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BERLIN Donnerstag 28. Mi 1931

10 Pf. Nr. 244 B 122 48. Jahrgang

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piccards Ballon gestrandet

Am Südabhang der Oetztaler-Alpen Insassen bewußtlos geborgen

Nach einer Privertmeltmng an die Lufthansa aus Junsbruck auf den» Funkwege, ist der Ballon auf de« Gurgler Ferner in 3000 Meter Höhe gestrandet gesehen worden. Nach einer weiteren Nachricht soll er ins Tchnalser Tal abgetrieben worden sein. Ein« weitere Meldung um 12.13 Uhr an die Flugwetter» warte München berichtet, daß die beiden Insassen deS Piccard-Ballons in bewußtlosem Zu st and ge» borgen worden find. Von München aus ist ein Hilfs» flugzeug angefordert worden. Im Schnalser Tal niedergegangen? München , 28. Mai. weitere Nachfragen über das Schicksal d«, piccard-vallons brachten die Bestätigung, daß der Ballon wirklich im Schnalser Tal niedergegangen ist. Das Schnalser Tal ist ein südlicher ilusläufer des Oehtales. Die Grenze der beiden Täler bildet der Gurgler- Ferner. Einzelheiten über die Candnag. die am Donnerstagvormittag erfolgte, insbesondere auch über den Z n st a« d der Besatzung, können vorerst noch nicht gegeben werden, von Innsbruck und Meran aus find vier Autos unterwegs. Die ersten posttiven Meldungen dürften nicht vor 15 Uhr zu erhalten sein. « lieber die Suche nach dem Ballon Piccards lagen heute vor­mittag viele Meldungen vor. von denen wir die folgenden wieder­geben: Augsburg , 28. Mai. (Eigenbericht.) Die hiesige Ballonfabrik Riedinger, die Piccards Ballon fertiggestellt und zur Beobachtung seines Fluges einen Sonderdienst eingerichtet hat, wird seit Mittwochnachmittag aus ollen Teilen der Welt telephonisch und telegraphisch mit Anfragen über das Schicksal Piccards bestürmt. Reue Standortmeldungen über den Ballon liegen ober auch in Augsburg bisher nicht vor. Die letzte Meldung stammt aus Meran (Südtirol ), wo man den Ballon um Mitternacht gesehen haben will. Eine Stunde früher meldete ein schweizerischer Flugverband bereits nach Augs- bürg, daß der Ballon um 22.20 Uhr bei Bozen beobachtet worden sei. Beide Meldungen sind aber bisher von keiner Seite bestätigt worden. Die letzte zuverlässige Beobachtung des Ballons stammt von der 2300 Meter hoch gelegenen Vergstatio« der Innsbrucker Seilschwebebahn auf dem hafelekar. hier sichtete man de« Ballon um 20.15 Ilhr am Bande der Stubaier Gletscher. Seine höh« war jedenfalls noch beträchtlich größer als die des Großglockners, 3000 Meter, weil dieser Berg bereits um 19.30 Uhr keine Sonn« mehr Halle, während der Ballon noch% Stunden später sich in schwacher Sonne zeigte. Am Donnerstagsrüh ist von München ein Leichtflugzeug zur Suche ausgestiegen, die gleiche Klemm-Maschine, die den Ballon am Millwoch bis zur eintretenden Dämmerung tief ins Gebirge hinein verfolgt hatte. Nach den Angaben des Führers betrug die Ballonhöh« am Mittwochabend zwischen ZOOO und 6000 Meter. Am Donnerstagfrüh um vier Uhr startete auch eine Verkehrsmaschine der Lufthansa nach Süden, um einen Ersatzmotor nach Pisa zu bringen. Der Führer, Flugkapitän Doldi, wurde angewiesen, einen Umweg zur Suche des Ballons zu fliegen. Die Freunde piccards optimistisch. Wie der Telegraphen-Union von Freunden Piccards erklärt wird, dürft« der Ballon Piccards bereits die Alpen über- flogen haben. Die letzte Beobachtung sei gegen 21 Uhr von Meran au» erfolgt. Dann sei wegen der Dunkelheit nichts mehr zu sehen gewesen. Zu Befürchtungen bestehe kein Anlaß. Die Beobachtungen ließen erkennen, daß der Ballon sein« Bewegungen bestimmt nicht von selbst habe ausführen können. Er habe immee die gleiche höhe gehalten, bis er an die Alpen gekommen fei, und sei dann höher gestiegen. Diese Manöver könnten nur durch mensch- liche Einwirkungen hervorgerufen werden. München , 28. Mai. Der gestern abend auf dem Münchener Flugplatz zur Beobach- tung des Ballons aufgestiegene Münchener Flieger Schechner be- richtet, daß o n de r K u g c l, in der sich Piccard und sein Begleiter befinden, nichts Außerdewöhnliches festzustellen

Arbeitskonferenz eröffnet Begrüßungsansprache poultons

Genf , 28. Mai(Eigenbericht). Die IS. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz wurde heute vormittag vom Vizepräsidenten des Verwaltungsrates, dem englischen Arbeitervertreter Poulton, eröfsnet. 46 Staaten sind vertreten, darunter 30 mit vollständigen Abordnungen. Im ganzen sind 141 Delegierte anwesend, 78 Vertreter von Regie- rungen, 32 der Unternehmer- und 31 der Arbeiterverbände. Die deutsche Regierung hat den ehemaligen Arbeitsminister Dr. Brauns und Ministerialdirektor Sitzler vom Arbeitsministerium entsandt. Die deutschen Unternehmer vertritt Kommerzienrat B o g e l, die Arbeiter der Vizepräsident des ADGB. , Hermann Müller . Außer den Anträgen enthält die Tagesordnung drei wichtige Punkte, nämlich die Festsetzung de» Mindest alters für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in nichtgewerblichen Berufen, die Dauer der Arbeitszeit in Kohlenbergwerken und die teilweise Abänderung. der Konvention über die Nachtarbeit der Frauen. In seiner Eröffnungsansprache bedauerte Poulton, daß verschiedene Staaten nur unvollständig oder gar nicht vertreten seien. Die an- gegebenen Gründe schlechter Wirtschaftslage, bevorstehender Wahlen oder der Schwierigkeit zur Feststellung der repräsentativen Verbände seien dafür keine genügende Rechtfertigung. Besonders herzlich be-

grüßte er die drei vollständigen Delegallonen au« L a t a i n- a m e r i k a, nämlich von Argentinien , Brasilien und Chile . Dieses Jahr habe der DireNor in seinem Bericht festgestellt, daß die Wirtschaftslage in vielen Staaten den sozialen Fortschritt auf- gehalten habe. Die Bedeutung der Konferenz lieg« In der vorgeleg- ten Tagesordnung. Die Jahresberichte der Regierungen seien teilweise unvollständig. Im allgemeinen aber seien viele Gesetze durchgeführt worden, welche auf der Grundlage von Genfer Beschlüssen beruhen. Endlich werde eine große Aussprache über die Arbeits- l o s i g k e i t an den Bericht des Direktors anknüpfen. Zum Präsidenten der Konferenz wurde einstimmig der polnisch« Rcgierungsvertreter S o k a l gewählt. Der belgische Arbeiterführer Mertens gab für die Arbeitergruppe die Erklärung ab, daß diese Gruppe in Sokal nicht den Vertreter der polnischen Regierung sehe, gegen deren Politik sich die organisierte Arbeiters chaft immer aufs schärfst« wenden werde. Di« Arbettnehmergruppe sehe nur den Mann, der persönlich seit zehn Jahren am sozialen Fortschritt mit- gearbeitet Hab«. In diesem Sinne unterstütze sie seine Kandidatur. Sokal erwähnte tn seiner Begrüßungsansprache nochmals die Tages- ordnung und sprach der Konferenz seinen Dank aus.

war. Der zur Verfolgung des Ballons Piccards entsandte Per- treter des WTB. berichtet aus Innsbruck , daß dort auch bis 5 Uhr morgens keinerlei Nachrichten über eine Lan- dung oder den mutmaßlichen Standort des Ballons Piccards«in- gelaufen sind. Weder bei der Polizeidirektion noch bei der Flug- leitung, noch bei sonstigen Stellen liegen irgendwelche Berichte vor. Die letzten auch in Innsbruck bekanntgewordenen Nachrichten besagten, daß der Ballon durch das Stubaital anscheinend vor einer starken Gewitterfront her nach Süden abgetrieben wurde. Was Witt piccard in der Stratosphäre? Ins Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist!" Dieses resignierende Wort Albrecht von Hallecs hat in seinem Forscherdrang der Mensch nicht zum ersten Male widerlegt, und auch Professor Piccards kühner Flug in die Stratosphäre dient nicht bloßer Rekord- lust, sondern dem Zweck wissenschaftlicher Erforschung jener Luft- schichten, die nicht mehr im Austausch mit den untersten Regionen der Atmosphäre stehen, in der wir leben und atmen. Man darf sich freilich die Grenze zwischen dieser untersten atmosphärischen Schicht, in der sich alle meteorologischen Vorgänge abspielen, der Troposphäre, und der darüber liegenden Stratosphäre nicht scharf gezogen vorstellen. In Wirklichkeit gehen beide Schichten allmählich und zwar innerhalb eines Gebiets von etwa 3 Kilometer Höh« ineinander über; man hat sich das so vorzustellen, daß in diesem Grenzgebiet die vertikalen Strömungen mehr und mehr zu- gunsten einer einheitlichen horizontalen Strömung zurücktreten, bis schließlich, in etwa 9 bis 12 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche, der von der vertikalen Lustbewegung emporgetragene Wasserdampf- gehalt völlig verschwindet, so daß es von der Grenze der Stratosphäre anWetter " im irdischen Sinn nicht mehr gibt. Unter ewig wölken- losem Himmel fließen die immer dünner werden Luftschichten in ein- heitlicher horizontaler Richtung, wahrscheinlich der Erddrehung ent- sprechend stets von Westen nach Osten, und auch die Abnahme der Temperatur mit zunehmender Höhe erreicht ihr Ende? sie dürste über Mttteleuropa etwa 55 Grad Kälte betragen. Hier beginnt die Stratosphäre durchschnittlich in 105� bis 11 Kilometer Höhe, wogegen die Grenz« zwischen Troposphäre und Stratosphäre am Aequator erst in 16 Kilometer Höhe liegt. Infolgedessen nimmt innerhalb des Aequatorialgürtels die Temperatur mit der Höhe noch weit mehr ab als in unseren Breiten, und aus Java hat man denn auch eine mtttlere Stratosphärentemperatur von 79 Grad C. registriert. Der bloßen Temperaturmessung halber, die mit Registrierballons schon seit Jahrzehnten erfolgt, hätte Professor Piccard also seinen kühnen Flug, nicht zu unternehmen brauchen. Was ihn bewegt, ist in erster Linie die Erforschung jener geheimnisvollen Strahlung, die aus dem Weltenraum zu uns gelangt, und die der deutsche Physiker Professor Kohlhörster schon vor einigen Iahren auf dem Iungfraujoch einwandfrei nachgewiesen hat. E»

handelt sich um eine höchst wirtsame, sicherlich tosmische Strahlung, ähnlich den vom Radium ausgehenden sogenannten Gammastrahlen, Strahlen, die zehn Meter dicke Eisblöcke und selbst dicke Metall- platten durchdringen und vermutlich Zerfallsprodutte ferner Sonnen sind, die diese kleinsten Bausteine ihrer Materie in unaufhörlichem Bombardement in den Weltenraum ausstrahlen. Art und Wesen dieser kosmischen Strahlung hofft Piccard mit Hilfe dazu geeigneter Instrumente ergründen zu können. Daß sie nicht von der Sonne kommt, geht daraus hervor, daß Kohlhörster sie auf dem Jungfrau- joch auch während der Nacht nachgewiesen hat. Aber auch die Sonne strahlt dauernd winzige Teilchen in den Raum hinaus; es sind die Elektronen, die nach der Auffassung des norwegischen Physikers Störmer in großer Höhe eine Art woltenförmigen Schirmes um die Erde bilden, von dem, wie man oermutet, die elektrischen Wellen unserer Sender aufgefangen und zur Erde zurück- gestrahlt werden. Die Untersuchung dieser Sonnenstrahlung ver- spricht wissenschaftlich nicht minder bedeutsame Ergebnisse: denn die von der Sonne ausgesandten Elektronen erzeugen nicht nur die Polarlichter, sie beeinflussen auch den elekttischen Zustand der Troposphäre und damit die Entstehung der Gewitter. Das sind nur einige der wichtigsten Probleme, deren Ent- rätselung Prof. Piccard sich bei seinem Aufstieg zur Aufgabe ge- stellt hat. Atieniat im Bankhause. Bankier von unbekanntem Täter niedergeschossen. Im privakbüro des Inhabers der Bankfirma Pohle u. E o. in der Eharlolkenflrahe 56 ereignete sich heule mitlog eine schwere Blultal, die in ihren Beweggründen noch der Klärung bedarf. Die B ü r o r ä u m e der Bankfirma befinden sich im c r st e n Stockwerk des Vorderhauses. Kurz vor 11 Uhr erschien im Anmeldezimmer ein etwa 50jähriger Mann, der vorgab, den Chef des Bankgeschäftes in einer dringenden Börsenongelcgcnhett sprechen zu müssen. Der Unbekannte, der sich Gesingcr nannte, wurde in das Privatbllro des Bankiers geführt, wo er erklärte, nur unter vier Augen oerhandeln zu können. Kaum befand sich der Bankier mit dem Fremden allein, als Angestellte im Nebenzimmer in kurzen Abständen mehrere Schüsse fallen hörten. Aufs äußerste bestürzt drangen sie in das Prioatbüro ein, wo sich ihnen ein schreck- licher Anblick bot. Der Bankier hielt den unheimlichen Be­sucher, der eine Pistole in der Hand hatte, fest umklammert. Die Angestellten warfen stch zwischen die Kämpfenden: bevor es aber gelang, den Attentäter unschädlich zu machen, hatte er die Waffe gegen sich selbst gerichtet und sich einen Kopfschuß beigebracht. Alle» spielte sich in wenigen Sekunden ab. Plötzlich sank der 43jähr!g« Bankier Willi Pohle bewußtlos zu Boden. Au-