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Nr. 245 48. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Hermann Wendel : Jeanne d'Arc

Zum fünfhundertsten Gedenktag ihres Todes

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Lauterfeit, ihre Aufrichtigkeit, ihre Hingabe, ihre Aufopferungs fähigkeit, ihre Neigung für die Mühseligen und Beladenen, die Ab. wesenheit alles Hysterischen und Scharlatanhaften in ihrem Gehabe, machen sie zu einer überaus anziehenden Gestalt; sie stellt letztlich den Triumph der Idee über die stumpfe Materie dar. Die französische Republik war vor fünf Jahren wohlberaten, wenn sie den Kult der Jungfrau nicht der Kirche allein überließ, sondern ihren Gedenktag

Daß das junge Bauernmädchen aus Domremy , das, innerer Ein­gebung folgend, im Frühling 1429 dem schwer bedrängten König von Frankreich ihre Hilfe anbot, die Engländer von Orleans vertrieb und Karl VII. zur Krönung nach Reims führte, daß diese Jeanne d'Arc Gefichte hatte und Stimmen hörte, also, ärztlich gesprochen, an Sinnestäuschungen litt, ist nicht das Wesentliche und geht weit mehr den Mediziner als den Historiker an. Was ihr der Erzengel Michael und die heilige Margarete und heilige Katharina offenbarten, konnte fich in meltgeschichtliche Wirkung nur dadurch umsehen, daß es weit­hin im Bolke anklang. Die Jungfrau wurde zur Retterin Frant Franz Klühs: reichs, nicht weil sie besonders strategische und tattische Gaben ent­faltete, sondern weil sie der Partei, der sie ihre Jesus- Maria­Standarte vorauftrug, den Glauben an die Gerechtigkeit ihrer Sache und an die Gewißheit des Sieges einflößte. Sie trug nicht nur eine Fahne, fie war auch eine Fahne.

Die royalistische Ausdeutung: Johanna, die Kämpferin für die Dynastie Balois! greift ebenso daneben wie der ausschließlich religiöse Kult oder gar die militaristische Berherrlichung derer, die mit Bedacht nie ihr Schwert brauchte, nie Menschen tötete. Jeanne war weniger und war mehr als eine Heilige, aber ihre Gedankengänge blieben deshalb sehr einfach. Seit bald hundert Jahren verwüstete der Krieg Frankreichs Fluren. Die Engländer, deren Könige fich auf Ver­wandtschaft und Verträge stüßend, auf den französischen Thron An­spruch erhoben, beherrschten große Feßen des Landes im Nordosten ſo gut wie im Südwesten und saßen als Herren sogar in Paris . Da Feudalismus und Partitularismus in Frankreich eine Interessenzer splitterung bis in Atome herbeigeführt hatten, hielt es ein Teil seiner Großen, namentlich der reiche und mächtige Herzog von Burgund , mit dem Briten . Karl VII , seit 1422 König, ohne gekrönt zu sein, fah fich auf lleberrefte feines Reiches abgedrängt und war schwach, ohn­mächtig, verschuldet, der Zukunft sehr ungewiß. Während die Großen und Ritter sich am Kriege mästeten, litten Bauern und Bürger un­föglich; Gewerbefleiß und Aderbau waren durch stete Schröpfungen und Plünderungen bis an die Wurzel zerstört; auf aller Lippen lag der Schrei nach Frieden. Man ersehnte", sagt Hans Delbrück , eine Herrschaft des Friedens, der Sicherheit und der Ordnung. Der ideale Begriff bes Königtums als des von Gott gestellten Schüzers des gemeinen Mannes und des Landfriedens erfüllte sich mit neuer Kraft.

Als Heroldin diefes idealen Begriffs des Königtums trat Jehanne auf, weil sie selber dem getretenen und gedrückten Bolf ent­stammte. Ste nannte sich die Pucelle, das war: ein Mädchen von

Freitag, 29. Mai 1931

auch zu einem weltlichen Feiertag für das ganze Volt machte. Aber die Ausstrahlung, die von Jeanne d'Arc ausgeht, macht nicht an den Grenzen Frankreichs halt. Nicht nur französische Dichter von Chape lain über Boltaire bis France nahmen sie sich zum Vorwurf, sondern auch Briten von Shakespeare über Southen bis Shaw verewigten ihren Namen durch poetische Schöpfungen, und den Deutschen wurde die Jungfrau von Orleans durch Schillers Drama in einer freilich von der historischen Wahrheit weit abweichenden Form ganz ge fäufig. Uns als Sozialisten ginge fie gleichwohl nichts an? Nun, kein Geringerer als Jean Jaurès plante, wenn ihm ein ruhiger Lebenss abend die Muße zu wissenschaftlichem Schaffen gäbe, das Schicksal der Jeanne d'Arc neu zu gestalten; noch ein halbes Jahrtausend, nachdem ihre Asche in die Seine geworfen wurde, ist die erregende Kraft, die von Jehanne la Bucelle" ausströmt, nicht erloschen.

Zwischen gestern und morgen

Besuch in Wien und Oesterreich

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Es ist richtig: die Landsleute von der Donau haben in letter| lebenden und schaffenden Menschen. An die Stelle des höfischen und Zeit sehr häufig aon sich reden lassen. Wenn z. B. die Steidle Mannen mit dem Starhemberg und dem Hahnenschwanz rumorten, flang es ganz unwienerisch und fast bajuvarisch grob. Dann gab es eine Zeitlang eine Marristenheze, fast im Stile eines Hugenberg und feiner Trabanten. Neuerdings steht die Zollunion zur Debatte. Aber davon reden wir heute lieber nicht. Es wird ohnehin mehr davon gesprochen, als der an sich guten Idee nüglich ist. Denken mir lieber an das Wien und das Desterreich, wie es sich dem Zugereisten vom Norden zeigt, wenn es seine Stammesverbundenheit mit den Deutschen im Reiche betont, ohne jedoch gleich in die hohe Bolitik zu steigen.

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geistlichen Kults trat der Wille, der Gesamtheit zu dienen und vor allem der großen Schicht der Arbeitenden, die den Unterbau der Gesellschaft darstellt. Dieser Wille zum sozialen Dienst an der Menschheit wird besonders in dem Bundesland" und der Bundes­hauptstadt Wien mit Eifer und Konsequenz gepflegt. Bien hat gegenüber reichsdeutschen Städten ähnlicher Entwicklung den großen Borzug, daß es nicht Teil eines anderen Landes" ist wie etwa sondern daß es im Rahmen der Bundesgefeggebung über seine innere Gestaltung selbst beschließen fann. Dazu kommt, daß es eine geschlossene sozialdemokratische Mehr­heit in seiner Gemeindevertretung hat und daher den sozialdemo fratischen Willen zur Neuformung mit voller Freude an der geschicht­

Berlin ein Teil von Preußen

In diesem Desterreich, das die Weisheit der Sieger im Weltlichen Berantwortung zur Geltung bringen' fann. friege aus dem national zerflüfteten Reiche Habsburg übrig ließ, bildet die 2- Millionen- Stadt Wien einen festen Buntt, um den sich die übrigen Bundesländer" mit wenig mehr als 4 Millionen Ein­wohnern gruppieren. Alte und neue Kultur stoßen hier auf einander. Man fühlt sich zwischen zwei Zeitaltern, zwischen dem Gestern und dem Morgen! Man blidt mit Bewunderung auf die Denkmäler fünstlerischen Schaffens, die aus vergangenen Jahr hunderten überkommen sind und treu gehegt werden, man sieht Saneben ein neues werden, Denkmäler der Gegenwart, die in die Zukunft weisen.

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Dieser sozialistische Wille baut nicht Schlösser und Kirchen. Sein Ziel ist nicht hohler Brunk für Auserlesene und nicht mönchische Ab­geschlossenheit, vielmehr Luft, Licht und Freude für die Massen der Arbeiter und deren Kinder. Was die Gemeinde Wien in den Nach­friegsjahren an Wohnhöfen errichtet hat, wird in der Zukunft Seugnis ablegen von dem ernsten Kollektivwillen unserer Generation, wie Schlösser und Klöster von etwa besonderer Eigenart jener Zeit, in denen sie erbaut wurden. Der neueste und größte dieser Wohn­höfe der Karl- Marr- Hof mit seinen rund 4500 Bewohnern, feinen weiten Spielplägen, den gemeinsamen Waschküchen und den Wohnungsfürsorge verrät flare Einsicht in die Notwendigkeiten des Rindergärten unter fachlicher Leitung spiegelt besonders flar Ideen­melt und Willen wider, die im heutigen Bien lebendig sind. Dieſe Tages, denn die Behausung der Wiener Arbeiter war vor sem

bei den Trägern der weltlichen und der firchlichen Gewalt. Um fie Einfluß, Macht, Reichtum- das war in früherer Zeit vereinigt - das war in früherer Zeit vereinigt fammelte sich alles, was geistig und künstlerisch der Welt etwas zu geben hatte. Monarchen und Kirchen waren die Auftraggeber, in deren Dienst Kunst und Wissenschaft arbeiteten. Bei ihnen ton­werkenden Bauern und Städter entsprang. Das Schicksal der Völker verschwand unter dem Glanz des Hofes und der hohen Geistlichkeit. Bobei noch eingeschaltet sei, daß gerade in Desterreich feit altersher neuen Wien , Bon ihm ist das ganze ſoziale Fürsorgeſyſtem durchs

der Hof und die Kirche stets so eng miteinander verbunden waren, mie faum in einem anderen Lande Europas .

niederer Herkunft, das von seiner Hände Arbeit lebte; als Kind hatte trieben. Wenn sie glaubte, dauernden Frieden nach innen und außen durch Vertreibung der Engländer und durch Krönung des Valois und nicht anders erreichen zu können, dachte sie nur, was viele in der gequälten Masse dachten. Darum betrachteten König und Feudal - zentrierte sich der gesellschaftliche Wohlstand, der aus dem Fleiß der herren die kühne Maid anfangs mit unverhohlenem Mißtrauen, denn an on Seherinnen litt die Zeit nicht gerade Mangel, aber die Bürger jubelten ihr zu, und die Bauern knieten vor ihrem Bild in der Kirche. Die hart mitgenommenen fleinen Leute drängten sich um sie, und sie erwiderte ihre Neigung, fündend, ihre Sendung sei es, die Armen und Elenden zu trösten. Als sie Ende April 1429 in Orleans einzog, fiel ihr die Macht ganz von selbst zu; die Einwohner der belagerten Stadt kannten weder Statthalter des Königs noch Gouverneur noch Adelsherren noch Kriegstapitäne mehr, sondern nur die Jungfrau, und wenn Anatole France mit einiger Ueber­treibung diese schwärmerische Anhänglichkeit der Bürgerschaft an die Lothringerin eine bürgerliche Revolution nennt, so steckte in der Tat etwas vom Geist des Bauernfrieges und der Erhebung des Dritten Standes in der Bewegung, die Jeanne entfachte. Sie war Bolt. Was dem dünnen blauen Blut der Könige, Grafen und Herren zu tun versagt blieb, gelang dem frischen roten Blut des Voltes; die junge Bauerin aus dem Maastal erschien als Sinnbild des Bolkes, das die Kraft fand, aus eigenem die Dinge zu wenden.

Aber meil sie Volt war, bewirkte sie noch ein anderes. Da in den Jahrhunderten zuvor durch die zielbewußte Arbeit Philipp Augusts, Ludwigs VIII. und IX. und Philipps des Schönen Frank reich der Staatseinheit entgegenwuchs, ließ mehr als die Sprach gemeinschaft, mit der es nicht allzu weit her war, die Schidfals. gemeinschaft das zarte Bflänzchen franzöfifchen Nationalgefühls auf feimen. Dann freilich drohte es, zertreten und ausgerissen zu mer­den; in den schlimmen Kriegsläufen erwies sich, wie Landschaft von Landschaft, Stand von Stand getrennt war, jede kleine Einheit eine Welt für fich, alle die große Einheit schnöde verleugnend. Jeanne aber, an den Marten Lothringens und der Champagne geboren, als Bauernfind unterhalb der ständischen Ordnung stehend, vertrat keine Provinz und feinen Stand, sondern das Ganze: das Bolt, die

Nation, Frankreich . Bieber entsprach es der Logit der Dinge, daß sie sich nicht nur für Bertreibung der Engländer, sondern auch für Krönung und Machterhöhung des legitimen Königs einfegte, denn auf jener Stufe der geschichtlichen Entwicklung war das Königtum das zusammenfassende, verbindende Element, Träger der Einheit der Nation. So wurde Jeanne zum Ausdruck des jungen französischen Nationalgefühls; ihre Wirksamkeit trug zur Weckung und Steige rung des Nationalbewußtseins nicht wenig bei; niemand erkannte diese Triebfräfte besser als der Konsul Bonaparte, da er 1803 im Amtsblatt von ihr sagen ließ, fie habe bewiesen, daß es tein Wunder gäbe, das der französische Genius nicht vollbringen könne, sobald die nationale Unabhängigkeit bedroht sei.

All das jedoch erschien einem Jahrhundert, das im Aberglauben so ausschweifte wie im Glauben, unter religiöser Berkleidung. Wie Jeanne nicht über sich selber und ihre Anhänger nicht über sie rechten Bescheid wußten, so haßten und fürchteten die Engländer und die Partei des Herzogs von Burgund sie nicht, meil sie eine gefährliche Berförperung des französischen Nationalgefühls war, sondern weil fie buchstäblich den Teufel im Leibe hatte. Wie jubelten sie, als das heldenhafte Mädchen am 23. Mai 1430 ihren Feinden in die Hände fiel! Aber nicht mir, weil die Engländer fie für eine Here hielten, sondern auch aus politischen Gründen, weil es dem Ansehen Raris VIL einen schweren Stoß versehen mußte, daß eine Here seine Krönung zustande gebracht hatte, überantworteten sie die Jungfrau von Orleans der geistlichen Gerichtsbarkeit, der Inquisition . Am 30. Mai 1431 flamunte, nach einem der zeitüblichen Regerprozesse, auf dem Marptplatz zu Rouen der Scheiterhaufen, auf dem Jeanne verbrannte; meber der König, der ihr die Krone verdankte, noch der dem Balois anhängende Teil der Kleriset hatte einen Finger gerührt, fie zu retten.

Aber nicht nur fidert dieses schreckliche Ende dem Mädchen, non Deuren das Wallein aug der Saglebenben, jouberna pieles: ihre

Schlösser und Klöfter wundervoll gelegen in malerischer Um­gebung, ausgestattet mit Schäßen der Architektur, der Bildhauerkunft und der Malerei- spiegeln in ihrer Mannigfaltigkeit auch heute noch die große staatliche und gesellschaftliche Macht wider, die ihre Befizer in früheren Jahrhunderten und Jahrzehnten ausübten. Alleint die Bundeshauptstadt Wien birgt an Schlössern und fürstlichen Palästen eine große Zahl, von der Hofburg und Schönbrunn und Belvedere über die kleineren fürstlichen Behausungen bis zu jenen Prunkbauten, die privater Reichtum neben den fürstlichen errichten durfte.

Heute sind die Schlöffer fast sämtlich Museumszwecken dienstbar gemacht. Und wenn in der Burg" noch die Schazkammer" gezeigt wird mit den Kronen der Habsburger , mit den kostbaren Krönungs­mänteln und Szepter und Reichsschwert, mit Wunderwerken der Goldschmiedekunst, die die Sage bis auf Könige des Mittelalters Arbeit spüren, die wir in den Monumentalbauten so in der Feinkunst zurückgehen läßt, so mag man daran die ewig wirkende Kraft der des Goldschmieds die Kultur vergangener Epochen gestaltete.

Bergangener Epochen! Die Monarchie ist auch in Desterreich begraben. Zwar die Schlöffer stehen noch, die sie einst erbauen ließ, aber ihre Macht ist verschwunden. Nicht verschwunden aber ist die Macht und der Einfluß der Kirche, deren Stifte und Klöster und Dombauten mit Macht und Einfluß und Glanz der Monarchie einst wetteiferten.

Fährt man durch die reizvolle Landschaft um Wien nach Norden oder Süden, nach Osten oder Westen, überall tauchen auf Hügel­kuppen oder in Tälern die charakteristischen Stiftsbauten auf, die noch heute ihrem alten Zwecke dienen. Zisterzienser oder Auguſtiner , Mönche der verschiedensten Orden haben sie vor Zeiten errichten lassen. Ihre Ordensbrüger von heute leben noch in gleicher Ilm­gebung, gehen noch in gleicher Gebundenheit ihren Lebensweg und behüten daneben die Schäße firchlicher Kunst, die ihnen anvertraut sind. In Klosterneuburg 3. B., einem niederösterreichischen Vorort wiens, steht auf überragender Bergkuppe ein Augustinerkloster, das auf die Babenberger zurückgeht, die vor den Habsburgern in der Ostmark herrschten. Hier ist eine ganze Geschichte der firchlichen Kunst niedergelegt an Bauten, an Gemälden, an Plastit. Ein Schmuckstück auch im profanen Auge des Weltfindes ist der Berduner Altar", ein hervorragendes Werf mittelalterlicher Gold­schmiedekunst, das ursprünglich als Kanzelbekleidung gedacht war, schließlich aber an anderem, aber bevorzugtem Blaze kirchliche Ver­wendung fand. Hier ist die ganze biblische Sagenwelt in feinster Gmaillearbeit an den Flächen der goldenen Altarwand dargestellt, eine biblia pauperum ", die Bibel der Armen, die nicht lesen, aber die bildhaften Darstellungen wohl in sich aufnehmen konnten.

Von der höfisch- kirchlichen Kultur des Mittelalters führt der Beg fendere Kulturmelt. Diese ist vor allem gekennzeichnet durch Meister zur Neuzeit über die Entwicklung des Bürgertums und seine bes der Töne und ihre Werke. In Wien sind Namen wie Haydn , Beethoven , Schubert, Mozart , Brudner, Strauß noch heute so lebendig wie je zuvor. Bon ihnen zeugen nicht nur Denkmäler in Erz und Stein oder Erinnerungshäuser, auch ihre Werte werden immer wieder aufgeführt und damit ihr Gedächtnis über die Nöte der Gegenwart hinweg treu bewahrt.

Inzwischen aber hat das soziale Zeitalter feinen Einzug gehalten, das nicht mehr dem einzelnen Repräsentanten auf dem Thron oder der geistigen Beschaulichteit tühler Rirgenträume dient, jondern bem

Kriege außerordentlich bescheiden, um nicht ein hartes Wort zu ge­brauchen. Diese Fürsorge aber bedeutet auch einen festen Blick in die Zukunft, die der arbeitenden Klasse gehören wird.

Aber nicht nur im Wohnbau zeigt sich der neue soziale Wille im drungen, das hier eine besonders ausgeprägte Note trägt. Sie beginnt mit der Fürsorge für werdende Mütter und setzt sich fort über die Neugeborenen bis zu den Siechen und Greisen, die der Hilfe durch die Gesamtheit bedürfen.

Bilder, Denkmäler, Schloß- und Dombauten zeugen von den

Gesellschaftsformen des Gestern, das verging und vergeht. Die architektonisch schönen Wohnbauten und die sozialen Einrichtungen das dem Gemeinschaftsideal dienen wird. Dieses Morgen gehört uns, gehört dem schaffenden und aufbauenden Sozialismus!

der Gemeinde Wien von heute aber fünden uns das Morgen,

Magda Acharya:

Das Marzipanfchwein

Mischa war auf dem Lande aufgewachsen, unter der Obhut Kinde teine Süßigkeiten, daher hatte Mischa mohl lebendige einer an Grundsägen reichen Mutter. Grundsätzlich gab sie dem Schweine, aber noch nie ein Marzipanschwein gesehen. Zu seinem fünften Geburtstage schenkte ihm eine Tante ohne Weltanschauung und mit wenig Grundsägen( es gibt auch solche), ein rundes fanftes Schweinchen aus Marzipan, das ein Golbstüd im Maul hielt, far­minrote Dehrchen und schwarze Augenpunkte hatte. Mischa betrachtete es erst eingehend von allen Seiten und setzte es dann in sein Blech­auto. Das Auto ratterte durchs Zimmer, blieb an einem Stuhlbein Mischa eilte zur Unfallstelle, um sein

hängen und tippte um. Schweinchen zu retten. Es lag neben dem Auto und sah still vor sich hin, aber das rechte Hinterbeinchen war abgebrochen. Mischa brüllte zuerst ein wenig, dann hob er das Schweinchen auf, um ben Schaden zu untersuchen. Zuerst versuchte er das Beinchen anzu­drücken es wurde schief und hielt nicht. Dann beschloß er, das Wie fein das schmeckte! Er ledte nochmals. Ja wirklich, das war Beinchen anzutleben, leckte die Bruchstelle und wurde nachdenklich. ja süß und schmeckte nach Mandeln! Da biß er refolut ins füße

Marzipanfleisch und nach ein paar Sefunden war das ganze Bein­chen aufgegessen. Da hielt Mischa inne. Er sah zuerst das streich­holzdünne Stäbchen in seiner Hand an, das dem Beinchen als Stüze gedient hatte und dann das Schweinchen ohne Bein. Das Bein chen war fort, ganz und gar, und das Marzipanschweinchen wird bis ans Ende seines süßen Lebens auf drei Beinen herumhopfen müſſen und das war seine, Mischas, Schuld! Da heulte er los,

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den Kopf zurückgeworfen, die Augen zugefniffen, vom Sturm für ihn noch namenloser Gefühle erfaßt. Denn es war der tiefernſte Drang zum Genuß bis zur Vernichtung des Genossen und Empö rung gegen sich selbst. Aber schon löfte sich der Wille selig auf in wachsender Gier, und schluchzend biß er plötzlich das zweite Hinter beinchen ab. Raum war es zerfaut und verschludt, als er wieder Icsbrüllte, von Reue gepeinigt, aber innehalten fonnte er nicht mehr. entsegt, vermirrt und die Süßigkeit genießend. Biß aufheulend ein Er schlug seine Zähne tief ins weiche Marzipan, faute und meinte, Stud nach dem anderen ab bis nur das Köpfchen übriggeblieben

war, das noch immer mit schwarzen Bunttaugen still vor sich hin­blicte. Mischa ftecte es verzweifelt auf einmal in den Mund, blickte feine leeren Hände an und wurde stiller. Das Schweinchen war nicht mehr da, es war nirgendwo, ganz fort und verschwunden, aber mie schön, wie schön hatte es geschmeckt! Er lehnte sich an das Stuhlbein neben dem umgekippten Auto, müde vom Weinen, und schlief still ein. So fand ihn die Mutter und weckte ihn auf, um ihm das von Tränen nasse, von Marzipan flebrige Gesicht zu waschen.