„Es niest einer. Berichten wir: Neue Sturmszene auf dem Parteitag!
Rußland und Krankreich. Verhandlungen über Nichtangriffspakt bestätigt.
Anteil an der Hauszinssteuer weitere etwa 50 Millionen Mark ad. Da Berlins Satze bei der Gewerbesteuer unter dem preußischen Landesdurchschnitt bleiben, erhält die Stadt Berlin für die Zwecke der Gewerbcsteuersenkung kein« Reichsmark. für die Grundsteuersenkung bei land- und forstwirtschaftlich benutztem Besitz 150 000 M. Außerdem erstmalig einen Be- trag von etwa 15 Millionen aus dem Wohnungsbaufonds. Der Erfolg der Bemühungen der Stadt Berlin , die Gewerbe- steuer relativ niedrig zu holten, hat also unter der Wirkung der preußischen Finanzausgleichsgesetzgebung zu einer erneuten schweren Schädigung Berlins um weitere etwa 45 Millionen Mark geführt. Daß unter diesen Umständen eine schwer- wiegende Zuspitzung der Verhältnisse des Berliner Haushaltsplans eintreten mußte, ist offensichtlich. Es bleibt nichts übrig, als durch die ein- schneidend st en Sparmaßnahmen den Fehlbetrag auf das unvermeidlich« Maß zu beschränken und ihn so zu begrenzen, daß bei Anspannung aller Kräfte Kassenschwierigkeiten vermieden werden können. All« Gebiete der städtischen Verwaltung sind an diesen Ein- schränkungsmaßnahmen beteiligt. Sie haben leider dazu ge- nötigt, kulturell, sozial und wirtschaftlich höchst bedauerliche Abstriche vorzunehmen, die Entwicklung der kommunalen Ar- beit wesentlich einzuengen, auf vielen Gebieten st i l l z u st e h e n, bei nicht wenigen sehr unerfreuliche Rückschritte in Kauf zu nehmen. An dem harten Zwang der finanziellen Tatsachen vorüberzugehen oder den vollen Ernst der gegenwärtigen Situation außer acht zu lassen, Vogel-Strauß-Politik zu treiben, ist unmöglich. Es ist um so notwendiger, daß wir uns diese einschnei- denden Beschränkungen auferlegen, weil nur auf diese Weis« die Aussicht dafür ge- geben i st,. die der kommunalen Fürsorge an- vertraute Riesenzahl notleidender Men- s ch e n m i t d e m lebenswichtigen Bedarf zu ver- sorgen. Die Bereitstellung von nicht weniger als rund 160 Millionen Mark für die Wohlfahrtserwerbslosen erscheint wichtiger und dringender als jede andere Ausgabe. Dsefem Erfordernis mußte s i ch in dem Haushalts- plan 1931 die gesamte kommunale Politik unterordnen. Ihr zuliebe müssen die schmerzlich emp- fundenen Abstriche bei den Ausgaben und die schwere Opfer fordernde Erhöhung der Einnahmen ertragen werden. Es wäre aber Selbsttäuschung, anzunehmen, daß mit dem Krisenjahr 1931 die Periode der Einschränkungen und der Verzichte abgeschlossen sein wird. Es ist zu befürchten, daß— selbst wenn die gegenwärtige Krise sich wesentlich mildert— noch auf Jahre hinaus mit schwerwiegenden Folgewirkungen dieser Wirtfchafts- Zerrüttung zu rechnen ist. Ganz davon abgesehen, wird der Haushalt der Stadt Berlin in den nächsten Jahren unter der Abtragung der Fehlbeträge 1930 und 1931 schwer zu leiden haben, so daß wir uns auf Jahre der rigorosen Spar- samkeit und der strengen Selbstbeschränkung einrichten müssen. Unter diesen Umständen wird es unsere dringendste und wich- tigste Aufgab« sein, an eine sorgfältige und planmäßige Ueberprüfung des gesamten Aufgabentreise» der Stadt heran- zutreten, das für die Zukunft Wichtige und Lebensnotwendige zu erhalten und zu entwickeln. Weniger Wichtiges aber—- mag es auch im einzelnen Falle noch so schmerzlich sein— wird unter diesen Umständen aufgegeben und geopfert Verden müssen. Ein« scharf« und sorgfältige Kontrolle d-«r Ge- samtverwaltung auf ihre Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit der geleisteten Ausgaben muß zudem der Bevölkerung Berlins in Zukunft die fest« Ueberzeugung geben, daß die schweren steuerlichen Leistungen, die von ihr ge- fordert werden, in vernünftiger, dem Wohl« des Ganzen dienender Weise. Verwendung finden. Reben dieser schweren Aufgabe im eigenen Hause aber steht die dringende Rot- wendigkeit, bei den Reichs- und Landesparlamenten endlich Verständnis dafür zu wecken, daß die Lebensbedürf- nisse der Großstädte, insbesondere Berlins bei der gegenwärtigen Regelung der Finonzausgleichsgesetzgebung nicht ausreichend befriedigt werden können und daß schwerster politischer und wirtschaftlicher Schaden eitstehen muß. wenn nicht endlich eine Aenderung der unerträglich gewordenen Zustände eintritt.
Grandi über Deutschlands Lage. Itsliens Stellung gegen die Zollunion kein feindseliger Akt. Rom . 3. Juni. (Eigenbericht.) Im Senat hielt Außenminister Grandi heute obend seine große Etatsrede. Sie war besonder« interessant wegen der Er» klärungen über die letzte Genfer Tagung und über deutsch « Reparationsverpflichtungen. Eingangs verteidigt« Grandi das italienische Wirtschaftsabkommen mit Rußland und Italiens Stellungnahme zum Flottenobkommen. Er sagte, er wolle es noch nicht glauben, daß alle Flottenoerhandlungen vergeblich gewesen seien. Er wünsche aufrichtig, daß Frankreichs Antwort auf die letzt« Rote die Schwierigkeiten in dieser Frage beseitigt. Dann gab Grandi eine eingehende Darstellung des deutsch-östcrreichi- fchen Zollplanes und seiner Verhandlungen in Genf . Italien » gegnerische Stellungnahme dazu bedeute keine feindselige Voreingenommenheit. Wa» Deutschland insbesondere angehe, so folge Italien mit Sym- p a t h i e den Anstrengungen des deutschen Volkes, sich in der Welt den Platz zu erringen, den es nach Geschichte. Zivilisation und Nolkstugenden mit Recht verdiene...Wir glauben— erklärte Graiüu—, daß ein politisch ruhiges, wirtschaftlich befriedigtes Deutschland «in nützliches und sogar ein unentbehrliches Element des Gleichgewichtes für den europäischen Frieden ist. Wir ziehen durchaus den Druck der internationalen Ver- pflichtungen in Betrocht, den dos Reich auf feine Wirtschaft zu er- dulden hat und wir tragen vollkommen der Notwendigkeit der deutschen Regierung Rechnung, wenn sie Abhilf« sucht. Die finan- ziellen Verpflichtungen Deutschlands gehören zu den schwersten Ursachen der wirtschaftlichen und politischen Notlag« Europas ' Dies« Ueberzeugung Italiens sei nicht von heute. Zum Schluß behandelte Grandi nach die Schiedsgerichtsverträgc und die Sorge um d>« kommende Abrüstungskonferenz. 29 Millionen Arbeitslose in oller Welt seien zweifellos die Folg« der jetzigen R ü st u n g s- Politik, die mehr Gelb verschling«, als je zuvor.
Paris , Z. 3uni.(Eigenbericht.) Di« kürzlich in einer hiesige« russischen Emigrantenzeitung ver. breitete Zftclduvg von einer Wiederaufnahme der fronzSslsch. russischen WIrtschafisverhandlungen ist heute halbamtlich bestStigt worden. Der stellvertretende voltstommiffar für den Handel wird in den nächsten Tagen in Paris erwartet, um die Verhandlungen zu führen. Zu gleicher Zeit fall auch über den Abschluß eine« Uichl- aagrissspatte» zwischen Frankreich und Sowjetroßland ver- handelt werden. Keine Ausdehnung auf Frankreichs Bundesgenossen Moskau (über Koumo), 3. Juni. Wie die TU. von gutunterrichtcter Seite erfährt, werden die .Handelsvertragsverhandlungen Sowjetrußlands in Paris vollkommen unabhängig von den politischen Verhandlungen über den Abschluß eines Richtangriffs- Paktes geführt werden. Jedoch dürste es wohl noch gute Weile haben, bis die Verhandlungen greifbare Gestalt gewinncn. Der französische Botschafter in Mostau. her bette, der Mitte Mai noch Moskau zurückkehren wollte, weilt zur Zeit noch in Frontreich. Sein« Rückkehr wird etwa Mitte Juni erwartet. Erst danach dürften die Verhandlungen wester fortschresteu. Di« russisch« Einstellung zu dem Nichtangriffspakt mst Frankreich kann im übrigen wie folgt formuliert werden: 1. Der Pakt soll von den zwei Portnern ohne Rücksicht auf Dritt« abgeschlossen werden: 2. der Pakt soll nicht ausgedehnt werden auf die Verbündeten Frankreichs , also etwa auf Polen , S ü d s l a w i e n und Rumänien ; 3. er soll nicht nur einen militärischen Nichtongrissspakt, sqndern auch einen Wirtschaft- lichen Vertrag umsossen: 4. Moskau lehnt den Völkerbund und dos Gericht im Hoog als Schiedsgericht ab; 3. olle politischen Fragen zwischen Ruhland und Frankreich sollen noch dem Muster der deutsch -russischen Konvention geregelt werden:
Kranzosen fliegen über deuische Küste? Sin Militärflugzeug notlandet bei Kaiserslautern . Rorderoey. 3. Juni. Drei französisch« Kriegsflugzeug« haben sich heute vormittag über der Deutschen Bucht aufgehalten. Eurer der- selben flog dabei über Norderney . Auch an anderer Stell« sind, wie wir von zuständiger Stelle erfahren, die fremden Flug- zeug« bemerkt worden, so um 3.35 Uhr morgens von Bord des Stationstendcrs Frauenlob über dem Vortrapp-Tief südlich der Insel Sylt in 130 Meter höhe, um 9,33 Uhr wurden der Kom- mondantur Borkum zwei Flugboote südlich der Insel M e m m e r t gemeldet. Um 9,43 Uhr überflogen zwei Flugboote den Hafen von Borkum , gleichzeitig wurde ein Doppeldecker über der Insel I u i st gesichtet. Kaiserslaukern. 3. Juni. Ein französisches Militärflugzeug, das mst zwei Unterojfizieren besetzt war, ging heute nachmittag gegen 12Vs Uhr bei Enkenbach nieder. Di« Gendarmerie Enkenbachs nahm beide Insassen fest, die dann später von der Schutzpolizei Kaiserslautern dorthin über- geführt wurden. Die Militärflieger erklären, auf dem Wege noch Weißenburg gewesen zu sein, wobei sie die Orientierung verloren haben. Gleichzeitig haben zwei ander« Flugzeuge die Gegend über- flogen. Man nimmt an. daß es sich auch hierbei um französische Maschinen gehandelt hat. * Schon vor mehreren Tagen Hollen sich stanzösische Militär- flieger verflogen und waren bei S ch w e i n f u r t niedergegangen. Kurz darauf wurden stanzösische Militärflugzeug« über Kehl ge- meldet: von französischer Seite wurde aus die deutschen Vorstellungen hin allerdings betont, daß ein« besonder« Kontroll««ingerichtet gewesen sei und die französischen Kriegsflieger auf elsässischem Gebiet geblieben seien. Nachdem nun bei Kaiserslautern wieder ein« Notlandung eines stanzösische» Militärflieger» stattgefunden Hot, ist festzustellen, daß die Fliegertätigkeit an den deutschen Grenzen hoch st unerwünscht ist. Wir nehmen an, daß der stan- zösischen Außenpolitik diese Zwischenfälle unwillkommen sind— der Leitung der stanzösische« Kriegsfliegerei aber muß gründlich klar- gemacht werden, daß solch« Zwischenfälle zu vermeiden sind. Und sie können ein für alle Male dadurch unterbunden werden, daß
6. vor ollem will die Sowjetregierung keinerlei Verhandlungen ein« gehen, die in Beziehung zu einem etwaigen deutsch -sranzösischen Zu- fammenstoß stehen könnten. Das gleiche gilt auch bezüglich der Garantie der ö st lichen Grenze Frankreichs oder der we st lichen Grenze Polens . Interpellation über den Gtahlhelmrummel. Paris , 3. Juni. (Eigenbericht.) Der der Fraktion des Kriegsministers M a g i n o t angehörende Abg. Lorin hat in der Kammer«ine Interpellation eingebrocht, m der er die Regierung um Auskunst über die Maß- nahmen bittet, die sie nach der Kundgebung der Stahl- Helmleute nahe der polnischen Grenze in Gegen. wart zahlreicher Generale und Fürsten der ehemaligen deutschen Dynastien zu ergreisen gedenkt.
Giahlhelmiag und parieiiag. i£on Blum klärt die Franzosen auf. Parts, 3. Juni. Im„Popiiloire' hält Leon Blum der rechtsstehenden stan« zösischen Pvesi« vor, daß sie zwar die Stohlhelmkundgebung in Breslau groß aufmache, aber den sozialdemokratischen Parteitag in Leipzig so gut wie übergehe: Gewiß sind„150 000 Faschisten vom Typ Hitlers ' am Sonntag in Breslau im Porade« schritt vor dem früheren Kronprinzen, Mackensen und von Sceckt vorbeimarschiert, aber am gleichen Sonntag zur gleichen Stund« hoben sich 13 00 00 sozialistische Arbeiter in Leip- zig gelegentlich des Parteitages um ihre Führer und die Der- treter der sozialistischen ausländischen Parteien geschart. Beide Schauspiele hielten sich mindestens die Waage. Das eine werde jedoch vollkommen im Dunkeln gelassen, das andere ober hervor- gezerrt und in erschreckenden Farben ausgemalt. Wer also, fragt Blum, mißbraucht die ösfentliche Meinung und wer fälscht die Wahrheit?
sämtlich« Kriegsflugzeuge den Befehl erhalten, keinerlei Ma« növer in der an der deutschen Grenze anstoßen- den Zone abzuhalten. Was die Meldung über das Ueberfliegen de» norddeutschen Küstengebietes durch französische Marineflugzeuge anlangt, so wollen wir bis zum Eingang näherer Einzelheiten annehmen, daß es sich um Irrtümer der beobachtenden Stellen Handell:«in« Verwechselung der französischen mit den holländischen Farben liegt hier besonders nahe. Sollten jedoch die Mitteilungen über die Nationalität der zum Teil sehr niedrig fliegenden Wasserflugzeug« zutreffen, so wäre ein solcher Besuch— am Tage vor der Fahrt der deutschen Reichsminister nach England auf dem Wege über die Nordsee — eine militari st ische Provokation, die um so auffälliger wirkt, als es sich um einen Uebergriff gegen einen Staat handelt, der eine Kriegsluftfahrt nicht besitzt. Vorläufig ober erfordert die Erinnerung an die Flicgerpsychose vom August 1914, daß zunächst einmal die Tatsachen zwcifelsstci festgestellt werden.
Goniard im Verhör. Das' Wiederaufnahmeverfahren gegen Vullerjahn. Leipzig . 3. Juni. (Eigenbericht.) In dem Wiederaufnahmeverfahren gegen Buk» l e r j a h n Hot am Mittwoch die Lemehmung des Herrn von G o n- t a r d durch den Reichsgerichtsrat Eoenders begonnen. Nach Ansicht des Reichsgerichts ist es unzulässig, daß die Prozeßbeteiligten der Vernehmung beiwohnen. Infolgedessen nahm der Oberreichsanwall an dem Termin nicht teil, und auch der Verteidiger Dr. Kurt Rosen- seld, der im Reichsgericht erschienen war, wurde nicht zugelassen. Lediglich die von dem Verteidiger schriftlich eingebrachten Fragen wurden dem Zeugen vorgelegt. Erst nach dem Abschluß der Verneh- mungen des Zeugen wurden dessen Aussagen dem Oberreichsanwall und dem Verteidiger zugänglich gemacht, die sich dann beide zur weiteren Behandlung des Wiederaufnahmeantrages äußern können.
Reuer Posten für Bucharin . Beim Präsidium des Obersten Bolkswirtschaftsrates der Sowjetunion ist eine besondere Abteilung für produktionstechnische Propaganda gebildet worden. Die Abtei- lung soll die technische Ausbildung der Sowjelarbeiter durch Dorträa« und Literatur fördern. Zum Leller der Abteilung ist Bucharin ernannt worden.