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Morgenausgabe

Nr. 245

A 124

48.Jahrgang

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Freitag

29. Mai 1931

di Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

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Ernste Mahnung!

Entschließung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zur politischen und wirtschaftlichen Lage.

Die sozialdemokratische Reichstagsfrat| Die ins Unerträgliche steigende Not und die wachsende Er tion hielt am Donnerstag im Reichstag eine Sisung ab, bitterung der Boltsmassen droht zu schweren innerpolitischen Ber in der der Abgeordnete Dr. Breitscheid einen Bericht widlungen zu führen, wenn trog aller Warnungen der über die politische und wirtschaftlicije Lage gab. Nach Versuch unternommen werden sollte, eine Sanierung der öffent­mehrstündiger Aussprache wurde folgende Entlichen Finanzen einseitig auf Kosten der Opfer der Krise zu schließung angenommen:

,, Angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise, die Millionen von Arbeitern und Angestellten zur Beschäftigungslosigkeit verdammt und mit zunehmender Berelendung der werftätigen Bevölkerung das Lebensschicksal der Arbeiterklasse in einem früher nie gefannten Maße bedroht, hält es die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nach wie vor für ihre unabweisbare Pflicht, ihre politische Kraft an der John- und sozialpolitischen Front einzusetzen, um für die Erhaltung

und Hebung des Lebensstandards der Arbeiterklaffe zu fämpfen. Gegenüber der furchtbaren Wirtschafts- und Arbeits­not haben sich die bisherigen Maßnahmen der Reichs­regierung als unzureichend und teilweise verfehlt erwiesen. Die Sentung der Löhne und Gehälter mußte bei dem Ausbleiben einer entsprechenden Preissentung die Kauftraft der Konfumenten maffen erheblich schwächen und damit die Wirtschaftstrije verschärfen. Gleichzeitig mußte diese Bolitit des Abbaues verhängnisvolle Rüd­wirkungen auf die Lage der Reichsfinanzen haben. Die Drosselung der Massenkaufkraft mußte um so verhängnisvoller wirken, als die Opfer det kapitalistischen Mißwirtschaft auch durch gesteigerte hoch schutzöllnerische Maßnahmen in ihrer fargen Lebenshaltung weiter belastet wurden. Die Frattion permißt ferner eine strenge Handhabung und Ausgestaltung der Rartellfontrolle, um die monopolistischen Hemmniffe gegen eine Beweglichkeit der Preise zu überwinden und so die Krije ver fürzen zu können.

Trotz der Ankündigungen der Reichsregierung ist bis. her nichts geschehen, durch gesetzliche Arbeitszeitver. kürzung die Arbeitsplätze auf mehr Arbeitshände zu berteilen.

Angesichts des wachsenden Elends ist es höchste Zeit, daß die verantwortlichen Stellen im Reiche wirtschafts- und sozialpolitisch ihre ganze Energie aufwenden, um entsprechend den verfassungs­mäßigen Berpflichtungen denjenigen, die zur Arbeitslosigkeit ge­zwungen find, ausreichende solidarische Hilfe der Allgemeinheit zu gewährleisten. Die Fraktion verlangt daher an erster Stelle eine Anspannung aller finanziellen Mittel des Staates und beschleunigte Durchführung aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen, um die Er. werbslosen vor dem Untergang zu bewahren und die Ronjunttur zu beleben.

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Sie warnt vor allen Plänen, die darauf hinaus. laufen, die Bezüge der Arbeitslosen, Sozial- und Kriegsrentner weiter zu kürzen.

erreichen."

Die Entschließung der Sozialdemokratischen Reichstags­fraktion spricht klar und deutlich aus, daß die Sozialdemokratie entsprechend ihrer bisherigen Haltung ihre Hauptaufgabe in der Erhaltung und Hebung des Lebensstan bards der Arbeiterklasse sieht. Sie ist sich dabei der Schwierigkeiten der Wirtschaft und des Staates in vollem Maße bewußt. Aber gerade diese Verantwortung gegenüber Staat und Arbeiterklasse zwingt sie, sich schüßend vor die großen Maffen des Volkes zu stellen, denen die Wirtschafts­frise das letzte zu rauben droht und von deren Arbeitsfähigkeit und Pflichttreue Staat und Gesellschaft abhängig sind. Nach wie vor ist deshalb die Sozialdemokratie die Kraft, auf der die Hoffnung der Arbeiterklasse beruht, von deren Treue zu den arbeitenden Boltsmassen ihr Schid fal abhängt.

Die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat zu den in Aussicht stehenden Maßnahmen der Reichsregierung in der neuen Notverordnung feine endgültige Stellung ge­nommen. Die Entschließung beschränkt sich darauf, festzu­stellen, daß die bisherige Wirtschaftspolitik der Regierung

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Brüning Schiffbruch erlitten habe, daß angesichts des wachsenden Elends eine Kürzung der Sozialbezüge unter­bleiben muß. Im Kampf gegen die Not der Arbeitslosigkeit müsse sich das deutsche Volk seiner ungeheuren Ver= antwortung bewußt werden und bereit sein, durch eine allgemeine Krisensteuer die Mittel zur Ueberwindung der Not­zustände zu schaffen. Die unverzügliche Senkung der Getreide und Futtermittelzölle wird nach wie vor als unbedingt erforderlich gehalten.

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Die Feststellung des Inhalts der Notverordnung begegnet. innerhalb des Reichskabinetts großen Schwierigkeiten. Erst am Freitag werden die Beratungen im Gefamttabi­nett beginnen. Wie die Entscheidungen über die Haupt­fragen- Abbau von sozialen Leistungen und Erhöhung von Steuern fallen werden, läßt sich einstweilen mit Sicherheit noch nicht voraussehen. Das ist die eine Erwägung, die die sozialdemokratische Fraktion im gegenwärtigen Augenblick ver­anlaßt hat, von einer endgültigen Stellung abzu= fehen. Eine andere besteht in Rücksicht auf den in zwei Tagen in Leipzig zusammentretenden Parteitag der SPD . Bei dem ungeheuren Ernst der gesamten Situation und der großen Verantwortung, die von jeder Entscheidung ausgeht, glaubte man, daß die parlamentarische Vertretung der Partei im Reiche entscheidende Entschlüsse nur im engsten Benehmen mit der höchsten politischen Instanz der Partei, dem Parteitage treffen dürfe. Allgemeine Uebereinstimmung herrschte darüber, daß es keine Erleichterung der Lage bedeuten würde, wenn die Sozialdemokratische Partei erst nach Beendigung ihres Parteitages in Leipzig den Inhalt der Notverordnung fennen lernt.

Die Haltung der Sozialdemokratischen Fraktion. bedeutet eine Mahnung an die Reichsregierung, die von denjenigen ernsthaft beachtet werden sollte, die vermeiden wollen, daß zu der schweren ökonomischen Krise Deutschlands eine ebenso schwere politische Krise hinzutritt.

Piccard lebt!

Der Stratosphärenflug glänzend gelungen.- Landung am Mittwochabend

in den Oetztaler Alpen .

im Begriff, auf die Felsen hinaufzusteigen. Die Bergungsmann­schaft machten sie jedoch durch Zeichen auf die Gefährlichkeit des Aufstiegs aufmerksam und begab sich zu ihnen hinunter. Sie labten die beiden Forscher, die an starkem Durst litten, mit Tee und gaben ihnen auch Lebensmittel.

Professor Piccard und sein Begleiter sind am Mitt| befanden sich bereits außerhalb der Gondel und waren eben wochabend auf dem Eisfeld des Gurgl- Ferner in den Detztaler Alpen glatt gelandet. Sie haben die Nacht in der Gondel verbracht und sind am Donnerstagmorgen mit der ausgesandten Expedition zusammengetroffen. Beide find wohlauf. Ballon und Gondel sind im wesentlichen unbeschädigt.

Wo die Höhenflieger landeten.

Das kühne Experiment ist ruhig und zielsicher durch­Die Leistungen der Invalidenversicherung und der Knappschaftsgeführt worden, es ist vollständig geglückt. Die Höhe von versicherung bedürfen der Sicherstellung. Eine Verschlechterung der Eine Verschlechterung der Die Ortschaft Obergurgl, in deren Nähe der Ballon des 16 000 Metern, die erreicht werden sollte, ist erreicht| Professors Piccard niedergegangen ist, liegt im hintersten Ende Unfallversicherung, ebenso wie ein Leistungsabbau bei der Arbeits­Iosenversicherung würde das Elend vermehren, ohne eine wirkliche worden, und Professor Piccard hat seine Beobachtungs - des Deßtales in einer Höhe von 1950 Meter über dem Meeres­Sanierung der Finanzen zu erzielen. Die Versorgung der Aus reihen durchführen können. spiegel. Obergurgl ist das höchstgelegene Kirchdorf in Nordtirol. gesteuerten macht die Umorganisation und Bereinheitlichung der Das Deztal beginnt bei der Station Degztal der Strecke Innsbruck­Krisenfürsorge und gemeindlichen Wohlfahrtsunterstüßung dringend Landeck und zieht sich 40 Kilometer nach Süden. Bei der Ortschaft erforderlich. Zwieselstein teilt sich das Deßtal in zwei Arme, das Ventertal, das zum Hochjoch und in das jetzt italienische Schnalfer Tal führt, und in das Gurglertal, dessen Endpunkt das Niederjoch, der Uebergang ins Bfelderstal, oberhalb Merans , bildet.

Die Fraktion ist sich bewußt, daß die Sicherung der sozialpolitischen Leistungen und die Besserung der Wirtschaftslage die Sanierung der öffentlichen Fi­nanzen erfordere. Sie fordert darum vor allem die Heranziehung der leistungsfähigen Kreise der Bevölkerung. Im Kampf gegen die Not der Arbeitslosen wird sich das deutsche Bolf seiner ungeheuren Verantwortung bewußt und bereit sein müssen. eine besondere allgemeine Krisenfteuer auf sich zu nehmen. Da sich die Unwirksamkeit der bisher von der Reichs regierung gegen die Brotpreiserhöhungen durch geführten Maßnahmen erwiesen hat, muß die unverzüge liche herabseßung der Zölle für Brotgetreide und Futter mittel erfolgen. Diese Maßnahme ist auch notwendig, weil sonst in furzer Zeit die bei der Landwirtschaft vorhandenen Roggenpor räte zur Biehfütterung verbraucht sind und die Teuerung des Bro­tes noch durch einen empfindlichen Mangel an Brotgetreide ver Schärft würde.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion erblickt nach alledem ihre dringendsten Gegenwartsaufgaben in der Erhaltung des Reallohnes und des sozialen Arbeitsschutzes, der Steigerung der Massenfaufkraft, der Sicherung der Lebenshaltung der Erwerbslosen, und einer gerechten Verteilung der vorhandenen Arbeitsgelegenheit.

Die Landung auf dem Gletscher.

Sölden , 28. Mai.

Der Vertreter des Süddeutschen Korrespondenzbüros meldet: Nach der soeben bei der Gendarmerie einge­laufenen ersten authentischen Nachricht der Rettungs­expedition ist der Stratosphärenflug geglückt. Der Ballon hat eine Höhe von 16 000 Metern erreicht. Die Landung erfolgte glatt gestern abend um 22 Uhr auf dem Gletscherbruch des Gurgler Ferner. Professor Piccard und sein Begleiter sind wohlbe halten und befinden sich zur Zeit auf dem Wege nach Obergurgl. Der Ballon und die Instrumente sind un­beschädigt und werden in Sölden geborgen werden. Die beiden Forscher benachrichtigten soeben ihre Angehörigen telegraphisch von der geglückten Vollendung ihres Unter­nehmens.

Zu der Auffindung des Ballons des Professors Piccard werden nachfolgende Einzelheiten bekannt: Der Oberlehrer Falfner, der Stilehrer Gstraen und der Besizer Grüner, die Don Obergurgl um 8 Uhr vormittags aufgebrochen waren, erreichten als erste um 11 1hr die Landungsstelle des Ballons am Ferner.

Der Ort Obergurgl ist von riesigen Gletschern und Bergen um­geben, die die Grenze zwischen dem deutsch österreichi Ichen Tiroler Gebiet und dem jezt zu Italien gehörenden Südtirol bilden. Kurz oberhalb der Ortschaft Obergurgl beginnt der 10 Kilometer lange Gurgler Ferner, der in riesiger Zerrissen­heit zum Niederjoch führt. Das Niederjoch wird rechts und links von vergletscherten Bergen, dem 3660 Meter hohen Similaun und dem 3600 Meter hohen Hochwilde, eingerahmt, so daß der Paßweg mur eine Breite von ungefähr einem halben Kilometer besitzt. Ein Autoverkehr ist im Deztal nur bis zur 1400 Meter hoch gelegenen Ortschaft Zwieselstein möglich. Von dort führt ein schmaler Karren­weg in enormer Steigung 15 Kilometer bis Obergurgl.

Der Ballon wird geborgen.

Innsbrud, 28. Mai.

Profeffor Piccard ist um 5 Uhr nachmittags in Obergurgl ein­getroffen. Eine Abteilung des österreichischen Alpenjägerregiments Nr. 12, die sich zur Hilfeleistung ins Deztal begeben hat, ist in Sölden eingetroffen und steigt noch heute unter Führung von Gendarmerie bis zur Neuen Karlsruher Hütte auf; sie wird morgen

Profeffor Biccard und sein Assistent Ingenieur Ripfer den Ballon bergen und zu Tal schaffen.