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Rr. 261 45. 3obrgang 1. Beilage des Vorwärts

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verschwundene

Niemand wird von einem Verbandstagsdelegierten, sagen wir des Deutschen Baugewerksbundes, verlangen, daß er ein Haus mit ins Tagungslokal geschleppt bringt. Und von Metallarbeitern wird auch niemand verlangen, daß sie mit Drehbänken beladen zu ihren Kongressen anrüden. Wir könnten überhaupt getrost die ganze Stala des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes durchgehen, fein Mensch wird auf den Gedanken kommen, daß sich diese oder jene Kollegen mit den Produkten ihrer Branche zu bewaffnen haben, wenn sie sich gegenseitig etwas sagen wollen. Mit einer Ausnahme. Nämlich: die Hutarbeiter. Uns ist ja wohl zeitlebens ein Schweigegebot für einen bestimmten Fall auferlegt worden, aber da er auch einen ernsten Hintergrund hat, sei ein Auge zugedrüdt. Im Jahre 1925 hält der Deutsche Hutarbeiter- Berband seinen Ber­bandstag in Köln am Rhein ab. Aus allen Gauen Deutschlands rücken die Vertreter der Hutarbeiter an, auch ein Kollege aus der vielleicht prominentesten Hutstadt Norddeutschlands. Nein, mir sagen den Namen lieber nicht. Dieser Mann legt den weiten Weg nach Köln ohne Hut zurück. Zum Entsetzen aller anwesenden Hutarbeiter marschiert er barhäuptig in die Rheinmetropole ein, immer in Richtung Kämmereigasse, mur, daß dieser Zustand feine zehn Minuten gedauert hat. Woher damals in Köln ein Hut für Diesen abtrünnigen Zunftgenossen gekommen ist, weiß tein Mensch mehr zu sagen, aber in noch nicht zehn Minuten hatten ihn die Kölner Hutarbeiter mit einem Hut versorgt. Man fann vieles machen, man fann alles machen, aber als Vertreter einer Hut­arbeiterstadt barhäuptig auf einen Hutarbeiter- Verbandstag tommen, das darf man nicht.

Arme Hutarbeiter.

So wie ihren Kollegen würden die Hutarbeiter gerne jeden Menschen behüten". Aber es steht denkbar schlecht um die Aussichten der Hutindustrie. Es ist eine Weltkrise in Syüten, es ist, als wären die Männer des Hutes überdrüffig. In Frankreich ,

Sonntag, 7. Juni 1931

Kreissäge"

in Anwendung gebracht würde, negativ sein und Unfummen von Reklamegeldern wären nuglos verausgabt."

Mehr fann man von den Hutmachern, die doch samt den Arbeitern am schwersten von der hutlosen Mode betroffen werden, wirklich nicht verlangen. Dessen ungeachtet suchen die Hutfabrikanten nach Wegen, die hutlose Mode irgendwie abzubiegen.

Wiedergeburt des Strohhuts?

So sind in diesem Sommer in der Schaufensterarena der Hut­geschäfte zum Kampf angetreten: der noch das Feld behauptende, leichte, weiche, helle Filz hut gegen den Panama - und den Woll­bortenhut. Beide passen sich in der Form vollkommen den Filzhüten an, wobei der Wollbortenhut entgegen seinem Namen, allerdings nichts mit Wolle zu tun hat, sondern aus einem modernen Baum­wollgeflecht besteht. Sieger wird derjenige Hut sein, der das geringere Gewicht und die weichere Garnitur aufzuweisen hat. Jedenfalls ist man in der Heimat der Strohhüte für Herren, Linden­ berg im Allgäu, wo 26 Fabriten mit 6000 Arbeitern bestanden haben und von wo auch früher die jetzt abgetafelten ,, Kreissägen" tamen, recht zuversichtlich über die Wiedergeburt des Strohhuts. So haben die Allgäuer Fabrikanten vor einigen Wochen eine Umsatzstatistit aufgestellt, die diese Zuversicht nur bestätigt. Nehmen mir zum Beispiel die Umfazziffern von 1924 gleich 100 an, dann ergibt sich folgendes Bild: 1925 finit der Umjaz noch beträchtlich, er beträgt nur noch 71 Proz. von 1924; im Jahre 1926 sogar nur noch 54 Proz., 1927 werden die Berhältnisse geradezu katastrophal mit 12 Proz. und 1928 will tein Mensch mehr etwas vom Strohhut wissen, der Umsatz beträgt gegenüber 1924 noch ganze 3 Prog. Im folgenden Jahr 1929 beginnt langsam ein Wiederauffeben der Herrenstrohhut- Fabrication, der Umsatz steigt auf 4 Proz. und im vorigen Jahr, 1930, wurden schon wieder 10 Broz. des Wertes von 1924 umgesetzt. In diesem Jahr hat die Aufwärtsentwicklung meiter angehalten. Der Filzhut befindet sich seit einigen Jahren in einer unverkennbaren Berteidigungsstellung.

Bon Tientsin zum Spittelmarkt.

Die Renaissance des Strohhuts findet übrigens eine Stütze in einer anderen Tatsache, das ist der Tiefstand des Silberkurses. China hält immer noch an seiner unglücklichen Silberwährung fest und da China das erste Lieferland für Strohgeflechte ist, ergeben sich für die europäischen Strohhutfabrikanten verhältnismäßig günstige Einkaufsmöglichkeiten für Strohgeflechte. Es kommt hinzu, daß selbst ein steigender Silberpreis die deutsche Chance nicht sonder­lich berühren dürfte, da ostasiatische Strohgeflechte in Deutschland mit feinem Einfuhrzoll belastet sind. Die Strohflechterei ist in China ein Nebenerwerbszweig der Landwirtschaft, als Rohmaterial dient Weizenstroh. Zu den bedeutendsten Flechtbezirken gehören die Provinzen Schantung und Schansi; Tsinanfu und Tientsin sind die Haupthandelspläge. Es ist interessant, wie die prophezeite Stroh hutmode für 1931/32 micht zuletzt weitab im Fernen Osten ent­schieden wird, wo es darauf ankommt, neue Ideen für die Ver­arbeitung des Weizenstrohs in die Wirklichkeit umzusetzen. Und

Zusammenhänge der Weltwirtschaft offenbart. Warum bringen eigentlich die Hutmacherzeitungen die Dampferankünfte aus Ostasien ?" haben wir gefragt. Jetzt wissen wir es, was die Dasukuni Maru" oder die City of Shanghai" oder die Nordmart" von Ostasien gemächlich nach Hamburg schleppen: Ballen von Strohgeflechten, die, auf gut berlinisch gesagt, dem Filz­hut demnächst zeigen wollen, was eine Harte ist.

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genauer in Esperaza, einem Zentrum der französischen Hutindustrie, verdienten sich immer 6000 Sutarbeiter ihr Brot. Heute liegen In diesem Zusammenhang ein turzes Wort zum Banama- nicht minder staunenswert ist es, wie ein einfacher Strohhut tiefste 3000 ganz auf der Straße und die übrigen arbeiten nur noch wenige hut. Der echte Banamahut ist eine fündhaft teure Sache; der Hut, Tage im Monat. Gelbft im geldgefegneten Paris beginnt man die Krise zu spüren; 1929 wurden noch für 800 000 Dollar Hüte den Professor Einstein auf seiner Durchfahrt durch den Banama­tanal geschenkt befam, hatte einen Wert von 700 Mart. Denn der nach den Vereinigten Staaten exportiert, 1930 nur noch für 470 000 Dollar. Beinahe der halbe Export ist taputt. Im gleichen echte Panama ist nicht aus Strohgeflecht, sondern aus Palmblatt| furzen Zeitraum find in Italien 3000 utarbeiter fang und tang- und in mühseliger, gesundheitsschädlicher Arbeit von Eingeborenen los verschwunden; von den übrig gebliebenen 13 000 arbetten brei hergestellt, er iſt jo meich und so leicht, daß man ihn durch einen Fingerring ziehen fann. Biertel verkürzt. Der Export an herrenstrohhüten ist ganz­lich zusammengebrochen, November/ Dezember 1929 wurden noch bald anderthalb Millionen Herernstrohhüte verschickt, November/ De­zember 1930 teine Viertelmillion mehr. In England das gleiche Bild, auch hier ist der einstmals riesige Export um die Hälfte ge­funten, nirgends eine richtige Konjunktur, alles lebt mühselig von der Hand in den Mund.

Wir könnten auch in die Kommandantenstraße gehen, wo das Zentrum der Berliner Hutindustrie ist, und uns beim Sutarbeiterverband über die Konjunktur erkundigen. Nun, wenn dort der Kleine Aufschwung in der Damenputzbranche nicht wäre, dann wäre es zum Aufhängen. Am schlimmsten sieht es in der Woll- und Haarhutbranche aus, da standen früher 200 Männer und 400 Frauen in Lohn und Brot, jetzt ist alles tot, wer nicht bankrott gemacht hat hier in Berlin , der ist ab gewandert. So hat die Zahlstelle Berlin des Deutschen Hutarbeiterverbandes nicht weniger als 50 Proz. Dauererwerbslofje, wozu in schlechten Zeiten noch 10 bis 20 Proz. vorübergehend Erwerbslose kommen, so daß manch­mal 70 Proz. der Mitgliedschaft auf der Straße liegt.

Die hutlose Mode.

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Trauertag deutscher Kunst

Der Brand des Glaspalastes in München

Zum Brande des Glashauses, der allgemein als| eine nationale Katastrophe für die ganze deutsche Kunst empfunden wird, ist zusammenfassend zu melden, das im ganzen 75 Ausstellungssäle mit etwa 3000 BiI­bern vernichtet worden sind. Gerettet wurden nur 80 Bilder. Bei den Löscharbeiten wurden 20 Feuer­wehrleute verlegt, die in die chirurgische Klinik eingeliefert werden mußten.

Was verloren ging.

München , 6. Juni. ( Eigenbericht.)

Wie ein Ueberbleibsel aus uralten Tagen hängen in einigen Hutgeschäften ein paar reissägen" oder Butterblumen", wie sie auch noch hießen. Für 95 Pfennige wären sie zu haben, aber kein Mensch kauft sich eine Kreissäge". Weil jeder, der eine Die ungeheure Schnelligkeit der Brandtatastrophe, die ,, Kreissäge" hat, Gefahr läuft, daß man auf ihn mit Fingern zeigt. den Münchener Palaft aus Glas und Eisen innerhalb weniger Stun­Die Kreissäge" ist tot und nichts wird mehr diesen runden, den völlig vernichtete, erklärt sich daraus, daß die Innenausstattung schweren, harten und unbequemen Deckel lebendig machen. Wenig- der eingebauten 75 Räume ausschließlich aus Holz und Lein­stens in Deutschland nicht. Denn die englischen Butterblumen- ro and bestand. Nachdem die ersten Scheiben gefprungen waren, fabrikanten haben noch mal eine Galgenfrist erhalten, feitdem der ging ein starker Luftzug durch das Gebäude, der für die Ausbreitung Brince of Wales nach Südamerita mit einer Kreisfäge" des Feuers geradezu ideale Borbedingungen schuf. Dazu tam, daß gefahren ist. Jetzt sind alle Londoner Hutgeschäfte mit Kreissägen" die angesammelten Staubmengen, die sich bei den Einbaufen von vollgestopft. Das nebenbei. Daß bei uns der Strohhut gleich, ob Leinwand und Rupfenstoffen nie vermeiden laffen, dem Feuer be­Kreissäge oder Fassonhut so sehr ins Hintertreffen geraten ist, fondere Nahrung bieten mußten. Der rasche Einsturz des liegt auch viel an der Konkurrenz der Filzhutindustrie. Sowohl Gerüffes war eine Folge der durch die Hike erfolgten Ausdeh­die Haarhut wie die Wollhutleute haben sich beizeiten nach der nung der Eisenteile, die die Auflage und Befestigung Decke gestreckt und äußerst leichte Formen hergestellt, die den Stroh­sprengten und die zusammenhängende konstruktion ins Wanten hut verdrängt haben. Dazu etwas anderes, mas jeder selber deutlich bringen mußten. Einen Begriff der schnellen Ausbreitung des genug beobachten kann: die hutlose Mode. Die Männer Feuers gibt die Tatsache, daß eine Gruppe Studenten furz nach rebellieren einfach gegen ihre unsinnige Kleidung; was den Frauen 3 Uhr morgens die Frontstraße des Glaspalaffes passierte, ohne daß schon längst recht ist, soll ihnen nur billig sein. Als erstes hat der fie irgend etwas bemerkte, während bei ihrer Rückkehr schon nach Hut daran glauben müssen, das Nächste wird der Kragen sein. einer Biertelstunde die lodernden Flammen fast aus allen Teilen des Die Hutfabrikanten haben übrigens schon eingesehen, daß es sich Gebäudes schlugen. hierbei nicht um eine vorübergehende Modeerscheinung handelt, fondern um eine beachtenswerte Auswirkung der immer tiefer sich einwurzelnden Anschauungen über eine naturgemäße Lebensweise. So schreibt die Deutsche Hutmacher- Zeitung":

Dieses ohne Kopfbedeckung gehen, ist direkt ein Bedürfnis geworden. Nun hieße es aber gegen den Strom schwimmen, wollte man dieses Bedürfnis zu unterdrücken versuchen. Das Resultat müßte immer, gleichviel welche Mittel, meiche Reklame

Für jedes

Die im Jahre 1854 in der Refordzeit von acht Monaten erbaute Eisenhalle bedeckte rund 11 000 Quadratmeter des in unmittelbarer Nähe des Nähe des Bahnhofs befindlichen Alten Botanischen Gartens. Sie war gedacht als eine Halle für alle möglichen Aus­stellungen, erhielt aber ihre Weltberühmtheit erst durch die epochalen internationalen Kunst ausstellungen in den achtziger Jahren. Seitdem war sie zu einem Wahrzeichen Münchens geworden, das auf

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das hellste

die Fremden große Anziehung ausübte. In der letzten Zeit war die Zweckmäßigkeit des Glaspalastes wiederholt umstritten.

Wie sich jetzt herausstellt, wurden von den 3000 Gemälden nur elwa 50 unversehrt geborgen, ferner einige Plastiken, darunter solche ton Rodin . Die Retter waren neben dem Hausverwalter des benachbarten Chemischen Instituts vor allem Arbeiter, die auf dem Weg zu ihren Werkstätten gegen 4 Uhr am Glaspalast vor­beitamen. Wohl den schwersten Verlust für die Kunst bedeutet die Bernichtung der Gemälde der deutschen Romantik, die zwar mit 1,3 Millionen Mark versichert sein sollen, was aber nicht einmal dem Handelsmert, geschweige denn dem Liebhabermert entspricht. U. a. find drei interessante Landschaftsbilder von Karl Blechem aus der Berliner Nationalgalerie vernichtet worden, ferner acht Werke Kaspar David Friedrichs und eine Reihe der beliebtesten Bilder von Moritz von Schwind , z. B. ,, Die nächtliche Fahrt", Des Knaben Wunderhorn ", Ritter Kurts Braunfahrt", schließlich auch eine Reihe von Bildern von Joseph Anton Koch und Peter Cornelius. Sehr schwer betroffen ist auch der weltbekannte Schweizer Maler Amiet , der mit einer Ausstellung seines Lebens­werkes gekommen war. Der schon befahrte Künstler wird kein ein­3iges Wert feiner Lebensarbeit wiedersehen ganz abgesehen da­von, daß seine Bilder auch nicht versichert gewesen sein sollen.

Hilfsaktion eingeleitet.

3m bayrischen Kultusministerium fand eine Be­sprechung über den Brand des Glaspalastes statt; dazu waren er­fchienen sämtliche bayerischen Staatsminister und ihre Stellvertreter, Vertreter des Landtages und der Stadt München , der Polizeipräsi­dent, die oberste Baubehörde, Vertreter der Künstlerschaft und des Halfsbundes für die Einwohnerschaft München . In der Besprechung wurde beschlossen, sofort eine Hilfsaktion durch öffentlichen Aufruf an das ganze deutsche Bolt einzuleiten. Ferner wurde vereinbart, eine Erjatausstellung zu veranstalten, zu welcher die Kunstverwaltung die Räume der neuen Pinakothet zur Berfügung stellen wird.

Den ganzen Sonnabend über war die Brandstätte am Glas­

palast das Ziel Tausender von Menschen. Ueberall in der Stadt wird das traurige Ereignis in Gruppen besprochen, und an den Anschlagtafeln der Zeitungen sammeln sich immer wieder Menschen­maffen, um Einzelheiten über die Katastrophe zu erfahren.

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