วาล S27 21.
Nr. 243 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 28. Mai 1931
Das Experiment in der Stratosphäre.
Forschungen unter Lebensgefahr.
Das Unternehmen Piccards und seines Assistenten Kipfer geht zweifellos weit über den Rahmen einer sportlichen Veranstaltung hinaus. Es ist ein ernsthaftes Experiment, das nach langen und sorgfältigen Borbereitungen durchgeführt wurde. Piccard wollte in die sogenannte Stratosphäre eindringen, die in etwa 13 000 meter Höhe beginnt und bis zu etwa 65 000 Meter reicht. Während die darunter liegende Troposphäre das Gebiet der wetterbildenden Kräfte darstellt, ist die Stratosphäre das Gebiet der Dämmerungserscheinungen. In ihr wirken die kurzwelligen Sonnenstrahlen und die langwelligen Erdstrahlen zusammen. Es findet hier ein gewisser Wärmeausgleich statt. Piccard beabsichtigte daher vor allem, Messungen dieser tosmischen Strahlung vorzunehmen und Untersuchungen über die Luftelet trizität anzustellen. Außerdem sollte seine Fahrt in bisher von Menschen noch nicht erreichten Höhen den Konstrukteuren wichtige Aufschlüsse über den Bau von Fahrzeugen für die
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stitut in Lindenberg wirkende Professor Artur Berson unternahm am 31. Juli 1901 zusammen mit dem Meteorologen Reinhard Sühring einen Höhenflug, bei dem es ihm gelang, eine Höhe von 10 800 Meter zu erreichen. Die größte von Menschen bisher erreichte Höhe beträgt annähernd 13 000 Meter und wurde im Jahre 1928 von dem Amerikaner C. Gray mit dem Ballon ,, Belleville III" erreicht. Die Meßgeräte zeigten eine Höhe von 12 945 Meter an.
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Hat Piccard eine noch größere Höhe erreicht? Die Ballon: sachverständigen behaupten es vorläufig und doch wird über die wirklich erreichte Höhe nur der Höhenmesser in dem Ballon Piccards genaue Auskunft geben können. Aber kehrt der Ballon heil zurück? Fast hat es den Anschein, als ob auch Piccard sein Experiment mit dem Leben bezahlen muß oder bereits bezahlt hat. Der Donnerstag dürfte darüber endgültigen Aufschluß geben.
Die große Umgestaltung.
Stratosphärenflüge geben. Man plant zum Beispiel, den Eine Geschäftsanweisung des Magistrats für städtische Werke.
Flugverkehr in diese höchsten Luftschichten zu verlegen, weil man hier unabhängig von meteorologischen Einflüssen iſt.
Der Ballon Piccards hat einen Durchmesser von 30 Metern und einen Rauminhalt von 14 000 Kubikmetern. Er hat mit einer Füllung von 2300 Kubikmetern Gas seine Reise angetreten. Das Gasventil ist so eingestellt, daß der Ballon in einer Höhe von 16 000 Metern zum Abstieg entsprechend entleert werden kann. Die Gondel ist
mit einem Fallschirm ausgerüffet
und mit einer Reißleine versehen, durch die der Ballon ebenfalls zum Sinten gebracht werden kann. Sie selbst ist vollkommen verschlossen, so daß das Leben der Insassen bis zu einem ge missen Grade geschützt ist. Sie hat einen Durchmesser von 2,10 Metern und ist aus Aluminiumblech von 3,5 Millimeter gearbeitet. In der Gondel sind sämtliche Apparate, die zur Durchführung von Luftmeffungen benötigt werden, zweckmäßig angeord net. Es gibt in ihr eine Jonisationskammer, einen Elektrometer, Photometer, Höhenmesser, überhaupt alle zur Luftfahrt erforder. fichen Instrumente und Geräte für die Sauerstoffatmung. Biccard nahm vor dem Aufstieg an, daß in der Gondel stets eine Temperahir von 20 bis 25 Grad vorhanden sein werde und hoffte, die Temperatur im Innern mit Hilfe der Sonnenstrahlen durch einen fchwarzgestrichenen Schuhschirm, der den halben Kugel umfang der Aluminiumgondel inmgibt und erstellt werden fann, regulieren zu können. Sollte die Temperatur im Innern der Kugel zu gering werden, so wollte er den schwarzen Schirm auf die Sonne richten, ihre Strahlen einjangen und dadurch eine größere Wärmes menge anfammein.
Der Versuch Piccards geht weit über alle bisherigen Höhenflüge hinaus. Der Franzose Jan Calliza erreichte mit einem Flug zeug bereits eine Höhe von 12 442 meter. Alle übrigen Höhenflüge sind mit Freiballons durchgeführt worden. Im Jahre 1804 stieg der berühmte Physiker Gay- Lussac zu einem Flug auf, bei dem es ihm fast ohne Hilfsmittel glückte, 7000 Meter hoch zu gelangen. Im Jahre 1850 versuchte der Engländer John Welsh ebenfalls einen Höhenflug. Auch er mußte sich nach Erreichung von 7000 Metern zur Rückkehr entschließen. Der englische Physiker Glaisher unternahm in den Jahren 1862 bis 1866 nicht weniger als 28 Ballonaufstiege, von denen ihn einer bis zu einer Höhe von 8500 Meter emporführte. Die Meßgeräte, die er bei diesen Flügen benutzte, waren so unzulänglich, daß der wissenschaftliche Wert seiner Fahrten erhebliche Einbußen erlitt. Der im aerologischen In
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VON
1. ILF UND F. PETROW
Copyright Paul Zsolnay Verlag Berlin - Wien .
Ich bin ganz still", sagte Worobjew gehorsam. ,, Was ist denn geschehen?" Frau Kuznezowa zog die Lippen zusammen und wies mit der Hand auf die Tür des nächsten Zimmers. ,, Ein sehr heftiger Herzanfall." Und sichtlich die Worte von jemand anderem wiederholend, die ihr durch ihre Wichtigkeit aufgefallen maren, sagte fie: ,, Ein letaler Ausgang ist nicht ausgeschlossen. Ich bin heute den ganzen Tag auf den Beinen. Heute morgen fam ich mir die Fleischmaschine ausborgen und sah, daß die Tür offen stand und fein Mensch da war, weder in der Küche noch im Zimmer. Da dachte ich, Klawdia Iwanowna sei Mehl holen gegangen
"
Das Stöhnen, das aus dem Nebenzimmer tönte, griff Worobjem ans Herz. Er bekreuzigte sich und ging in das
Zimmer seiner Schwiegermutter.
Der Tod der Madame Pietuchowa Klawdia Iwanowna lag da und hielt eine Hand unter dem Kopf. Sie hatte ein Häubchen von intensiver Aprifosenfarbe an, wie sie zu einer Zeit modern waren, da Chanteclair" die Devise war und die Damen eben begonnen hatten, den argentinischen Tango zu tanzen.
Klawdia Iwanownas Geficht war feierlich, drückte aber nichts aus. Ihre Augen waren auf die Diele gerichtet. Klamdia Iwanowna!" rief Borobjem.
Die Schwiegermutter bewegte rasch die Lippen, statt der gewohnten Trompentöne aber vernahm Worobjem ein so leises, dünnes, mitleiderregendes Stöhnen, daß sein Herz erbebte. Tränen stiegen ihm in die Augen und rollten wie Quecksilber über seine Wangen.
,, Klawdia Iwanowna", wiederholte er, ,, was fehlt Bonen?"
Er betam aber wieder feine Antwort. Die Alte schloß e Angen and nithe atmos zu Seite.
In seiner gestrigen Sitzung hat der Berliner Magistrat das Borgehen des Bürgermeisters Dr. Elfas gebilligt, das dahin zielt, einige leitende Beamte städtischer Gesellschaffen wegen Verquidung ihres Amtes mit privaten Nebengeschäften aus ihren Stellungen zu entfernen.
größerer Bedeutung an die übergeordneten städtischen Dienststellen, für Miet- und Pachtverträge für längere Zeit als 1 Jahr, für Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand eine bestimmte Summe übersteigt oder die grundsätzliche Bedeutung haben, für Dienstreisen der Borstandsmitglieder und Geschäftsführer, die länger als drei Tage die Regelung der Vertretung, für die Einstellung von Personal, deffen Vergütung einen bestimmten Betrag jährlich übersteigt, und schließlich für Abweichungen vom Wirtschaftsplan.
Dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist rechtzeitig kenntnis zu geben von Einkäufen, Bestellungen, Aufträgen und Verkäufen, deren Wert eine bestimmte Summe übersteigt, und zwar unter gleichzeitiger Borlegung von Auskünften über die Firmen, mit denen die geschäftlichen Berbindungen aufgenommen worden find. Ohne Rücksicht auf den
Wie wir erfahren, wird Direktor Golde von der Berolina- dauern, und Reisen ins Ausland, für den Urlaub der Direktoren und Grundstücksgesellschaft, einem Tochterunternehmen der Berliner Bertehrsgesellschaft, bereits mit dem 31. Mai aus seiner Stellung ausscheiden. Auch das Vorgehen des Bürgermeisters Elsas gegen den technischen Direktor der Städtischen Gaswerte Dr. Ludwig, über das wir im Abendblatt berichteten, wurde vom Magistrat ge= billigt. Es ist wahrscheinlich, daß auch noch gegen andere leitende Angestellte der städtischen Werke vorgegangen wird. Der Magistrat hat weiterhin gestern dem Erlaß einer Ge- Wert der Einkäufe, Bestellungen und Aufträge ist ihm ferner Kennt städtischen und überwiegend städtischen Gesellschaften zugestimmt. Die schäftsanweisung für die Direttoren und Geschäftsführer der Borsigenden der Aufsichtsräte dieser Gesellschaften werden ersucht, dieſe Geschäftsanweisung fängstens innerhalb von 3 mei bürgermeister über die Einführung zu berichten. Monaten durch Aufsichtsratsbeschluß einzuführen und dem Ober
Diese Geschäftsanweisung regelt die Stellung der Direktoren zur Gesellschaft, zum Aufsichtsrat und zum Aufsichtsratsvorjihenden, ferner die Stellung der Direktoren untereinander und die Stellung der Stadt Berlin .
Nach der Geschäftsanweisung muß ein Beschluß des Auf fichtsrats rechtzeitig u. a. über folgende Angelegenheiten herbei geführt werden: Die Aufstellung des Geschäftsberichtes mit der Bilanz sowie der Gewinn- und Berlustrechnung über das abgelaufene Jahr, die Aufstellung des Wirtschaftsplans für das tommende Jahr, Anträge auf Alenderungen der Abgaben an die Stadt, Tarif änderungen, Erwerb und Veräußerung von Grundstücken Neu- und Ausbau von Gebäuden und Anlagen, die Gründung von Unter und Tochtergesellschaften und die Beteiligung an anderen Unternehmen, die grundfäßliche Stellungnahme zu dem Recht, wechselmäßige Verpflichtungen zu übernehmen, die Einstellung der Direttoren und ihrer Stellvertreter und die Regelung ihrer Bezüge, schließlich die Erteilung von Prokura.
Dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist über alle wichtigen Geschäftsvorgänge sofort Mitteilung zu machen. Die Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden ist rechtzeitig für alle wichtigen Geschäftsvorgänge herbeizuführen, besonders für Eingaben und Berichte von
nis zu geben, wenn der Auftrag an Firmen erteilt werden soll, die entweder Mitgliedern der städtischen Körperschaften oder Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern städtischer oder überwiegend städtischer Gesellschaften gehören. Der Aufsichtsrats. vorsitzende ist berechtigt, jederzeit Revisionen der Gesell
schaft anzuordnen.
Die Einführung der Bürgersteuer.
Wie der Amtliche Preußische Pressedienst einem gemeinsamen Runderlaß des preußischen Innenministers und des preußischen Finanzministers vom 22. Mai 1931 entnimmt, bedarf die Einführung der Bürgersteuer mit einem höheren Zuschlag als 100 Broz. des Landesfayes( also die Erhebung von mehr als dem Doppelten des Landessages) auch dann der Zulassung durch die Aufsichtsbehörde höherer Instanz, wenn die Bürgersteuer durch die Aufsichtsbehörde mit Zustimmung der Beschlußbehörde eingeführt wird.
Der Runderlaß ist für die Einführung einer erhöhten Bürgersteuer in Berlin von starker Bedeutung.
In der Badeanstalt ertrunken.
In der Spandauer Badeanstalt in der Schäferstraße ereignete sich gestern ein bedauerlicher Unfall. Der neunjährige Schüler Harry Staffion aus der Streliger Straße 19 ging beim Schwimmen plötzlich lautlos unter. Der Vorfall war bemerkt worden, und obgleich das Kind schon nach kurzer Zeit geborgen werden konnte, blieben die Wiederbelebungsversuche ohne Erfolg.
Die Agronomenfrau tam leise ins Zimmer, faßte ihn an| unvorstellbar. Es schien ihm, daß mit dem Tode seiner der Hand und führte ihn weg, wie einen Jungen, den man| Schwiegermutter alle kleinen Bequemlichkeiten und Gewohn zum Waschen führt. Der Arzt hat strengste Ruhe angeordnet. I heiten dahin waren. Alles, was er sich nach der Revolution, Sie, mein Lieber, gehen jetzt in die Apotheke und holen Eisblasen."
Worobjem unterwarf sich Frau Kuznezowa in allem, da er ihre Ueberlegenheit in diesen Dingen fühlte. Es war ein langer Weg bis zur Apotheke. Wie ein Schüler hielt er das Rezept in der Hand. Es war schon fast dunkel. Dort hinten in der Dämmerung sah man die Umrisse der kleinen Gestalt Bezentschuts, der an der Ladentür lehnte und sein Abendbrot, das aus Brot und Zwiebel bestand, verzehrte. Nebenan saßen die drei Besizer der„ Nymphe", aßen Brei aus einem gußeisernen Töpfchen und leckten die Löffel ab. Als sie Worobjem erblickten, erhoben sie sich und stellten ich wie Soldaten in Pofitur.. Bezentschut zuckte beleidigt die Achsel und brummte: Verflucht noch einmal, immerfort tommen sie einem zwischen die Füße."
Wieder zu Hause angelangt ging Worobjem, von der Aufregung ermattet, im Zimmer herum. Allerlei unange nehme wirtschaftliche Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er überlegte, daß er jetzt wohl gezwungen sein werde, im Büro einen Vorschuß zu nehmen. Daß er den Bopen holen und die Beileidsbriefe der Verwandten werde beantworten müssen. Um sich ein wenig zu zerstreuen, ging er auf die Treppe hinaus. Im grünen Mondlicht stand der Sarghändler Bezentschuk.
die ihm alles geraubt hatte, mit solcher Mühe geschaffen hatte. Heiraten überlegte Worobjew. Wen? Bielleicht die Nichte des Milizchefs Warwara Stefanowna, oder Fedorows Schwester? Oder eine Bedienerin aufnehmen? Kommt nicht in Frage! Sie wird viel Geld fosten und mich jeden Moment bei Gericht verklagen.-
Das Leben malte sich ihm plötzlich sehr düster. Boll Ekel und Widerwillen gegen die Welt kehrte er heim.
Klawdia Iwanowna phantasierte nicht mehr. Sie lag hoch auf dem Bolster und sah klar und streng, wie ihm schien, auf den eintretenden Worobjew.
,, Ipolit", flüsterte sie deutlich ,,, feßen Sie sich neben mich. Ich muß Ihnen etwas sagen.
Worobjem jezte sich mißgelaunt nieder, blickte auf das eingefallene Gesicht seiner Schwiegermutter mit dem Schnurrbart. Er versuchte zu lächeln und etwas Muteinflößendes zu sagen. Sein Lächeln aber war wild und er fand keine Worte. Nur ein unbeholfenes 3ischen kam aus seinem Hals.
Ipolit", wiederholte die Schwiegermutter ,,, erinnern Sie fich noch an unsere Möbel"
,, Welche Möbel?" fragte Worobjem mit jener 3uvor
tommenheit, wie man sie nur gegen Schwerkranke findet.
,, An die... die mit englischem Zig überzogenen..." ,, Ach so, in meinem Haus?" ,, Jawohl, in Stargorod..."
sprechen Sie aber jetzt davon?"
,, Wie wünschen Sie ihn also, Herr Worobjem?" fragte der Meister und drückte seine Müße mit beiden Händen an die Brust. Ich erinnere mich, ich erinnere mich sehr gut. Ein Sofa, Meinetwegen", antwortete Borobjem düster. ein Dugend Stühle und ein rundes Tischchen mit sechs Beinen. ,, Und Sie wissen, Nymphe", verflucht noch einmal, gibt Die Möbel waren ausgezeichnet. Von Gambs... Warum doch keine gute Ware", regte sich Bezentschut auf. ,, Geh schon zum Teufel! Ich bin deiner satt." Ich sage ja nichts. Ich will nur wissen, was für Stoff und Quasten ich liefern soll. Erste Sorte, prima? Oder wie?" ,, Ohne Quaften und ohne Stoff. Einen einfachen Holzsarg. Aus Tannenholz, verstanden?"
Bezentschut legte den Finger an die Lippen, eine Geste, die bedeuten sollte, daß er alles verstanden habe, er wandte fich um, drehte seine Müze in den Händen und entfernte sich wankend. Jetzt erst sah Worobjem, daß der Sarghändler tod
betrunken war.
Wieder stieg ein Efel in ihm auf. Der Gedante, seine mun pollfommen öde, schmutzige Bohmmg g betreten, war thr
Klamdia Iwanowna vermochte aber nicht zu antworten. Ihr Gesicht ward allmählich blaurot. Auch Worobjem begann schwer zu atmen. Er sah deutlich das Zimmer in seinem eigenen Haus vor sich, die Nußholzmöbel mit den gebogenen Beinen, den gebohnten Parketten, das altmodische braune Klavier und die schwarzen ovalen Rahmen mit den Daguerreotypen der vornehmen Verwandten.
Nun sagte Klawdia Iwanowna mit einer monotonen blechernen Stimme: Ich habe damals meinen Schmuck in den Siz eines dieser Stühle eingenäht." Worobjew schielte nach der Alten.
Wortegung folgt.)