Nr. 253 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Berlin auf Krebsjagd.
Die Gewässer wimmeln in diesem Jahr von Krustentieren
Wer jetzt durch einen Wochenendausflug an das Ufer der Havel , der Spree oder eines noch so kleinen Nebenflusses geführt wird, sieht mit Erstaunen die sonst wie Statuen ruhigen Angler in eifrigster Bewegung. Meistens liegen die Angelruten unbenutzt am Ufer. Die Angler aber mit aufgefrempten Hosen waten in gebückter Stellung im seichten Wasser, in der einen Hand einen Korb, ein Nez, Eimer oder dergleichen. Blitzschnell bücken sie sich ab und zu, und jedesmal wird ein zappelndes Etwas in den Korb geworfen. Erstaunt tritt man näher, um zu entdecken, ob sich die Fische jetzt mit der Hand fischen lassen. Da sieht man. worum es sich handelt. Krebse werden gefangen!
In großen Mengen kommen die Krustentiere ans Ufer. Die Monate ohne r: Mai, Juni, Juli, August sind die günstigste Zeit zum Fang dieses Leckerbissens, der jetzt in den meisten Haushalten unbekannt sein dürfte. Das war vor nicht langer Zeit anders; man Ponnte den Krebs beinahe als Volksleckerbissen bezeichnen; denn noch bis Ende des vorigen Jahrhunderts wimmelte jedes einheimische Gewässer bis zum kleinsten Bach förmlich von Krebsen. Dann kam die große Krebsp eft. Ein Krebssterben setzte ein, die das Tier zur größten Seltenheit fast werden ließ. Man versuchte durch die Einfuhr amerikanischer Flußtrebse Wandel zu schaffen. Der Erfolg scheint nicht ausgeblieben zu sein, konnte man doch vor einigen Tagen sogar im Landwehrkanal am Halleschen Tor beobachten, wie Tausende von Krebsen die Ufer= mauern erklimmen wollten.
Begeben wir uns selbst auf den Krebsfang. Zwischen einigen Steinen an einer flachen Uferstelle des Stößensees werden Krebse gesichtet, unter den Steinen verborgen, so daß nur die Scheren herausragen. Blitzschnell fassen wir zu. Autsch, zwar wir haben ihn, oder vielmehr er hat uns; denn mit der Schere feftgetlammert hängt er am Finger. Der Krebs entwickelt eine unheimliche Kraft. Mit Mühe bekommen wir ihn los, um zu entdecken, daß er uns bis aufs Blut" gezwickt hat. Also vorsichtig, so geht es nicht. Möglichst hinter die Scheren fassen und festhalten. Mancher läßt durch das wilde Krabbeln des unheimlichen kleinen Gesellen erschreckt die Beute wieder fahren. Ein Blick unter den Schwanz des Krebses muß uns überzeugen, ob er noch Laich trägt. Die fischrogenähnlichen Körner des Laichs find leicht zu entdecken; sie machen den Krebs für uns wertlos; er ist nicht schmackhaft und wird wieder in sein Element zurückgesetzt. Die Beute wird zu Hause abgewaschen und in kochendes Wasser geworfen.( Nicht etwa mit dem Wasser zusammen aufgesetzt; das ist Tierquälerei.) In schöner roter Farbe erscheinen sie auf dem Tisch, ein Leckerbissen, der Abwechselung in die Küche bringt, und der wenigstens jetzt, menn man ihn selbst erbeutet
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billig ist.
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Kleine Straßenbilder.
Ein Kind gefunden, ein Dackel stirbt
Bor dem Zeitungstfost einer Untergrundbahnhaltestelle große Menschenansammlung. Was ist passiert? Einer Sensationsnachricht gilt das allgemeine Interesse nicht, denn alle Blicke find auf das Kioskinnere gerichtet, nicht auf die ausgelegten Blätter. Die Verkäuferin hält einen niedlichen blonden Jungen auf dem Arm, der in den Bilderzeitschriften blättert und von der umherstehenden aufgeregten Menschheit keinerlei Notiz nimmt. Da sag ich zu dem Jungen, geh doch mal weg von der Türe, Kleiner, du fällst ja hinaus," erzählt soeben einer der Verkäuferin. Daß die Leute aber auch gar nicht aufpassen, sage ich zu meinem Nachbarn, da meint der: Ja, der Junge gehört ja teinem, ich habe schon rumgefragt hier im Zug." Da führte der Mann das etwa vierjährige Kind aus dem Zug und übergab es der Zeitungsverfäuferin. Ja, was soll nun geschehen," meint diese; die Schaffner haben mit der
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VON
I. ILF UND F. PETROW ,, Nun denn, verzeihen Sie", sagte Worobjew näselnd. Ich glaube, ich werde schon allein mit meiner Angelegenheit fertig werden."
Nun dann, verzeihen Sie", erwiderte der blendende Ostap. Ich glaube, auch ich werde mit Ihrer Angelegenheit allein fertig werden."
Schuft!" schrie Worobjem zitternd. Ostap blieb faltblütig. Hören Sie, Herr aus Paris , wiffen Sie auch, daß Ihre Brillanten fast schon in meiner Tasche find! Und daß Sie mich nur so weit intereffieren, als ich Ihre alten Tage sicherstellen will?"
Jetzt erst begriff Worobjem, welche Eisentrallen ihn an der Kehle gepackt hielten. 3manzig Prozent", sagte er düster. ,, und freie Koft und Wohnung?" fragte Ostap ironisch. Fünfundzwanzig Prozent. Das macht siebenunddreißig
einhalbtausend."
Warum so pedantisch? Nun gut, fagen wir also fünfzig Prozent. Eine Hälfte Ihnen, die andere mir."
Das Feilschen dauerte an. Ostap ließ noch etwas nach. Aus Achtung für Borobjew war er gegen vierzig Prozent Anteil zur Mitarbeit bereit.
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Sechzigtausend!" schrie Borobjem.
,, Sie sind ein ziemlich banaler Mensch", erwiderte Bender, ,, Sie lieben den Besitz mehr als nötig ist." ,, Und Sie lieben das Geld nicht?" winselte Worobjem wie eine Flöte.
,, Ich nicht."
,, Wozu brauchen Sie also sechzigtausend?" Prinzip. Setzt sich also das Eis endlich in Bewegung?" fügte Ostap hinzu.
Borobjem räusperte sich und sagte folgsam: Jawohl." Also abgemacht, Herr Borsigender der Komantschi! Meine Herren Geschworenen , das Eis hat sich in Bewegung gefekt!"
Da sich Worobjew durch die Apostrophierung ,, Borsigender
Zugabfertigung alle Hände voll zu tun und sie können schließlich mit solch fleinem Lebewesen nicht den amtlichen Weg einer Fundfache gehen und diese auf dem Fundbüro deponieren. Das Polizeirevier mobil zu machen, hat wieder nur dann Sinn, wenn man die für den Wohnbezirk des Kindes zuständige Stelle wüßte. In der Straßenbahn fizt eine ärmlich gekleidete alte Frau, einen Hund im Arm; unaufhörlich fullern ihr die Tränen über die vergrämten eingefallenen Wangen, sie starrt auf das Tier, das ganz still auf dem Rücken liegt. Typhus , hat der Arzt gesagt, es gibt keine Rettung, aber es tann noch bis zum Abend dauern. Mein Sohn hing so an dem Tier, er ist im Krieg gefallen und hat mir immer und immer geschrieben, paß nur auf meinen Männe gut auf. Heute ist's gerade der Sterbetag von meinem Sohn und mun ist das Tier auch bald soweit. Solange teine Zudungen einsetzen, hat der Arzt gesagt, ist noch keine Lebensgefahr; vielleicht übersteht er es doch. Im selben Moment, wie die Frau ihre Leidensgeschichte beendet, wirft sich das Tier, verdreht die Augen, streckt sich."" Tot ist er," stößt sie heraus, springt auf, will abspringen. Sachte, sachte," meint der Schaffner ,,, Sie werdens doch wohl noch abwarten fönnen, oder wollen Sie überfahren werden?
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Die Spreequelle in Ebersbach
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Die Stadt Ebersbach kann in diesen Tagen auf ihr 625jähriges Bestehen zurückblicken. Den Berlinern ist Ebersbach besonders bekannt als Spree quellenort. Besitzt doch die Stadt den historischen Spreeborn. Das Bild zeigt den neuen Pavillon über der Spreequelle in Ebersbach , zu dem die an der Spree liegenden Städte ansehnliche Beträge stifteten.
der Komantschi" beleidigt fühlte und eine Entschuldigung forderte, hielt Ostap eine Entschuldigungsrede und nannte ihn Feldmarschall, dann begannen sie die Dispositionen auszuarbeiten.
Der Hausmeister Tichon wanderte gegen Mitternacht zurüd in feine Höhle. Dabei hielt er sich mit den Händen an allen Zäunen fest und umarmte die Telegraphenstangen. Zu seinem Bech war Neumond und ringsum duntel.
Hallo, da tommt ja unjer trefflicher Soziologe!" rief Ostap, als er den torkelnden Hausmeister sah.
Der fnurrte mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme. ,, Ihr Hausmeister ist ein etwas schwächlicher Mensch", meinte Ostap. Wie ist es möglich, sich für einen Rubel so zu betrinken?"
,, E- es ist m- möglich", sagte der Hausmeister, der plötz lich zu sich tam.
Höre, Tichon , mein Freund", begann Worobjem ,,, ist dir vielleicht bekannt, was mit meinen Möbeln geschehen ist?" Ostap hielt Tichon vorsichtig aufrecht, um den Worten aus dem weitgeöffneten Mund freien Weg zu bahnen. Borobjem wartete gespannt. Aus dem Mund fam aber nur ein finnloser Sang: Es waren f- frohe T- tage..." Dann brüllte er auf, wanfte im Zimmer hin und her, troch unter den Tisch und fiel schließlich in die Knie. Dabei amüsierte er sich föstlich. Borobjew ward ganz verlegen. Wir sind gezwungen, das Berhör des Zeugen auf morgen zu vertagen", sagte Ostap. Gehen wir schlafen."
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Der Hausmeister, schwer wie ein Kasten, wurde auf die Bank gelegt. Worobjem und Ostap schliefen im Bett des Haus meisters. Ostap hatte unter der Weste ein Cowboytrifot an, schwarz und rot fariert. Unter dem Trifot gab es nichts mehr. Worobjem dagegen trug unter seiner mondscheinfarbenen Weste noch eine zweite gestrickte aus hellblauer Wolle.
Herrlich, Ihre Weste, direkt zum Anbeißen", sagte Bender neidisch, sie wird mir gerade passen. Berkaufen Sie sie mir." Worobjem tonnte seinem neuen Gesellschafter nicht gut etwas abschlagen und er erklärte sich, wenn auch mit gerunzelter Stirn, bereit, die Weste zum Selbstkostenpreis, also acht Rubel, zu verkaufen.
,, Das Geld werden Sie nach Realisierung unseres Schages erhalten", sagte Bender und griff nach der nocy warmen Weste. ,, Das fann ich nicht machen", sagte Borobjem errötend. Lassen Sie mir meine Weste."
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Mittwoch, 3. Juni 1931
Begräbnis des erschossenen Schupo.
Der Polizeipräsident spricht am Garge.
Auf dem Garnisonfriedhof in der Hasenheide ist gestern nachmittag das Opfer kommunistischer Revolverschützen, der Hauptwachtmeister Paul 3änfert, seit vielen Jahren ein freuer Kämpfer auch in den Reihen der Sozialdemotratischen Partei, zur letzten Ruhe gebeitet worden. Die kleine Halle des Friedhofs vermochte nur einen Bruchteil von denen zu fassen, die gekommen waren, um dem heimtückisch Ermordeten die letzte Ehre zu erweisen. Viele hundert Kame= raden des Toten, Kranzdelegationen der verschiedenen Reviere und Polizeiinspektionen, darunter eine große Zahl Offiziere, gaben dem so plöglich aus ihren Reihen gerissenen Kollegen das letzte Geleit. Die Sozialdemokratische Partei war durch eine Fahnendelegation der 28. Abteilung, der Zänkert angehörte, vertreten. Das Reichsbanner ehrte den Toten durch ein prächtiges Kranzgebinde. Der Bolizeipräsident Genosse Grzesinsti, Vizepräsident Dr. Weiß und der Stellvertretende Kommandeur der Berliner Schutzpolizei , Oberst Gen 3, weilten unter der großen Schar der Trauergäste. nach den Worten des Pfarrers glitt der schwarze einfache Sarg auf einem Kondukt, unter den Trauerklängen der Schupokapelle, durch die Reihen der spalierbildenden Schupobeamten zur Gruft. Das rote Banner der Partei sentte sich, als der Sarg langsam in die Tiefe glitt. Zum Schluß der Trauerfeierlichkeit ergriff Bolizeipräsident Grzesinsti das Wort:„ Ruchloje Hände haben ein wertvolles Menschenleben vernichtet. Mordbuben haben einen hochachtbaren Polizeibeamten bei Ausübung seines schweren Dienstes getötet. Die furchtbare Tat geschah bei einer angeblich politischen Auseinanderseßung..
Politischer Kampf jedoch, der mit der Waffe in der Hand geführt wird, ist nichts anderes als ein gemeines Verbrechen, gegen das gerade der demokratische Staat mit allen verfügbaren Machtmiteln vorgehen muß. Wir aber fragen uns, wann endlich sich im deutschen Volke eine geschlossene Front der anständigen Menschen bilden wird, die von den politischen Mördern und den hinter ihnen stehenden Parteien geschlossen abrücken. Wer einen im Dienst befinlichen Beamten tödlich angreift, greift den Staat. an. Dann gibt es nur entschiedene Abwehr und ich werde das decken." Der Polizeipräsident sprach sodann der schwergeprüften Witwe des Ermordeten, die nach furzer Ehe von ihrem geliebten Manne wieder Abschied nehmen mußte, sein herzlichstes Beileid aus. Er schloß die Rede mit dem Gelöbnis, daß wir alle, an welchem Plaze mir auch stehen, ihm nacheifern in aufopfernder Pflichttreue und Pflichterfüllung."
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Wie wir hören, haben sich einige nationale" Herren darüber aufgehalten, daß die Sozialdemokratische Partei , der Genosse 3äntert seit Jahren angehörte, zu Ehren des Toten eine Deputation mit dem roten Banner seiner Abteilung entsandte.
Der Bolizeipräsident hat an die Witwe des Erschossenen ein herzlich gehaltenes Beileidsschreiben gerichtet.
21 Opfer eines Kasernenbrandes. Die Getöteten chinesische Goldaten der Roten Armee. Peking , 2. Juni. Nach einer Mitteilung aus der Provinz Chenan ist in der Stadt Guanschan, die von Truppenteilen der Roten Armee besetzt worden ist, in einer Kaserne ein Großfeuer ausgebrochen. Infolge der schnellen Ausdehnung des Feuers ist das Gebäude ein Raub der Flammen geworden. 21 chinesische Soldaten der Roten Armee sind dabei ums Leben gekommen. Die Kommunisten behaupten, daß das Feuer auf Brandstiftung der Bürgerwehr zurückzuführen ist.
nehmen, die Aussicht gibt auf hundertfünfzigtausend Rubel und streiten wegen einer solchen Bagatelle! Lernen Sie doch endlich frei und großzügig zu leben!"
Worobjem wurde noch verlegener, nahm ein kleines Notizbuch und trug mit falligraphischer Schrift ein: 25. 4. 27. Genossen Bender acht Rubel geliehen.
Ostap jah ins Büchlein. ,, Oho! Wenn Sie mir schon ein Konto eröffnen, so muß es präzis sein. Schreiben Sie Soll und haben. Ins Haben kommen die sechzigtausend, die Sie mir schuldig sind, und ins Soll die Weste. Bleibt immer noch ein hübscher Saldo zu meinen Gunsten. Dapon fann man schon leben."
Sodann schlief Ostap seinen stillen Kinderschlaf. Worobjew nahm die wollenen Pulswärmer und Stiefel ab, behielt nur die Jägerwäsche an und troch ächzend unter die Decke.
Wirkung des„ Titanit."
Worobjem wachte gewohnheitsgemäß um halb acht auf, murmelte ein Guten Morgen " und ging zur Wasserleitung, die sich gleichfalls in der Hausmeisterwohnung befand. Er musch sich mit Begeisterung, spuckte und schüttelte sich, um das Waffer aus den Ohren zu bekommen. Das Waschen war ihm sehr angenehm. Als er aber das Handtuch vom Gesicht nahm, sah er, daß es mit der radikalen schwarzen Farbe beschmuzt war. Die Farbe, mit der sein Schnurrbart zwei Tage vorher gefärbt worden war. Worobjew ward sofort nüchtern. Er griff nach seinem Taschenspiegel. Da sah er die große Nase und die linke Schnurrbarthälfte, grün wie junges Gras. Worobjem rückte den Spiegel nach rechts. Auch alles andere hatte dieselbe ekelhafte Farbe. Er neigte den Kopf, als wollte er den Spiegel mit den Hörnern stoßen, und fonstatierte, daß der Kopf nur oben, in der Mitte, radikal schwarz war, an den Seiten aber war das Haar wieder grasfarben. Worobjem stieß von tief innen her ein so lautes Stöhnen aus, daß Ostap feine flaren blauen Augen weit öffnete.
,, Sind Sie verüdt geworden?" rief er und schloß gleich wieder die schläfrigen Augen.
,, Genosse Bender", flüsterte das Titanitopfer flehend. Erst nach vielen Büffen und Beschwörungen von seiten Worobjems war Ostap vollends wach. Er sah Worobjem aufmerksam an und grinste begeistert. Dann mußte er sich abwenden, und er, der angehende Generaldirektor, hielt sich zitternd am Bettrand fest, brach in ein schallendes Gelächter aus und schrie: ,, Ich kann nicht mehr", und lachte immer ( Fortsetzung folgt.)
Oftaps feine Natur empörte sich. Sie benehmen sich wie ein Krämer", schrie er. Sie wollen eine Sache unter| wieder.