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BERLIN  Dienstag 26. Mai

1931

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntag 5. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Bf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenstr. 3 Fernfprecher: Donhoff 292-297

Spätausgabe des Vorwärts"

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48. Jahrgang

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Die schwarzen Pfingsttage

Ursache des Einsturzunglücks in Greifswald Greifswald  

, 26. Mai.

Bei den Untersuchungen über das Einfturzunglüd in Greifs­ wald   ist man jetzt zu folgendem Ergebnis gekommen: Die in einer Breite von 12 Metern eingestürzte Mauer bildete eine Wand eines Stalles, in dem die mit Kraftwagen zu dem Sportfest herangekommenen Arbeitersportler ihre Autos und Motorräder untergestellt hatten. Das Stallgebäude war als bau­fällig befunden worden. Es ist nach den bisherigen Feststellungen durch die heranfahrenden schweren Caftfraftwagen, die mit Arbeitersportlern dicht besetzt waren, so start erschüttert worden, daß die Mauer ihren Halt verior. Nachdem schließlich noch ein Laftauto mit Berlinern eingetroffen war, ereignete fich furz darauf das Unglück. Wie jetzt festgestellt werden konnte, erlitten im ganzen 30 Perfonen Berlegungen. 20 von ihnen jedoch nur leichte Hautabschürfungen. Diesem Unglüd ging am Vormittag ein schweres Kraftfahrzeugunglüd voraus. Der Befiher des verhängnisvollen Stallgebäudes brachte mit einem Kraftwagen eine größere Anzahl Mitglieder des Sportvereins aus Anklam   nach Greifswald  . Als er schon in Greifswald   angelangt war, ffieß er in Schuhhagen, einer engen Hauptverkehrsstraße, mit einem Mo­forradfahrer zufammen. Bei dem heftigen Anprall wurde der Führer des Kraftwagens, der Feinmechanifer Artur Hermann aus Bornim   bei Potsdam   und fein Mitfahrer, der Maler Günther Kümmel, schwer verlegt, während die Sportler unverlegt blieben.

Bootsunglück auf dem Chiemsee  .

Traunstein  , 26. Mai. Ein schweres Bootsunglüd, bei dem zwei Brüder den Zod fanden, ereignete sich am Pfingstmontag auf dem Chiem fee. Der fiebzehnjährige Hans Start fuhr in einem schadhaften Boot mit seinem achtjährigen Bruder Herbert etwa 40 meter in den See hinaus. Plöglich stürzte der Kleine aus dem Kahn, Als sein Bruder ihm zu Hilfe kommen wollte, verjanken beide vor den Augen der Mutter in den Wellen. Einer der Brüder wurde gebor gen, doch blieben Wiederbelebungsversuche erfolglos, die Leiche des anderen Bruders fonnte noch nicht gefunden werden.

Opfer der Berge.

München  , 26. Mai.

Der fiarte Pfingstverkehr in den Alpen   hat drei Tote, drei Schwerverlette und mehrere Leichoerlehte als Opfer gefordert. Im Gebiet des Wilden kaiser ist am Pfingstfonn tag der Münchener Karl Brendl tödlich abgestürzt; die Leiche tag der Münchener   Karl Brendl tödlich abgestürzt; die Leiche wurde geborgen. Am Pendling bei Kufstein   verunglüdten die beiden Münchener   Josef Mayr und Roja Brandstetter durch Absturz. Mayr ist tot, feine Begleiterin schwer verletzt. Im Gebiet des Schachen   bei Partenkirchen   wurde der Tourist Fräntel aus der Gegend von Weilheim   tot aufgefunden. An der Fleischbant- Offwand verunglüdten zwei Touriffen aus Inns­brud durch Absturz, einer derselben, namens Aufkirchner, trug da­bei schwere Armverlegungen davon. Am Wasserschloß des Walchen­feervertes stürzte der Münchener   Franz Rift ab und blieb mit schweren Berlehungen liegen. Weiter hat sich noch eine Reihe von Unfällen zugetragen, die aber glimpflich abgelaufen find.

Zwei Todesopfer der Elbe  .

Hamburg  , 26. Mai.

Am Sonntagnachmittag verunglückten beim Baden in der Elbe   bei Rissen zwei Personen tödlich. Eine junge Frau war von dem ftarten Elbstrom gefaßt und mitgerissen worden. Ihr Mann wollte sie retten, geriet aber ebenfalls in die Strömung und beide ertranten. Das dreijährige Kind mußte vom Uljer aus dem tragischen Ende seiner Eltern zusehen.

Bugunglück in Paris  .

Fünfzig Personen verletzt.

Paris  , 28. Mai.

Auf dem Pariser Bahnhof Bastille hat sich am Abend des zweiten Pfingstfeiertages ein Eisenbahnunglüd ereignet. Infolge falscher Weihenstellung fuhr ein einlaufender 3ug auf einen auf dem Bahnhof haltenden personenzug auf. Der Zusammenstoß war so heftig, daß mehrere Wagen aus den Schienen fprangen. Das Splittern der Fensterscheiben und die aus den Wagen ertönenden Schreie riefen unter den Reisenden eine Panit hervor, doch erwies es sich zum Glüd, daß man es mit feinen schweren Berlegungen zu tun hatte. Etwa 50 Perfonen wurden mehr oder weniger schwer verleht Nach zwei Stunden fonnte der normale Berkehr wiederhergestellt werden.

Zwei Milliarden- Anleihe

Englische Meldung über einen Leberbrückungskredit

London  , 26. Mai.

Der diplomatische Korrespondent des ,, Daily Herald" meldet, daß jetzt die Frage einer internationalen Anleihe in Höhe von zwei Milliarden Mark für Deutschland ernstlich erwogen werde, die durch England, Frankreich   und Italien   zu garantieren wäre. Verant wortliche Streise erachteten dies als die einzige Möglich. feit, um einen Zusammenbruch des Young- Planes und der Reparationszahlungen zu verhindern. Der Fall der Weltmarktpreise und die wirtschaftliche Krise in Deutsch  land hätten eine Lage hervorgerufen, die man im Haag nicht vorausgesehen habe. Da Deutschland   in Gold zu zahlen habe, so hätten sich die Lasten um 30 Proz. über den Betrag erhöht, den das Young- Komitee als die höchste Grenze der Zahlungsfähigkeit Deutschlands   fest gesetzt habe. Sinzu komme noch der Fehlbetrag im Reichshaushalt.

Es stehe außer Zweifel, daß die deutschen   Minister in Chequers  auf die Berzögerung der Durchführung des österreichisch- deutschen 3ollabkommens hinweisen würden, und daß daher Deutschland   einen anderen Ausweg finden müsse. Deutschland   fönne zwar ein Moratorium für die ungeschützten Zahlungen fordern, aber es sei wahrscheinlich, daß Dr. Brüning lieber für eine vollständige

Heute 31 Grad Wärme.

Das schöne Wetter soll anhalten.

Mit 31 Grad Wärme im Schatten wurde die bisher höchste Temperatur in diesem Jahre gemeffen. Am 1. Feiertag betrug das Magimum 29 und geffern 30 Grad.

Die schönen Pfingstfeiertage des Borjahres find diesmal durch einen völlig wolfenlosen Himmel und ein erhebliches Temperatur plus noch übertroffen worden. Ueberall im Reich herrschte sonniges und warmes Wetter. Ganz Mitteleuropa   und erhebliche Teile Dft. europas stehen zur Zeit unter dem Einfluß eines sehr fräftigen ausgedehnten Hochdrudgebietes, dessen Ausläufer bis nach Standinavien und dem Atlantischen Ozean reichen. Dieses Hoch verbürgt für die nächsten Tage weiterhin schönes Sommerwetter.

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Bom Amtlichen Wetterdienst wird uns mitgeteilt, daß die Wetterauskünfte, die jeder durch Fernsprecher von der Reichspost ( Telegrammaufnahme) gegen eine Gebühr von 20 Pf. erhalten fann, täglich ab 11 Uhr für den nächsten Tag erteilt werden.

Millionen unterwegs.

Revision der Zahlungen in Höhe von 1620 Millionen Mark ein­treten werde, die fast überwiegend nach Frankreich   gingen. Selbst für den Fall, daß eine Revision verweigert werden sollte, sei es wahr­scheinlich, daß Deutschland   sich außerstande erklären werde, seine Gesamtverpflichtungen oder auch nur einen Teil derselben begleichen zu können. Deshalb, werde die Aufnahme einer 2- Milliarden- Mark­Anleihe für Deutschland   erwogen, die zu einem niedrigen 3ins. faz herausgebracht werde und durch die anderen großen euro­ päischen   Mächte garantiert werden solle. Diese Frage werde durch das neue Komitee für internationale Anleihen nachgeprüft werden. Sollte bis zum Zusammentritt der Völkerbundsversamm­lung im September feine Antwort vorliegen, so sei es faum zweifelhaft, daß dann Deutschland   die Gläubigermächte von der Unmöglicht eit unterrichten werde, die vollen Zahlungen zu leisten. Man tönne mit der Erklärung eines Moratoriums furz darauf rechnen, falls bis dahin feine neue Regelung erfolgt sei.

Halbamtlich wird zu der Daily- Herald"-Meldung gesagt: Die Anleiheidee wäre mir die Fortsetzung des unnatürlichen Zustandes, baß mir die Reparationen durch Auslandsanleihen be. zahlen. Bon solchen Anleiheplänen sei hier nichts bekannt; Schritte nach dieser Richtung feien nicht in Aussicht genommen.

Kursstürze an der Börse.

Auf die Schwierigkeiten der Wiener Banthausse Auspiz, Lieben u. Co. und die allgemein schwache Verfassung der ausländischen Börse reagierte am Dienstag die Berliner Börse   mit Kurs. stürzen der alten Papiere in einem Ausmaße von 5 bis 10 Prozent.

Einer der Inhaber der Wiener Bant, Hofrat Dr. Ludwig Schüller, ist seit einigen Tagen verschwunden. Man befürchtet Selbstmord. Auch ein anderer Mitinhaber der Firma hat einen Selbstmordversuch unternommen.

Appell an Joel.

Goll Bullerjahn weiter in Haft bleiben? Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld hat als Verteidi. ger   Bullerjahns an den Staatssekretär Joel nachstehendes Schreiben gerichtet:

In dem Wiederaufnahmeverfahren gegen den Lagerverwalter Bullerjahn hat der 4. Straffenat des Reichsgerichts zwar den Antrag auf Wiederaufnahme für zulässig erklärt, zugleich aber meinem Antrag auf Ausfegung der Strafvollstreckung nicht statt­gegeben.

In den diesem Beschluß voraufgegangenen Schriftfäßen hatte der Herr Oberreichsanwalt gegen die Zulassung des Wiederaufnahme­antrages Stellung genommen und demgemäß auch der Haftent­laffung Bullerjahns widersprochen.

Die BBG. hatte an den beiden Pfingstfeiertagen einen Riefenverkehr zu bewältigen. Annähernd 5 millionen Fahrgäste wurden auf der Straßenbahn, U- Bahn und den Autobuslinien befördert. Eine beängstigende Fülle herrschte bei dem prachtvollen Wetter zeitweise auf den zahlreichen Ausflugs. linien. Am ersten Feiertag wurden rund 2 460 000 Personen be Durch den Beschluß des Reichsgerichts ist aber in dem Wieder­fördert, mit der Straßenbahn 1 496 000, mit dem Autobus 444 000 und der U- Bahn 520 000 Fahrgäste. Der zweite Feiertag liegt mit aufnahmeverfahren eine Wendung zugunsten Bullerjahns eingetreten, 2 441 000 Beförderten um 19 000 hinter dem Bortage zurüd. die auch zu einer Beränderung des Standpunttes der Reichsanwalt­Wie die Reichsbahn mitteilt, ist im Fernverkehr, gemessen schaft gegenüber dem Antrag auf Unterbrechung der Straf= an den Zahlen des vergangenen Jahres, ein Rüdgang von pollftredung führen muß. Denn die Zulassung des Wieder­22,6 Pro 3. zu verzeichnen. Das wird in erster Linie auf das aufnahmeverfahrens bedeutet immerhin, daß das Reichsgericht eine schlechte Better am Donnerstag und Freitag voriger Woche und zum Nachprüfung des gegen Bullerjahn ergangenen Urteils für anderen auf die verschlechterte Wirtschaftslage zurüdgeführt. Im notwendig ansieht. Es wird deshalb nicht Ihre Auf­Fernreiseverkehr wurden diesmal rund 100 000 Karten weniger verfassung sein, daß ein Urteil meiter vollstreɗt werde, tauft. Auf der S- Bahn, im Vorort und Stadtbahnverkehr wurden deffen Richtigkeit nicht mehr über jeden Zweifel erhaben ist. 3800 000 gegen 4 Millionen im Vorjahr befördert. Feiertag wurden 1800 000 und gestern 2 Millionen abgegebene Karten gezählt.

Am ersten

Er läßt sich bitten. Der Liegnizer Regierungspräsident Dr. Boeschel ist zum Oberbürgermeister von Stettin   gewählt. Bald nach der Wahl verkündete er bei einer Festveranstaltung, er denfe nicht daran, die Wahl anzunehmen, da ihm die Mehrheit bei weitem nicht groß genug sei. Jeßt aber traf am Montag in Stettin   die Mitteilung Boeschels ein, daß er die Wahl do dh annimmt.

Gerade weil Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär, sich im Reichstag für eine durch feine Formalien gehemmte Nachprüfung des Verfahrens ausgesprochen haben, erwarte ich, vor allem bei Ihnen Verständnis zu finden für meinen Antrag auf fo fortige Unterbrechung der Strafpollstreckung. Ich appelliere an Sie, als den derzeitigen Verweser der deutschen   Justiz, den Herrn Oberreichsanwalt anzuweisen, seinerseits beim Reichsgericht die so­fortige Unterbrechung der Strafvollstreckung zu beantragen.

Die Haftentlassung Bullerjahns halte ich auch deshalb für un