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Morgenausgabe

Nr. 241

A 122

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolësblatt

Mittwoch

27. maí 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfalt Nonpareillezeile 80 f. Reklamezelle 5,- RM. Kleine An­zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedrudte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Larif. Stellengesuche das erste Wort 15 Bf. jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien. anzeigen Beile 40 Pf. Anzeigenannahme Im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen. täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Regierungswechselin Polen

Aber Oberstenregime bleibt.

Warschau  , 26. Mai.

Der Ministerrat hat beschlossen, daß die gesamte Re­gierung die demission einreicht. Staatspräsident Mo­scisti hat die Demission angenommen und die Regierung beauftragt, die Geschäfte bis zur Bildung des neuen Kabinetts weiterzuführen.

Der plötzlich erfolgte Rücktritt der Regierung des Obersten Slamet, die feit dem 4. Dezember 1930 im Amte steht, hat hier nicht überrascht. Schon seit Wochen wußten Eingeweihte, daß sich Slawet mit Demiffionsabsichten trage, um wiederum die Leitung des Regierungsblocks im Sejm   zu übernehmen. Die schwere

Finanglage des Staates sowie

die Schwierigkeit, eine Einigung dahin herbeizuführen, daß nach den Beamten  - auch die Offiziersgehälter um 15 Proz. gekürzt werden,

haben die Amtsmüdigkeit Slawefs gesteigert. Als vermutlicher Nachfolger Slamets gilt Oberst Prystor  , der ebenso wie der zurückgetretene Ministerpräsident zum Kreise der engsten Vers trauten Pilsudskis zählt. Oberst Prystor  , der u. a. als Arbeits­minister

den Arbeitern die Verwaltung der Krantenfaffen geraubt und unwissende, aber zuverlässige" Leute in die Beamtenftellen gefetzt

hat, mat Personalreferent Pilsudskis   nach dem Maiumsturz bei der Neuorganisierung der polnischen Armee.

Das Regierungsblatt Gazeta Bolfta" schreibt u. a, feine michtigste Aufgabe erblice Oberst Slamet darin, die Ber fassungsänderung im Sinne Pilsudffis durchzuführen. Zur legalen Durchführung fehlt der Regierung aber sogar in diesem Parlament die unerläßliche Zweidrittelmehrheit.

Unverantwortlicher Luxus.

Bolen ist eines der ärmsten Länder der Erde. Der Weltkrieg hat zum großen Teil sein Gebiet heimgesucht, viermal ist alles Geld entwertet worden, der Krieg gegen Rußland   folgte, als weit überwiegend agrarisches Land leidet es besonders schwer unter

Die unbeliebte Anleihe. Revisionspolitif als Katastrophenpolitik?

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Im Daily Herald" ist gemeldet worden, daß jetzt die Frage einer internationalen Anleihe in Höhe von zwei Mil liarden Mark für Deutschland ernstlich erwogen werde, die durch Frankreich  , England und Italien   garantiert werden soll. Bon amtlicher deutscher   Seite ist gegen dieses Gerücht energisch Stellung genommen worden viel zu energisch. Man hat den an sich richtigen Gedanken ver­treten, daß eine Anleihe feine Lösung des Reparations­problems bedeute, aber man hat völlig vergessen, daß Deutsch­ land   Grund hat, in allen anleihepolitischen Fragen außer ordentlich vorsichtig zu sein. Mag das Gerücht im ,, Daily Herald" noch so unbegründet sein Deutschland   hat durch­aus feinen Grund, zu erklären: Eine Anleihe wollen wir nicht und brauchen wir nicht, eine Anleihe wird uns nichts nugen, sondern nur schaden. Man hätte doch vor so energischem Abwinken mit dem Finanzminister reden sollen und mit einigen Wirtschaftssachverständigen dazu.

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Wie dies energische amtliche Abrücken verheerend auf die Ansichten wirkt, erkennt man aus der Stellungnahme der Germania  " und der Deutschen Allgemeinen 3eitung". In der Germania  " liest man: th  

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,, Durch die Gewährung einer noch so großen An leihe ist weder Deutschland   zu fanieren, noch der Young Plan aufrechtzuerhalten."

Und in der Deutschen Allgemeinen Zeitung": ,, Es bleibt demnach dabei, daß ein Ausweg aus unserer Lage auf anderem Wege gesucht werden muß: innen durch energische Fortsetzung der bisherigen Sanierung durch Er fparniffe, nach außen aber durch eine Revision jener Berpflich tungen, die Deutschland   aussaugen und unseren Gläubigern selbst mur Unfegen bringen."

der Landwirtschaftskrise, zumal die Ausfuhr nach dem dich bevölkerten Nachbarland Deutschland   durch das ewige Verschleppen des Handelsvertrages ebenso gedrosselt ist wie die deutsche Industrie­ausfuhr nach Polen  . Die größte Industrie Polens  , das Lodzer Tertilgewerbe, fann den Berlust des russischen Marktes nicht ver­schmerzen. Gewaltige Rüftungsausgaben und enorme Steuern bedrücken das Land. Aber für Repräsentation und Propaganda ist immer Geld da. Dieser Tage ist der Bau einer neuen Sommerresidenz des Staatspräsidenten in Wisla  ( Jablonkaberg, Westbestiden), der Südweststrecke Polens  , vollendet worden; er weist im Innern die eleganteste Einrichtung auf. mark). Die Kosten der Inneneinrichtung sind noch nicht bekannt. Der neue Bau hat zirka 1 500 000 3loty geloftet(% 4 Millionen Mart). Die Kosten der Inneneinrichtung sind noch nicht bekannt. Bei den großen Räumlichkeiten werden sie mehrere hunderttausend Zloty betragen.

Der polnische Staatspräsident hat nun das vierte Schloß zur Bemuzung erhalten: die übrigen drei Repräsentationspaläste find die Schlösser in Warschau  , Kratau und Bojen, dazu die Sommerresidenz in Spala, in Racot bei Posen und in Bialowjesch.

Welches gefrönte Haupt jahrhundertealter Dynastien hat noch so viele Schlösser und Residenzen? Der König von Italien so viele Schlösser und Residenzen? Der König von Italien hat fast alle Schlösser für öffentliche Zwede abgegeben und fich mit Racconigi und S. Rossori, an die fich alte Traditionen fnüpfen, begnügt. goods

Das Budget des polnischen Staatspräsidenten ist Jahr für Jahr gestiegen; es betrug 1926/27 2 436 260 3loty und jetzt bereits über 4% Millionen. In den unendlich reicheren Ber einigten Staaten von Nordamerika   beträgt das Budget des Präsidenten 438 000 Dollar, das heißt Inapp 3 900 000 3loty.

Attentate in Ostpolen  .

Warschau  , 26. Mai.( Eigenbericht.) In den fehlen amel Bochen wurden in der norboftpofnifigen In den letzten zwei Wochen wurden in der nordostpolnischen Ortschaft Bodbrodzie Spreng attentate auf Eisenbahn­züge und polnische Polizeibeamte versucht. In der Nacht zum Dienstag explodierte in dem Dorfe Nomojjolfa bei Tarnopol   in der utrainischen Kirche eine Bombe, die den Altar zerstörte. Die polnischen Polizeibehörden suchen die Täter unter den Kommunisten.

um die deutsche   Wirtschaft aus der Erstarrung zu lösen. Ist dies energische Abwinken gegenüber einem reichlich unbe­stimmten und ungewissen Anleiheprojekt auch eine Antwort an die Brauns- Kommission? In der DA3." ist die Absicht offenkundig, die amtliche Stellungnahme in dieser Richtung auszeiweiten, und die Germania  " ist ganz unversehens in diese Richtung hineingerutscht.

"

Die amtliche Stellungnahme zu der Mitteilung des Daily Herald" riecht nach den Schachtschen Heilrezepten, und fie tommt lediglich jenen gelegen, für die Revisions politit gleich) Ratastrophenpolitik ist.

Für Senkung der Getreidezölle. Auch die Hirsch- Dunckerschen Gewerfvereine fordern fie.

Auch die Hirsch Dunderschen Gemertvereine fordern von der Reichsregierung die herabfeßung der Ge­treidezölle. Auf einer Pfingsttagung sprach in Berlin   der Reichstagsabgeordnete Ernst Lemmer   in seiner Eigenschaft als Generalsekretär des Gewerkschaftsringes zur gewerkschaftspolitischen Lage und richtete an die Reichsregierung die ernste Mahnung, dem fortdauernden Lohnabbau, der den Inlandsmarkt völlig zerrütten müßte, endlich den notwendigen Widerstand entgegenzusetzen. Lemmer   schloß sich dem Antrag der sozialdemo­fratischen Reichstagsfrattion auf Sentung der Getreidezölle an, da nur dadurch die notwendige Herabsetzung des Brotpreises wirksam gemacht werden könne.

Sowjet U- Boot gefunken.

Bei Flottenmanövern in der Ostsee  .

Mostau, 26. Mai.

Da ist alles vergessen, mas bisher über Kapitalfehl­leitungen im internationalen Maßstab aus politischen Grün- Bei den Manövern der baltischen Sowjetflotte ist am den gesagt und geschrieben worden ist, alle amtlichen Hoff Dienstag nachmittag das U- Boot Nr. 9 aus bisher unbekannten nungen auf Auslandskredite scheinen danach von der gänzlich Gründen gefunfen. Ein zweites U- Boot meldete den Vorgang irrigen Borauslegung ausgegangen zu sein, daß eine Korter Flugzeugstation, die zwei Flugzeuge entsandte, um die Lage rektur dieser Fehlleitungen Deutschland nügen fönnte. des U- Bootes festzustellen, was auch gelang. Zwei Hülfsschiffe find Vor allem aber: nor turzem hat die Brauns Koman die Unfallstelle entfandt worden, um zu verfuchen, das U- Boot mission auf das Mittel der Auslandsanleihe verwiesen, zu heben.

Postichedkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str.   65/66.

| Curtius- oder wer?

Ein Rückblick auf die Genfer   Tagung.

In etwa zehn Tagen werden sich der Reichskanzler Dr. Brüning und der Reichsaußenminister Dr. Curtius nach London   und Chequers   begeben, um mit dem englischen Ministerpräsidenten Macdonald und dem Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten en der= son Besprechungen abzuhalten, von denen sehr viel für die weitere Entwicklung der deutschen   Politik, namentlich auf dem Gebiete der Reparationen, abhängt. Die Forde­rung der reaktionären und schwerindustriellen Kreise, die hinter der Deutschen Allgemeinen Zeitung" stehen, daß Dr. Curtius noch vor dieser Reise von seinem Posten ver­schwinden müsse, wird nicht erfüllt werden. Der Reichs­fangler weiß sehr genau, daß sein an sich schon schwaches Kabinett, in dem bereits zwei Minister fehlen, die nicht ersetzt werden konnten, einen weiteren Personenwechsel taum würde ertragen können. Und es scheint auch, daß der Reichspräsident in der Erkenntnis der unabsehbaren Kompli­fationen, die eine Regierungsfrise nach sich ziehen würde, die Auffassung des Kanzlers teilt, wonach Dr. Curtius einst­weilen auf seinem Posten gehalten werden müsse.

Gerade wegen der Wichtigkeit der bevorstehenden Zu sammenkunft mit den englischen Staatsmännern hätten auch wir gewünscht, daß der Reichsaußenminister ein höheres Ansehen und bessere Erfolge aus Genf   mitgebracht hätte, als das in Wirklichkeit der Fall war. Gerade wenn man hohe Er­wartungen an die fommenden Besprechungen fnüpfte vor allzu großen Hoffnungen möchten wir freilich warnen­war es dringend notwendig, die internationale Atmosphäre möglichst rein zu halten und alle Kraft auf einen Bunkt zu fonzentrieren, nämlich die baldige Erleichterung der deutschen  Reparationslaften, die Revision des Young- Planes. Durch den unzeitgemäßen und auch sonst bedenklichen Plan der 3ollunion mit Desterreich hat Dr. Curtius einerseits eine Berzögerung der Chequersbegegnung, die ursprünglich für den 1. Mai geplant mar, um fast sechs Wochen verursacht; andererseits hat er, was schlimmer ist, eine erhebliche Trübung der internationalen Atmosphäre herbeigeführt, die für die Inangriffnahme des unendlich wichtigeren, aber auch unendlich schwierigeren Problems einer Neuregelung der Reparationslasten nicht gerade günstig scheint.

Wenn man die Bilanz der jüngsten Genfer   Tagung zieht, so muß man zu dem Schluß gelangen, daß noch nie seit dem Eintritt Deutschlands   in den Bölkerbund, also seit sechs Jahren, eine für Deutschland   so peinliche Situation dagewesen ist. Daß der österreichische Partner Dr. Schober zu dem Versprechen gezwungen wurde, bis auf weiteres Berhandlungen mit Deutschland   über die Zollunion zu unterlassen, war noch nicht das schlimmste. Am bedenklichsten war vielmehr für uns Sozialdemokraten, denen der An= chluß Herzenssache und unverrückbares Ziel ist, daß sowohl Curtius wie Schober die Absicht des An­schluffes förmlich abschwören mußten, um ihren Rechtsstandpunkt in der Zollunion überhaupt begründen zu fönnen. Man hatte sich in eine Situation hineinmanöve= rieren lassen, in der man scheinbar ein spontanes Be­fenntnis zu dem Anschlußverbot von Versailles  und Saint Germain ablegte, nur um sein buchstabenmäßiges Recht auf den Abschluß jener Zollunion zu beweisen, deren wirtschaftliche Vorteile ohnedies von weiten Kreisen in beiden stammverwandten Ländern mehr als nüchtern be= urteilt werden.

Das hervorragendste Merkmal dieser Tagung war die gänzliche Isolierung Deutschlands  . Welchen Illusionen hatte man sich im Auswärtigen Amt   nicht hin­gegeben! Wochenlang hatte man durch Verbreitung sorgfältig aufgemachter Pressestimmen aus den verschiedensten Ländern den Eindruck zu erwecken versucht, als beurteile fast das ge= famte Ausland mit Ausnahme Frankreichs   und der Tschecho­ slowakei   den deutsch  - österreichischen Plan durchaus wohl­wollend. Das Erwachen in Genf   war grausam, zumindest für jene Kreise, die diese amtliche Stimmungsmache gläubig mit= gemacht hatten. Man hoffte auf die verschiedenartigen wirt­fchaftlichen Interessen der Meinen Entente, man rechnete mit der Unterstützung durch Rumänien   und Jugoslawien  : dabei mar die agressivste Rede, die am Ratstisch gegen Deutschland  gehalten wurde, die des jugoslawischen Außenministers Ma­rinfomitsch. Man erwartete zumindest wohlwollende Neutralität bei England und übersah völlig, daß Englands außenpolitisches Hauptziel gegenwärtig der Erfolg der fünf­tigen Abrüstungskonferenz ist und daß Henderson daher jede überflüssige internationale Belastung durch andere Probleme- als finnlose Störung empfinden muß. Man hatte por allem