Morgenausgabe
Nr. 257
A 130
48.Jahrgang
Böchentlich 85 B1, monatfié) 3,60 im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pf. Boftzeitungs- und 72 Bf. Boftbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drudfachen porto 5- M
*
Der Bormarts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend" Illustrierte Beilage Bolt und Zeit" Ferner Frauenstimme", Technif",„ Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Freitag
5. Juni 1931
Groß- Berlin 10 Pf.
Auswärts 15 Pf.
Die einspalt. Nonpareillegeile 80 31. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An zeigen das fettgedruckte Bort 25 Pf. Guläffig zwei fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Bf. fedes weitere Mort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen. täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Redaktion und Berlag: Berlin SW 68. Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .
Tag der Jungen.
Das Jugendprogramm auf dem Parteitag.
F. St. Leipzig, 4. Juni. ( Eigenbericht.) Genau genommen, war dieser Donnerstag der zweite Tag der Jungen auf dem Leipziger Parteitag. Der erste war jener Sonntag, an dem die Zehntausende und aber Zehns tausende junger Menschen in blauen Blusen mit roten Schlipsen, im Sportdreß oder in Reichsbanneruniform an dem Volkshaus vorbeimarschierten. Jener Tag hat bewiesen, daß die Partei nicht ohne Erfolg von neuen Mitteln Gebrauch gemacht hat, um die Jugend an ihre Fahnen zu fesseln. Aber bunte Farben und blinkendes Metall, Fan faren und Trommeln fönnen nur loden, nicht binden. Binden fann nur die gemeinsame Idee, für die das festliche Gepränge der Ausdruck sein soll. Am Donnerstag ging es um das geistige Band, das die Jugend mit der Partei ver
bindet.
Vielleicht wäre es zu dieser wichtigen und interessanten
-
Aussprache nicht gekommen, wenn nicht die Jungsozia I isten durch ihr fatastrophales Bersagen den unmittelbaren Anlaß zu ihr gegeben hätten. Insofern fann man ihnen ein gemisses Berdienst zusprechen ein legtes und vielleicht ein einziges. Damit soll natürlich nichts gegen die einzelnen Mitglieder der Jungsozialistengruppe gesagt sein ihnen können die Erfahrungen, die sie mit einer mißglückten Organisation gemacht haben, für ihre fünftige Arbeit in der
Partei nur von Nuzen sein..
-
Der Jungsozialismus ist an dem Versuch, eine Richtung in der Partei sein zu wollen, zugrunde ge gangen. Für den jungen Sozialismus und die jungen Sozialisten eröffnet sich in der Sozialdemo fratischen Partei ein desto freieres Betätigungsfeld.
Nach den rednerischen Meisterleistungen Tarnows, Breitfcheids und Sollmanns stand Ollenhauer vor feiner leichten Aufgabe. Indes fann man mit gutem Gewissen sagen, daß der Dreißigjährige mit seinen älteren Borbildern erfolgreich tonfurriert hat nicht bloß, was die Länge des Referats, sondern auch was seinen Inhalt und seine red nerische Form betrifft. Leichter als er hatte es der folgende Redner Löwenstein. Ihm war für seinen Bericht aus der Bewegung der Kinderfreunde Sympathie und Beifall des Barteitages ohne Unterschied der Richtung oder wie man seit Tarnoms Rede sagt, der Schattierung" von vorn herein gewiß.
-
In der folgenden Debatte fand die Rede des Vertreters der Sozialistischen Studentenschaft, Berlowig, besondere Beachtung. Es war das erstemal, daß ein Repräsentant der studierenden Jugend auf einem sozialdemokrati schen Parteitag zum Bort fam. Aber nicht bloß deshalb mar
Einberufung der Reichstagsfraktion. Beratung über die Notverordnung am fommenden Freitag. Die neue Notverordnung wird voraussichtlich erst am tommenden Montag veröffentlicht werden. Der Borstand der sozialdemokratischen Reichstagsfrattion tritt zur Beratung der durch die neue Notverordnung geschaffenen Lage am fommenden Mittwoch zusammen, die sozialdemo fratische Reichstagsfrattion ist für Freitag einberufen worden.
Die Sigung des Aeltestenrats des Reichstags, die über das Verlangen der kommunistischen Mitglieder auf Einberufung des Reichstags zu entscheiden hat, ist für Mitt moch oder Donnerstag in Aussicht genommen.
" Der Angriff" verboten. Wegen Beleidigung der Polizei und wegen Aufforderung
zur Gewalt.
Der Berliner Polizeipräsident teilt mit: Die nationalsozialistische Tageszeitung Der Angriff" murde heute bis einschließlich 4. Juli 1931 verboten, und zwar auf Grund des§ 1, Abs. 1, Nr. 1 und 2, und§ 12, Abs. 2 der Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten zur Befämpfung politischer Ausschreitungen. Das genannte Blatt hat troß der eingehenden amtlichen Darstellung über bas sogenannte Femebild erneut dem Bolizeipräsidenten von Berlin eine Fälschung vorgeworfen. Weiterhin hatte das Blatt in Besprechung der Borgänge anläßlich der Enthüllung des
Postschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
der Parteitag geneigt, ihm die Redezeit mehrfach zu verheiten Henderson, die zum erstenmal bereits während der längern, sondern auch, weil das, was er zu sagen hatte, ungewöhnlich interessant war.
Bei Beginn der Nachmittagssigung billigte der Parteitag den Vorschlag von Bels, aus der unendlich langen Reihe der zum Wort Gemeldeten die jüngsten herauszuholen und voranzustellen. So sprachen Fliege- Dortmund, Keller- Eisleben, Bigner- Nürnberg, Renner- Gelsenkirchen. Auch diese Redner reihe bot ein Bild, mie es bisher noch kein Parteitag erlebt hatte, und ein ungewöhnlich erfreuliches dazu.
Es war ein glückliches Zusammentreffen, daß bei dem folgenden Punkt der Tagesordnung Bericht des Parteivor standes" das jugendfrische Gesicht Mar Westphals auftauchte, der vor vier Jahren als Vertreter der Jugend in den Parteivorstand gemählt worden war.
Die Sozialdemokratische Partei ist nicht überaltert,
sie hat in ihren Reihen viel Jugend, mehr als irgendeine andere Partei. Aber freilich nicht so viel wie sie haben will und braucht.
Wer die Jugend hat, der hat die Zukunft." Dieses Wort ist auf dem Parteitag oft zitiert worden. Es ist aber nicht unbedingt richtig. Bei den Kommunisten und Nationalsozialisten treibt sich viel verlaufene Jugend herum und doch haben sie nicht die Zukunft. Was an dieser verlaufenen Jugend mert voll ist, wird früher oder später in die Straße einbiegen, auf der unsere Jugend marschiert.
-
In dieser Zuversicht hat uns der Leipziger Parteitag be: stärkt.
Wels- Crispien- Vogel.
Die Wahl des Parteivorstandes.
Die Wahl des Parteivorstandes der Sozialdemokra tischen Partei durch den Parteitag ergab für Otto Wels die größte Stimmenzahl. Crispien und Hans Bogel erhielten die gleiche Stimmenzahl.
Der Kandidat der Opposition zum Parteivorsitzenden , ber Reichstagsabgeordnete Seydewik, erhielt nur 54 Stimmen; er ist nicht gewählt.
Wiedergewählt wurden die bisherigen Sekretäre. Die Wahl der Beisitzer erfolgte nach dem Vorschlag des Parteivorstandes. Die bisherigen Mitglieder wurden wiedergewählt. Neu hinzugewählt wurden Breit. scheid und Litte Berlin .
Der Kontrollkommission tritt neu bei der Leipziger Reichstagsabgeordnete 2ipinski. Nicht wiedergewählt murde Frau Agnes.
fogenannten Schlageter Denkmals zur Berprügelung Andersdentender aufgefordert. Beide Gründe waren für das Berbot und seine Dauer maßgebend. Auch die Bessische Bolfswacht" auf 4 Wochen verboten. Kassel , 4. Juni.
erscheinende
Der Oberpräsident der Provinz Hessen- Nassau hat die in Kaffel nationalsozialistische Tages. eitung effische Wolfswacht wegen Bergehens gegen die Berordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 auf die Dauer von vier och en verboten. In der Begründung des Verbots heißt es u. a.: Die Heffische Boltswacht hat in einer fortlaufenden Reihe von Artikeln ein im Jahre 1925 in der Presse erschienenes Feme bild" zum Anlaß genommen, um den Regierungspräsidenten Dr. Friedensburg in Kassel in äußerst verletzender und be teidigender Weise anzugreifen. Die ganze Form, der Inhalt der Artikel lassen deutlich die böswillige Absicht des Artikelschreibers er, fennen, den leitenden Beamten des Regierungsbezirks Kaffel in der öffentlichen Meinung herabzusehen und als der Achtung der Bolts. genossen unwürdig hinzustellen.
Leichenschänder Stahlhelm.
Girafantrag der Witwe Eisners.
München , 4. Juni. ( Eigenbericht.) Ein Münchener Rechtsanwalt hat bei einem Stahlhelm. a bend in Immenstadt im Allgäu den ermordeten bayerischen Revolutionsminister Kurt Eisner bezichtigt, er sei durch aus. ländische Gelder best och en worden. Die Bitme Eisners hat Strafantrag wegen Berleumdung gestellt.
Heute betreten Reichskanzler Dr. Brüning und Reichs außenminister Dr. Curtius englischen Boden. Sie folgen einer privaten" Einladung des Premierministers Mac= donald und des Staatssekretärs für auswärtige AngelegenJanuartagung des Völkerbundes in Aussicht gestellt wurde. Ihre Verwirklichung ist durch das 3ollunionsprojekt um mehrere Wochen verzögert worden, und vielleicht ist auch die Stimmung in England nicht mehr ganz so günstig wie vor diesem deutsch - österreichischen Diplomatenstreich. Die englische Arbeiterregierung, die außenpolitisch ihre ganze Kraft auf den Erfolg der kommenden A brüstungstonferenz fonzen trieren wollte, empfand dieses Zwischenspiel schon deshalb als bedauerlich, weil es den Militaristen aller Länder einen willkommenen Vorwand bot, gegen die Abrüstungsbestrebungen Stimmung zu machen. Hoffentlich wird in Chequers nicht allzuviel Zeit darauf verwendet werden, die Lösungsmöglich= feiten für diese leidige, durch den jüngsten Genfer Beschluß nur vertagte Angelegenheit zu besprechen.
Um
Daß die ursprüngliche Absicht der englischen Minister in der Hauptsache dahin ging, mit ihren deutschen Kollegen die brüstungsfrage zu erörtern, ergibt sich schon daraus, Aussicht genommen waren. Die letzte Tagung der Vorberei daß nur Macdonald und Henderson als Gesprächspartner in tenden Abrüstungskommission hatte zu einer fast völligen Isolierung Deutschlands geführt, wobei der deutsche Bertreter Graf Bernstorff und der englische Delegierte Lord Cecil öffentlich in einen recht scharfen Gegensatz geraten waren. nämlich überhaupt zu einem Ergebnis zu gelangen und die lichen, hatte der Engländer in verschiedenen nicht unwesentbaldige Einberufung der Weltabrüstungskonferenz zu ermöglichen Einzelfragen sich dem französischen Standpunkt angeschlossen. Bernstorff aber hatte stritte Anweisung, unnachgiebig zu bleiben, so daß zur größten Genugtuung der frankopolnischen Gruppe die Vorfonferenz mit einem schrillen deutsch englischen Mißflang geendet hatte. Diese Mißhelligkeiten aus der Welt zu schaffen, war und ist wohl heute noch die Absicht der englischen Staatsmänner.
Gerade in den Tagen vor der Abreise von Brüning und Curtius haben sich übrigens 3 wischenfälle gehäuft, die den deutschen Unterhändlern die Möglichkeit bieten werden, die Inhaltbarkeit der gegenwärtigen Rüstungsungleichheit überzeugend darzulegen. Wir meinen damit dieses fortwährende Ueberfliegen deutschen Gebietes durch fremde Militärflugzeuge, das an sich ziemlich gleichgültig ist, denn bei uns gibt es nichts zu ,, spionieren", das aber auf die Dauer psychologisch deshalb unerträglich ist, weil eben Deutsch land allein, neben vielen anderen einseitigen Rüstungsbeschränkungen, feine Militär- und Marineflugzeuge besitzen darf. Die Stellung der deutschen Minister, die ihre englischen Kollegen von der Notwendigkeit einer mirklichen, allseiti gen Abrüstung überzeugen wollen, wäre freilich noch viel günstiger, menn nicht die geradezu verbrecherischen nationalistischen Provokationen auf dem Stahlhelm treffen in Breslau vorangegangen wären, die den Franzosen und Polen die willkommene Gelegenheit zu einem Gegendruck auf London geboten haben. Das war wieder einmal das flassische Beispiel eines von deutschen Nationalisten geführten diplomatischen Dolch stoßes in den Rücken deutscher Unterhändler.
Heute steht es aber außer 3weifel, daß die Abrüstungsfrage nicht mehr im Vordergrund der Gespräche von London und Chequers stehen wird. Vielmehr erblickt die ganze Welt in dieser Zusammenkunft den Auftakt zu einer abermaligen Aufrollung der Reparationsfrage. Eigentlich ist für eine verbindliche Besprechung dieses Fragenkomplexes auf englischer Seite der Schazkanzler Philip Snowden unentbehrlich, aber es ist zweifelhaft, ob er, der erst fürzlich eine schwere Krankheit durchgemacht hat, an den Zusammenfünften mit den deutschen Ministern teilnehmen wird. Dennoch erwartet die gesamte englische Presse, vor allem der„ Daily Herald", der der Regierung am nächsten steht, daß die Frage einer baldigen Revision des Young Planes den eigentlichen Beratungsstoff von Chequers bilden wird.
Allgemein wird in England anerkannt, daß eine Wiederaufrollung des Reparationsproblems berechtigt ist. Die Entwicklung der Weltwirtschaft seit den Haager Konferenzen hat die Voraussetzungen für die Durchführbarkeit des Young- Blanes vollkommen erschüttert. Einmal hat durch das beträchtliche Sinten der Weltmorttpreise, das gleichbedeutend ist mit einer entsprechenden Steigerung des