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Beilage Montag, 1. Juni 1931

Der Abend

Shalausgabe des Vorward

Kapitalistische Wirtschaftsanarchie und Arbeiterklasse

Leipzig, 1. Juni. ( Eigenbericht.)

Der erste Arbeitstag des Leipziger Parteitags

Kurz nach 9 Uhr wird die Sitzung eröffnet. Zu seinem Referat über Die fapitalistische Wirtschaftsanarchie und Arbeiterklasse erhält Friz Tarnow das Wort.

Fritz Tarnow :

Unter allen zivilifierten Völkern des Erdballs geht eine furcht bare Erscheinung um: das Gespenst der Arbeitslosig feit. In Deutschland 5 Millionen, über 20 Millionen in den industrialisierten Wirtschaftsbezirken Europas und Amerikas . Die vollkommene Lösung der sozialen Frage, die ausreichende Ber­jorgung aller, scheitert nicht mehr an der Kargheit der Natur, sie scheitert nur noch an der Unvernunft der wirtschaftlichen Organisa­tion, an dem Wahnsinn des ökonomisch- sozialen Systems des Kapita­lismus.

Dieses tapitalistische System flagen wir Sozialisten an. Es verwandelt immer wieder das Wachstum der Versorgungsmög­lichkeiten in eine Verkleinerung der tatsächlichen Versorgung.

Die Ueberproduktion.

Die wesentlichste Erscheinung neben der Arbeitslosigkeit ist eine gewaltige Steigerung des produktiven Leistungsvermögens in aller Welt. Der Krieg hat glänzend bewiesen, daß die Produktivität fast unbegrenzt wachsen kann, wenn von der Bedarfsseite her der Stachel angesetzt wird, nur das in der kapitalistischen Wirtschaft ein zahlungsfähiger Bedarf vorhanden sein muß, um pro­duttive Wunder auszulösen. Als der Krieg vorbei war, mußten die Millionen Armeen wieder als zivilisierte Bürger ausgerüstete, mußte der Produktionsapparat von Krieg auf Frieden umgestellt werden. Das gab neue zahlungsfähige Aufträge, neue Aufträge für die Pro­

duktion.

Die produttiven Kräfte, einmal entfesselt, lassen sich nicht so leicht wieder zur Ruhe bringen. Sie sind ungebärdiger als der Zauber­besen in der Goethe'schen Ballade und parieren auch nicht vor der Beschwörungsformel des fapitalistischen Zaubermeisters:

In die Ecke, Besen! Besen! Sei's gewesen!"

Der Besen hörte nicht auf zu toben. Die Lebensmittel wuchsen weiter in üppiger Fülle, als ob es darauf anfäme, alle Menschen fatt zu machen und nicht nur die, die zahlen können. Die Rohstoffe strömten weiter aus ihren Quellen und nicht weniger wuchsen auch die verarbeitenden Kräfte weiter.

Nach der amtlichen Statistik der Vereinigten Staaten ist in der dortigen Gesamtindustrie der Arbeitsertrag je Arbeiter seit 1919 um 45 Pro3. angestiegen, die Gesamt­produktion ist um 36 Broz. gewachsen, während sich die Arbeiter zahl von 9 Millionen auf 8,1 Millionen vermindert hat. Neben Amerila steht Deutschland im Vordergrunde diefer Entwicklung. Es trifft für uns dasselbe zu, was das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Unternehmervereinigung in den Vereinigten Staaten feststellt: Eine Entwicklung, die im 19. Jahrhundert Jahrzehnte gebraucht hätte, fann heute in einem einzigen Jahr oder in wenigen Jahren zurückgelegt werden".

Was wäre das für eine glänzende Perfpeftive unter einer ver­nünftigen Wirtschaftsordnung, und was hat die kapitalistische Wirtschaftsordnung daraus gemacht!

Die deutsche Wirtschaft nach dem Kriege. Die Tatsachen der produttiven Entwicklung stehen allerdings im Schroffen Gegensatz zu den Klagen der Unternehmer­welt, die wir seit dem Ende der Kriegszeit unausgesetzt gehört haben. Danach hätte es in einem fort bergab gehen müssen, und mir hörten, daß das marxistische System", die hohen Steuern, So­ziallaften, Achtstundentag und die hohen Löhne der Wirtschaft voll ständig das Blut ausgesogen hätten. Unmittelbar nach dem Kriege allerdings fonnte man nur mit Grauen daran denken, wie auf dem Boden einer so zerstörten Wirtschaft das deutsche Volt seine Existenz wieder finden solle. Es gehörte ungeheuer viel Mut dazu, unter diesen Berhältnissen die Führung des Staates zu übernehmen.

Und es ist das historische Verdienst der Sozialdemokratischen Partei, diesen Mut aufgebracht zu haben. Die heutigen ,, Retter" des Baterlandes faßen ja damals in den Maujelöchern. Die erste Aufgabe war, das verschlossene Tor zur Weltwirtschaft zu öffnen. Diese Arbeit wurde unendlich erschwert durch die natio­nalistische Sabotage. Man muß sich heute daran erinnern, daß selbst Leute wir Stresemann einige Jahre gebrauchten, um zu begreifen, daß erst die Stacheldrahtverhaue zwischen uns und den Siegerstaaten niedergerissen werden mußten, bevor Deutschland aus seiner moralischen und ökonomischen Erniedrigung wieder empor= steigen konnte. Wir hätten nach den schrecklichen Kriegsjahren nicht auch noch über 5 Jahre Inflationsschrecken durchmachen müssen, wenn in gewissen Kreisen die Einsicht früher gekommen wäre! ( Stürmische Zustimmung.)

Erst vom Jahre 1924 an, mit der Annahme des Dawes- Planes, der Stabilisierung der Währung und dem Einströmen von Aus landskapital fonnte die deutsche Wirtschaft wieder ihren Aufstieg nehmen. Die Gesamtsumme der voltswirtschaftlichen Güterumfäße ist von 172 Milliarden im Jahre 1925 auf 217 Milliarden in den Jahren 1928 und 1929 gestiegen. Die deutsche Warenausfuhr ist von Milliarden im Jahre 1924 auf 13% Milliarden im Jahre 1929 gestiegen und hat sich troß der Weltfrise auch im Jahre 1930 mengen­mäßig faft auf dieser Höhe gehalten. Deutschland hat damit im Barenerport seine alte Stellung auf dem Weltmarkte wieder er­obert.

Alle diese Zahlen beweisen ganz eindeutig den schnellen und glänzenden Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft, die Produk­tionsgrundlagen sind nicht nur im vollen Um fange wieder hergestellt worden, sondern weit darüber hinaus. Schneller als die Produktion selbst sind die Produktionsanlagen gewachsen und gleichzeitig wuchs die über schüssige und nicht aus nugbare Kapazität.

Die Kapitalbildung.

Wenn nun behauptet wird, daß dieser ganze Aufbau mit ge­borgtem Auslandsgelde bewerkstelligt worden sei, so wird auch das durch die Statistik widerlegt. Die gesamte Auslandsverschuldung öffentliche und private- betrug Ende 1929 rund 27 Milliarden. Dem standen gegenüber deutsche Guthaben im Auslande in Höhe von rund 10 Milliarden, ohne die Kapitalsummen, die heimlich aus dem Lande geflüchtet sind. Die effettive Verschuldung stellt sich also auf rund 17 Milliarden Mart. Demgegenüber find von 1924 bis 1929 nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung in die deutsche Wirtschaft hineingebaut morden für Neuanlagen 26,8, Ersazanlagen 26,2, Borratsvermehrung 12,7, zusammen 65,7 Milliarden Mart .

Das Auslandskapital ist also nur ein geringer Bruchteil der Kapitalanlagen, die seit 1924 in der deutschen Wirtschaft durch­geführt worden sind.

( Lebh. Hört! Hört!) Damit soll nicht gesagt sein, daß nicht immer eine Kapitalnot bestände. Die Kapitalmengen, die durch den Krieg zerstört worden sind, waren in Generationen erspart und können nicht in wenigen Jahren schon wieder in der eigenen Wirtschaft auf­gebracht werden. Wir sind deswegen noch auf lange 3eit hinaus auf Auslandskapital angewiejen und müssen alles versuchen, um möglichst leicht und billig zu Auslandskrediten kommen zu fönnen. Dem steht aber die nationalistische Bewegung im Lande hemmend gegenüber!

Wirtschaftsanarchie?

In Kiel hat Hilferding darauf hingewiesen, daß die gegenwärtige Beriode dadurch gekennzeichnet sei, daß auf entscheidenden Gebieten die freie Unternehmerfonkurrenz abgelöst würde durch den orga= nifierten Monopoltapitalismus. Ist es ein Wider­spruch, wenn wir heute von einer Wirtschaftsanarchie reden? oder ist inzwischen die Entwicklung rückläufig geworden? Weder das eine noch das andere.

Der Monopolfapitalismus organisiert Wirtschaftsbezirke, nicht die Volkswirtschaft. Er hebt in der Gesamtwirtschaft nicht die Anarchie auf, er verlegt sie nur in eine andere Größenordnung. Er verwandelt den ökonomischen Bürgerkrieg Mann gegen Mann in einen ökonomischen Bandenkrieg. Aber der Kriegszustand selbst bleibt erhalten, und ist in vieler Beziehung noch zer­störender als früher. Der organisierte Kapitalismus schießt mit Granaten, wo vorher nur Flintenkugeln flogen. ( Stürmische Zustimmung.) Der Monopolfapitalismus hat zweifellos zur Entstehung und Verschärfung der Krise sehr start beigetragen, wie er auch ihren Ablauf verlangsamt. Am deutlichsten sichtbar ist die Störung des Preismechanismus, die von dort her tommt. Die schlimmste Wirkung des Monopoltapitalismus liegt aber vielleicht gar nicht einmal auf dem Gebiete der Preise, als vielmehr auf dem der Kapitallentung. Die monopolisierten Wirt­schaftszweige erzeugen durch Preisdiftatur fünstliche Rentabilitäten, und darum muß nun ganz automatisch auch der Kapitalstrom diesen fünstlichen Rentabilitäten nachlaufen. Diese Wirkung des Monopol­fapitalismus muß auf die Dauer das ganze Wirtschaftsgetriebe don der Kapitalfeite her in Unordnung halten, wenn dem nicht Maßnahmen für eine Regelung des Kapitalverkehrs und für eine scharfe Kontrolle der Kartelle und Monopole entgegen­gesetzt werden.

Die Kapitalnot ist einerseits durch die umfangreichen Fehl­leitungen, andererseits aber noch fünftlich gesteigert worden durch die bewußte Drosselung von Auslandskrediten in der Zeit, als der ausländische Kapitalmarkt dafür außerordentlich günstig war. Der verflossene Reichsbankpräfident Schacht darf für sich in Anspruch nehmen, das verhindert zu haben. Er hat für seine Politit gelegent­lich währungspolitische Notwendigkeiten angeführt, aber vor dem Enqueteausschuß hat er fein Hehl daraus gemacht, daß es vornehm lich auch reparationspolitische Gründe waren. Die Stadt Berlin hat bekanntlich unter diesem Druckt ihre Elektrizitätswerte verkaufen müssen, und am gleichen Tage befam Herr Schacht einen glänzend bezahlten Aufsichtsratsposten in der Gesfürel. Er muß sich die Ber­mutung gefallen lassen, daß zwischen diesen beiden Tatsachen ein gewiffer 3 usammenhang besteht.( Stürmische Zustimmung.) Andere Strukturwandlungen.

Die Entwicklung des Monopolfapitalismus ist eine sehr ent­scheidende Strukturwandlung des ganzen fapitalistischen Systems. Dazu kommt das Zurüdbrängen der individuellen Unternehmer­persönlichkeit durch die gesellschaftliche Unternehmungsform. Heute persönlichkeit durch die gesellschaftliche Unternehmungsform. Heute zeigt sich, daß der freie Unternehmer gewiß noch in großer Zahl vorhanden ist, daß er aber in seiner Bedeutung weit zurückgedrängt worden ist durch die gesellschaftliche Unternehmungs= form. Hier sigt an Stelle des Unternehmers mit eigenem Risiko der Wirtschaftsbeamte", der sich allerdings außerordentlich gut in seine veränderte Stellung hineingefunden hat. Die leitenden Beamten der Privatwirtschaft unterscheiden sich von den öffentlichen Beamten nicht etwa darin, daß sie noch ein persönliches Kapitalrifiko zu tragen hätten, wohl aber in ihren Einkommens begriffen. Da das Unternehmertum nicht müde wird, nach Sparsamteit auf allen Gebieten zu schreien, fann man nicht daran vorbeigehen, daß in der privaten Wirtschaft

ein ungeheurer Lurus mit der Bezahlung oft sehr zweifelhafter Unternehmerqualitäten getrieben wird.

Ministergehälter werden als selbstverständlich schon bei Meineren Unternehmungen gehalten, und in den Großbetrieben werden Ein­fommensziffern für diese Beamten erreicht, die selbst amerikanische Unternehmer, die den Dollar nicht verachten, in Verblüffung versezen. Leider färben diese Einkommensbegriffe der privaten Wirtschaft auch auf die öffentliche Wirtschaft ab, und wir haben durchaus Ursache, uns dagegen zu wenden. Wenn allerdings auch das private Unternehmertum eine laute Kritik darüber treibt, dann ist das eine ich were Heuchelei. Durch die Anfrage der sozialdemokratischen Reichstagsfrattion, haben wir erfahren, wie sich die Gehälter der leitenden Beamten bei der Reichsbahn und der Reichsbant gestaltet haben, seitdem sie unter den Einfluß des privatwirtschaftlich orientierten Aufsichtsrats gekommen sind. Danach erhielt der Generaldirektor der Reichsbahn neben freier Dienstwohnung ein Jahresgehalt von 122 000 Mt., der Reichsbankpräsident 200 000 mr. und jedes Mitglied des Reichsbankdirektoriums 100 000 Mt. Womit ist dieses Vielfache der Ministergehälter zu rechtfertigen?

Lohnpolitik.

Das tapitalistische Unternehmertum benutzt die ungeheure Arbeitslosigkeit zu einem strupellosen und brutalen An griff auf die Löhne. Dahinter stehen feine volkswirtschaft­lichen Ueberlegungen. Es ist vielmehr soziale Brutalität, die Befriedigung eines Machttigels und eine stupide volkswirtschaft­liche Tradition, die den kapitalistischen Entel noch in der Volkswirt schaft ebenso denten läßt wie den fapitalistischen Urgroßvater. Die Bedeutung des Lohnfaktors ist aber heute eine ganz andere als in der Frühzeit des Kapitalismus . Wenn 70 Prozent der Bevölkerung von Lohn- oder Gehalts­einkommen leben müssen, ist das etwas anderes, als wenn es nur 20 Prozent find.

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Macht doch der Lohnanteil bei den Gestehungskosten in der chemischen Industrie nur 10 Prozent aus, in den Hochofenbetrieben gar nur 7 Prozent, in der Textilindustrie 15 bis 18 Prozent, beim Maschinen­bau 25 bis 35 Prozent, in der Automobilindustrie 20 Prozent usw. Darum war es auch eine bösartige Täuschung der Arbeiter und der öffentlichen Meinung, als der Lohnabbau mit dem Ver­sprechen verbunden wurde, durch eine ebenso große Preissenkung den Reallohn erhalten zu wollen. ( Stürmischer Beifall.)

Seit dem Beginn der Lohnabbauoffensive hat sich die Zahl der Arbeitslosen um 1,5 Millionen vermehrt, und das ist der beste Be­meis für die Wirksamkeit dieser Aktion. Wenn trotzdem das Unters nehmertum jetzt schon wieder eine neue Lohnabbauoffensive vor­bereitet, wobei anscheinend die sächsischen Unternehmer den Ehrgeiz haben, die Führung zu übernehmen, muß man das brandmarken als eine Sabotage an der Volkswirtschaft und als bewußte soziale und politische Provokation von höchfter Gemeingefährlichkeit.( Stürmische Zustimmung.)

Wenn die Kapitalisten sich einbilden, durch Lohnsenkung die Wirtschaft in Schwung zu bringen, womit wollen sie diese Auffassung begründen? Selbst wenn dadurch eine Steigerung des Exports er­reicht werden könnte, würde der Verlust auf dem inneren Martte doch weit überwiegen. Nach der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Situation ist aber ohnedem eine Steigerung der Exporttätigkeit kaum denkbar. Wie soll da der Ausgleich für den Ausfall an Kauffraft erreicht werden? Die Rapitalisten glauben zwar, daß es für sie vorteilhafter sei, Produktionsmittel zu erzeugen und nicht Verbrauchsgüter. Sie meinen also, der Konsum und die Verbrauchsgüter fönnen ruhig zurück­gehen, wenn dafür nur die Produktionsmittelerzeugung aus­gedehnt werden könne. Die Anhäufung von Produktionsmitteln ist ja die Methode der Akkumulierung von Kapital. Das gesellschaftliche Interesse ist selbstverständlich auf die Vermehrung der Verbrauchs­güter gerichtet, denn darin besteht ja überhaupt der Sinn der Wirtschaft. Das gesellschaftliche Interesse heißt also: mehr Brot!

Das fapitalistische heißt aber: mehr Backöfen! Aus diesem Gegensatz der fapitalistischen und gesellschaftlichen Inter effen müssen sich automatisch immer wieder die Krisen entwideln. Konjunkturperioden sind immer Investitionsperioden, in denen der Produktionsapparat gewaltig ausgebaut wird. Goldene Zeiten für das Kapital, weil es sich selbst von Tag zu Tag dicker und fetter werden sieht. Dabei fommt unvermeidlich der Zeitpunkt, wo das große Loch in der Rechnung sichtbar wird, auch in der fapitalistischen. Der schöne Glaube, daß die Anhäufung von Pro duktionsmittel immer eine Vermehrung des Kapitals sei, erweist sich dann als Trugschluß. Wo der Abfaz fehlt, da reduziert fich das investierte Kapital auf den Abbruchswert der Fabrikanlagen und den Schrottwert der Maschinen. Dann kommt der große Zer­störungsprozeß: bie berüchtigte Echternacher Springprozession der fapitalistischen Wirtschaft. Drei Schritte in der Konjunktur voran und dann immer wieder zwei Schritte in der Krise zurück. Aufbauen, um immer wieder zerstören zu müssen zerstören müssen, um wieder aufbauen zu fönnen. Wenn das kapitalistische Unternehmertum glaubt, den Zusammenbruch seines Kapitalgebäudes durch Lohn­abbau verhindern zu können, dann müßte es inzwischen eingesehen haben, welch ein furchtbarer Irrwahn das ist. Es scheint aber, als ob die Altersschwäche des fapitalistischen Systems auch zu einer Vertaltung des tapitalistischen Dentapparates führt!

Die Arbeitszeit.

Bor 10 Jahren hatte Hugo Stinnes in einer feierlichen Erklärung proflamiert: Wenn das deutsche Volt sich nicht vom Achtstundentag Lossagt und zum Zehnstundentag übergeht, wird es die Grundlage seiner Eristenz nie wieder finden. Heute würde wohl wohl niemand mehr den Mut aufbringen, eine solche These aufzustellen. Es tann nicht mehr die Rede davon sein, daß der Achtstundentag zu furz ist, man fann nur noch darüber diskutieren, um wieviel er zu lang ist. Der Arbeitsmarkt redet in dieser Beziehung eine absolut deutliche und ganz eindeutige Sprache.

Die einfache Tatsache ist diese: Wir haben einen Grab der Arbeitsintensität erreicht, daß es gar nicht mehr möglich erscheint, im Rahmen der bisherigen normalen Arbeitszeit alle Menschen vom Arbeitsmarkt jemals wieder unterzubringen. Es gibt nur zwei Lösungen: Entweder der Verbrauch steigt so gewaltig an, daß der Arbeitsmartt burch vermehrte Beschäftigung leer werden fann. Daß das fapitalistische System diesen Ausweg ermöglicht, ist nicht zu erhoffen. Deswegen bleibt nur die andere Lösung übrig, nämlich eine Verteilung der Arbeitsmöglichkeitenit auf die vorhandenen Arbeitshände.

Wir fordern die 40stündige Arbeitswoche, nicht nur als Not­maßnahme für den Augenblick, sondern für die Dauer, und sind überzeugt, daß im Rahmen auch dieser Arbeitszeit die Ver­forgung der Gesellschaft, soweit fie im Kapitalismus überhaupt denkbar ist, gewährleistet werden kann.

Endgültige Krise des Kapitalismus . Was sollen wir aus der gegenwärtigen ökonomischen Krise für Schlußfolgerungen für den Bestand des kapitaliſtiſchen Systems ziehen? Einige Genossen glauben, daß es sich diesmal nicht mehr um eine zyflusmäßige Krise, der wieder ein Aufschwung folgen würde, handelt, sondern um die entscheidende, um die endgültige Krise, die nur durch den Zusammenbruch des Kapitalismus beendet werden könnte. Ich glaube, daß man mit solchen Prophezeiungen sehr vorsichtig sein muß. Es ist richtig, daß die gegenwärtige Krise an Umfang und Tiefe alle früheren Krisen übersteigt. Trotzdem wird man mit einiger Sicherheit annehmen dürfen, daß die Wirts schaft die Wege finden wird, die wieder zum Aufstieg führen. Die Senfung der Binsfäße und der Rohstoffpreise sind nach allen früheren Krisenerfahrungen auch schon die sichtbaren Anzeichen dafür, daß ein Umschwung sich vorbereitet, was natürlich noch nichts über die Zeitdauer fagt, mit denen dabei zu rechnen ist.

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Nun stehen wir allerdings am Krankentager des Kapitalismus nicht nur als Diagnostifer, sondern auch, ja was soll ich da sagen? als Arzt, der heilen will? oder als fröhlicher Erbe, der das Ende nicht erwarten fann? Wir sind, wie mir scheint, dazu verdammt, uns sowohl als Erbe zu fühlen, der die Hinterlassenschaft lieber heute als morgen antreten möchte, wie aber auch als Arzt, der heilen muß, weil davon das Leben derjenigen abhängt, für die er die Verantwortung trägt. Diese Doppelrolle, die uns die geschicht­liche Situation aufzwingt, ist gewiß feine sehr einfache Situation. Wir müssen aber damit fertig werden. Konfret ausgedrückt heißt die Aufgabe, das kapitalistische System überwinden, aber die Wirt­

Die Lohnarbeitertlaffe ist so groß geworden, daß sie jetzt der entschaft nicht nur zu erhalten, sondern sie zu verbessern. scheidende Träger der nationalen Rauftraft ist, und darum wirkt jeder Druck auf den Lohn als ein Druck auf die Wirtschaft zurüd.

Durch eine Senkung der Löhne im einzelnen Betriebe tönnen auch die Gestehungstoften gar nicht mehr wesentlich geſentt werden.

Das russische Beispiel.

So sehr ich mich auch bemüht habe, über die Vorstellung des Zusammenbruchs der tapitalistischen Wirts schaft, den wirgewaltsam herbeiführen müßten,- ich dente