alten Mißbrauchen und die Hcrausbefchmörung neuer Kriegs- gcfahr. Er, Herriot  , habe dafür gearbeitet, daß Deutschland   in den Völkerbund aufgenommen wurde. Deutschland   habe jetzt dessen Eni- scheidung anerkannt: das sei umso besser, ober man habe es erst dazu veranlassen müssen, dieses Verfahren anzunehmen. Diese Antwort Herriots �lcht an dem Kernpunkt vorbei. L ä o n Blum halt« in feinem Artikel ausgeführt, daß kein Land da? Recht habe, aus eigener Macht Verträge zu verletzen: aber er hatte sich dagegen gewendet, daß Herriot   oder die französisch« Kammer schon vor den Entscheidungen des Völkerbundes und des Jnter- nationalen Gerichtshofesfeststellen", Deutschland   und Oesterreich  hätten mit dem Zollabkommen die Vertröge verletzt. Daß diese Kritik Läon Blum? durchaus berechtigt war, beweisen die in- zwischen eingetretenen Ereignisse.- Aus den Genfer   Berichten geht unzweideutig hervor, daß Frankreich   aus das Urteil des Internationalen Schiedsgerichts gor keinen wert legt, sondern sich nur an di« Entschließung der Kammer halten will. Und wenn das Haager   Urteil für Deutschland   günstig au?» fallen sollte, will Frankreich   die Durchführung des Zollprojektes doch verhindern. Di« von Herriot   so geprieseneneue Recht- sprechung' soll also nur anerkannt werden, wenn sie für Frank-. reich günstig ist! Die einzige bürgerliche Zeitung, die diesen Standpunkt bekämpft, ist die radikaleRepublik  ", die zwar die von Deutschland   und Oesterreich bei dem Zollabkommen an- gewandten Methoden verurteilt, aber erklärt, daß, wenn sich der Gerichtshof gegen die These Frankreichs.  und der Kleinen Entente   ausspricht, es die Pflicht der französischen   Pazifisten sei, Frankreich   und seine Alliierten zu zwingen, den Urteils- spruch anzunehmen. Der Provinzialattsschuß der Provinz Sachsen  , der infolge eine» Formfehlers in der legten Landtagstagung neu gewählt' werden mußte, nahm jetzt auch eine Neuwahl des Vertreters der Provinz Sachsen   zum Rcichsrot vor. Zum Vertreter wurde der Magpeburger Regierungspräsident Paul Webe rJSoz.) wiedergewählt, zu seinem Stellvertreter der Magdeburger   Stadtrat und Gastwirt Kockel (Wirtschaftspartei). neugewöhlt. Bisheriger Stellvertreter war der frühere deutschnational« Reichstagsabgeordnet« und Präsident des Landgemeindeoerbandes Dr. Gericke. Dr. Friedrich Wolf   und Frau Dr. Jakobowitz-Kienle hoben mit Zustimmung des Untersuchungsrichters in Stuttgart   die Ausreiseerlaubnis nach Rußland   erholten. Dr. Wolf besindet sich bereits in Moskau  , wo er an einem Film mitarbeitet. Frau Dr. Jakobowitz-Kienle wird demnächst dorthin reisen. Beide hoben sich jedoch oerpslichtet, gerichtlichen Ladungen, die in ihrer Prozeß- jache an sie ergehen, jofort Folge zu leisten.