Gerdiand: Sin Heuer gewartet
fflewnüfrer der grohen Doppelgemeindeschule liegt ein« Park. anläge mit grünen decken und Sträuchern, mit winzigen Rasen- flächen, Bänken, zerbröckelten Faunstatuetten und einem auegetrock- neten Springbrunnen. Dies bißchen Grün, diese weißen Bänke und der Buddelplatz sür die Kleinsten bringen etwas Frohsinn, etwas verirrte Natur und ein wenig Gesundung in diese arme, angc. kränkelte Gegend. Das riesige, unfreundlich« Gebäude der Schule wirkt aber einschüchternd auf den von kleinen, lichten Bäumen umstandenen„Park", Dies rote, tasernenmähige Haus erdrückt brutal die winzige Oase in der steinernen, asphaltierten, gemauerten Stadt» wüste. Di« Bänke der Anlog« sind vom frühen Morgen bis zum Abend besetzt. Arbeitslose versuchen hier die Gedanken zu verscheuchen, die sie in den muffigen Stuben anfallen. Ganz alte Männer sitzen hier, manche mit Medaillen auf der Brust, manche mit erloschenem Blick in den trüben Augen, viele, die während mühsamer, geguäl- ter schnell absackender Diskussionen noch hitzig werden und solche, die für alles nur ein Achselzucken haben, sie verstehen die tempn- besessen«, harte, grausame Stadt nicht mehr. In der Lethargie dieser Menschen, der jungen und alten, der Frauen und Männer, der hofsenden und jener, die ihre Hossnung an den Nagel gehängt haben, wie einen ausgedienten Bratenrock. dringt in Abständen von jeweils 40 Minuten ein Lachen, Prusten und ein Lebensatem aus dem ganz großen Schulhof, der von den Straßen nur durch Gitterstobe getrennt ist. Es ist Pause. Im Kreis gehen Arm in Arm die Mädchen in lichten Kleidern und auf der anderen Seite die Jungen, die kleinen und die größeren. Selten verirrt sich ein Nußstangenfridolin oder ein Etswoffeladolar hier- her. Dos sind die Kinder armer Leute. Die Kinder der Erwerbs- losen sind dabei, die in der Parkanlage sitzen, plötzlich aufspringen, an die nächste Eck« rennen, wo gratis ein Arbeitsmarkt verteilt wird, und immer wieder kommen und immer heftiger sich gegen die bestialischen Gedanken wehren. Es ist schon gegen 12 Uhr mittags. Der Schulhof ist leer. Nur eine Klasse kleiner Jungen spielt in einer Eck« Völkerball. Der große Sandplatz wirkt dadurch nur noch kahler. Ein junger Mann geht langsam die Straße hinauf. Er schaut auf sein« Armbanduhr. Er wartet wohl. Es ist im Wohnviertel der Proleten sehr still. Nur aus einem geöffneten Fenster der Schulkaserne dringt ein Frühlingslied, von dünnen, zirpenden Stimmchen gesungen, cin Frühlingslied, das sehr oft jäh abbricht. In den Zwischenräumen
tönt«in« suchtige Stimme. Dann geht es wieder an. Man hört die Unlust der singenden Kinder aus dem kahlen, nackten Klassen- zimmer schallen. Der junge Mann hat Zeit. Man fühlt es förmlich, wie er sich fürchtet vor der träge dahinfchleichenden Zeit. Er steht am Zaun und sieht den spielenden Jungen zu, blickt wieder auf seine Uhr und geht dann weiter zur Parkanlage, geht vorbei an den Mädchen, die da sitzen und Kitschromane zerlesen, an den jungen Männern. an den Uralten.... In aller Augen zuckt es fluchtig auf.„Das ist ein Neuer!" sagen die Blicke.„Der gehört zu uns!" Die lang- samen, schleppenden Schritt« de- Neuen, des Arbeitslosen, des Gut- gekleideten, der wohl noch nicht lange stempelt, noch Hoffnung hat, sagen es. Er setzt sich. Es ist gleich zwölf. Einige der blassen und koketten, der schlam- pigen und geschminkten, der matronenhaften, der jungen und jung- sten Mütter erheben sich, um die winzigen Kindgeschöpfe, die im Sandkasten krabbeln, um die Kinder von der Schule zu holen. Der jung« Mann steht auf und geht. Vor dem Schultor wimmelt es. Schulschluß Der Kleinsten. Der„Neue", der Arbeitslose steht etwas abseits. Die Mütter unter- halten sich. Sie nehmen ihre kleinen Mädchen und Jungen an die Hand und ziehen schweigend, bedrückt, ja, angsterfüllt, fast drohend über dem Geelucks der Kleinen ab. Die kleine Quelle der Kinder ist versiegt. Die Schulglocke läutet. Der Hof leert sich. Die Straße ist wieder still. Und die wartenden Mütter sind aus der Anlage verschwunden. Aber auch die, die bleiben, warten. Aus das Glück, auf ein« Stellung, auf Ar- beit, auf den Tod.... Vor dem Schultor steht ein kleines Mädchen. Es trägt ein buntes Kleidchen. Jetzt hebt es den Zipfel des Kleides und fährt damit in die Augengegend. Weint das Kind? Jetzt erst geht der „Neue", der immer öfter und länger in der Anlag« warten wird, auf das kleine Mädchen zu. Als es den Vater sieht, oersiegen die Tränen. Dann fragt es nach der Mutter, die sonst immer kam„Mutter hat ein« Stellung, gefunden!" Cr faßt mit einer fremden, umständlichen Beweguge die Patschhand der Tochter. Sie gehen. Das Kind hüpft neben seinen ausholenden, schleppenden Schritten. Der kleine Mund plap- pert. Der Vater schweigt. Sie gehen. Immer verbissener wird sein Schweigen, immer schleppender werden seine Schritt« werden, je länger er in der Parkanlage warten wird....
Waller Xelfllkote: Sinkehr Srmähhmg aus dem Jugendherbergsleben
In den Wald krönen hingen die Nebelgewänder düster dahin- stürmender Wolkenfrauen, die unaufhörlich Regenströme auf die längst satte Erde schütteten. Der Herbergsvater der Jugendherberge in W. saß in seinem Der- waltungszimmer, mutterseelenallein. Ungewohnte Stille war um ihn. Kein Lachen umschwirrte ihn, kein Scherz oder Singen klang. Hans, der Schäferhund, war auch voll Müdigkeit und Verstim- mung. Er war der Freund der Jungen und Mädel, die mit ihm scherzten, herbergten, weiterzogen, dem Bach, den Winden, den Wolken noch. Der Herbergsvater sah nach der Uhr. Eine Gruppe war ange- meldet. In einer Stunde wollte sie eintreffen. Ob sie kommen wur- den? Bei solchem Wetter? Und dazu noch Mädchen, stets gehegter als Jungen, und von einer Lehrerin geführt, die immer vor- sichtiger, bedächtiger war al» ein männliches Wesen. Die Stunde verrann. Niemand kam. Hans lag an der Tür, döst« und blinzelte mit müden Augen, und der Herbergsvater los ein Nachrichtenblatt, während draußen die Regenfrauen, schwer und grau durch Feld und Wald stapften. Da spitzte Hans die Ohren! Dann sprang er an die Tür, öffnete sie— das hotten ihn die Großstadtjungen gelehrt— und stürmte hinaus. Und schon kamen sie herein, frisch und fröhlich, triefend vor Nässe wie vierzehn Nein« Regenfräulein. Und mit ihnen kam die treue Hüterin, ihr Fräulein Franziska, fast wie eine uralte Wolkenfrau aussehend— wäre nicht im Auge ein helles Leuchten gewesen. „Guten Tag, Herbergsvater! Da sind wir!" „Kinder, nicht so drängen! Schnell umziehen' Trockene Sachen an!" Und zum Wirt gewandt, fragte die besorgte Leiterin: „Ist der Ofen geheizt?" Die Mädchen hatten längst die köstliche Wärme entdeckt und jubelten:„Großartig! Und wißt Ihr, wa» es nachher gibt? Schweinerippchen mit' Sauerkraut!" „Hm!" mochten alle, bis auf eine. Die meinte:„Bloß Rippchen? Ich könnte richtige Rippen verschlingen, solchen Hunger habe ich!" Die vierzehn Regenfräulein verschwanden in dem ihnen zu- gewiesenen Raum. „Und nun, Herr Wirt, wo kann Ich mich umziehen? Wo ist mein Zimmer?" „Dort, wo die Schülerinnen sind!" Da wurde das Antlitz von Fräulein Franziska wirtlich grau. Da, Leuchten im Aug« starb, und sie erschrak heftig: „Ich soll dort mit den Mädchen zusammen schlafen? Ich habe immer mein Zimmer gehabt!" Haben Sie keinen Raum für mich, bestimmt nicht?" „Nein, verehrhtes Fräulein, Jugendherbergen sind keine Hotels!" Aerger und Zornesröte brannten auf den Wangen der Führerin. Währenddessen zwitscherte drinnen die vierzehnköpfige Schwal- benschar, al» sei blouester Himmel und ungetrübtester Sonnenschein. „Ich werde mich beschweren!" ereiferte sich Fräulein Franziska. Ich bin bejahrt! Ich wandere gern. Aber mein Zimmer muß ich hoben. Oder ich muß umkehren!" Und die Tür öfnend schrie sie den Mädchen zu: „Ruhe! Ist das ein Benehmen?" Die Tür polterte ins Schloß. Verständnislos schwieg die Schar, doch nur für einen Augen- blick. Dann lochte wieder frohe Sorglosigkeit von plappernden Lippen. Ernst und bestimmt entgegnete der Herbergsvater:„Umkehren können Sie! Auch die Beschwerde steht Ihnen frei!" „Ist hier ein Gasthaus?" „Ein sehr einfaches, im Dorf, zehn Minuten von hier." „Dahin werden wir gehen!" Und die Tür zum Mädchenraum öffnend, rief sie:„Kinder, wer kommt mit in einen Gasthof? Er ist nicht weit von hier. Es gibt da Zimmer!" Alles schwing. Man hörte draußen den Regen. „Nun, wer hat Lust und Mut?" „Fräulein Franziska, ist es hier nicht viel netter als in Gast
höfen und Hotels? Wir möchten hierbleiben", riefen zwölf Zungen. Zwei der Mädchen waren schon in der Küche tätig. „Unerhört!" Mehr konnte Fräulein Franziska im Augenblick nicht sagen.„Dann geh ich eben allein!" Der Herbergsvater bemerkte:„Es finden übrigen» im Gasthof nur drei bis vier Personen Platz. Außerdem dürft« Ihr Auszug sich wohl kaum mit den Pflichten einer Führerin vereinen lasten. Wandergruppen sind in allem ein» Einheit." „Aber, Herr Hausvater, da» weiß ich! Doch sehen Sie, ich bin alt! Ich habe nie mein Schlafzimmer mit jemand geteilt und soll mich nun--- Nie! Nie! Lieher hock ich in der Küche!" „Fräulein Franziska, die Büchsen sind geöffnet. Sollen wir die Rippchen aufs Feuer fetzen?" „Natürlich!" Barsch und schneidend wie Novemberwind klang da» Wort. Und zum Wirt gewandt:„Die Sache ist erledigt. Ich werde ganz energisch Beschwerde einlegen!" Bold darauf sperrten die vierzehn Mädel die hungrigen Schnöd- lein auf. schmatzten, schwatzten, scherzten, und als alle Schüsseln leer waren, begannen sie ein Tänzchen zum Klang ihrer Gitarren. Di« Augen de« Herbergsvaters strahlten! Han» sprang bellend herum. Doch abseits saß urgrimmig und zu eisigem Polarschweigen er- starrt die Führerin. — Die Zeit des Schlafengehens war gekommen. Au» Decken. Vor- hängen und Aerger hatte Fräulein Franziska eine Mauer um sich gebaut, hinter der sie in ihr Lager stieg und sich entkleidete. Sie tat kein Auge zu, aber auch den Mund nicht auf, als die vierzehn anfingen zu schnattern, al, seien sie plötzlich Gänschen ge- worden. Sie glaubten„die Alte" schlafend. Jugend redet ohne Vor- ficht. Doch auch vieles Schöne drang ans Ohr der Lehrerin, Träume von Zukunft, Ferne. Glück. Allmählich wurden auch die eifrigsten Zungen müde, und nur noch tiefe Atemzüge gesunder Jugend schwebten im Raum. Nur eine fand keinen Schlaf, sondern zürnte ihrem Geschick, grübelte, lauschte dem strömenden Regen, sann, erwog, überlegte und hielt stumme Zwiesprache mit der eigenen lange entschwundenen Lugend. Fräulein Franziska sah sich als kleine» Mädchen, umhegt, be- hütet, bevormundet. Ach, wie oft hatte es geheißen:„Das darfst du nicht, Fränzi, das schickt sich nicht!" Wie gern hatte sie den Wald durchstreift, Blumen gepflückt, oder im Waldgros gelegen. Und wenn die Heidelbeeren reiften und die Erika zu blühen begann und eine tiefe Sonnenstille im Walde wie träumend ruhte, dann war sie im innersten Herzen wahrhaft beglückt gewesen— bis harte, tadelnde, immer nörgelnde Worte sie aus harm- loser Freude aufschreckten. Und doch wußte sie nie, was sie eigentlich verbrochen hatte. Und die Reisen mit den Eltern— ach, die waren stet» so förm- lich und steif, so vorschriftsmäßig und alttantenhaft gewesen, daß ihr Nein«», übermütiges Herz und ihr heiteres Gemüt allmählich ganz unfroh wurden. Etwas Ungelebtes war in ihr verschlossen worden und hatte sie vorzeitig alt gemucht. Wie anders war die Zeit jetzt! Heute durste die Jugend jung fein und wie Bienen wandernd im Lande umherschwärmen! Wie ruhig die Schar atmete! Sicher blühten auf allen Wangen Röslein, Traumröslein sorgloser Iugendwanderfreude. Fräulein Franziska strich mit der Hand über ihre Ettrn, als wollte sie etwas wegwischen. Sie ballte die Hand zur Faust. Ja. zerknüllen wollte sie die alten verschrobenen Anschauungen, welche einst herrschend gewesen. War es nicht wunderschön, nach dem Wandern ein freundliche» Dach in einem gastlichen Heim über dem Kopf zu haben, da» nicht Kalkulation erbaut hatte und betrieb, sondern Menschenfreundlichkeit und Liebe zur wandernden Jugend?
Nein, sie wollte nicht mehr zürnen— sondern versuchen, vtti säumte Jugend nachzuholen.-- Vierzehn Lerchen sangen, vierzehn Finken schlugen vor Seligkeit, al» sie am Morgen den Himmel wie eine blaue strahlende Glocke sich in unendlicher Höhe wölben sahen! Vor dem Abschied aber sagte Fräulein Franziska zum Haus- vater:„Gestern hätte ich Sie umbringen können— heute bin ich die Fünfzehnte der Schar! Und so soll» bleiben! Auf Wiedersehen!" In der Ferne oerklang ein Lied—— „Wir sind jung, die West ist offen! O du weite schöne Welt————
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Gerhard Tenamer: 3)ie Jßhtme des Oaseans Slippvlffle auf tlladeira „Hamburg — Madeira — Südamerika " lautet die Route meine» Dampfers; das bedeutet ein paar Stunden des Aufenthaltes aus der herrlichen„Grünen Insel" der Portugiesen, auf der längst der Sommer seinen Einzug gehalten hat, wenn sich bei uns noch kaum erst der Frühling schüchtern hervorwagt. Kaum ein« Woche ist der schmucke Ueberseedampfer seit der Abfahrt von Hamburg unterwegs, hat bei täglich wärmer werdender Witterung Nordsee , Kanal und Golf von Bistaya durchquert, und nun taucht aus tiefblauem Meer ein schmaler Landstreifen empor: Madeira , die„Blume des Ozeans". Höher und höher steigt da» einsame Eiland aus dem azurnen Gewoge, schon von ferne den Ankömmling durch«in wahres Bukett leuchten- der Farben überraschend. Welch ein beredtes Bild, von der vulka- nischen Vergangenheit der Insel und von ihrem erdgeschichtlichen Aufbau offenbaren die Steilabsälle, in denen das Ufer gegen die See zu abstürzt! Wie seltsam der Kontrast zwischen den finsteren Basalt- und Lavabänken und den leuchtend roten Aschenmassen; zwischen den grünen Tälern und den wüsten, mit Schlacken und Geröll erfüllten Schluchten, in denen sich dereinst die glühenden Lavaström« zu Tal wälzten! Von den endlosen Urwäldern freilich, die die Portugiesen bei der Entdeckung der Insel im Jahre 1419 vorfanden, und die dem Eilande die Bezeichnung„Holzinsel" eintrugen, ist nichts mehr zu sehen. Rücksichtsloser Raubbau hat die weiten Wälder so gut wie resttos verschwinden lassen. Aber die Entdecker haben nicht nur zer- stört, sie bauten auch auf! Dessen wird man inne, nun sich das Schiff der paradiesischen Bucht von Funchal nähert. Leuchtend weiße, rol- gedeckte Häuser inmitten des üppigen Reichswms südlichen Pslanzen- wüchse», dahinter sanft geschwungene grüne Höhen, von nackten Fels- schroffen unterbrochen, die im Sonnenglast flimmern;— davor die abgründige Bläue des Meeres; ein ungeheurer Saphir, in dessen schimmernder Fläche sich das Bild dieser traumhasten Insel spiegelt. Freilich, sie braucht durchaus nicht immer so romantisch-verjonnen zu sein, wie es die Unruhen bewiesen haben, von denen Funchal vor kurzem heimgesucht wurde. Indessen— von solchen Angelegenheiten pflegt man in den Ländern des Südens nicht so viel Aufhebens zu machen wie bei uns; sie gehören beinahe zum„normalen" Verlauf der Dinge. Kaum ist der Anker gefallen, so fällt ein Schwann lebhafter brauner Menschen über das Schiff her und überschüttet auch die an Bord Verbleibenden mit Beweisen der gesegneten Fruchtbarkeit dieser glücklichen Insel. Körbeweise werden Blumen und Früchte auf den Dampfer geschleppt. Dann drängen sich die Passagiere in sommcr- lich leichter Kleidung am Fallreep, und die Barkassen bringen mit lustigem Knattern ihre lebende Fracht ans Land.— In possierlichem Ochsengespann, das statt der Räder Kufen trägt und so bunt verziert ist, daß es eher zu einem Karussell zu gehören al» wirklichem Verkehr zu dienen scheint, fährt man zur Zahnrod- bahn, die auf den„Monte" hinausführt. Alle Gespanne laufen hier aus Kufen, und wirklich ist da» buche Kopfsteinpflaster aus Basblt- geröll durch das ständige Abschleifen so glatt geworden, daß die sonderbaren Gesährte nicht anders dahingleite!', als Schlitten durch Schnee. Erst durch Nebenpslanzungen und blühende Gärten mit Palmen und Araukarien, Azalien, Kamelien und der ganzen üppigen Vege-. tation südlicher Länder, dann durch prachtvolle Platanen- und Eichen- wälder steigt die Bahn auf die Kuppe des grünen Berges, der die Stadt überragt. Wundervoll ist der Blick hier von oben. Tief unten im Tale die malerische Stadt, mit grünen Hängen sich amphitheatra- lisch an den Berg schmiegend. Ringsum in blauer Unendlichkeit der Ozean. Wie ein Spielzeug liegt der große Dampfer in der Bucht. Boote und Barkassen gleiten gleich winzigen Insekten durch da» Meer. Ungern nur reißt sich da» Auge los von dem zauberischen Bilde. Aber die bläuliche Rouchfahn«, die sich über dem Kamin de» Schisse» ktäusest, gemahnt an baldige Abfahrt. Auf regelrechten Rennschlitten fährt man zu Tal. Der grau- haarige Alte, der den Schlitten lenkt, versteht sich auf sein Handwert nicht schlechter als der Führer eines Bobsleighs in Davos oder in St. Moritz . Kurze Barkassenfohrt, und schon liegt die Stadt wieder hinter mir, umjaßt der Blick die Spitze des Berges, von dem herab man vor kaum einer Stunde noch die wette Sicht über die Bay von Funchal genoß. Dreimal heust die Dampfpfeife auf. Dann geht ein Zittern durch den Leib des Schiffes, und die schäumenden Wirbel am Heck künden, daß die Propeller ihre ersten Umdrehungen tun. Rasch vergrößert sich die Entfernung zwischen Dampfer und Land. Der Himmel überzieht sich mit glutendem Rot. bläuliche Schatten legen sich über das einsame Etland, das mehr und mehr in sich zusammenschrumpft: gleichsam, als fei es für kurze Zeit aus dem Meere ans Licht gestiegen, um nun wieder in die dunklen Tiesen des Ozeans zurückzukehren. Die weißen Häuserzeilen zwischen den grünen Gärten und Wein- bergen tauchen in dämmerigen Dunst, die Umrisse der Berge zer- fließen im Abendnebel. Von den Höhen de» Torgebirges schickt eben ein einsamer Leuchtturm das erste flammende Strahlenbündel über die See. Lange noch, nachdem von Madeira nichts mehr wahrzu- nehmen ist, zuckt der matter und matter werdende Blitz über das Meer. Dann verschlingt auch ihn der Ozean, und nur der breite Schaumstreif, der sich hinter dem Schiff durch die Fluten zieht, weist noch die Richtung, in der die„Blume des Ozeans" liegen muß.
Leprakranke in Deutschland . Im Jahre 1930 wurden sechs neue Fäll« von Aussatz gemeldet, und zwar je einer aus Preußen und Württemberg und vier aus Hamburg . Bei den beiden ersten handelte es sich um Rückwanderer, bei den anderen vier um Ausländer: von diesen kamen drei aus Südamerika und einer aus Estland . Die An- steckung war, soweit es ermittelt werden tonnte, im Ausland, zumeist in Südamerika , erfolgt. Von den bereits früher gemeldeten Kranken wurde in Preußen einer unter Verpflichtung zur dauernden Beob- achtung entlassen, ferner reiste je einer aus Hessen und Hamburg im Berichtsjahre in seine Heimat ab, ebenso aus Hamburg ein neu ge- meldeter Kranker. Ein im Jahr« 1927 in Hamburg eingetroffener Kranker wurde am Ende des Jahres 1930 nach einem preußischen Ort oerlegt. Am Ende des Jahres betrug somit die Gesamtzahl der im Deutschen Reich in Behandlung befindlichen Aussatzkranken 10 (gegen 8 am End« de» Jahres 1929). Davon befanden sich in Preußen 3(2). Württemberg 1(—), Hessen —(1), Hamburg 4(3), Lippe 1(1) und Lübeck 1(1).