Curiius und die Schwerindustrie.
Paris . 22. Mai.(Eigenbericht.) Angesichts der Rückkehr Briands nach Paris be- schäftigt sich die französische Presse eingehend mit der Frage, ob der Außenminister seine Demission aufrechterhalten wird oder nicht. Bei Briand selbst scheint sich während seines Senfer Aufenthalts ein« gewisse Sinnesänderung vollzogen zu haben. Wahrend er vor Antritt seiner Reise fest entschlossen war. sein Amt niederzulegen, soll ihn die Ausnahme, die er im Lölterbundsrat und im Europa -Ausfchuß gefunden hat, und der Sieg der französischen These in bezug auf die wirtschaftliche Wieder- oufrichtung Europas davon überzeugt haben, daß seine internatio- nale Autorität und sein Ansehen nicht gelitten hoben, und daß daher seinem Verbleiben im Außcnministerium nichts im Wege steht. Dazu kommt noch, daß, wie der„Paris Midi" mitteilt, die Regierung und der neue Präsident Doumer ihm telegraphisch die dringe ndir Bitte' nach Genf übermittelt haben, auf seinen Rück- tritt zu verzichten. In Regierungskreisen wird daher, wie die- selbe Zeitung aus zuverlässiger Quelle erfahren hoben will, stark damit gerechnet, daß Briand seinen Posten bei- behält. Die Gründe, die vor allem die nationalistischen Mitglieder des Kabinetts dazu veranlaßt haben, für Briand einzutreten, find ver- schiedener Art. Einmal scheint dem Kabinett daran gelegen zu
sein, dem Ausland durch den Verbleib Briands im Außen- Ministerium zu beweisen, daß trotz der Präsidentenwahl die fran- zösisch« Außenpolitik keiner Aenderung unterworfen werden soll. Dann sollen verschiedene Kabinettsmitglieder und auch«ine große Zahl von Parlamentariern die Meinung vertreten, daß es besser sei, Briand innerhalb des Kabinetts, d. h. unter ihrer Kon- trolle, als außerhalb des Kabinetts und gegen sich zu haben. Die reaktionäre Presse ist mit dieser Wandlung der Dinge natürlich nicht einverstanden und protestiert bereits gegen ein eventuelles Derbleiben Briands im Außenministerium. Der natio- nalistische Abg. Taittingcr schreibt in der„Paris Rouvelle", hie Erfolge Briands in Genf feien sehr mager. Das deutsch -öfter- reichischc Zollprojekt hätte nicht erst an den Internationalen Ge- richtshof überwiesen werden dürfen, sondern Briand hätte«» gemäß dem ihm von der Kammer erteilten Austrog sofort als ein« Verletzung der Verträge und Abkommen verurteilen lassen müssen. Der„Jntransigeant" erklärt dazu, die Loge Briands fei nach dem Votum der Nationalversammlung nicht mehr dieselbe. Das Votum bedeute, daß die Politik der einseitigen Zugeständnisse jetzt vorüber sei. In den Augen vieler habe Briand für immer sein Ansehen verloren, da? bisher als unverletzlich gehalten worden fei. Es sei daher fraglich, ob das Parlament mit dem Verbleiben Briands im Auhenministerium einverstanden sein werde.
Käuflicher Korruptionsbekämpfer. Oer Enthüller Oavidsohn im Solde des Braukapitals. Ein Korruptionsschnüffler, der Schweigegeld nimmt. Die häßliche Rolle, die der ehemalige Reichstagsabgeordnete Tcoidsohn in dem Korruptionsfeldzug gegen die Sozialdemo- kratie gespielt hat, dürfte noch in Erinnerung vieler Parteigenossen sein. Er war es, der im Jahre 1919 die Skandalhetze gegen die Partei einleitete. Seitdem spielt in allen Verleumdungsprozessen gegen die 5?ctzer der Rechten Georg Davidsohn die Rolle des Gewohn- heitszeugen, auf den sich die angeklagten Verleumder zu berufen pflegen. Eine besondere Tätigkeit hat Davidsohn eine Zeit lang im Arbeiter-Abstinentenbund entfaltet. Längere Zeit war er Redakteur des Bundesorgans und gehörte dem Bundesvorstand des Arbeiter-Abstinentenbundes an, bis er wegen dauernder Quer- treibereien Anfang 1922 seines Postens enthoben wurde. Davidsohn versuchte nunmehr, den Arbeiter-Abstinentenbund zu spalten und zog zu diesem Zweck eine Sonderorganisation, den„Verband sozialistischer Abstinenten" aus, der jedoch ein unscheinbares Grüppchen blieb. Immerhin ermöglichte diese Splittcrorganisatwn es Davidsohn, in der Abstinentcnbewegung weiter eine Rolle zu spielen und ein eigenes kleines Blatt herauszugeben, worin er den Arbeiter-Abstinentenbund heftig anzugreifen pflegt. Der Abstinent Davidsohn hat als sein Spezialgebiet dieKorruptionderöffentlichenMeinung durch das Braukapital bearbeitet. Im Jahre 1919 schrieb er die Broschüre„DasBraukapitalundseineKnappe n". Diese Broschüre enthielt Belege dafür, wie die große deutsche Presse durch finanzielle Beeinflussung(Inserate usw.) den Interessen des Alkoholkapitals dienstbar gemacht wurde. Weiteres Material ver- -ösfentlichte Davidsohn 1926 in einer Broschüre„Die Korruption in Presse und Parlament". Diese Broschüre erschien unter dem Pseudo- nym„Gustav D a b e l st« i n", dessen Monogramm G. D. mit dem des Autors Georg Davidsohn übereinstimmt. Das in dieser Broschüre verwertete Material stammte offenbar aus Kreisendes Deutschen Brauerbundes: es war klar, daß Davidsohn alias Dabelstein einen Gewährsmann beim Brauerbund selber haben muhte. Die Verlegenheit, in die der Brauerbund durch diese Broschüre geriet, machte sich deren Verfasser nun in höchst merkwürdiger Weise zunutze: Unter dem Datum„Weihnachtsfeicrtag 1928" schrieb Davidsohn-Dabelstein an einen gewissen„Herrn Doktor" einen Brief, worin er mitteilte, daß er die Heraus- gäbe einer neuen Broschüre beabsichtige, deren gedruckten Prospekt er beilegte. Diese neue Broschüre sollte den Titel tragen:„Al Smith und Raul Funke"(Rudolf Funke ist der Vorsitzende des Brauerbundes) und sollte dartun, wie deutsche Unter- nchmergelder im amerikanischen Prohibitionswahlkampf zur Unter- stiitzung der„nassen" Kandidaten gearbeitet haben. Es sollte laut Prospekt die Schrift„mit den korrumpierenden Propaganda- Methoden des Braukapitals abrechnen". Der gedruckte Prospekt sagt. „Wuchtig läßt Dabelstein die Peitsche gegen die in Ihrem Schlupfwinkel aufgestöberten Dolksverführer niedersausen und sie werden noch mehr winseln al« nach seiner ersten An- klageschrift." Soweit der gedruckte Prospekt. In dem Begleitschreiben führt Davidsohn-Dabelstein aus, daß er in der Broschüre von 1926 wegen Raummangels gezwungen gewesen sei,„außerordentlich viel sehr gutes Material unbenutzt zu lassen". Das Erscheinen for neuen Schrift werde eine Sensation sein,„zumal bei den Riesakteur- und Schriststcllerorganifationen. die ich rebellisch machen werde". Ein Durchschlag dieses Briefes wurde dem Deutschen Brauerbund in die Hand gespielt. Der Erfolg blieb nicht au»: der Brauerbund begann mit David- söhn wegen Nichtherausgab« der Broschüre zu verhandeln, zunächst ohne Erfolg, bi» der Chef der Propagandaabteilung, Johannes G a u l k e. in Person eingriff. Er erreichte, daß gegen ein Honorar von rund 1000 Mark Davidsohn-Dabelstein die Herausgabe der angekündigten Broschüre unterließ. Sie ist in der Tat— trotz des renommistischen Prospektes— bis heutigentags nicht erschienen! Wahrscheinlich hat sie nicht einmal existiert. Jedenfalls befand sich in der Druckerei, in der die Broschüre angeblich gedruckt werden sollte, k e i n M a n u s k r i p t. Der Brief und der Prospekt hatten allein ihre Wirkung getan! Dieser Erfolg spornte Davidsohn zu neuen Toten. Anfang 1931 bot sich hierzu Gelegenheit. Davidsohn selber konnte ja nicht mehr gegen den Brauerbund schreiben. Aber es fanden sich jetzt einige entlassene Angestellte der Propagandaabteilung des Brauerbundes, die sich anschickten, ihrerseits da» von Davidsohn unterdrückte Material zu einer Broschüre gegen den Brauerbund auszuschlachten. Der Braucrbund wandte die gleiche Methode an— er suchte das Nichterscheinen der Broschüre zu erkaufen und— wunderbar genug— zwischen dem Brouerbund und seinen ehemaligen Ange- stellten spielte Davidsohn den Vermittler. Nicht umsonst! Denn ausdrücklich machte Herr Gaulke seinen ehe- moligen Untergebenen zur Bedingung, von den an sie gezahlten Geldern an Davidsohn abzugebenl Freilich kam dabei ein so kleiner Betrag heraus, daß Davidsohn über die Knickrigkeit des Brauerbundes sich außerordentlich entrüstete. Später ist dann fein Anteil erhöht worden. Auch diesmal war die Broschüre nur zum kleinen Teil gesetzt. Man hatte in weiser Sparsamkeit vorläufig erst die Seiten oder Teile in Satz gegeben, mit denen man den Brauerbund e i n z u- schüchtern gedachte. Aber al« vorsichtiger Mann verlangte Herr Gaulke vom Brouerbund nunmehr, daß ihm die Bürstenabzüge der gesamten Broschüre ausgehändigt und daß der Satz in seiner Gegenwart abgelegt würde. Was sollte geschehen? Davidsohn wußte Rat: er empfahl den entlassenen Angestellten, rasch die ganze Broschüre sehen zu lasten, damit man sie dann vor den Augen de« Herrn Gaulke wieder ablegen könne? Pfiffig fügte Davidsohn diesem Rate hinzu: daß man dies ja dem Drucker besonders gut bezahlen könne! Der Erfolg war jedenfalls der gleiche: auch diese Broschüre er- schien nicht, und an dem Nichterscheinen verdiente— der große Korruptionscnthüller Georg Davidsohn , den bei seinem Treiben offentlichtlich der alleinige Zweck leitete, in seiner eigenen Person einen allerdings nicht mehr zu überbietenden Beweis für die Korruptionrmethoden des Braukapitals zu liefern. Dies der Sachverhalt, den wir durch urkundliches Material und Zeugenaussagen jederzeit zu erhärten bereit sind. Wir hoben die Sache mit einiger Ausführlichkeit behandelt, weil es sich um einen Schädling der Partei handelt, der— feine frühere Vertrauensstellung als Aushängeschild benutzend— seit Jahren die Partei und ihre Führer mit Korruptionsbeschuldigvngen übergießt und ihren Ver- leumdern das Material liefert. So sieht er aus, der andere der Korruption bezigtigt!
Reichsgeld für Bauernbündler. Unsaubere Vorgänge in Bayern. — Prüfung im Landtag. München . 2?. Mai(Eigenbericht). Seit Herbst vorigen Jahres weiß die Oeffentlichkeit von un- sauberen Vorgängen bei der angeblichen Sanierung der baucrnbündlerischen Genossenschast„Bezugsoereini- gung bayerischer Landwirte in Regensburg ". Es handelt sich um 180lXX> Mark, die auf Betreiben des Reichstagsabgeordneten Gan- d o r f« r der bayerischen Landwirtschaft Minister Dr. F e h r im April 1939 dem Vorsitzenden der Genossenschaft, die längst im Kon- kursverfahrcn oerkracht war, aus dem genossenschaftlichen Rationa- lisierungsfonds des Reiches vermittelt hat. Die Korruption wird darin erblickt, daß Minister Dr. Fehr seinen Parteifreunden die Gelder zugeschanzt hat, ohne daß die gesetzlichen Bedingungen für eine solche Hilfe gegeben und erfüllt waren. Insbesondere waren die Mitglieder der Genossenschast(es handelt sich nur um einige Dutzend) nicht unverschuldet in Not geraten, da der Zusammenbruch der Genossenschast im wesentlichen durch die unglaubliche Mißwirt- schast und Schlamperei in der Geschäftsführung durch den Vorstand verschuldet war. Diesen Tatbestand hat der Minister Dr. Fehr überhaupt nicht geprüft, jedenfalls nicht, bevor er die von der Preußenkasse erwirkten Sanierungsgelder verteilte. Dazu kommt noch, daß er das Geld nur dem Vorsitzenden der ehemaligen Ge- nossenschaft gab und ihm die Unterverteilung überließ, was dazu führte, daß dieser Vertrauensmann des Ministers, ein Brauerei- besitzer, den Hauptanteil aus diesem Geld für seinen eigenen Bedarf verwandte. Auch der Reichstagsabgeordnete Gandorfer erhielt 3999 Mark mehr, als er nachweislich Schaden hatte. Diese trübe Affäre wurde am Freitag im Haushaltsaus- schuh des Bayerischen Landtages verhandelt. Di« Dinge sind erst in Fluß gekommen, nachdem im Juli vorigen Jahres der Bauernbund aus der Koalition und Minister Frick au« der Regie- rung ausgetreten waren. Dadurch, daß der Innenminister der Baye- rischen Volkspartei das Landwirtschaftsministerium vertretungsweise übernahm, wurde der Akteninhalt dieser Sanierung maßgebenden Persönlichkeiten des Christlichen Bauernvereins bekannt, die seither fortgesetzt auf Klärung der Angelegenheit drängten. Schließlich wurde ein Staatsrat mit der Untersuchung der Angelegenheit be- traut, der dem Landtag nun einen ausführlichen Bericht über die ganze Aktenlage gab. Die Untersuchung ist aber noch nicht abge- schlössen. Vor allem muß der frühere Minister Fehr selbst noch gehört werden. Außerdem werden die Akten dem Justizministerium zur straftechtlichen Würdigung ausgehändigt. Die Angelegenheit hat auch insofern politische Bedeutung über die bayerischen Grenzen hinaus, als der ausgesprochene Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, daß diese Sanierungsgelder im April vorigen Jahres an die Gandorfer-Gruppe deshalb gegeben wurden, um sie bei der Abstimmung im Reichstag über die Erhöhung der Bierssteuer für die Regie-
rung zu gewinnen. Die bauernbündlerische Gruppe im Reich»- tag hat damals tatsächlich ihre Opposition begraben und nach der Abstimmung erfolgte die Auszahlung der Gelder. Es wird deshalb auch davon gesprochen, den Präsidenten der Preußenkoste, Klepper, in der ganzen Angelegenheit zu hören. „Zettnot" in der Notzeit. Schlechte Komödie. Was wird aus der Unterstützung der Wohlfahrtser» werbslosen? Diese Frage muß neuerdings aufgeworfen wer» den, weil allem Anschein nach die Brauns-Kommission sich um«ine Stellungnahme zu der im Monaren von den Gewerkschaften und der Sozialdenu'lratie erhobenen Forderung auf Schaffung ein'v Reichsar b'eitslosenfürsorze herumdrücken will. Auf diese Vermutung wird man förmlich gestoßen durch Meldungen aus dem Lager der christlichen Gewerkschaften. Es heißt in diesen Meldungen, die Brauns-Kommisston sei in.Zeitnot". Dr. Brauns, der Vorsitzende der Gutachterkommission, müfle als< Führer der deutschen Delegation der Genfer Arbeitskonserenz späte- sten» am 28. Mai Berlin verlassen. Auf der anderen Seit« soll« die neue Notverordnung vor der Reise des Kanzlers nach Che- quers erlassen werden. Nun trete aber der Gutachterausschuß erst am 2 6. Mai wieder zusammen und bleib« für die Beratungen nur noch eine verhältnismäßig kurze Zeit. Da von einzelnen Mini- sterien auf die Beratungen des Ausschusses ein starker Einfluß genommen worden sei, würden sich die Vorschläge des Ausschustes wohl im Rahmen der Absichten der Reichsregierung oder der„zu- ständigen Ressorts" halten. Diese plötzliche Komplikation der Arbeit de, Gutachterausschusses überrascht uns nicht. Die Gutachterkommission war von Anfang an nichts anderes als eine Art Deckung für die Reichsregie- rung. Wenn jetzt auf einmal für ein« gründliche Beratung des Arbeitsjosenschutzes, der Hauptaufgabe der Kommission, keine Zeit mehr übrig bleibt— kommt das nur von ungefähr? Wemr jetzt auf einmal die Kommission, statt eigene und bessere Wege zu weisen, nur die Absichten der Reichsregierung oder der „zuständigen Ressorts" formuliert— ist das wirtlich nur ein fataler Zwang, in den man nur durch Zeitknappheit hineingeraten ist? Zeitnot der Arbeitslosentommission in der Notzeit der Arbeits- losen— es fällt wirklich schwer, keine Satire zu schreiben.
Labovr behauptet ihren Sitz. Di« Nachwahl in Ruiherglen brachte keine Ueberraschungen. Sie endet« mit dem Sieg Hardie«, des Kandidaten der Labour-Party, der mit 16 736 Stimmen den Konservativen Moß schlug, der nur IS 833 Stimmen erhielt. Bei den letzten allgemeinen Wahlen, bei denen 4 Bewerber um den Sitz von Rutherglen kandidierten, betrug die Mehrheit des Arbeiter- parteilers S289 Stimmen. Eamillc huysmans feiert heute seinen 69. Geburtstag. Er war von 190k bis ISSE Sekretär der iL JiikeiWikliMle.